Titel:
Kaffeesteuer
Normenketten:
KaffeeStG § 17 Abs. 2 S. 3
BGB § 855
FGO § 52d, § 90 a, § 115 Abs. 2 Nr. 2, § 135 Abs. 1, § 151, § 155
ZPO § 708 Nr. 10, § 711
Leitsatz:
Soweit ein Fahrer als Besitzdiener nach § 855 BGB selbst keinerlei Besitz hat, sondern dieser dem Arbeitgeber zuzurechnen ist, hat diese Rechtsfigur nach der zu den harmonisierten Verbrauchsteuern keine Bedeutung, da Abhängigkeitsverhältnisse im Bereich der harmonisierten Verbrauchsteuern unberücksichtigt bleiben. (vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 18. April 2018 – 4 K 123/16 VK, BeckRS 2018, 18218, ZfZ Beilage 2018, Nr. 3,40). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verbrauchsteuerschuldner, Beteiligung, Besitzdiener, Gesamtschuldner, Gerichtsbescheid, Frachtführer, Fahrzeug, Einspruchsverfahren, Durchfuhranzeige, Beteiligung an einer Unregelmäßigkeit, Besitz, juristische Person, Kaffeesteuer, Steuerschuldner, Sachherrschaft
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – VII R 21/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 29069
Tenor
1. Der Kaffeesteuerbescheid vom 4. Oktober 2018 und die Einspruchsentscheidung vom 14. November 2022 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Streitig ist, ob die Klägerin zu Recht als Schuldnerin von Kaffeesteuer in Anspruch genommen wurde.
2
Die Klägerin, eine türkische Aktiengesellschaft, ist als Frachtführerin gewerblich tätig.
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Sie ließ durch angestellte Fahrer im Auftrag der Firma A von der Firma B in den Niederlanden sich im zollrechtlich freien Verkehr befindlichen und dort bereit gestellten Kaffee durch die Bundesrepublik Deutschland in die Türkei transportieren.
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Es wurden folgende Transporte von insgesamt … kg Röstkaffee durchgeführt:
- … kg mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen türkischen Kennzeichen … im Zeitraum vom 15. August 2018 bis 17. August 2018,
- … kg mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen türkischen Kennzeichen … im Zeitraum vom 16. August 2018 bis 17. August 2018,
- … kg mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen türkischen Kennzeichen … im Zeitraum vom 15. August 2018 bis 17. August.2018,
- … kg mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen türkischen Kennzeichen … im Zeitraum vom 10. September 2018 bis 11.September 2018,
- … kg mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen türkischen Kennzeichen … im Zeitraum vom 11. September 2018 bis 13. September 2018,
- … kg mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen türkischen Kennzeichen … im Zeitraum vom 13. September 2018 bis 19. September 2018.
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In den Ausfuhranmeldungen wurde die Ware jeweils mit dem KN-Code 0901 2100 für „Kaffee, geröstet‚ nicht entkoffeiniert“ angemeldet.
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Während der Beförderung des Kaffees von den Niederlanden in die Türkei wurden die Transporte im deutschen Steuergebiet beim Zollamt S.-Autobahn kontrolliert. Dabei stellten die Beamten jeweils fest, dass für den beförderten Kaffee zuvor keine Durchfuhranzeige beim Hauptzollamt Stuttgart abgegeben worden war.
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Mit Kaffeesteuerbescheid vom 4. Oktober 2018 setzte der Beklagte (das Hauptzollamt – HZA –) gegenüber der Klägerin für insgesamt … kg Röstkaffee Kaffeesteuer in Höhe von … € fest, da vor Beginn der Durchfuhr keine Durchfuhranzeige abgegeben worden sei. Im Bescheid wurde die Firma B als Versender und weiterer Steuerschuldner aufgeführt, jedoch das Ermessen dahingehend ausgeübt, dass die Klägerin vorrangig in Anspruch genommen werden sollte, da sie verpflichtet gewesen sei, sich über die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich des Warentransports zu informieren und ihr Verhalten somit zur Entstehung der Kaffeesteuer geführt habe.
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Allerdings nahm das HZA mit Bescheid vom 18. Oktober 2019 gesamtschuldnerisch auch die Firma B in Anspruch.
