Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 21.09.2023 – W 3 K 22.1532
Titel:

BAföG: Zur Bekanntgabe des Gesamtergebnisses eines Ausbildungsabschnitts 

Normenketten:
BAföG § 15 Abs. 2 S. 1, § 53 S. 1 Nr. 2
BAföG § 15b Abs. 3 S. 3 (idF bis zum 21.7.2022)
Leitsätze:
1. Die Bekanntgabe des Gesamtergebnisses des erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsabschnitts iSv § 15b Abs. 3 S. 3 BAföG idF bis 21.7.2022 knüpft an die Mitteilung über das Bestehen der Abschlussprüfung und nicht an die Mitteilung des im Studium erzielten Gesamtnotendurchschnitts an. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Bestehen der Abschlussprüfung ist dem Auszubildenden in dem Zeitpunkt bekanntgegeben, in dem die nach der einschlägigen Prüfungsordnung zuständige Stelle, in der Regel das Prüfungsamt, dem Auszubildenden willentlich vom Bestehen der Prüfung Kenntnis verschafft, ihm also mit Wissen und Wollen der zuständigen Stelle eine entsprechende Mitteilung derselben zugeht und er zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, ohne dass eine bestimmte Form einzuhalten wäre. (Rn. 27 und 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Danach liegt in den Mitteilungen von Teilprüfungsergebnissen auch in einer Gesamtschau keine Bekanntgabe des Bestehens der Abschlussprüfung insgesamt. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausbildungsförderung, Rücknahme, Rückforderung, Ausbildungsende, Bekanntgabe des Gesamtergebnisses, BAföG
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29391

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 6. September 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2022 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
I. Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung und Rückforderung von Ausbildungsförderung.
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Der Kläger studierte vom Wintersemester 2016/2017 bis zum Sommersemester 2022 an der Universität Würzburg in der Fachrichtung Zahnmedizin.
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Auf seinen Antrag bewilligte ihm der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2021 Ausbildungsförderung in Höhe von 861,00 EUR monatlich für den Zeitraum Oktober 2021 bis Mai 2022. Für die Monate von Juni 2022 bis September 2022 wurde ein monatlicher Förderbetrag von 0,00 EUR festgesetzt. Aufgrund einer Mitteilung des Klägers, dass der Prüfungszeitraum für die zahnärztliche Prüfung an der Universität Würzburg bis zum 3. Juni 2022 angesetzt sei, setzte der Beklagte unter insoweitiger Abänderung seines früheren Bescheids mit Bescheid vom 24. Mai 2022 für den Monat Juni 2022 einen Förderungsbetrag von 861,00 EUR fest.
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Am 30. Mai 2022 legte der Kläger seine letzte Prüfung ab. Mit E-Mail vom 20. Juni 2022 teilte das Prüfungsamt Medizin der Universität Würzburg dem Kläger mit, dass er vor drei Wochen den letzten Teil der Zahnärztlichen Prüfung erfolgreich abgelegt und somit die Zahnärztliche Prüfung bestanden habe. In der E-Mail wurde des Weiteren darauf hingewiesen, dass ein Zeugnisabdruck bereits an die Approbationsstelle bei der Regierung von Unterfranken gesendet worden sei, so dass der Kläger zumindest teilweise schon die Approbationsurkunden in Händen halte. Die Zeugnismappen mit dem Original des Zeugnisses seien nun zusammengestellt und könnten übersandt oder abgeholt werden.
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Mit Bescheid vom 6. September 2022 hob daraufhin der Beklagte die Förderungsbewilligung für den Monat Juni 2022 auf und forderte den für diesen Monat geleisteten Förderbetrag von 861,00 EUR zurück. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers vom 20. September 2022 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2022, zugestellt am 29. September 2022, zurück.
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Zuvor, am 16. September 2022, hatte der Beklagte eine telefonische Auskunft des Prüfungsamts der Universität Würzburg eingeholt, dass der Kläger aufgrund seiner sehr guten Prüfungsleistungen im Anschluss nach der letzten Prüfungsleistung (mündliche Prüfung) vom erfolgreich bestandenen Examen habe ausgehen können.
