Inhalt

VG München, Urteil v. 13.10.2023 – M 31 K 21.31900
Titel:

erfolglose Asylklage (Peru)

Normenketten:
GG Art. 16a Abs. 1
AsylG § 1 Abs. 1, § 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Wenn auch Drogenhandel, organisierte Kriminalität sowie Korruption auf allen politischen Ebenen einschließlich der Polizei in Peru zwar erheblich verbreitet sind, liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass die peruanischen Sicherheitsbehörden generell nicht willens oder unfähig seien, einen zumindest (gerade noch) ausreichenden Schutz der Bürger vor kriminellen Übergriffen, auch solche aus den Reihen korrupter Exekutivorgane, zu garantieren. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylverfahren, Herkunftsland Peru, Bedrohung durch Sicherheitskräfte, fehlende Glaubhaftmachung, innerstaatlicher Schutz
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29437

Tenor

 I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger ist peruanischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am ... Januar 2020 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 18. März 2021 einen Asylantrag.
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Nach vorheriger persönlicher Anhörung am 6. Mai 2021 und 22. Juni 2021 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 13. August 2021, über dessen Zustellung an den Kläger sich indes in der vorgelegten Behördenakte kein Nachweis findet, den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (Nr. 3) ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Peru oder in einen anderen Staat angedroht, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Der Kläger hat am 30. August 2021 zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben. Beantragt wird sinngemäß,
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den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, hilfsweise ihm die Flüchtlingseigenschaft oder weiter hilfsweise den subsidiären Schutz zuzuerkennen, und noch weiter hilfsweise festzustellen, dass bei ihm Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Perus vorliegen.
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Die Beklagte übersandte die Behördenakten. Sie beantragt,
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Klageabweisung
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Mit Beschluss vom 19. September 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der sonstigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Das Gericht konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2023 auch ohne Anwesenheit der Beteiligten zur Sache verhandeln und entscheiden. Der Kläger wurde unter Beachtung von § 102 Abs. 1 und 2 VwGO ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung geladen. Die Beklagte hat auf eine förmliche Ladung verzichtet (1.). Auch lag kein erheblicher Grund für eine Terminverlegung i.S.d. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vor. Die Klägerbevollmächtigte hat die zunächst mit Schreiben vom 20. September 2023 beantragte Terminverlegung nach Erhalt des Gerichtsschreibens vom 21. September 2023 nicht mehr weiterverfolgt; einer solchen hätte es im Übrigen auch der Sache nach nicht bedurft. Ebenfalls bestand vor dem Hintergrund des vom Kläger persönlich gestellten Antrags vom 12. Oktober 2023 kein Grund zur Terminverlegung (2.).
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1. Der anwaltlich vertretene Kläger ist mit Gerichtsschreiben vom 20. September 2023 zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Für die Wirksamkeit der Ladung kommt es darauf an, dass der Bevollmächtigte Kenntnis vom Zugang der Ladung genommen hat (§ 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies ist ausweislich des aktenkundigen Empfangsbekenntnisses (vgl. § 173 Abs. 2 Nr. 1, § 175 ZPO) am 20. September 2023 und folglich unter Wahrung der Ladungsfrist nach § 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO geschehen; der gerichtlichen Hinweispflicht nach § 102 Abs. 2 VwGO ist ebenfalls genügt worden. Damit wurde die Prozessbevollmächtigte, die allein berufene Adressatin der gerichtlichen Zustellung ist (§ 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO), ordnungsgemäß zum Termin geladen, während es einer zusätzlichen Ladung des Klägers persönlich oder auch nur eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises an ihn nicht bedurfte (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 10.7.2019 – 9 ZB 19.32207 – BayVBl. 2019, 753). Die Beklagte hat mit Schreiben vom 15. September 2021 auf eine förmliche Ladung verzichtet.
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2. Auch lag kein erheblicher Grund für eine Verlegung i.S.d. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vor. Dies gilt mit Blick sowohl auf den nicht mehr weiterverfolgten Verlegungsantrag der Klägerbevollmächtigten vom 20. September 2023 als auch den entsprechenden Antrag des Klägers vom 12. Oktober 2023.
