Titel:
Erfolgloser einstweiliger Rechtsschutz: Widerruf der Approbation als Arzt
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BÄO § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 S. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 174c
Leitsätze:
1. Unzuverlässigkeit iSd § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO ist gegeben, wenn der Arzt nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen wird. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur ordnungsgemäßen Ausübung des ärztlichen Berufes gehören ein fachlich beanstandungsfreies Handeln und auch die Pflicht, im Rahmen der Tätigkeit als Arzt Strafverstöße, vor allem berufsspezifische Strafdelikte, zu unterlassen. Maßgeblich für die anzustellende Prognose ist die jeweilige Situation des Betroffenen sowie sein vor allem durch Art, Schwere und Anzahl der strafbewerten Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordener Charakter. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Berufsverbot gem § 70 StGB ist grundsätzlich unabhängig von der Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde zu beurteilen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs ist ein Arzt, wenn er bei objektiver Betrachtung seines bekannt gewordenen Verhaltens nicht mehr das Ansehen und Vertrauen genießt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist. Bei Vorliegen einer Straftat nach § 174c StGB kann grundsätzlich ohne Weiteres von einer Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ausgegangen werden (Rn. 33 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die ärztliche Approbation berechtigt ihren Inhaber stets zur uneingeschränkten ärztlichen Berufsausübung. Die Approbation ist daher bedingungsfeindlich, so dass der Erlass von Auflagen zur Approbation nicht möglich ist. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Approbation, Einstweiliger Rechtsschutz, Arzt, Approbation, Widerruf, Unzuverlässigkeit, strafrechtliches Berufsverbot, Unwürdigkeit, Auflagen, Bedingungsfeindlichkeit
Fundstellen:
BeckRS 2023, 29403
LSK 2023, 29403
MedR 2024, 448
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der am … … 1963 geborene Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.
2
Dem Antragsteller wurde mit Wirkung vom 1. Mai 1992 durch das Bayerische Staatsministerium des Innern die Approbation als Arzt erteilt. Er betrieb seit dem 1. Januar 2015 eine Einzelarztpraxis im Bereich der O. … und U. … in S. … Zudem war er als Belegarzt in der G. …K. … in G. … tätig.
3
Am 30. Juli 2020 ging bei der Regierung von U. eine Beschwerde einer ehemaligen Patientin des Antragstellers ein. Die Beschwerdeführerin teilte mit, dass gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren bei der Kriminalpolizeiinspektion S. … geführt werde, da dieser während der ärztlichen Behandlung der Beschwerdeführerin und anderer Patientinnen unbefugt Foto- und Videoaufnahmen von diesen mit nacktem Oberkörper gefertigt habe.
4
Mit Beschluss des Amtsgerichts S. … vom … … 2020 wurde dem Antragsteller die Ausübung des ärztlichen Berufs vorläufig verboten, wobei das vorläufige Berufsverbot auf die Untersuchung und Behandlung von weiblichen Patientinnen beschränkt wurde.
5
Nach Anhörung des Antragstellers ordnete die Regierung von U. mit Bescheid vom 30. Oktober 2020 wegen Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit des Antragstellers das Ruhen der erteilten Approbation als Arzt an (Ziffer 1) und zog die Approbationsurkunde ein (Ziffer 2). Von der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids wurde aufgrund des fortbestehenden vorläufigen Berufsverbots durch das Amtsgericht S. … aus Gründen der Verhältnismäßigkeit abgesehen. Eine gegen den Bescheid gerichtete Klage (Az. W 10 K 20.1905) vor dem Verwaltungsgericht Würzburg wurde am 21. Januar 2022 abgewiesen, anschließend wurde am 21. Februar 2022 ein Antrag auf Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gestellt.