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II. Am 18. Oktober 2022 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Ziel, den Bescheid des Beklagten vom 6. September 2022 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22. September 2022 zu beseitigen.
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Er meint, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, da er Anspruch auf Ausbildungsförderung für Juni 2022 habe. Denn seine Ausbildung habe entgegen der Auffassung des Beklagten nicht im Mai, sondern im Juni 2022 geendet. Nach der hier anzuwendenden im Juni 2022 geltenden Fassung des § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG gelte eine förderungsfähige Hochschulausbildung erst mit Bekanntgabe des Gesamtergebnisses des erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsabschnitts als abgeschlossen. Hierunter sei entweder die Herausgabe des Zeugnisses ab dem 22. Juni 2022 zu verstehen oder aber das planmäßige Ende des Ausbildungsabschnitts frühestens am 3. Juni 2022, an dem der Prüfungszeitraum des Staatsexamens geendet habe.
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Zudem führe das Vorgehen des Beklagten zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung. Das Datum der letzten Prüfung als maßgebliches Kriterium für das Ende der Förderungsdauer sei aufgrund des besonderen Charakters von Studiengängen mit dem Abschluss Staatsexamen im Vergleich zu Bachelor- und Masterstudiengängen ungeeignet. Während Bachelor- und Masterstudiengänge sehr individuell verliefen, folgten Studiengänge mit dem Abschluss Staatsexamen einem festen Plan. Für alle Prüflinge finde das Staatsexamen im gleichen Prüfungszeitraum statt. Darauf, dass der individuelle Prüfungstermin innerhalb dieses Zeitraums am Ende des einen Monats oder aber erst am Anfang des nächsten Monats stattfinde, habe man keinen Einfluss. Das Zeugnis, mit dem man die Approbation beantragen könne, erfolge für alle Prüflinge unabhängig von ihrem individuellen Prüfungstermin ab dem gleichen Zeitpunkt. Erst mit Erhalt des Zeugnisses könne die Approbation beantragt werden, welche für die Berufsaufnahme zwingend erforderlich sei. Wer die Staatsexamensprüfung nicht bestehe, könne erst wieder im darauffolgenden Semester erneut zur Examensprüfung antreten. Absolventen eines Bachelor- oder Masterstudiengangs benötigten hingegen nicht zwingend ein Zeugnis für die Bewerbung um eine Stelle. Die Praxis des Beklagten führe zudem zu einer Beeinträchtigung universitärer Abläufe, weil Prüflinge versuchten, Prüfungstermine zu verschieben.
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Er beantragt in seinem Klageschriftsatz vom 17. Oktober 2022:
Der Bescheid des Amtes für Ausbildungsförderung vom 6. September 2022 und der Widerspruchsbescheid vom 22. September 2022 werden aufgehoben.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er verteidigt den angefochtenen Bescheid. Der Kläger habe seine Ausbildung im Mai 2022 beendet, so dass für den Monat Juni 2022 kein Anspruch auf Ausbildungsförderung mehr bestanden habe, der Bewilligungsbescheid nach § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG i.V.m. Teilziffer 53.0.5 BAföGVwV zu ändern und die für diesen Monat bereits geleistete Ausbildungsförderung in Höhe von 861,00 EUR nach § 53 Satz 3, 2. Halbsatz BAföG, § 50 SGB X zurückzufordern gewesen sei. Das Ausbildungsende richte sich gemäß § 15b Abs. 3 Satz 2 BAföG danach, wann dem Kläger das Gesamtergebnis des erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsabschnitts bekanntgegeben worden sei. Eine solche Bekanntgabe liege bereits dann vor, wenn der Auszubildende erfahre, dass er sein Studium erfolgreich abgeschlossen habe. Einzelnoten oder eine Gesamtnote müssten hierfür nicht bekannt sein. Der Kläger habe seine letzte (mündliche) Prüfung am 30. Mai 2022 abgelegt. Das Ergebnis dieser Prüfung werde den Prüflingen immer direkt im Anschluss an die Prüfung mitgeteilt. Da den Prüflingen zu diesem Zeitpunkt auch alle weiteren Noten bekannt seien, sei in der Regel mit der Bekanntgabe dieses letzten Prüfungsergebnisses auch klar, ob das Studium erfolgreich beendet sei oder nicht. Dies sei auch im Fall des Klägers so gewesen. Sein Studium sei daher mit Ablauf des Monats Mai beendet gewesen.
