Titel:
Dublin-Verfahren (Frankreich)
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 lit. a
Dublin III-VO Art. 17 Abs. 1
EMRK Art. 8
Leitsätze:
1. Das französische Asyl- und Aufnahmesystem leidet nicht an systemischen Mängeln, die für einen Dublin-Rückkehrer eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSd Art. 4 GRCh iVm Art. 3 EMRK mit sich brächten. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Pflicht zum Selbsteintritt kann nur dann angenommen werden, wenn sich das dem Mitgliedstaat eingeräumte Ermessen derart verdichtet hat, dass jede andere Entscheidung unvertretbar wäre (sog. Ermessensreduktion auf null), weil außergewöhnliche humanitäre, familiäre, insbesondere die drohende Trennung der Kernfamilie, oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dublin-Verfahren, Pflicht zum Selbsteintritt bejaht, schutzwürdige eheliche Lebensgemeinschaft, Beistandsgemeinschaft, Abschiebungsanordnung, Verpflichtung zum Selbsteintritt, eheliche Lebensgemeinschaft
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29392
Tenor
I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Mai 2023 (Az.: …*) wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wehrt sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig und die angeordnete Überstellung nach Frankreich im Rahmen des „Dublin-Verfahrens“.
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1. Der Kläger ist armenischer Staatsangehöriger. Er reiste am 4. September 2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein, äußerte am 5. September 2022 ein Asylgesuch und stellte am 17. November 2022 einen förmlichen Asylantrag.
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Er wurde am 4. März 2023 zur Zulässigkeit seines Asylantrags angehört und gab dabei im Wesentlichen an, aufgrund der Leukämie-Erkrankung seiner Ehefrau nach Deutschland gekommen zu sein. Seine Ehefrau sei diesbezüglich bereits einmal in Deutschland gewesen und nach Abschluss der Behandlung im Jahr 2021 wieder nach Armenien zurückgekehrt. Die Krankheit habe sich in Armenien wieder verschlimmert und es bedürfe einer Transplantation, die in Armenien nicht durchgeführt werden könne. Er kümmere sich ständig um seine Ehefrau, die auf seine Pflege angewiesen sei. Sie seien beide mit einem französischen Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.
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Aufgrund eines entsprechenden Sichtvermerks im Reisepass des Klägers und eines Einreisestempels aus R. (Frankreich) vom 3. September 2022 lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates (Frankreich) gemäß der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) vor.
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Auf ein Übernahmeersuchen erklärten die französischen Behörden am 18. Januar 2023 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers gemäß Art. 12 Abs. 2 Dublin III-VO.
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Mit Bescheid vom 11. Mai 2023 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheides) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Frankreich nicht vorliegen (Nr. 2). Die Abschiebung nach Frankreich wurde angeordnet (Nr. 3) und das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf zehn Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Frankreich sei nach den Vorschriften der Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags des Klägers aufgrund des erteilten Visums zuständig. Das französische Asylsystem leide unter keinen systemischen Mängeln und die Überstellung sei daher zulässig. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Die Eheschließung des Klägers sei durch die vorgelegte Kopie der Heiratsurkunde nicht nachgewiesen. Überdies sei anzumerken, dass Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK keinen unmittelbaren Anspruch auf ein Bleiberecht vermittelten. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass der Ehefrau des Klägers kein gesichertes Bleiberecht zukomme. Ihr erster Asylantrag sei abgelehnt worden und ausweislich des Ausländerzentralregisters sei ihr eine Duldung bis 26. April 2023 ausgestellt worden. Es lägen zudem keine Erkenntnisse vor, dass der Kläger seine Ehefrau tatsächlich rund um die Uhr pflege oder als ihr Betreuer bestellt sei. Ein Abschiebungsverbot könne demnach nicht angenommen werden. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse seien nicht ersichtlich.
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2. Am 17. Mai 2023 ließ der Kläger Klage erheben und im Verfahren W 6 K 23.50212 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Abschiebungsanordnung nach Frankreich beantragen.
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Zur Begründung wird ausgeführt: Der Kläger betreue seine Ehefrau, die vor einigen Monaten wegen schwerer Leukämie operiert worden sei und ständig von Ärzten behandelt werde. Sie sei reiseunfähig und könne in ihrem Zustand nicht von ihrem Ehemann getrennt werden.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beantragt für die Beklagte,
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Zur Begründung wird auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides verwiesen sowie ausgeführt: Die vorgelegte Kopie der Eheurkunde stelle keinen hinreichenden Nachweis für das Bestehen einer rechtskräftigen Ehe dar und die vermeintliche Ehefrau habe kein gesichertes Bleiberecht in Deutschland. Der Wiederaufgreifensantrag der Ehefrau des Klägers sei mit Bescheid vom 24. August 2023 abgelehnt worden.
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3. Mit Beschluss vom 22. Mai 2023 (W 6 S 23.50212) stellte das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung nach Frankreich wegen des Vorliegens einer potentiell schützenswerten ehelichen Lebensgemeinschaft wieder her.
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Mit Beschluss vom 19. Juni 2023 übertrug die Kammer den Rechtsstreit auf den Einzelrichter zur Entscheidung.