6
Am 24. April 2023 wurde der Antragsteller vom Landgericht S. … (Az. . … … … ….) wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen in neun tatmehrheitlichen Fällen gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB, in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses gemäß § 174c Abs. 1 StGB durch medizinisch nicht indizierte Massagen im Brustbereich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die letzte der Taten wurde am 15. Mai 2020 begangen. Bzgl. eines ebenfalls angeklagten Falls der Vergewaltigung, eines weiteren Falls des § 174c Abs. 1 StGB und der sexuellen Belästigung gemäß § 184i Abs. 1 StGB wurde er freigesprochen. Das strafprozessuale Berufsverbot wurde aufgehoben. Das Urteil ist seit 9. Mai 2023 rechtskräftig.
7
In Reaktion auf die Aufhebung des strafprozessualen Berufsverbots ordnete die Regierung von U. nach Anhörung des Antragstellers am 16. Mai 2023 die sofortige Vollziehbarkeit der Maßnahmen im Bescheid vom 30. Oktober 2020 an, woraufhin der Antragsteller der Regierung von U. seine Approbationsurkunde aushändigte. Eine vor dem Verwaltungsgericht Würzburg gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom 19. Juni 2023 erhobene Klage (Az. . . . ….) erklärte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 5. September 2023 – nach Aufhebung der Anordnung des Ruhens der Approbation mit dem streitgegenständlichen Bescheid – für erledigt.
8
Nachdem sie dem Antragsteller mit Schreiben vom 13. Juni 2023 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, hob die Regierung von U. mit Bescheid vom 13. Juli 2023 (Az. ….) Ziffer 1 des Bescheids vom 30. Oktober 2020 in der Fassung vom 16. Mai 2023 bzgl. des Ruhens der Approbation auf (Ziffer 1). Sie widerrief die dem Antragsteller am 1. Mai 1992 erteilte Approbation als Arzt (Ziffer 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Widerrufsentscheidung an (Ziffer 3).
9
Zur Begründung führte sie an, der Widerruf stütze sich auf § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO. Die Erteilungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO seien nachträglich entfallen. Der Antragsteller sei zur Ausübung des ärztlichen Berufs unwürdig und unzuverlässig. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Landgerichts S. … Es bestünden keine gewichtigen Anhaltspunkte, die für dessen Unrichtigkeit sprächen. Die strafgerichtlichen Feststellungen seien durch die pauschalen Ausführungen im Rahmen der Anhörung nicht ernstlich in Zweifel gezogen worden. Außerdem entbehre der Begriff der Unwürdigkeit – anders als derjenige der Unzuverlässigkeit – des prognostischen Elements, sodass eine Verhaltensänderung des Antragstellers keine andere Entscheidung begründe. Ohnehin halte die Regierung von U. an ihrer Negativprognose fest. Auch in Ansehung von Art. 12 Abs. 1 GG sei die Entscheidung verhältnismäßig. Denn mit dem Ethos des ärztlichen Berufsstands sei das Verhalten des Antragstellers unvereinbar. Dass der Antragsteller seine Praxis inzwischen veräußert habe, ändere nichts an der jederzeitigen Möglichkeit zur Wiederaufnahme des ärztlichen Berufs. Mildere Mittel als den Widerruf der Approbation gebe es nicht. Insbesondere sehe das Gesetz keine beschränkte Approbation vor, mit der die Behandlung weiblicher Patientinnen ausgeschlossen werden könnte. Der Antragsteller könne sich nach einer außerberuflichen Bewährungszeit um die Wiedererteilung bemühen. Die Widerrufsentscheidung sei außerdem unabhängig von der strafgerichtlichen Entscheidung über die Verhängung eines Berufsverbots. Die sofortige Vollziehbarkeit sei vor dem Hintergrund der anderenfalls drohenden konkreten Gefahren für die Gesundheitsversorgung gerechtfertigt. Das unverzichtbare Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand des Arztes müsse ohne Aufschub geschützt werden. Außerdem bestehe Wiederholungsgefahr. Auch wegen der erheblichen Verfehlungen des Antragstellers müsse das private Interesse an der aufschiebenden Wirkung zurücktreten.