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Die Klägerbevollmächtigte hat ihr Verlegungsgesuch vom 20. September 2023, das sie mit urlaubsbedingter Abwesenheit in der Zeit vom 30. September 2023 bis 15. Oktober 2923 begründet hatte, nach Erhalt des gerichtlichen Hinweisschreibens vom 21. September 2023 bereits nicht mehr weiterverfolgt. Dies ergibt sich aus ihrem Schreiben vom 27. September 2023, mit dem sie lediglich die Notwendigkeit eines Dolmetschers für die Sprache Spanisch mitgeteilt hat, ohne sich mit den im vorgenannten Gerichtsschreiben, das ihr ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 21. September 2023 zugegangen ist, angeforderten Darlegungen und Nachweisen zu befassen. Auch der Sache nach bedurfte es vor dem Hintergrund der von der Klägerbevollmächtigten gegebenen Begründung einer Terminverlegung nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf das Gerichtsschreiben vom 21. September 2023, das den Beteiligten bekannt ist, Bezug genommen (vgl. zur grundsätzlichen Zumutbarkeit der Heranziehung eines anderen Rechtsanwalts im Wege der Unterbevollmächtigung bei persönlicher Verhinderung des Prozessbevollmächtigten z.B. SächsOVG, B.v. 12.7.2021 – 6 A 387/18.A – juris Rn. 14).
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Auch der vom Kläger persönlich gestellte Verlegungsantrag vom 12. Oktober 2023, den er unter Attestvorlage mit seiner Erkrankung begründet hatte, bot keinen Anlass zur Terminverlegung. Insoweit wird in entsprechender Anwendung von § 117 Abs. 5 VwGO auf das den Beteiligten ebenfalls bekannte Gerichtsschreiben vom 12. Oktober 2023 Bezug genommen. Zusammenfassend gilt sonach: Wird eine Partei – wie hier der Kläger – durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist ihre Anwesenheit im Termin zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht erforderlich, weil ihre Rechte in dem erforderlichen Umfang durch den Prozessbevollmächtigten wahrgenommen werden können. Das bloße Anwesenheitsinteresse eines Klägers ist durch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht geschützt. Das gilt auch und gerade dann, wenn der eigene Prozessbevollmächtigte selbst seine Anwesenheit in der mündlichen Verhandlung für entbehrlich hält (vgl. BVerwG, B.v. 4.8.1998 – 7 B 127.98 – juris Rn. 2 m.w.N; aktuell OVG NRW, B.v. 31.7.2023 – 10 A 1402/22.A – juris Rn 18 f.).
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II. Die zulässige Klage ist sowohl im Hauptantrag als auch in den Hilfsanträgen unbegründet.
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Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Asylberechtigung oder der hilfsweise begehrten Flüchtlingseigenschaft oder des weiter hilfsweise angestrebten subsidiären Schutzes. Gleiches gilt für die noch weiter hilfsweise beantragte Feststellung, dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Perus besteht. Vielmehr erweist sich der streitbefangene Bescheid des Bundesamts vom 13. August 2021 als rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Asylberechtigung nach Art. 16a Abs. 1 GG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylG oder des internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG.
17
Der Vortrag des Klägers vor dem Bundesamt, auf den er im Klageverfahren allein Bezug genommen hat, ist nicht geeignet, seine Verfolgung oder das Drohen eines ernsthaften Schadens in Peru i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG oder §§ 3 ff. AsylG ausreichend zu belegen.
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1.1 Weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Asylberechtigung nach Art. 16a Abs. 1 GG noch der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylG liegen beim Kläger vor.
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Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder Flüchtling rechtfertigen würde, ist aus dem Vortrag des Klägers nicht ableitbar.
