Titel:
Erfolglose Asylklage einer ugandischen Staatsangehörigen
Normenketten:
GG Art. 16a Abs. 1
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz:
In einer Gesellschaft- wie der in Uganda -, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden und Ausleben der eigenen lesbischen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt, was eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen bedeutet und sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Homosexualität (lesbisch), Homosexualität, gesellschaftliche Konventionen, gesteigerter Vortrag, Fälschung, problemlose Ausreise, gleichgeschlechtliche Beziehung, unglaubhaft
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29441
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die 1994 geborene Klägerin ist ugandische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben am … Januar 2019 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … März 2019 einen unbeschränkten Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 18. März 2019 und … Mai 2019 gab die Klägerin im Wesentlichen an, sie habe Uganda verlassen, da ihr unterstellt worden sei, sie sei homosexuell. Ihr Onkel habe sie zwingen wollen, früh zu heiraten. Deshalb habe ihr Onkel sie angezeigt, woraufhin sie und alle weiteren Gäste auf ihrer Geburtstagsparty am … September 2018 festgenommen worden seien. Sie sei daraufhin zur Polizeistation N… und anschließend ins Gefängnis Na… gebracht worden. Im Gefängnis habe die Polizei ihr mitgeteilt, dass sie wegen ihrer Homosexualität entweder gesteinigt oder verklagt werde. Unter dem Vorwand einer medizinischen Behandlung habe sie das Gefängnis Mitte Oktober verlassen dürfen und sei zur Anhörung für die Visabeantragung bei der Botschaft gegangen. Im Anschluss sei sie zurück ins Gefängnis. Ihre Schwester habe die Polizei bestochen, sodass sie das Gefängnis am … Oktober 2018 habe verlassen dürfen. Der auferlegten Verpflichtung, sich am … November 2018 erneut bei Gericht zu melden, sei sie nicht nachgekommen, sondern habe stattdessen Uganda in Richtung Deutschland verlassen.
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Mit Bescheid vom … Juni 2019 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2019 hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... Juni 2019 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen und ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen
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3. Hilfsweise wird beantragt, der Klägerin subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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4. Hilfsweise wird beantragt festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Die Klage wurde bisher nicht begründet. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erstmals vorgetragen, homosexuell zu sein.
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Die Beklagte hat die Akten vorgelegt, ohne sich in der Sache zu äußern.
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Mit Beschluss vom 14. August 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen, § 76 Abs. 1 AsylG.
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Am 26. September 2023 fand mündliche Verhandlung statt, in deren Rahmen die Klägerin informatorisch angehört worden ist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift vom 26. September 2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Asylgesetz – AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz – GG), auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG oder auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Nationale Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG liegen nicht vor. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes erweist sich als rechtmäßig (§ 11 AufenthG). Die Klage war daher abzuweisen.
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Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 3 AsylG). Änderungen der Sach- oder Rechtslage sind zwischen dem Zeitpunkt des Bescheiderlasses und dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht eingetreten.
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Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 GG), ebenso keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG). Sie hat kein Verfolgungsschicksal geschildert, das einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 GG) wie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) rechtfertigen würde.
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Der Vortrag der Klägerin ist unglaubhaft. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, sie sei homosexuell und befürchte daher eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda.
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Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden und Ausleben der eigenen lesbischen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat die Klägerin nichts Überzeugendes vorgetragen. Insgesamt wirkt der Vortrag der Klägerin zu ihrer angeblichen Homosexualität sehr knapp, oberflächlich und aufgesetzt. Angesichts der Rahmenbedingungen, wonach gerade in einer diese Form der Sexualität ablehnenden Gesellschaft wie der in Uganda eine lesbische Beziehung einen Verstoß gegen die Regeln darstellt, muss wenigstens ein Erkennen der Grundproblematik des Dilemmas zwischen gesellschaftlichen Konventionen und dem Erkennen der eigenen sexuellen Orientierung angegeben werden. Hierzu hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen. Auch auf wiederholte Nachfrage zu den Konsequenzen ihrer homosexuellen Orientierung in der homophoben ugandischen Gesellschaft gibt die Klägerin lediglich an, sich bei ihrer Freundin „wohl gefühlt“ zu haben. Besonders der Vortrag, sie habe geplant, in Uganda mit ihrer damaligen homosexuellen Freundin Kinder zu adoptieren und eine gemeinsame Familie zu gründen, blendet aus, dass diese Form der Sexualität und erst recht die Gründung einer Familie durch gleichgeschlechtliche Partner von der ugandischen Gesellschaft abgelehnt werden. Hierzu hat die Klägerin nach Rückfrage des Klägerbevollmächtigten, ob eine Adoption durch ein gleichgeschlechtliches Paar denn realistisch sei, lediglich vorgetragen, dass dies nicht erlaubt sei. Wenn die Klägerin vorträgt, dass es wichtig für sie sei, „mit einer Person zusammen zu sein, mit der sie glücklich sei“ und auch Kinder in Uganda adoptieren würde, wenn es sie „glücklich mache“, ist hierin nicht ansatzweise ein „inneres Ringen“ zwischen den von ihr erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung vorgetragen. Ein solcher Prozess drängte sich geradezu auf, nachdem sich die Klägerin entsprechenden Erwartungen der Gesellschaft gegenübersah. Zum Zwiespalt zwischen den nach außen erwarteten Konventionen gegenüber der eigenen sexuellen Veranlagung, hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.).