10
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2023, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller gegen den Bescheid vom 13. Juli .2023 in den Ziffern 2 – 5 Klage erheben (Az. . . . ….) und im einstweiligen Rechtsschutz sinngemäß beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 2 des Bescheides vom 13. Juli 2023 wiederherzustellen.
11
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, es liege ein unzulässiger Eingriff in die Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit vor. Im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Landgericht S. … habe sich herausgestellt, dass einige Anklagevorwürfe unrichtig oder überzogen waren. Von den Hauptvorwürfen sei der Antragsteller freigesprochen worden. Das Urteil des Landgerichts S. … sei bzgl. der Massagen im Brustbereich fehlerhaft, diese seien medizinisch indiziert gewesen. Der Gutachter im Strafverfahren habe keine hinreichende Sachkunde in der traditionellen chinesischen Medizin gehabt. Zuzugeben sei lediglich, dass der Antragsteller unberechtigt Filmaufnahmen von Mitarbeiterinnen und Patientinnen gemacht habe. In Zukunft sei solches Verhalten aber nicht mehr von ihm zu erwarten. Die Sachverhalte lägen mehrheitlich sechs Jahre, zumindest drei Jahre zurück. Er habe sich intensiv mit seinem Verhalten auseinandergesetzt und sei deswegen in Therapie. An die Unwürdigkeit seien im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hohe Anforderungen zu stellen. So schwerwiegend, dass der Antragsteller als Arzt nicht mehr tragbar sei, sei sein Verhalten nicht gewesen. Auch das Strafgericht habe deswegen von einem Berufsverbot abgesehen. Ohnehin stehe der Antragsteller während der Bewährungszeit unter besonderer Beobachtung, sodass ein Verbot entbehrlich sei. Der Sofortvollzug verlange außerdem nach konkreten Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter in nächster Zukunft. Solche seien nicht ersichtlich.
12
Der Antragsgegner beantragt unter Wiederholung und Vertiefung der dem verfahrensgegenständlichen Bescheid zugrunde liegenden Argumentation, den Antrag abzulehnen.
13
Am 25. August 2023 legte der Antragsteller dem Gericht einen Arztbrief vor, worin dem Antragsteller eine mittelschwere depressive Symptomatik aufgrund massiver psychosozialer Belastung diagnostiziert wird. Demnach erkenne der Antragsteller sein Fehlverhalten, ein Rückfall sei unwahrscheinlich und die Wiederaufnahme der ärztlichen Betätigung sei geeignet, die Depressionssymptome abzumildern. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt, auch in den Verfahren W 7 K 23.1027 und W 7 K 23.838, sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
14
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
15
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann auf Antrag das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung im Falle des Abs. 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen.
16
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei die Interessen des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 152).
17
Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des Abs. 2 Nr. 4 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen und den Verwaltungsakt schon jetzt und nicht erst nach Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft umzusetzen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 54 ff.).
18
Diesen Anforderungen genügen die detaillierten Ausführungen im angefochtenen Bescheid (S. 14 – 17). Unter Würdigung von Art. 12 Abs. 1 GG wird dort ausführlich begründet, dass das Gemeinwohl eine Vollziehbarkeit des Widerrufs schon vor der Entscheidung in der Hauptsache erfordere, wobei die Ausführungen konkret auf den vorliegenden Fall gemünzt sind. Es wird deutlich, dass die Behörde sich der Bedeutung der Anordnung sofortiger Vollziehbarkeit als Ausnahmeentscheidung bewusst war.