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In der mündlichen Verhandlung am 6. September 2023 beantragte der Kläger:
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Mai 2023 (Az.: ...) wird aufgehoben.
Hilfsweise, die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Frankreich vorliegen.
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Für die Beklagte war zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen.
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4. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte (einschließlich des Verfahrens W 6 S 23.50212), die beigezogene Behördenakte (einschließlich der Akte betreffend die Ehefrau des Klägers, Az.: …), die beigezogenen Akten der Ausländerbehörde betreffend den Kläger und seine Ehefrau und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 6. September 2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die nach § 102 Abs. 2 VwGO entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten zur mündlichen Verhandlung erschienen sind, ist zulässig und begründet.
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Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 11. Mai 2023 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte durfte den Asylantrag des Klägers nicht als unzulässig ablehnen und die Abschiebung nach Frankreich anordnen, da sich aufgrund der tatsächlich gelebten ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau, welche derzeit nur in der Bundesrepublik Deutschland geführt werden kann, das Ermessen der Beklagten hinsichtlich der Ausübung des Selbsteintrittsrechtes nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III VO „auf Null“ reduziert und deshalb die Prüfung seines Asylantrags im nationalen Verfahren zu erfolgen hat.
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1. Über die Klage konnte nach § 102 Abs. 2 VwGO verhandelt und entschieden werden, obwohl für die Beklagte in der mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist.
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Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 17. August 2023 ordnungsgemäß zum Termin geladen und hat mit Schriftsatz vom 19. Mai 2023 auf förmliche Zustellung der Ladung gegen Empfangsbekenntnis verzichtet. Die Ladung enthielt den Hinweis, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
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2. Die auf § 29 Abs. 1 Buchst. a AsylG gestützte Entscheidung des Bundesamtes in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides, den Asylantrag des Klägers als unzulässig abzulehnen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Zwar war Frankreich aufgrund der Einreise des Klägers mit einem französischen Schengen-Visum grundsätzlich nach Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III VO für die Prüfung seines Asylantrags zuständig und hat seine Zuständigkeit auch mit Schreiben vom 18. Januar 2023 (Bl. 100 f. der Behördenakte) dahingehend erklärt. Des Weiteren leidet das französische Asyl- und Aufnahmesystem zur Überzeugung des erkennenden Einzelrichters nicht an systemischen Mängeln, die für den Antragsteller eine Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 der EU-Grundrechte Charta (GrCh) i.V.m. Art. 3 EMRK mit sich brächten, so dass eine Überstellung nach Frankreich unmöglich wäre (vgl. so zuletzt auch: VG Ansbach, B.v. 27.7.2023 – AN 17 S 23.50048 – juris Rn. 22 ff.; VG München, B.v. 31.8.2022 – M 5 S 22.50465 – juris Rn. 4; VG Würzburg, B.v. 6.8.2021 – W 6 S 21.50195 – juris; jeweils m.w.N. zur Erkenntnislage).
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Die Beklagte kann sich jedoch nicht auf die Zuständigkeit Frankreichs berufen, da der Kläger einen Anspruch auf die Ausübung des Selbsteintrittsrechts seitens der Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO hat.
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Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts steht grundsätzlich im Ermessen der Mitgliedstaaten (sog. Ermessensklausel, vgl. EuGH, U.v. 16.2.2017 – C.K., C- 578/16 PPU – juris Rn. 88; U.v. 30.5.2013 – Halaf, C-528/11 – juris Rn. 35 ff.). Zwar kann sich nach der Rechtsprechung des EGMR ein Mitgliedstaat seiner Verantwortlichkeit für eine Grundrechtsverletzung infolge der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nicht unter Verweis auf dessen Zuständigkeit entziehen, wenn er die Befugnis zum Selbsteintritt – hier nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO – besitzt, von dieser Möglichkeit aber trotz der ernsthaften Gefahr einer Grundrechtsverletzung keinen Gebrauch macht (EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S., 30696/09, NVwZ 2011, 413 Rn. 340 m.V.a. U.v. 30.6.2005 – Bosphorus, Nr. 45036/98 – NJW 2006, 197). Eine Pflicht zum Selbsteintritt kann aber nur dann angenommen werden, wenn sich das dem Mitgliedstaat eingeräumte Ermessen derart verdichtet hat, dass jede andere Entscheidung unvertretbar wäre (sog. Ermessensreduktion auf null), weil außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50124 – juris Rn. 22 ff.; VG München, GB v. 29.2.2016 – M 12 K 15.50784 – juris Rn. 43 f.; einschränkend aber EuGH, U.v. 16.2.2017 – C.K., C-578/16 PPU – juris Rn. 88). In Zusammenschau mit Art. 16 und 17 Abs. 2 Dublin III-VO handelt es sich hierbei vornehmlich um familiäre Gründe sowie weitere humanitäre Gründe wie Krankheit oder die Aussicht auf Erteilung einer Duldung (Vollrath in BeckOK, Migrations- und Integrationsrecht, 16. Edition Stand: 15.7.2023, Art. 17 Dublin III-VO Rn. 1). Eine Ermessensreduktion „auf Null“ und die damit verbundene Pflicht zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts kommt insbesondere bei einer drohenden Trennung der Kernfamilie in Betracht (so auch: VG Ansbach, B.v. 20.2.2023 – AN 14 S 22.50084 – juris Rn. 32; VG Würzburg, U.v. 8.12.2022 – W 2 K 22.50216 – juris Rn. 29 ff.; B.v. 3.2.2021 – W 5 S 20.50297 – juris Rn. 31 f. jeweils m.w.N.).