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Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
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Die Furcht vor Verfolgung (Art. 16a Abs. 1 GG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) ist begründet, wenn dem Ausländer die oben genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen. Der in dem Tatbestandsmerkmal „… aus der begründeten Furcht vor Verfolgung …“ des Art. 2 Buchst. d der RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG übernommen worden ist, orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“; vgl. EGMR, Große Kammer, U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06, Saadi – NVwZ 2008, 1330); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.4.1996 – 9 C 77.95, Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33.07, ZAR 2008, 192; U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09, BVerwGE 136, 377; U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10, BVerwGE 140, 22; U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – NVwZ 2013, 936). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12, NVwZ 2013, 936; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118.90 – BVerwGE 89, 162).
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Das Gericht muss dabei sowohl von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung bzw. Schadens die volle Überzeugung gewinnen. Dem persönlichen Vorbringen des Rechtssuchenden und dessen Würdigung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Es ist Sache des Ausländers, die Gründe seiner Verfolgung und Bedrohung in schlüssiger Form vorzutragen (vgl. §§ 15, 25 AsylG). Dabei hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmige Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei dessen Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung oder Bedrohung begründet ist, sodass ihm nicht zuzumuten ist, in das Herkunftsland zurückzukehren.
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Gemessen daran kann dem Vortrag des Klägers zur Überzeugung des Gerichts nicht entnommen werden, dass er von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren (vgl. § 3c AsylG) vor seiner Ausreise aus Peru aus asylrelevanten Gründen verfolgt wurde bzw. bei einer Rückkehr nach Peru mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von diesen verfolgt werden würde. Das Gericht geht davon aus, dass für den Kläger im Falle der Rückkehr keine Verfolgungsgefahr besteht.
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Dieser Vortrag des Klägers zu den maßgeblich fluchtauslösenden Umständen stellt sich als vage, oberflächlich und lebensfremd und daher insgesamt als unglaubhaft dar.
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Der Kläger vermochte bereits die Umstände der angeblichen persönlichen Bedrohung nicht schlüssig und für das Gericht nachvollziehbar zu erläutern und illustrieren. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu zunächst auf die entsprechenden Ausführungen im streitbefangenen Bescheid unter Nr. 1 und 2 seiner Begründung (dort S. 7 unten und S. 8) Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Zusammenfassend ergibt sich sonach, dass der Kläger die angeblich gegen ihn gerichteten Übergriffe, namentlich durch korrupte lokale Polizeiangehörige in Huaral, insbesondere den letzten solchen Anfang Januar 2019, der nach eigenem Bekunden auch der gefährlichste und unmittelbarer Fluchtanlass gewesen sei, inhaltlich nicht hinreichend klar und detailliert beschreiben konnte. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung können Betroffene indes zu solchen Vorgängen, die für ihre Biografie von besonderer Bedeutung sind – der Kläger schildert vorliegend mehrere Übergriffe und Festnahmen, die zuletzt sodann auch unmittelbarer Anlass für die Flucht aus der Heimat gewesen sein sollen –, lebensnahe und detaillierte Angaben, die auch für Dritte – wie hier das Gericht – nachvollziehbar sind, geben. Daran fehlt es vorliegend jedenfalls hinsichtlich der konkreten Umstände und Abläufe der angeblichen Übergriffe. Ohne weiteres nachvollziehbar geht das Bundesamt hierzu davon aus, dass die sehr ausführlichen Angaben des Klägers im Ergebnis fast ohne jede verwertbare konkrete asylrechtliche Information geblieben sind. Beispielhaft beschreibt der Kläger die Fahrzeugkontrolle durch die Polizei Anfang Januar 2019 wortreich, die angeblich dabei ausgesprochene Bedrohung in der angeblich gefährlichsten erlebten Situation indes lediglich nur ganz oberflächlich und unkonkret in einem Satz. Eine nachvollziehbare, lebensnah-detaillierte Schilderung vor allem z.B. dazu, wie viele Polizisten an dieser Kontrolle beteiligt gewesen sein sollen und wieso gerade (Verkehrs-)Polizisten ihn – auch noch 1½ Jahren nach den Vorfällen um das Grundstück im März 2017 – im Rahmen einer Straßenkontrolle bedroht haben sollen, liefert der Kläger nicht im Ansatz. Vor allem erschließt sich auch nicht, warum es sich bei dem angeblichen Vorfall im Januar 2019 um den gefährlichsten gehandelt haben soll, wenn der Kläger doch bereits auch zuvor, insbesondere in den Monaten November und Dezember 2018, schon mehrfach von der Polizei illegal kontrolliert, beleidigt, bedroht und festgenommen worden sein soll. Wie oft dies konkret und in welcher Weise geschehen sein soll, ist dem gerade insoweit sehr diffusen Vortrag des Klägers nicht im Ansatz ausreichend nachvollziehbar zu entnehmen. Vielmehr vermitteln die Angaben des Klägers dem Gericht dabei eher den Eindruck, er stelle – möglicherweise tatsächlich von ihm selbst erlebte – reguläre polizeiliche Straßenkontrollen aus asyltaktischen Gründen wahrheitswidrig und aufgebauscht als gegen ihn gerichtete irreguläre Polizeimaßnahmen dar.