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In der mündlichen Verhandlung am 21. September 2023 ist der Kläger nicht erschienen. Er ist in der Ladung darauf hingewiesen worden, dass bei seinem Ausbleiben auch ohne ihn verhandelt und entscheiden werden kann.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2023 sowie den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten, welche Gegenstand des Verfahrens sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte gemäß § 102 Abs. 2 VwGO trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden. Hierauf ist der Kläger in der Ladung hingewiesen worden.
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Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 6. September 2022 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22. September 2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in dessen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der angefochtene Bescheid ändert zum einen den (Teil-) Bewilligungsbescheid vom 28. Juni 2021 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24. Mai 2022 zu Ungunsten des Klägers ab, in dem er den Bewilligungszeitraum um den Monat Juni 2022 verkürzt. Zum anderen wird in dem Bescheid die Erstattung überzahlter Leistungen, welche sich infolge der Bescheidänderung ergibt, festgesetzt.
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Rechtsgrundlage für die Änderung des Bescheids ist § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG. Danach wird ein Bescheid über die Bewilligung von Ausbildungsförderung zu Ungunsten des Auszubildenden vom Beginn des Monats an geändert, der auf den Eintritt der Änderung folgt, wenn sich ein für die Leistung der Ausbildungsförderung maßgeblicher Umstand ändert.
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Im streitgegenständlichen Fall sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt. Es fehlt an einer Änderung eines für die Leistung der Ausbildungsförderung maßgeblichen Umstands.
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Als zur Verkürzung des Bewilligungszeitraums nach § 53 Satz 1 Nr. 2 BAföG berechtigende Änderung kommt im streitgegenständlichen Fall allein in Betracht, dass der Kläger seine geförderte Ausbildung zu einem früheren Zeitpunkt beendet haben könnte als in der Bewilligungsentscheidung zugrundegelegt. Denn Ausbildungsförderung wird nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BAföG grundsätzlich nur für die Dauer der Ausbildung einschließlich der unterrichts- und vorlesungsfreien Zeit, längstens also bis zur Beendigung der Ausbildung geleistet.
21
Bei der Ausbildung des Klägers (Studium der Zahnmedizin) handelt es sich um ein Hochschulstudium. Der Zeitpunkt der erfolgreichen Beendigung einer Hochschulausbildung ergibt sich aus § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG in der hier maßgeblichen bis zum 21. Juli 2022 geltenden Fassung. Danach ist eine Hochschulausbildung mit Ablauf des Monats beendet, in dem das Gesamtergebnis des erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsabschnitts bekannt gegeben wird, spätestens jedoch mit Ablauf des zweiten Monats nach dem Monat, in dem der letzte Prüfungsteil abgelegt wurde.
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Was unter der Bekanntgabe des Gesamtergebnisses in diesem Sinne zu verstehen ist, wird gesetzlich nicht näher definiert. Der Kläger versteht hierunter die Herausgabe des Examenszeugnisses, frühestens aber das planmäßige Ende des Ausbildungsabschnitts in Gestalt des Endes des Prüfungszeitraums des Staatsexamens. Der Beklagte geht hingegen davon aus, dass auf den Tag der letzten Teilprüfung abzustellen sei, weil das Ergebnis jeder Prüfung den Prüflingen stets unmittelbar im Anschluss an die Prüfung mitgeteilt werde. Da den Prüflingen zu diesem Zeitpunkt auch alle weiteren Noten bekannt seien, sei in der Regel mit der Bekanntgabe des letzten Teilprüfungsergebnisses auch klar, ob das Studium erfolgreich beendet sei oder nicht.