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Im Übrigen hat die Klägerin ihren Vortrag im Vergleich zur Anhörung vor dem Bundesamt deutlich gesteigert. In der Anhörung hat die Klägerin noch angegeben, sie sei (lediglich) bezichtigt worden, homosexuell zu sein, während sie sich (erst) in der mündlichen Verhandlung auf die eigene homosexuelle Orientierung berufen hat. Die Klägerin konnte dieses verspätete Vorbringen nicht genügend erklären. Der Vortrag, sie habe vor dem Bundesamt Angst gehabt, wirkt platt und oberflächlich. Es ist nicht ersichtlich, warum die Klägerin den Umstand der eigenen homosexuellen Orientierung nicht schon früher vorgetragen hat (VGH BW, U. v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris Rn. 35; Hess. VGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris Rn. 15).
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Unterstrichen wird der Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin durch den Umstand, dass sie angegeben hat, sie sei wegen eines Verbrechens mit Todesstrafe im Gefängnis gewesen. Unter dem Vorwand, sie habe wegen Kopf- und Hüftschmerzen einen Termin im Krankenhaus, habe sie das Gefängnis kurzzeitig verlassen dürfen und sei stattdessen zu ihrer Anhörung für die Visabeantragung bei der Botschaft gegangen. Dieser Vortrag ist völlig unplausibel. Es leuchtet nicht ein, dass eine Person, der die Begehung eines schweren Verbrechens vorgeworfen wird, wegen Kopf- und Hüftschmerzen das Gefängnis unbewacht verlassen darf.
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Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Vorfall, der zur Verhaftung bei der N… Police Post geführt haben soll, erlebnisbasiert und damit glaubhaft ist. Denn die Klägerin hat von diesem Vorfall nur sehr knapp und teils widersprüchlich berichtet. So hat die Klägerin in der Anhörung vorgetragen, es habe sich um eine Lesben-Schwulen-Party gehandelt, während sie in der mündlichen Verhandlung bestätigte, es seien lediglich Lesben auf der Party gewesen. Diesen Widerspruch konnte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend ausräumen.
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Ernsthafte Zweifel daran, dass die Klägerin wegen ihrer Homosexualität festgenommen worden ist, bestehen auch aufgrund des vorgelegten „release on bond“-Schreibens. Auffallend ist, dass als Strafvorwurf „Homosexuality“ angegeben ist, was im Strafgesetzbuch (Penal Code Act 1950) so nicht zu finden ist. Daneben liegt dem Gericht eine in den Erkenntnismitteln befindliche Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 15. Mai 2019 vor. Hierin hat das Auswärtige Amt ein anderes release on bond-Schreiben überprüft und als Fälschung eingeordnet. Begründet wurde dies damit, dass weder die Unterschriften, noch die Stempel und Registernummern stimmen würden und zudem in release on bond-Schreiben keine Geldsumme genannt werden dürfe. Da in dem vorgelegten release on bond-Schreiben eine Geldsumme (500.000 Uganda Shillings) genannt ist, kann angenommen werden, dass es sich ebenfalls um eine Fälschung handelt. Es gibt keinen Anhalt, an den amtlichen Informationen und Auskünften zu zweifeln. Weiter ist die Klägerin problemlos über den Flughafen E… ausgereist, obwohl sie nicht zu dem auf dem „release on bond“-Schreiben genannten Termin bei der Polizeistation erschienen ist. Aufgrund der Kontrolldichte an diesem Flughafen ist bei einem ernsthaften Verfolgungsinteresse seitens des ugandischen Staates das Risiko einer Festnahme sehr hoch (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21.3.2013 an VG Augsburg). Auch das zeigt, dass die Unterlagen, die ein hinsichtlich der Klägerin eingeleitetes Strafverfahren belegen sollen („release on bond“), nicht authentisch sein können. Auch wenn zwischen der Entlassung und der Ausreise ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht, ist zweifelhaft, dass für die Klägerin, die angegeben hat, sie solle gesteinigt werden, die Ausreise über den Flughafen E… problemlos möglich gewesen sein soll.
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Schließlich bedingt auch die Behauptung der Klägerin, in Deutschland mit einer Frau zusammen zu leben, nichts Anderes. Denn der Klägerin gelingt es nicht in überzeugender Weise, die Entwicklung der Beziehung zueinander darzulegen. Insbesondere konnte die Klägerin nicht nachvollziehbar darstellen, wie sich die Beziehung von einer freundschaftlichen Beziehung hin zu einer partnerschaftlichen homosexuellen Beziehung entwickelt hat. Der Vortrag, sie hätten sich am Flughafen kennen gelernt, sie habe der Freundin irgendwann erzählt, dass sie lesbisch sei und es habe sich eine Beziehung entwickelt, ist wenig detailliert. Die Angabe, sie hätten das erste Mal nach einem gemeinsamen Besuch des Oktoberfests Geschlechtsverkehr miteinander gehabt, wirkt platt und oberflächlich. Dass die Klägerin eine homosexuelle Beziehung zu einer Frau in Deutschland führt, ist mithin nicht hinreichend plausibel.
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Im Übrigen hat die Klägerin auch in der Vergangenheit nicht davor zurückgeschreckt, vor staatlichen Stellen wissentlich falsche Angaben zu machen. So hat die Klägerin zugegeben, bei der Beantragung eines Visums in der Botschaft in dem Wissen, dass dies unrichtig ist, angegeben zu haben, verheiratet zu sein, um ein Visum zu erlangen. Dieser Vortrag fügt sich in das Gesamtbild der mangelnden Glaubhaftigkeit der Aussagen der Klägerin ein.
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2. Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
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3. Gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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4. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.