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Im Übrigen handelte es sich – unabhängig vom Vorstehenden – bei der vorgebrachten Bedrohung durch angeblich korrupte lokale Exekutivorgane in Huaral – selbst im Falle einer Wahrunterstellung – um kriminelles Unrecht, das keine Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft maßgeblichen Merkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG erkennen lässt und damit keine begründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe belegen kann. Dem Kläger droht zur Überzeugung des Gerichts auf Grundlage der aktuellen Auskunftslage in Peru keine Verfolgung durch einen Akteur i.S.d. § 3c AsylG. Auch wenn die Sicherheitslage in Teilen des Landes als prekär und schwierig zu bezeichnen ist (BAMF, Länderreport Peru, Stand 12/2021, S. 5 f.), erreicht diese aber nicht ein solches Niveau, dass davon auszugehen wäre, dass der peruanische Staat seine hoheitlichen, insbesondere exekutiven Eingriffsmöglichkeiten in einem so wesentlichen Umfang und Ausmaß verloren hätte, dass von einem flüchtlingsrechtlich maßgeblichen staatlichen Beherrschungsverlust auszugehen wäre. Die letztlich inmitten stehende Behauptung des Klägers, von der Polizei in Peru habe er keine ausreichende Hilfe zu erwarten sei, begründet nicht die nach § 3c Nr. 3 AsylG erforderliche Annahme, die in § 3c Nr. 1 und 2 AsylG genannten Akteure seien erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens, Schutz vor Verfolgung durch kriminelle Banden zu bieten. Anderes ergibt sich auch nicht aus den aktuellen Erkenntnismitteln, denen zufolge Drogenhandel, organisierte Kriminalität sowie Korruption auf allen politischen Ebenen einschließlich der Polizei in Peru zwar erheblich verbreitet und die Polizei dringend strukturell reformierungsbedürftig ist (vgl. z.B. Human Rights Watch, Deadly Decline, 26.4.2023, S. 13 f. und passim; VG München, U.v. 19.5.2022 – M 31 K 20.30911 – juris Rn. 28), aber jedenfalls nicht berichtet wird, dass Sicherheitsbehörden generell nichts willens oder unfähig seien, einen zumindest (gerade noch) ausreichenden Schutz der Bürger vor kriminellen Übergriffen, auch solche aus den Reihen korrupter Exekutivorgane, zu garantieren. Vielmehr wird seit einigen Jahren in öffentlichkeitswirksamen Gerichtsverfahren gerade gegen Korruption auf höchster politischer Ebene vorgegangen. Auch der Kampf gegen die organisierte Kriminalität wurde in den letzten Jahren verstärkt, u.a. auf Grundlage eines neuen Gesetzes vom 1. Juli 2014 („Ley contra el Crimen Organizado – Ley N° 30077“, vgl. Immigration and Refugee Board of Canada, Responses to Information Requests, Peru: Criminality, including frequency, reporting of, and government response, 2012-February 2015, S. 4 und 6). Aus den aktuellsten Briefing-Notes des Bundesamtes (vgl. Peru – Zusammenfassung Januar bis Juni 2023 vom 30.6.2023) ergibt sich nichts anderes. Im Übrigen zeigt der Kläger selbst beispielhaft auf, dass es ihm im Hinblick auf die geschilderten Vorfälle im März 2017 sehr wohl bereits auch nach eigenem Vortrag gelungen sei, eine staatliche Strafverfolgung und gerichtliche Verurteilung der dabei angeblich beteiligten Polizisten vor allem durch Einschaltung des Innenministers und eines Kongressmitglieds zu erreichen. Wieso ein entsprechender staatlicher Schutz vor möglichen korrupten, vor allem lokalen Exekutivorganen in Huaral nunmehr nicht mehr in Betracht kommen würde, erschließt sich dem Gericht nicht. Nachvollziehbares hat der Kläger dazu nicht vorgetragen.