23
Nach Auffassung des Gerichts knüpft die Bekanntgabe des Gesamtergebnisses des erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsabschnitts (§ 2 Abs. 5 Satz 2 BAföG) im Sinne von § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG a.F. an die Mitteilung über das Bestehen der Abschlussprüfung und nicht an die Mitteilung des im Studium erzielten Gesamtnotendurchschnitts an (ähnlich OVG Niedersachsen, U.v. 17.11.2022 – 14 LC 83/22 – juris Rn. 24, welches allerdings bereits die Mitteilung über das Bestehen der letzten Prüfung und des damit verbundenen Wissens über das Bestehen der Abschlussprüfung für ausreichend hält).
24
Auch der seinerzeit vom Gesetzgeber beabsichtigte Sinn und Zweck der Regelung des § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG in der bis zum 21. Juli 2022 geltenden Fassung stützt die Sichtweise, dass es nicht auf die Mitteilung des Gesamtergebnisses in Form einer Gesamtnote ankommt (OVG Niedersachsen, U.v. 17.11.2022 – 14 LC 83/22 – juris Rn. 27). § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG wurde in der hier maßgeblichen ab dem 1. August 2016 bis zum 21. Juli 2022 geltenden Fassung durch das 25. Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 23. Dezember 2014 – BAföGÄndG – (BGBl. I 2014, 2475) eingefügt. Zuvor endete die Hochschulausbildung gemäß der damaligen Fassung des § 15 b Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BAföG unmittelbar in dem Monat, in dem der letzte Prüfungsteil abgelegt wurde. Dies hatte zur Folge, dass der Auszubildende während der Phase der Ungewissheit über den Ausgang der Abschlussprüfung das Risiko trug, dass das im Rahmen einer Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen im Falle des Nichtbestehens der Prüfung auf den dann weiter bestehenden Förderanspruch angerechnet wird. Grund hierfür war die förderungsrechtliche Zielsetzung, Förderungsmittel nach dem Ausbildungsförderungsgesetz nur zu erbringen, solange die Ausbildung die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt (§ 2 Abs. 5 Satz 1 BAföG) und er für den Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht (vgl. BT-Drs. 18/2663 S. 41). Um den Auszubildenden von diesem Risiko zu befreien, wurde das förderungsrechtliche Ende der Hochschulausbildung durch das 25. BAföGÄndG zeitlich nach hinten verlagert (BT-Drs. 18/2663, S. 41 f.; Lackner, NVwZ 2015, 938, 940 f.). Nach dem ab dem 1. August 2016 geltenden § 15 b Abs. 3 Satz 3 BAföG endete die Hochschulausbildung nunmehr grundsätzlich am Monatsende der Bekanntgabe des Abschlussergebnisses, spätestens jedoch mit Ablauf des zweiten Monats nach dem Monat, in dem der letzte Prüfungsteil abgelegt wurde. Liegt aber der Zweck des § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG in der hier maßgeblichen Fassung darin, dass den Studierenden grundsätzlich nicht länger die Phase der Ungewissheit über den Ausgang des Abschlussversuchs ab dem Zeitpunkt des letzten Prüfungsteils bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses des Studienabschlusses komplett als eigenes Risiko angelastet bleiben soll (BT-Drs. 18/2663, S. 41 f.), genügt es für die Bekanntgabe des Gesamtergebnisses im Sinne des § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG, dass dem Studierenden das Bestehen der Abschlussprüfung mitgeteilt wird. Einer Kenntnis oder gar Mitteilung des im Studium erzielten Gesamtnotendurchschnitts bedarf es nicht zur Beseitigung der Ungewissheit des Studierenden über den Ausgang des Abschlussversuchs.