19
Die angesichts der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs nach den genannten Grundsätzen vom Gericht anzustellende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Denn das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiegt das Suspensivinteresse des Antragstellers. Die Klage in der Hauptsache wird zwar zulässig, aber voraussichtlich unbegründet und deshalb erfolglos sein. Denn bei summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass der Antragsteller sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich sowohl seine Unwürdigkeit als auch seine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt, wobei maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Frage der Abschluss des Verwaltungsverfahrens ist (BVerwG, U.v. 16.9.1997 – 3 C 12/95 – juris Rn. 25). Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Approbationswiderrufs angesichts des hohen Stellenwerts des Art. 12 Abs. 1 GG für sich genommen noch nicht die sofortige Vollziehbarkeit rechtfertigt (BVerfG, B.v. 8.4.2010 – 1 BvR 2709/09 – juris Rn. 12). Der Sofortvollzug ist hier aber unter Abwägung des Schutzes des Vertrauens in die Ärzteschaft als wichtigem Gemeinschaftsgut mit der Berufsfreiheit des Antragstellers angemessen.
20
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Approbation ist § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO. Danach ist die ursprünglich rechtmäßig erteilte Approbation zwingend zu widerrufen, wenn der Arzt sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt. Es handelt sich um einen erheblichen Eingriff in die Berufswahlfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG, sodass der Widerruf zum Schutz gesundheitspolitischer Interessen unumgänglich sein muss (Günter in Ehlers/Broglie, Arzthaftungsrecht, 5. Aufl. 2014, Kap. 7 Rn. 932 m. w. N.).
21
Der Bescheid vom 13. Juli 2023 ist formell rechtmäßig. Die Regierung von U. ist gemäß § 12 Abs. 4 Satz 1 BÄO i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die zuständigen Behörden zum Vollzug des Rechts der Heilberufe (HeilBZustV) vom 17. Dezember 1996 (GVBl. S. 549) für die Widerrufsentscheidung zuständig. Die gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Anhörung des Antragstellers ist mit Schreiben vom 13. Juni 2023 erfolgt.
22
Der Bescheid ist hinsichtlich Ziffer 2, die als Bezugspunkt des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung alleiniger Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, auch materiell rechtmäßig.
23
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 1 BÄO liegen vor. Denn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sind nachträglich entfallen. Der Antragsteller hat sich eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich sowohl seine Unwürdigkeit als auch seine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.
24
Anders als der Antragsteller vorbringt, ist die Bestandskraft der Entscheidung über das Ruhen der Approbation im Bescheid vom 30. Oktober 2020 keine Tatbestandsvoraussetzung für den Widerruf der Approbation. Im Gegenteil war diese Entscheidung nach Abschluss des Strafverfahrens gemäß § 6 Abs. 2 BÄO uno acto mit dem anschließenden Widerruf der Approbation aufzuheben.
25
Unzuverlässigkeit i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO ist gegeben, wenn der Arzt nicht die Gewähr dafür bietet, dass er in Zukunft seine beruflichen Pflichten zuverlässig erfüllen wird (BVerwG, B.v. 2.11.1992 – 3 B 87/92 – juris Rn. 16). Zur ordnungsgemäßen Ausübung des ärztlichen Berufes gehören ein fachlich beanstandungsfreies Handeln und auch die Pflicht, im Rahmen der Tätigkeit als Arzt Strafverstöße, vor allem berufsspezifische Strafdelikte, zu unterlassen. Maßgeblich für die anzustellende Prognose ist die jeweilige Situation des Betroffenen sowie sein vor allem durch Art, Schwere und Anzahl der strafbewerten Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordener Charakter (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2010 – 3 C 22.09 – NJW 2010, 2901 zum Logopäden, mit Verweis auf das Berufsrecht der Ärzte).
