Titel:
Keine zulässige Klageänderung, Auslegung des Klagebegehrens, Unzulässige Klage, Versammlungsrecht, Fortsetzungsfeststellungsklage, Klagebefugnis (verneint), Bezugnahme auf den Gerichtsbescheid
Normenketten:
VwGO § 91
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
VwGO § 84 Abs. 4
Schlagworte:
Keine zulässige Klageänderung, Auslegung des Klagebegehrens, Unzulässige Klage, Versammlungsrecht, Fortsetzungsfeststellungsklage, Klagebefugnis (verneint), Bezugnahme auf den Gerichtsbescheid
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29420
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit von versammlungsrechtlichen Anordnungen.
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Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf den zwischen den Beteiligten ergangenen Gerichtsbescheid vom 26. April 2023, mit dem die Klage mangels Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen worden ist, verwiesen (§ 84 Abs. 4 VwGO). Der Kläger hat gegen den am 10. Mai 2023 zugestellten Gerichtsbescheid am 5. Juni 2023 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Zur Begründung wird vorgetragen, es bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Offensichtlich sei der Bescheid vom 12. September 2020 ein Änderungsbescheid zum Verbotsbescheid vom 10. September 2020 aufgrund der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH). Der Klageantrag sei immer so auszulegen, wie er aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten sinnvoll gestellt werden würde.
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Der Kläger beantragt zuletzt mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2023:
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Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 10. September 2020 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 12. September 2020 rechtswidrig war, soweit die Versammlung auf eine maximale Teilnehmerzahl von 500 Teilnehmern beschränkt war und die Teilnehmer verpflichtet waren, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
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Zur Zulässigkeit der Klage wird ergänzend ausgeführt, der Kläger habe gegen den Ausgangsbescheid vom 10. September 2020 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 12. September 2020 Klage erhoben. Warum der Bescheid vom 12. September 2020 über die vom Kläger angezeigte Versammlung ein eigenständiger Bescheid sein solle, entziehe sich jeglicher fachlichen Begründung. Denn der Bescheid beruhe doch gerade auf der erfolgten Anzeige und dem durchgeführten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Im Übrigen wird zur Begründetheit der Klage Stellung genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 13 E 20.4261, sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Der Gerichtsbescheid vom 26. April 2023 gilt als nicht ergangen, § 84 Abs. 3 Alt. 2 VwGO, da der Antrag auf mündliche Verhandlung rechtzeitig gestellt worden ist (§ 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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2. Die Klage hat keinen Erfolg.
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a) Die mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2023 begehrte Änderung der Klage ist gemäß § 91 Abs. 1 VwGO unzulässig. Die Beklagte hat in die Klageänderung nicht eingewilligt. Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich, da mit ihr letztlich (erstmalig) der Bescheid des Polizeipräsidiums M. … vom 12. September 2020 in das Klageverfahren einbezogen werden soll. Dieser ist jedoch einem anderen Rechtsträger, nämlich dem Freistaat Bayern, zuzurechnen, als der Bescheid der Beklagten vom 10. September 2020, der der Beklagten zuzurechnen ist. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers handelte die Polizei bei Bescheidserlass auch nicht als Vertreterin der Beklagten. Die Polizei handelte bei Bescheidserlass am 12. September 2020 vielmehr in eigener Zuständigkeit gemäß Art. 24 Abs. 2 Satz 2 BayVersG, da ein unaufschiebbarer Fall vorlag. Der die Versammlung nach dem Verbot vom 10. September 2020 ermöglichende Beschluss des VGH erging am 11. September 2020 und die Versammlung sollte am 12. September 2020, einem Samstag, stattfinden.
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Im Übrigen wäre die begehrte Klageänderung vom 11. Oktober 2023 auch nicht zielführend. Denn auch die Klage gegen den Bescheid vom 12. September 2020 wäre unzulässig, da die einmonatige Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht gewahrt worden ist. Der Bescheid des Polizeipräsidiums M. … vom 12. September 2020 ist bestandskräftig.
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b) Die am 12. Oktober 2020 erhobene Klage kann auch nicht im Wege der Auslegung gemäß §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO als von vornherein gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums M. … vom 12. September 2020 gerichtet verstanden werden. Die Klage wurde erst nachträglich, nach Erlass der Bescheide vom 10. und 12. September 2020, am 12. Oktober 2020 erhoben und richtete sich eindeutig nur gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. September 2020. An dieser klaren Formulierung des Klageantrags in der Klageschrift muss sich der Kläger festhalten lassen, zumal die Klage von einem Rechtsanwalt stammt. Hinzu kommt, dass in der Klageschrift lediglich die Beklagte als Klagegegnerin bezeichnet wird. Die Klage gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums M. … vom 12. September 2020 hätte jedoch gegen den Freistaat Bayern und damit einen anderen Beklagten gerichtet werden müssen. Insoweit kann die Klage gegen den Bescheid vom 10. September 2020 auch nicht automatisch gegen den Bescheid des Polizeipräsidiums M. … vom 12. September 2020 gerichtet verstanden werden.
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Bei dem Bescheid des Polizeipräsidiums M. … vom 12. September 2020 handelt es sich entgegen der Rechtsauffassung der Klagepartei auch nicht um einen Änderungsbescheid zu dem Bescheid der Beklagten vom 10. September 2020. Es handelt sich vielmehr um den Erlass eines neuen Bescheids, da die ursprünglich von der Beklagten mit Bescheid vom 10. September 2020 untersagte Versammlung durch die Entscheidung des VGH vom 11. September 2020 ermöglicht worden ist und die Polizei daher mit Bescheid vom 12. September 2020 für die nunmehr nicht mehr verbotene Versammlung beschränkende Verfügungen erlassen hat. Insoweit ist durch den Bescheid vom 12. September 2020 ein und derselbe Lebenssachverhalt vollständig neu geregelt worden. Im Übrigen dürfte die Polizei nicht befugt gewesen sein, den Bescheid der Beklagten zu ändern. Jedenfalls hätte auch ein Änderungsbescheid innerhalb der Klagefrist in das Klageverfahren einbezogen werden müssen, was hier nicht geschehen ist (s.o.).
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c) Die Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog, die damit nur auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids der Beklagten vom 10. September 2020 gerichtet ist, bleibt ohne Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, da die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht gegeben ist. Insoweit wird auf den Gerichtsbescheid vom 26. April 2023 Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (§ 84 Abs. 4 VwGO).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.