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Dem steht auch nicht der Wortlaut des § 15b Abs. 3 BAföG a.F. entgegen. Nur weil in dessen Sätzen 1 und 2 – anders als in Satz 3, nach dem es auf die „Bekanntgabe des Gesamtergebnisses“ ankommt – auf das „Bestehen der Abschlussprüfung“ (Satz 1) und „das Datum der Erteilung des Prüfungszeugnisses“ (Satz 2) abgestellt wird, kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG a.F. die Bekanntgabe des Gesamtergebnisses in Form einer Gesamtnote erfordere. Aus dieser Formulierung kann vielmehr auch der Umkehrschluss gezogen werden, dass es gerade auf eine Abschlussprüfung, ein Zeugnis oder ein Gesamtergebnis in Form einer Note nicht ankommt, sondern ausschließlich auf den von einer Benotung unabhängigen erfolgreichen Abschluss des letzten Ausbildungsabschnitts (OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 5.5.2022 – 4 L 80/21 – juris Rn. 26; OVG Niedersachsen, U.v. 17.11.2022 – 14 LC 83/22 – juris Rn. 26).
26
Dieses Verständnis des § 15b Satz 3 Satz 3 BAföG a.F. wird durch die Änderung des § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG zum 22. Juli 2022 gestützt. Danach ist eine Hochschulausbildung mit Ablauf des Monats beendet, in welchem der erfolgreiche Abschluss des Ausbildungsabschnitts der oder dem Auszubildenden erstmalig bekanntgegeben wird, spätestens jedoch mit Ablauf des zweiten Monats nach dem Monat, in dem der letzte Prüfungsteil abgelegt wurde. Durch die Gesetzesänderung soll das Missverständnis, dass es für das Ende der Hochschulausbildung und damit auch der Förderungsdauer nach dem Ausbildungsförderungsgesetz auf die Bekanntgabe der Gesamtnote des Abschlusses bzw. auf die Aushändigung des Abschlusszeugnisses selbst ankomme, vermieden werden (vgl. BT-Drs. 20/1631, S. 29 zu Nr. 10). Bei der Änderung handelt es sich ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs um eine gesetzliche Klarstellung, die eine in der Vollzugspraxis bereits zugrunde gelegte Auslegung des Gesetzeswortlauts der Vorgängerfassung bestätige (vgl. BT-Drs. 20/1631, S. 29 zu Nr. 10). Der Gesetzgeber hat durch diese Klarstellung die Intention auch der Vorgängerfassung also nochmals ausdrücklich verdeutlicht (OVG Niedersachsen, U.v. 17.11.2022 – 14 LC 83/22 – juris Rn. 31).
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Das Gericht geht ferner davon aus, dass das so verstandene Gesamtergebnis im Sinne von § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG a.F., also das Bestehen der Abschlussprüfung, dem Auszubildenden in dem Zeitpunkt im Sinne von § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG a.F. bekanntgegeben ist, in dem die nach der einschlägigen Prüfungsordnung zuständige Stelle, in der Regel das Prüfungsamt, dem Auszubildenden willentlich vom Bestehen der Prüfung Kenntnis verschafft, ihm also mit Wissen und Wollen der zuständigen Stelle eine entsprechende Mitteilung derselben zugeht und er zumindest die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Hingegen vermag das Gericht nicht der Gegenansicht zu folgen, wonach es für die Bekanntgabe des erfolgreichen Abschlusses des Ausbildungsabschnitts hinreichend sein soll, wenn dem Studierenden das Bestehen der letzten zur Abschlussprüfung gehörenden Prüfung mitgeteilt wird oder wenn er aus den mitgeteilten Informationen das sichere Wissen hierüber erlangen kann (OVG Niedersachsen, U.v. 17.11.2022 – 14 LC 83/22 – juris Rn. 24; VG Dresden, U.v. 22.9.2022 – 1 K 473/19 – juris Rn. 22; Neu in Schlegel/Voelzke (Hrsg.), jurisPK-SGB Sozialrecht Besonderer Teil, 1. Aufl. 2023, § 15b BAföG (Stand 15.4.2023) Rn. 39).
