Inhalt

AG München, Beschluss v. 05.10.2023 – 52721 F 1965/22
Titel:

Adoption eines aus einer Ersatzmutterschaft stammenden Kindes

Normenketten:
BGB § 1741 Abs. 1 S. 2, § 1743, § 1752 Abs. 2, § 1754 Abs. 1
EGBGB Art. 22 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Die Inanspruchnahme einer Leih- bzw. Ersatzmutterschaft kann nicht als „Mitwirkung an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes“ verstanden werden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Adoptionsvermittlungsstelle, Eltern-Kind-Verhältnis, Ersatzmutterschaft, Annahme als Kind
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29111

Tenor

1. Auf Antrag der Annehmenden vom 10.02.2022 wird die Annehme des Anzunehmenden
…, geboren am … 2020 in Ch./Ukraine,
Standesamt Ch./Ukraine, …
wohnhaft …
- Anzunehmender -
als Kind der Annehmenden
F…, geboren … 1978 …
Staatsangehörigkeit: deutsch
Familienstand: verheiratet
- Annehmende -
ausgesprochen.
2. Der Angenommene führt weiterhin den Geburtsnamen ….
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

1
Das Amtsgericht München ist zum Ausspruch der Annahme als Kind sachlich und örtlich zuständig, da die Annehmende im Bezirk des Gerichts ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
2
Die Adoption unterliegt gemäß Artikel 22 Abs. 1 Satz 1 EGBGB deutschem Recht, da die Annahme als Kind im Inland erfolgt.
3
Der Antrag auf Annahme des Kindes wurde formgerecht gestellt (§ 1752 Abs. 2 BGB).
4
Das Alterserfordernis des § 1743 BGB ist gewahrt.
5
Die Annehmende hat am … mit dem Vater des Anzunehmenden die Ehe geschlossen ….
6
Die Einwilligung der Kindesmutter wurde erklärt am 16.02.2021, zur Urkunde des Konsularbeamten der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland … in K., UR-Nr./UVZ-Nr. RK-….
7
Die Einwilligung des Kindesvaters und Ehemannes der Annehmenden wurde erklärt am 10.02.2022, zur Urkunde des Notars … in M., UR-Nr./UVZ-Nr. ….
8
Die erforderlichen Urkunden wurden dem Amtsgericht München formgerecht vorgelegt.
9
Die Annehmende und der Anzunehmende wurden persönlich gehört.
10
Ein Bericht der Adoptionsvermittlungsstelle des Jugendamts M. vom 15.11.2022 und eine Stellungnahme der zentralen Adoptionsstelle des Landesjugendamts vom 17.04.2023 liegen vor.
11
Die Annehmende und der Anzunehmende leben seit Geburt in einer Familie zusammen. Sie hat gegenüber dem Anzunehmerden die Elternrolle übernommen. Zwischen ihnen besteht ein enges Vertrauensverhältnis.
12
Die qualifizierten Voraussetzungen nach § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB müssen nicht erfüllt sein, da diese Vorschrift nach Auffassung des Gerichts vorliegend nicht anwendbar ist. Die Inanspruchnahme einer Leih- bzw. Ersatznutterschaft kann nicht als „Mitwirkung an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes“ verstanden werden (vgl. OLG Frankfurt, NJW 2019, 1615, OLG München, StAZ 2018, 350 f.; OLG Düsseldorf, NZFam 2017, 404 ff.; LG Frankfurt NJW 2012, 3111; Beckscher Online-Kommentar BG3, 59. Edition, Stand 01.08.2021, § 1741 Randnr. 25 f; Münchner Kommentar, BGB, 8. Aufl., 2020, § 1741 Randnr. 149). Die Vorschrift kann nicht entsprechend weit ausgelegt werden. Nach der Gesetzesbegründung sollte mit der Einführung des § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Kinderhandel und vergleichbaren Praktiken entgegengewirkt werden. Darunter lässt sich die Ersatzmutterschaft nicht subsumieren, zumal sie in vielen Ländern – wie hier in der Ukraine – rechtlich zulässig ist. Demgegenüber ist der Kinderhandel allgemein verboten. Weiterhin ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass das AdVermiG deutlich zwischen „Vermittlung der Annahme als Kind“ und „Vermittlung einer Ersatzmutter“ unterscheidet, während der Gasetzgeber in § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB keine solche Formulierung gewählt hat. Schließlich ist § 1741 Abs. 1 Satz 2 BGB als Ausnahmevorschrift eng auszulegen (vgl. OLG Düsseldorf, NZFam 2017, 404 ff.; LG Frankfurt, NJW 2012, 3111). Die Annahme dient dem Wohl des Kindes, da ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist und mit der Adoption eine nachhaltige Verbesserung der persönlichen und rechtlichen Verhältnisse des Kindes verbunden ist. Die verlässliche rechtliche Zuordnung zu einem zweiten Wunschelternteil, zumal dieser nachgewiesen auch genetisch der Elternteil ist, ist für den Anzunehmenden unzweifelhaft von Vorteil (vgl. BGH FamRZ 2015, 240 ff.; OLG München StAZ 2018, 350 f.).
13
Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Annahme als Kind vorliegen, war diese auszusprechen.
14
Die Annahme als Kind gründet sich auf §§ 1754 Abs. 1 BGB.
15
Die Adoption wird mit der Zustellung dieses Beschlusses wirksam. (§ 197 Abs. 2 FamFG)
16
Der Beschluss ist hinsichtlich des Ausspruchs der Annahme als Kind unanfechtbar. (§ 197 Abs. 3 Satz 1 FamFG)
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.