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Solche zwingenden humanitären (familiären) Gründe liegen hier vor. Die Ehefrau des Klägers befindet sich ebenfalls in der Bundesrepublik Deutschland und hat einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich des Vorliegens von Abschiebungsverboten hinsichtlich Armenien gestellt, welchen die Beklagte in eigener Zuständigkeit im nationalen Verfahren geprüft und mit Bescheid vom 24. August 2023 abgelehnt hat. Eine Abschiebung der Ehefrau des Klägers nach Frankreich wurde nicht angedroht und steht damit nicht im Raum.
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Bei einem Vollzug der gegenüber dem Kläger ergangene Abschiebungsanordnung nach Frankreich würde unter Missachtung von Art. 8 EMRK die Familieneinheit der Kernfamilie auseinandergerissen.
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Das Gericht hat aufgrund der im behördlichen und gerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen sowie der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und insbesondere des dort im Rahmen der informatorischen Befragung gewonnenen Eindrucks keine Zweifel am tatsächlichen Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft und der wirksamen Eheschließung.
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Der Kläger hat gegenüber der Beklagten durch Vorlage einer Kopie der Heiratsurkunde mit entsprechender beglaubigter Übersetzung (Bl. 115 ff. der Behördenakte) eine Eheschließung hinreichend nachgewiesen. Dabei kommt einer ausländischen öffentlichen Urkunde dieselbe Beweiskraft zu, wie deutschen öffentlichen Urkunden (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1986 – 9 C 8/86 – NJW 1987, 1159). Der Grundsatz, dass ausländische Schriftstücke stets im Original vorzulegen seien und Kopien daher nicht zum Nachweis anerkannt werden können, auf welchen sich die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid beruft, findet keine Stütze im Gesetz. Weder ergibt sich dies aus § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwVfG noch aus § 15 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 AsylG. Vielmehr lässt § 435 Satz 1 ZPO, welcher als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken im Verwaltungsverfahren jedenfalls indiziell bei der Beweiswürdigung durch die Behörde anwendbar ist (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl. 2021, § 26 Rn. 34; Hermann in BeckOK, VwVfG, 59. Edition Stand: 1.4.2023, § 26 Rn. 31.1), anstatt der Urschrift auch die Vorlage einer beglaubigten Abschrift zu. Anderweitige Anhaltspunkte, die gegen die Annahme der Echtheit der vorgelegten Heiratsurkunde sprechen, wurden seitens der Beklagten weder dargelegt noch sind sie aufgrund der Aktenlage sonst ersichtlich.
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Des Weiteren ist das Gericht davon überzeugt, dass zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau eine tatsächliche eheliche Lebens- und Beistandsgemeinschaft besteht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Ehefrau des Klägers, wie den im hiesigen Klageverfahren sowie im behördlichen Verfahren betreffend die Ehefrau des Klägers (Az.: …*) vorgelegten ärztlichen Attesten zu entnehmen ist, an einer Leukämieerkrankung leidet. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass er seine Ehefrau in der täglichen Lebensführung, in der sie aufgrund ihrer Erkrankung eingeschränkt ist, unterstützt, ohne ihr rechtlicher Betreuer zu sein. Dass etwaige pflegerische und sonstige Hilfsleistungen ggf. auch von anderen Personen erbracht werden können, ist vor dem Hintergrund der Ausprägung der ehelichen Lebensgemeinschaft als Beistandsgemeinschaft insoweit irrelevant (vgl. BVerfG, B.v. 15.5.2011 – 2 BvR 1367/19 – juris Rn. 21; OVG Saarl, B.v. 6.4.2023 – 2 B 24/23 – juris Rn. 31; BayVGH, B.v. 24.4.2019 – 10 CS 18.2542 – juris Rn. 8; jeweils zur vergleichbaren Situation der Zumutbarkeit der Nachholung des Visumsverfahrens nach § 5 Abs. 2 AufenthG).
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Das Gericht verkennt nicht, dass der Ehefrau des Klägers kein gesichertes Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland zusteht. Gleichwohl kann die eheliche Lebensgemeinschaft derzeit nur in der Bundesrepublik geführt werden, da eine Abschiebung des Klägers nach Armenien derzeit aufgrund der fehlenden Abschiebungsandrohung ebenso wenig im Raum steht, wie eine Überstellung seiner Ehefrau nach Frankreich.
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Der angefochtene Bescheid war daher nach alledem insgesamt aufzuheben, da die Beklagte verpflichtet ist, ein Asylverfahren in nationaler Zuständigkeit durchzuführen, weshalb auch für die Nrn. 2 bis 4 des Bescheides kein Raum ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.