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Die Klägerin legte Einspruch ein mit der Begründung, dass sie nicht Steuerschuldnerin sei. Sie habe nicht gewusst, dass es sich bei der beförderten Ware um Röstkaffee gehandelt habe. Außerdem habe sie als Frachtführerin keinen Besitz i.S. der Kaffeesteuer an der Ware gehabt.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 14. November 2022, zugestellt am 21. November 2022, wies das HZA den Einspruch als unbegründet zurück. Die weisungsgebundenen Kraftfahrer hätten unmittelbare Sachherrschaft über die Fahrzeuge sowie alle darin befindlichen Gegenstände und somit auch den Kaffee ausgeübt. Diese hätten gemäß den konkreten Vorgaben der Klägerin den Kaffee in den Niederlanden geladen und den für die Steuerentstehung maßgeblichen Transport durch das deutsche Steuergebiet durchgeführt. Die Klägerin habe Ladung, Ladeort, Transportroute, Ziel sowie zeitlichen Rahmen des Transports maßgeblich bestimmt. Bei lebensnaher Betrachtung habe die Klägerin über die Verwendung der Fahrzeuge und demnach ebenfalls über den darin befindlichen Kaffee verfügen können. Diese Auslegung entspreche der Auslegung des „Verbringens“ durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Für die Bestimmung des Zollschuldners werde alternativ an die Beteiligung am Verbringen und an den Besitz angeknüpft. Diese Grundsätze seien nicht nur auf das harmonisierte Verbrauchsteuerrecht, sondern auch die nicht harmonisierte Kaffeesteuer zu übertragen.
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In der Einspruchsentscheidung führte das HZA weiterhin aus, dass als weitere mögliche Gesamtschuldner die Firma A als Versenderin und die Fahrer in Betracht kämen. Bei der Auswahl sei zu berücksichtigten, dass die Fahrer nicht auf eigene Rechnung handelten, sondern die Transporte im Rahmen eines Abhängigkeitsverhältnisses erledigt hätten. Dagegen habe die Klägerin dafür Sorge zu tragen gehabt, dass die rechtlichen Vorgaben (Durchfuhranzeige) eingehalten werden. Aufgrund ihres Versäumnisses/Verschuldens sei die Klägerin vorrangig in Anspruch zu nehmen.
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Mit ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, vertraglich vereinbarter Gegenstand des Transportauftrags sei nicht Kaffee, sondern „B Coffee Supplies“ gewesen. Dies ergebe sich aus den vorliegenden CMR-Frachtbriefen. Die Ausfuhranmeldungen seien durch die Firma B erstellt worden. Sie sei somit vom Transport von nicht steuerpflichtigen Kaffeezubehör ausgegangen. Ein Besitzwillen bezüglich des Kaffees sei somit ausgeschlossen. Außerdem sei sie aber auch deswegen nicht Steuerschuldner, da sie zu keinem Zeitpunkt die tatsächliche Sachherrschaft über den Kaffee gehabt habe und ihr der Besitz der Kraftfahrer nicht zugerechnet werden könne. Das zivilrechtliche Konstrukt des „Besitzdieners“ sei im Verbrauchsteuerrecht nicht anwendbar.
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Schließlich sei ihre Inanspruchnahme ermessensfehlerhaft. Sie sei nicht Mitversenderin des Kaffees, sondern die Firma B sei nach den CMR-Frachtbriefen Absenderin und somit Steuerschuldnerin. Sie habe auch die streitgegenständliche Ware angemeldet. Dies sei ermessensfehlerhaft nicht in die Auswahlentscheidung einbezogen worden. Zur Verbrauchsteuer sei derjenige heranzuziehen, der die Sachherrschaft über die betreffenden Gegenstände hat und für die zuständige Behörde dadurch in der Regel am leichtesten und am sichersten zur Verantwortung gezogen werden kann. Dies sei bei ihr nicht der Fall.
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Die Klägerin beantragt,
den Kaffeesteuerbescheid vom 4. Oktober 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2022 aufzuheben.