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Die Auffassung, dass die Bekanntgabe des erfolgreichen Abschlusses des Ausbildungsabschnittes erst in der willentlichen Eröffnung des Bestehens der den Ausbildungsabschnitt abschließenden Abschlussprüfung durch die zuständige Stelle zu sehen ist, entspricht dem allgemeinen Verständnis des Begriffs der Bekanntgabe, wie er beispielsweise in dem für Verwaltungsakte geltenden § 41 Abs. 1 Satz 1 Bundes-VwVfG und den gleichlautenden Vorschriften der Landesverwaltungsverfahrensgesetze sowie in § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X verwendet wird. Danach ist Bekanntgabe die willentliche (BVerwG, U.v. 29.4.1968 – VIII C 19.64 – juris Rn. 8) Eröffnung des Verwaltungsakts gegenüber dem Empfänger, d.h. die zielgerichtete Herstellung eines Zustands, in dem es nur noch vom Willen des Empfängers abhängt, ob er von dem Verwaltungsakt Kenntnis nimmt (vgl. zu § 41 VwVfG Baer in Schoch/Schneider, VwVfG, 3. EL August 2022, § 41 Rn. 14; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 41 Rn. 1, 5; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), BeckOK VwVfG, 60. Ed. Stand 1.7.2023, § 41 Rn. 3; zu § 37 SGB X Engelmann in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 37 Rn. 6; Siewert in Diering/Timme/Stähler (Hrsg.), SGB X, 6. Aufl. 2022, § 37 Rn. 3). Auch wenn die Mitteilung des Bestehens der Abschlussprüfung im Sinne von § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG a.F. nicht in Form eines Verwaltungsakts erfolgen muss, liegt kein durchgreifender fachrechtlicher Grund vor, den Begriff der Bekanntgabe im Ausbildungsförderungsgesetz anders auszulegen als im Allgemeinen in der übrigen Rechtsordnung. Mithin kommt es für die Bekanntgabe und damit für die Beendigung der Ausbildung nach § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG a.F. nicht auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Auszubildenden vom Bestehen der Ausbildung bzw. der Abschlussprüfung an, sondern auf den Zeitpunkt, in dem ihm dies von der zuständigen Stelle mitgeteilt worden ist.
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Dabei stellt das Gesetz dem Wortlaut nach zudem auf die Mitteilung des Bestehens des Ausbildungsabschnitts als solchem ab, nicht lediglich auf die Mitteilung der Tatsachen, aus denen dies der Studierende (etwa durch Subsumtion seiner ihm mitgeteilten Teilprüfungsleistungen unter die Prüfungsordnung) selbst ermitteln könnte. Dies bedeutet, dass sich der Auszubildende nicht darauf verweisen lassen muss, dass er sich aus ihm zugegangenen Mitteilungen über das jeweilige Ergebnis der einzelnen Teilprüfungen der Abschlussprüfung unter Heranziehung der einschlägigen Prüfungsordnung selbst ableiten kann, ob er die Abschlussprüfung insgesamt bestanden hat oder nicht. Hierfür spricht, dass sich den Mitteilungen allein der Ergebnisse der Teilprüfungen auch dann, wenn man ihren Inhalt gemeinsam betrachtet, nicht ohne eine weiteren, wertenden Zwischenschritt entnehmen lässt, dass die Abschlussprüfung bestanden wurde. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, bedarf es vielmehr einer rechtlichen Wertung der konkreten Teilprüfungsergebnisse nach Maßgabe der einschlägigen Prüfungsordnung. Dies gilt selbst dann, wenn das Bestehen der Abschlussprüfung im Einzelfall aufgrund des Bestehens aller Teilprüfungen offensichtlich sein mag. Andernfalls würde ein Auszubildender mit guten Prüfungsleistungen ausbildungsförderungsrechtlich schlechter gestellt als ein Auszubildender mit schlechten Prüfungsleistungen. Für diese Ungleichbehandlung im Rahmen des § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG fehlt es an einem sachlichen Grund.