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Wiederum unabhängig vom vorstehend Ausgeführten selbstständig die vorliegende Entscheidung tragend, ist zudem festzustellen, dass es zur Überzeugung des Gerichts auch lebensfremd wäre, dass der Kläger – seinen Vortrag an dieser Stelle erneut als wahr unterstellt – im Falle einer Rückkehr nach einem nunmehr über vierjährigen Auslandsaufenthalt in Peru landesweit und ohne jede Ausweichmöglichkeit, insbesondere in der Großstadt Lima, von solchen Personen, die ihm ehedem nachstellten und ihn bedrohten, aufgespürt und erneut bedroht werden könnte. Selbst im Falle einer unterstellten Verfolgung bestünde somit eine inländische Fluchtalternative (§ 3e AsylG).
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Eine weitere Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO) war nicht geboten, da der Kläger es unter Verstoß gegen seine Mitwirkungslast unterlassen hat, von sich aus einen ausreichend schlüssigen und widerspruchsfreien Sachverhalt zu schildern (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 47). Nach Auffassung des Gerichts hat sich der Kläger im Jahre 2019 aus ungeklärten, indes nicht verfolgungsrelevanten Gründen zu einem Verlassen Perus entschlossen; eine schutzrelevante Bedrohung in seiner Heimat ist nicht gegeben. Bei einer Gesamtschau des klägerischen Vortrags erweist sich dieser als unglaubhaft. Es drängt sich dem Gericht der Eindruck auf, dass der Kläger zur angeblichen Bedrohung im Wesentlichen nicht ein von ihnen selbst erlebtes, sondern ein in weiten Teilen erfundenes Geschehen schildert. Selbst im Falle einer Wahrunterstellung würde es sich zudem um keine asyl- und flüchtlingsrelevante Verfolgung handeln. Auch könnte der Kläger einer etwaigen Bedrohung innerhalb Perus örtlich ausweichen.
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Eine Verfolgung in Peru durch staatliche oder insbesondere nichtstaatliche Akteure steht somit zur Überzeugung des Gerichts für den Kläger nicht zu befürchten.
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1.2 Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des hilfsweise angestrebten subsidiären internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 4 AsylG.
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Der Vortrag des Klägers ist nicht geeignet, das Drohen eines ernsthaften Schadens in Peru i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG ausreichend zu belegen.
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Subsidiär schutzberechtigt ist, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Gestalt der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe (Satz 2 Nr. 1), der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (Satz 2 Nr. 2) oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlich bewaffneten Konflikts (Satz 2 Nr. 3). Es ist vorliegend nicht ersichtlich, dass einer dieser Tatbestände einschlägig wäre. Der Kläger hat nicht vorgetragen, dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Peru ein ernsthafter Schaden in Gestalt der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlich bewaffneten Konflikts drohen könnte.