26
Das Verhalten des Antragstellers, wie es sich aus dem Strafurteil des Landgerichts S. … ergibt, lässt befürchten, dass er auch künftig nicht ordnungsgemäß als Arzt arbeiten und das sexuelle Selbstbestimmungsrecht und Persönlichkeitsrecht seiner Patienten bzw. Patientinnen und Angestellten und deren körperliche sowie seelische Integrität respektieren wird. Der Antragsteller hat die medizinische Behandlungssituation ausgenutzt, um Bild- und Videoaufnahmen von (teilweise) unbekleideten Frauen herzustellen und Patientinnen ohne medizinische Indikation an schambehafteten Körperteilen zu berühren. Dies stellt einen massiven Vertrauensbruch dar. Von einem Arzt ist aber zu erwarten, dass er das Persönlichkeitsrecht und das sexuelle Selbstbestimmungsrecht seiner Angestellten und Patienten respektiert und diesbezüglich alles unterlässt, was strafrechtliche Relevanz hat (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns: Jede medizinische Behandlung hat unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte des Patienten, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts, zu erfolgen.). Angesichts der Dauer, Schwere und Anzahl der begangenen Straftaten ist insgesamt von einer negativen Prognose im Hinblick auf das Verhalten des Antragstellers auszugehen.
27
Die diversen Argumente des Antragstellers, die dieser gegen eine negative Prognoseentscheidung vorbringt, dringen allesamt nicht durch.
28
Erstens ergibt sich keine abweichende Bewertung daraus, dass sich der ebenfalls angeklagte Vergewaltigungsvorwurf in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht S. … nicht bestätigt hat. Zwar ist zutreffend, dass damit ein sehr schwerwiegender Vorwurf der Anklage entfallen ist. Die Einschätzung des Antragstellers, insgesamt sei ein Freispruch von den Hauptvorwürfen erfolgt, ist aber zurückzuweisen. Die Verurteilung wegen neun Fällen des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB durch die Fertigung von Aufnahmen (teilweise) unbekleideter Patientinnen und Mitarbeiterinnen, in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses hat die Anklage zum einen im Wesentlichen bestätigt und indiziert zum anderen angesichts der gravierenden Taten schon eine Negativprognose.
29
Zweitens führen die vorgetragenen Therapieerfolge zu keiner anderen Einschätzung. Die Argumentation stützt sich im Wesentlichen auf den vorgelegten Untersuchungsbericht des Medizinischen Versorgungszentrums (S. … … .) in W. … Dieser beruht auf einer Sitzung am 25. Juli 2023. Damit lag der Bericht zum für das Gericht maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung noch gar nicht vor. Zudem bestehen an der ärztlichen Einschätzung, der Antragsteller habe sein Fehlverhalten erkannt, erhebliche Zweifel. Denn der Antragsteller beharrt auch im hiesigen Verfahren darauf, dass die Verurteilung wegen der zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses fehlerhaft sei. Es habe sich vielmehr um medizinisch indizierte, korrekt und professionell durchgeführte Massagebehandlungen gehandelt. Eine Einsicht in den Unrechtsgehalt seines vorangegangenen Tuns lässt sich daraus ebenso wenig ableiten wie eine glaubwürdige Distanzierung in Bezug auf künftiges Handeln.
30
Zur Überzeugung des Gerichts bestehen drittens keine Gründe, bzgl. der Missbrauchstaten an der Richtigkeit des Urteils des Landgerichts S. … und dem diesem zugrundeliegenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. … zu zweifeln. Dafür wären angesichts der Richtigkeitsvermutung, die ein rechtskräftiges Strafurteil nach ausführlicher Ermittlung und Verhandlung in sich trägt, gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen erforderlich (BVerwG, B.v. 6.3.2003 – 3 B 10/03 – juris Rn. 2), insbesondere Wiederaufnahmegründe i.S.d. § 359 StPO wie neue Tatsachen oder Beweismittel, die eine für den Betroffenen günstigere strafrechtliche Entscheidung zu begründen geeignet sind (BayVGH, U.v. 8.11.2011 – 21 B 10.1543 – juris Rn. 31). Der pauschale Verweis auf die Besonderheiten der traditionellen chinesischen Medizin kann die Feststellungen im Urteil nicht erschüttern. Dieser Einwand ist auch nicht neu, vielmehr ist der Antragsteller damit bereits im Strafverfahren nicht durchgedrungen (siehe Behördenakte S. 1011). Außerdem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Antragsteller Videoaufnahmen der beiden Missbrauchstaten fertigte und speicherte. Sodann suchte er ausweislich der Feststellungen des Landgerichts S. … die vollständigen Namen der Geschädigten via Google mit Begriffen wie „nackt“, „porno“ oder „sex video“. Das alles legt nahe, dass es sich über die zugestandenen rechtswidrigen Videoaufnahmen hinaus insgesamt nicht um eine ordnungsgemäße Behandlung handelte. Diesen Eindruck hat der Antragsteller nicht erschüttert.