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Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem Sinn und Zweck des § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG in der hier maßgeblichen vom 1. August bis 21. Juli 2022 geltenden Fassung. Wie bereits ausgeführt verfolgte der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG in der hier maßgeblichen Fassung den Zweck, Studierende von dem Risiko der Phase der Ungewissheit über den Ausgang des Abschlussversuchs ab dem Zeitpunkt des letzten Prüfungsteils bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses des Studienabschlusses zu entlasten (BT-Drs. 18/2663, S. 41 f.). In der Begründung des Gesetzesentwurfs wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass bislang von einer Einbeziehung der Wartezeiten bis zum Abschluss der oft zeitaufwändigen Bewertung und Ermittlung des Gesamtergebnisses des erfolgreichen Studienabschlusses in die Förderungshöchstdauer abgesehen worden sei, weil die Studierenden in dieser Zeit typischerweise nicht mehr ihre (volle) Arbeitskraft für die Ausbildung einsetzen müssten (BT-Drs. 18/2663, S. 41). Aus der mit der die Neuregelung verfolgten Abkehr hiervon wird deutlich, dass der Gesetzgeber den Studierenden nicht mit dem Risiko einer Fehleinschätzung des Ausgangs der Abschlussprüfung (also des Bestehens oder Nichtbestehen) und dementsprechend nicht mit der Obliegenheit belasten wollte, das Bestehen der Abschlussprüfung selbst anhand der ihm mitgeteilten Ergebnisse seiner Teilleistungen zu ermitteln. Die Phase der Ungewissheit, über die dem Studierenden durch die Regelung des § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG a.F. mit Blick auf die damit verbundene finanzielle Unsicherheit hinweggeholfen werden soll, ist dementsprechend erst dann beendet, wenn der Studierende aufgrund einer entsprechenden Mitteilung der hierfür zuständigen Stelle sichere Gewissheit über das Bestehen der Abschlussprüfung hat, nicht aber bereits dann, wenn er sich dies durch von ihm selbst vorzunehmende weitere wertende Zwischenschritte anhand ihm mitgeteilter Informationen selbst ermitteln könnte (a.A. wohl Neu in Schlegel/Voelzke (Hrsg.), jurisPK-SGB Sozialrecht Besonderer Teil, 1. Aufl. 2023, § 15b BAföG (Stand 15.4.2023) Rn. 39). Daher ist für die Bekanntgabe des Gesamtergebnisses des erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsabschnitts nach § 15 Abs. 3 Satz 3 BAföG in der hier maßgeblichen Fassung auf den Zugang der Mitteilung der zuständigen Stelle über das Bestehen der Abschlussprüfung abzustellen, die mit der Mitteilung des bloßen Ergebnisses der letzten Teilprüfung verbunden werden kann, aber nicht muss.
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Eine andere Auslegung ist auch nicht durch praktische Erwägungen, etwa zur Vermeidung von Vollzugsproblemen unter Berücksichtigung der bisherigen Vollzugspraxis des Beklagten, geboten. Der Beklagte hat insoweit in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es im Rahmen einer Massenverwaltung, zu der die Durchführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zähle, nicht möglich sei, bei einzelnen Studiengängen zu ermitteln, wann und wie die Bekanntgabe des Gesamtergebnisses erfolge. Zur Ermittlung des für das Ausbildungsende maßgeblichen Zeitpunkts habe sich der Beklagte bislang auf die entsprechenden Angaben der Studierenden verlassen. Wurde aber bislang der Beendigungszeitpunkt anhand des beim Auszubildenden abgefragten Datums des Tags der letzten (Teil-) Prüfung ermittelt, ist nicht ersichtlich, weshalb nicht künftig statt des Datums der letzten (Teil-) Prüfung das Datum der Mitteilung des Bestehens der Abschlussprüfung durch Nachfrage beim und unter Mitwirkung des Auszubildenden ermittelt werden kann. Nach Einschätzung des Gerichts hält sich der Verwaltungsaufwand für eine solche Änderung der Vollzugspraxis in zumutbaren Grenzen, da dies nur minimale Änderungen an dem in der Verwaltungsakte auf der Rückseite von Bl. 15 befindlichen, vom Beklagten offenbar bislang verwendeten Anfrageformular erfordert. Angesichts des somit zu vernachlässigenden (Mehr-) Aufwands kann dahinstehen, inwieweit der bei einer Umstellung der Vollzugspraxis anfallende (Mehr-) Aufwand überhaupt im Rahmen der Normauslegung zu berücksichtigten ist.