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Allenfalls käme hier eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt durch kriminelle Banden und Gruppen in Betracht. Auch in der hier allein zu erwägenden Variante des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts bedarf es dazu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Streitkräften, die sich von der bloßen willkürlichen Gewaltanwendung des Staates oder einzelner Gruppen gegen Zivilpersonen unterscheidet. Notwendig dafür ist ein Aufeinandertreffen entweder der regulären Streitkräfte mit bewaffneten Gruppen oder zwischen zwei oder mehreren bewaffneten Gruppen (vgl. EuGH, U.v. 30.1.2014 – C 285/12 – juris). In Peru fehlt es an einem solchen bewaffneten Konflikt, da sich keine Streitkräfte im vorgenannten Sinne gegenüberstehen. Dies gilt jedenfalls, nachdem der Einfluss der Organisation „Leuchtender Pfad“ signifikant gesunken ist und sich allein auf Randgebiete Perus beschränkt (vgl. BAMF, aaO S. 32 f.; dazu VG München, U.v. 19.5.2022 – M 31 K 20.30911 – juris Rn. 36).
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Mögen kriminelle Banden und Gruppen gegebenenfalls auch bewaffnet auftreten und versuchen auf diese Art und Weise, lokale und regionale Machtstrukturen aufzubauen und durchzusetzen, so treten diese gleichwohl nicht im Sinne einer Bürgerkriegspartei gegen das staatliche Gewaltmonopol auf. Wie vorstehend unter 1.1 ausgeführt, ist der individuelle Vortrag des Klägers zu einer Bedrohung bereits nicht glaubhaft, sodass auch keine weiteren Besonderheiten des Einzelfalls vorliegen. Dem Kläger droht zur Überzeugung des Gerichts weder aufgrund der Sicherheitslage noch seiner persönlichen Situation als Auslandsheimkehrer in Peru ein ernsthafter Schaden.
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2. Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheiden unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation in Peru und der individuellen Umstände des Klägers ebenfalls aus.
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Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass die Lage des Betroffenen und seine Lebensumstände im Fall einer Aufenthaltsbeendigung erheblich beeinträchtigt würden, allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05 – NVwZ 2008, 1334; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; B.v. 25.10.2012 – 10 B 16/12 – juris). Unabhängig davon, in welchen Fällen existenzbedrohende Armut im Sinne von Art. 3 EMRK relevant sein kann, liegen Anhaltspunkte hierfür nicht vor.
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Der Kläger ist volljährig und arbeitsfähig; die normative Vermutung nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG ist nicht widerlegt. Hinweise darauf, dass der Kläger nach seiner Rückkehr – allein oder gegebenenfalls mit familiärer Unterstützung, namentlich durch die im Heimatland lebende Familie, insbesondere seine beiden Brüder, – nicht in der Lage sein wird, das Existenzminimum für sich zu sichern, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Es ist nichts dafür erkennbar, dass der Kläger, der in seiner Heimat aufgewachsen und sozialisiert ist und zudem über einen Hochschulabschluss und auch mehrjährige Auslandserfahrung verfügt, nicht in der Lage wäre, im Falle der Rückkehr seinen Lebensunterhalt zumindest „mit seiner Hände Arbeit“, wenn gegebenenfalls auch auf eher niedrigem Niveau, so doch noch ausreichend zu bestreiten. Bessere wirtschaftliche oder soziale Perspektiven in Deutschland begründen im Übrigen kein Abschiebungsverbot.
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Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Danach soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
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Bei den in Peru vorherrschenden Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausnahmsweise dann nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris), wenn ein Einzelner gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, liegt nicht vor. Dies hat das Bundesamt im streitbefangenen Bescheid unter Nr. 4 der Begründung (vgl. S. 11 ff.) zutreffend festgestellt; hierauf wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Aus den vorliegenden aktuellen Erkenntnismitteln, namentlich den aktuellen Berichten des USDOS und von HRW sowie den ebenfalls aktuellen Briefing Notes des Bundesamtes (vgl. dazu jeweils die verfahrensgegenständliche Erkenntnismittelliste Peru Nr. 361, Stand 4.8.2023), ergibt sich hierzu nichts Gegenteiliges.
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3. Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG sowie gegen die Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG bestehen schließlich ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Auf die Feststellungen in Nr. 5 und 6 der Begründung des Bescheids vom 13. August wird gemäß § 77 Abs. 3 AsylG Bezug genommen.
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Sonach war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.