31
Dass die Taten, die zur Verurteilung führten, zumindest drei Jahre zurückliegen, führt viertens zu keiner abweichenden Prognose. Das Strafurteil ist erst vor wenigen Monaten ergangen. Dass der Antragsteller seitdem, soweit ersichtlich, nicht erneut einschlägig straffällig geworden ist, erlaubt keine Prognose einer Verhaltensänderung für die Zukunft. Vielmehr könnte es sich ebenso um eine temporäre Verhaltensänderung während des laufenden Prozesses handeln. Der drohende Bewährungswiderruf bei erneuten Taten ändert ebenso nichts an der Prognoseentscheidung. Dieser wäre zwar Folge erneuter Straftaten, würde diese Taten im ersten Zugriff aber nicht verhindern. Das kann allein über den Approbationswiderruf erreicht werden.
32
Schließlich und fünftens ändert sich an der Prognose nichts dadurch, dass sich das Landgericht S. … gegen die Verhängung eines Berufsverbots entschieden hat. Das Berufsverbot gemäß § 70 StGB ist grundsätzlich unabhängig von der Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde zu beurteilen (vgl. BGH, U.v. 5.8.1975 – 1 StR 356/75 – NJW 1975, 2249). Die ratio legis der strafrechtlichen Maßregel der Besserung und Sicherung ist bisweilen eine andere als die der Maßnahmen der Bundesärzteordnung. Das Strafrecht hat die Aufgabe, die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Schuldausgleich, Prävention, Resozialisierung des Täters, Sühne und Vergeltung für begangenes Unrecht werden deshalb als Aspekte einer angemessenen Strafsanktion bezeichnet. Im Gegensatz dazu stehen für den Entzug der Approbation das (abstrakte) Ansehen des Arztberufs und die (konkrete) künftige Einhaltung von Berufspflichten im Vordergrund (Rehborn in Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl. 2019, § 8 Rn. 75). Die verwaltungsrechtliche Prognose muss daher unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung erfolgen. Zudem ist festzuhalten, dass das Landgericht S. … bei seiner Entscheidung gegen die Verhängung eines Berufsverbots gerade von einer Prognose des künftigen Verhaltens des Antragstellers abgesehen hat (S. 20 des Urteils: „Unabhängig von der Frage, ob eine negative Prognose im Zeitpunkt des Urteils noch gegeben war […]“).
33
Der Antragsteller ist außerdem unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Dies ist der Fall, wenn er bei objektiver Betrachtung seines bekannt gewordenen Verhaltens nicht mehr das Ansehen und Vertrauen genießt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist (BVerwG, B.v. 9.1.1991 – 3 B 75.90 – NJW 1991, 1557). Bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Widerruf der Approbation um einen schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der Berufswahlfreiheit handelt, der mit Rücksicht auf das Übermaßverbot nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig ist (VG Bayreuth, B.v. 11.7.2019 – B 10 S 18.968 – juris Rn. 35). Erforderlich ist ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung untragbar erscheinen lässt. Der Tatbestand stellt nicht auf den zufälligen Umstand ab, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist – was hier allerdings zusätzlich angesichts zahlreicher Berichte in der lokalen und überregionalen Presse geschehen ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten des Arztes für jeden billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint (BVerwG, B.v. 28.1.2003 – 3 B 149.02 – juris Rn. 4).