32
Der Gefahr einer zeitlich unangemessen ausufernden Förderung bei übermäßiger Verzögerung von Mitteilungen der zuständigen Stelle über das Bestehen der Abschlussprüfung wird hinreichend durch die Regelung des § 15b Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BAföG a.F. vorgebeugt (vgl. BT-Drs. 18/2663, S. 42). Danach ist eine Hochschulausbildung unabhängig von der Bekanntgabe des Gesamtergebnisses des erfolgreich abgeschlossenen Ausbildungsabschnitts (§ 15b Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BAföG a.F.) spätestens mit Ablauf des zweiten Monats nach dem Monat, in dem der letzte Prüfungsteil abgelegt wurde, beendet.
33
Hiervon ausgehend ist die Ausbildung des Klägers gemäß § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG a.F. erst im Juni 2022 beendet gewesen. Denn im streitgegenständlichen Fall hat das Prüfungsamt dem Kläger erstmals am 20. Juni 2022 per E-Mail mitgeteilt, dass er die Zahnärztliche Prüfung bestanden habe. Da für die Bekanntgabe im Sinne von § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG keine besondere Form vorgeschrieben ist (OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 5.5.2022 – 4 L 80/21 – juris Rn. 27), genügt eine solche Mitteilung per E-Mail, um von einer Bekanntgabe ausgehen zu können.
34
Hingegen liegt in den vorherigen Mitteilungen von Teilprüfungsergebnissen auch in einer Gesamtschau dieser Mitteilungen noch keine Bekanntgabe des Bestehens der Abschlussprüfung im Sinne von § 15b Abs. 3 Satz 3 BAföG. Denn keine dieser Mitteilungen beinhaltete eine Aussage über das Bestehen der Abschlussprüfung insgesamt. Sie bezogen sich vielmehr allein auf das Ergebnis der jeweiligen Teilprüfung. Erst mit E-Mail vom 22. Juni 2022 wurde der Kläger willentlich vom Prüfungsamt darüber informiert, dass er mit dem Bestehen des letzten Teils der Prüfung die Zahnärztliche Prüfung (insgesamt) bestanden habe. Dies wird durch die vom Beklagten am 16. September 2022 eingeholte telefonische Auskunft des Prüfungsamts bestätigt. Denn darin heißt es, dass der Kläger aufgrund seiner sehr guten Prüfungsleistungen im Anschluss nach der letzten Prüfungsleistung (mündliche Prüfung) vom erfolgreich bestandenen Examen habe ausgehen können. Die Formulierung „habe ausgehen können“ bringt zum Ausdruck, dass sich der Kläger das Bestehen der Abschlussprüfung zwar ab diesem Zeitpunkt unter Heranziehung der Prüfungsordnung aus den ihm bekannten Einzelleistungen hätte herleiten können, ihm das Bestehen der Zahnärztlichen Prüfung als solches aber noch nicht durch die zuständige Stelle mitgeteilt worden war. Jedenfalls fehlt es an einem Nachweis für eine frühere Mitteilung des Bestehens der Abschlussprüfung. Ein früherer Bekanntgabezeitpunkt ist – unter Zugrundelegung des dargestellten Begriffsverständnisses des Gerichts – vom insoweit beweispflichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 28.11.2006 – 12 C 06.2436 – juris Rn. 9) Beklagten weder hinreichend substantiiert dargelegt worden noch sonst ersichtlich.
35
Hat aber der Kläger seine Ausbildung demzufolge erst im Juni 2022 abgeschlossen, liegt insoweit gegenüber dem Bewilligungsbescheid vom 28. Juni 2021 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 24. Mai 2022 keine Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen vor. Daher hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht den Bewilligungszeitraum um einen Monat verkürzt. Dies verletzt den Kläger in seinen Rechten.
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Infolgedessen erweist sich auch die an diese rechtswidrige Verkürzung anknüpfende Festsetzung der Erstattung von überzahlten Leistungen in dem angefochtenen Bescheid als rechtswidrig (§ 53 Satz 3 BAföG i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Auch dies verletzt den Kläger in seinen Rechten, so dass der angefochtene Bescheid insgesamt keinen Bestand haben kann.
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Der Bescheid war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO aufzuheben.