34
Bei Vorliegen einer Straftat nach § 174c StGB, wie hier u.a. vorliegend, kann grundsätzlich ohne Weiteres von einer Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ausgegangen werden (vgl. VG Köln, B.v. 16.1.2014 – 7 L 2009/13 – juris Rn. 26; OVG SH, U.v. 15.7.2003 – 8 ME 96/03 – juris Rn. 12). Gerade Orthopäden müssen Untersuchungen vornehmen, die einen engen Kontakt zum Patienten erfordern, wie das manuelle Untersuchen von Körperteilen, Muskeln oder Gelenken oder auch Untersuchungen mit dem Ultraschallgerät. Patientinnen und Patienten erwarten deshalb von dem behandelnden Arzt, dass dieser sie allein aus medizinischer Erforderlichkeit heraus untersucht, ohne dabei sexuelle Absichten zu verfolgen. Wenn ein Arzt mehrfach gegenüber Patientinnen und (weiblichen) Angestellten den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt bzw. sexuell übergriffig wird, so ist dies ein Umstand, der die Unwürdigkeit des Arztes begründet. Die Berufsunwürdigkeit kann sich sowohl aus einem Verhalten gegenüber Patienten als auch aus einem sonstigen beruflichen oder sogar außerberuflichen Verhalten ergeben. Im vorliegenden Fall fanden die Übergriffe anlässlich von ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen statt. Es liegt daher offenkundig ein Berufsbezug vor. Da der Antragsteller bis zu seiner Entdeckung in zahlreichen Fällen unbefugt Aufnahmen von (teilweise) unbekleideten Patientinnen und weiblichen Angestellten gefertigt und Patientinnen ohne medizinische Indikation an schambehafteten Körperstellen berührt hat, um sich sexuell zu erregen, lässt auch für die Zukunft befürchten, dass sich solche oder ähnliche Pflichtverletzungen wiederholen werden.
35
Im Rahmen der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit hat die Behörde der Berufswahlfreiheit des Antragstellers gemäß Art. 12 Abs. 1 GG auch hinreichend Rechnung getragen.
36
Ein milderes, zur Erreichung des mit dem Widerruf der Approbation verfolgten Zieles gleich geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist ein partielles Ruhen in Bezug auf die Behandlung und Untersuchung weiblicher Patienten kein gleich geeignetes milderes Mittel. Die ärztliche Approbation berechtigt ihren Inhaber stets zur uneingeschränkten ärztlichen Berufsausübung. Die Approbation ist daher bedingungsfeindlich, so dass der Erlass von Auflagen zur Approbation nicht möglich ist (BVerwG, U.v. 9.12.1998 – 3 C 4.98 – juris Rn. 22 ff.). Zudem würde eine – rechtlich nicht mögliche – partielle Approbation dem Vertrauen der Öffentlichkeit in ähnlicher Weise entgegenwirken wie die unbeschränkte Approbation.
37
Das Schutzgut der Volksgesundheit, in dessen Interesse Patienten die Gewissheit haben müssen, sich dem Arzt als ihrem Helfer uneingeschränkt anvertrauen zu können und nicht etwa durch Misstrauen davon abgehalten werden, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfG, B.v. 8.9.2017 – 1 BvR 1657/17 – juris Rn. 13). Außerdem handelt es sich bei den durch Art. 2 Abs. 1 und 2 GG geschützten Grundrechten der Patientinnen und weiblichen Angestellten um überragend wichtige Gemeinschaftsgüter, die angesichts der bestehenden Wiederholungsgefahr eines besonderen Schutzes bedürfen.
38
Gleichzeitig bedeutet die Entziehung der Approbation einen gravierenden Eingriff in die Grundrechtspositionen des Antragstellers. Insbesondere muss es ihm deshalb möglich sein, etwaige veränderte Umstände geltend zu machen (BVerfG, B.v. 8.9.2017 – 1 BvR 1657/17 – juris Rn. 13). Solche Umstände liegen hier nicht vor. Hinsichtlich des Merkmals der Unwürdigkeit ist hier insbesondere festzuhalten, dass das Urteil des Landgerichts S. … erst vor wenigen Monaten ergangen ist. Das Urteil hat angesichts der gravierenden Vorwürfe zu sehr reger Presseberichterstattung geführt. Schon bei einer kurzen Internetrecherche sind ca. 10 Artikel lokaler und überregionaler Medien aufzufinden, in denen der Fall behandelt wird. Die Artikel datieren auf April und Mai 2023. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Zuverlässigkeit ärztlicher Hilfe wäre nachhaltig geschädigt, würde der Antragsteller angesichts der erst vor Kurzem einer breiten Öffentlichkeit bekannt gewordenen Vorwürfe seine Approbation behalten. Hinsichtlich des Merkmals der Unzuverlässigkeit wurde oben bereits festgehalten, dass sich an der Negativprognose noch nichts durch Zeitablauf geändert hat.
39
Die Angemessenheit der Entscheidung wird schließlich – wie im Bescheid vom 13. Juli 2023 zutreffend ausgeführt – dadurch gesichert, dass der Antragsteller nach einer außerberuflichen Bewährungszeit einen Antrag auf Wiedererteilung stellen bzw. eine Erlaubnis nach § 8 BÄO erlangen kann.
40
Die Klage in der Hauptsache wird angesichts der Rechtmäßigkeit des Approbationswiderrufs voraussichtlich Erfolg haben. Allein hierauf kann die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit angesichts des hohen Stellenwerts der Berufsfreiheit nicht gestützt werden (BVerfG, B.v. 8.4.2010 – 1 BvR 2709/09 – juris Rn. 12). Der Sofortvollzug ist aber unter Abwägung des Schutzes des Vertrauens in die Ärzteschaft als wichtigem Gemeinschaftsgut mit der Berufsfreiheit des Antragstellers gerechtfertigt. Es liegt eine konkrete Gefahr vor, die die Anordnung des Sofortvollzugs begründet und die Interessen des Antragstellers im Rahmen einer Folgenabwägung überwiegt (vgl. Schelling in Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 5 BÄO Rn. 72).
41
Großes Gewicht kommt neben der Berufsfreiheit des Antragstellers auch dessen Gesundheitsschutz zu. Im nach dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt erstellten Untersuchungsbericht vom 28. Juli 2023, an dem sich das Gericht für die Folgenabwägung orientiert, wird attestiert, eine Wiederaufnahme der Berufstätigkeit würde die depressive Symptomatik voraussichtlich erheblich bessern.
42
Dagegen steht allerdings die erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Vertrauens, sollte der Antragsteller im Fall eines Unterliegens mit der Hauptsacheklage zwischenzeitlich wieder eine ärztliche Tätigkeit aufnehmen. Zudem ist auf die Negativprognose bzgl. der künftigen Zuverlässigkeit des Antragstellers zu verweisen. Neben der Schwere der Vorwürfe sind außerdem als Besonderheiten des gegenständlichen Verfahrens die große mediale Aufmerksamkeit und gleichzeitig die oben geschilderte Uneinsichtigkeit des Antragstellers bzgl. wesentlicher Teile seiner Verurteilung einzustellen. Zudem ist zu beachten, dass der Antragsteller im Zuge des Strafverfahrens seine Praxis veräußert hat. Im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache nicht mehr zu korrigierende wirtschaftliche Dispositionen sind diesbezüglich also nicht zu erwarten.
43
In der Zusammenschau dieser Umstände überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sowohl das Ansehen des ärztlichen Berufs als auch die Gesundheit von einzelnen Patienten würden erheblichen Gefahren ausgesetzt, sollte der Antragsteller bis zur Hauptsacheentscheidung weiter als Arzt tätig sein dürfen und der Bescheid vom 13. Juli 2023 in der Hauptsache schließlich bestätigt werden. Dahinter müssen die Interessen des Antragstellers zurücktreten.
44
Der Antrag war daher abzulehnen.
45
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 16.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts zugrunde gelegt.