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Es führt ergänzend zur Einspruchsentscheidung aus, dass in den CMR-Frachtbriefen Bezug zu den jeweiligen Ausfuhranmeldungen hergestellt worden sei, aus denen sich ergebe, dass es sich tatsächlich um Röstkaffee gehandelt habe.
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Im Übrigen sei die Klägerin gesamtschuldnerisch mit der Firma B in Anspruch genommen worden. Im Einspruchsverfahren der Firma B sei jedoch aufgrund vorgelegter Vertragsunterlagen festgestellt worden, dass diese den Kaffee an den Käufer lieferte, indem sie die Ware in den Niederlanden zur Abholung bereitstellte. Da ihr der weitere Transport nicht oblegen habe, sei diese nicht Versenderin und damit auch nicht Kaffeesteuerschuldnerin.
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Mit Beschluss vom 2. Mai 2023 gewährte der Senat Aussetzung der Vollziehung des streitgegenständlichen Kaffeesteuerbescheides. Trotz Hinweises auf das unter Az.: VII R 13/23 anhängige Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof (BFH) hat die Klägerin einem Ruhen des Verfahrens im Hinblick hierauf nicht zugestimmt.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und auf die vorgelegten Unterlagen und Akten verwiesen.
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Die Klage ist begründet, da die Klägerin zumindest nicht Steuerschuldnerin der Kaffeesteuer ist.
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1. Gelangt Kaffee – wie hier – aus dem zollrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet, ist Steuerschuldner, wer den Kaffee versendet, in Besitz hält oder verwendet (§ 17 Abs. 2 Satz 3 des Kaffeesteuergesetzes in der für den Streitfall anwendbaren Fassung – KaffeeStG).
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a) Versender ist, von wem das Transportgut ausgeht und wer den Transport einer Ware veranlasst. Die Klägerin war nicht Versenderin, sondern war als Frachtführerin verpflichtet, den Kaffee zum Bestimmungsort zu befördern und dort beim Empfänger abzuliefern. Anders als Art. 33 Abs. 3 der RL 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der RL 92/12/EWG – System-Richtlinie –, nach der als Steuerschuldner herangezogen werden soll, wer die Lieferung vornimmt, ist die Steuerschuldnerschaft im nicht harmonisierten Kaffeesteuerrecht nach § 17 Abs. 2 Satz 3 KaffeeStG auf den Versender begrenzt. Eine weite Auslegung des Versenderbegriffs dahingehend auch den Frachtführer zu erfassen, ist aufgrund dieses Regelungszusammenhangs ausgeschlossen.
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b) Die Klägerin hat den Kaffee auch nicht in Besitz gehalten.
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Der Begriff des Besitzes ist im KaffeeStG ebenso wenig definiert wie für die übrigen Verbrauchsteuern.
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Nach dem EuGH ist aber entscheidend, dass der Begriff der Person, „in deren Besitz sich [Waren] befinden“, im gewöhnlichen Sprachgebrauch eine Person meint, die diese Waren in ihrem physischen Besitz hat. Dabei sei es unerheblich, ob sie ein Recht oder ein Interesse an den in ihrem Besitz befindlichen Waren habe (zu den harmonisierten Verbrauchsteuern: EuGH-Urteil Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs (Agent innocent) vom 10. Juni 2021 – C-279/19, ECLI:EU:C:2021:473, Rn. 24). Dementsprechend stellt auch der BFH bei der Bestimmung des verbrauchsteuerrechtlichen Abgabenschuldners darauf ab, in wessen unmittelbarer Obhut eine verbrauchsteuerpflichtige Ware sich befindet und wer deshalb anhand objektiver Umstände leicht ausgemacht und zur steuerrechtlichen Verantwortung gezogen werden kann (BFH-Urteile vom 22. Mai 2012 – VII R 50/11, BFH/NV 2012, 1401, Rn. 14, und vom 11. November 2014 – VII R 44/11, BFHE 248, 271, Rn. 15).
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Ein entscheidendes Element des Besitzes ist danach die Möglichkeit, über eine Sache oder eine Sachgesamtheit die tatsächliche Herrschaft („Sachherrschaft“) ausüben zu können (BFH-Urteil vom 22. Mai 2012 – VII R 50/11, BFH/NV 2012, 1401, Rn. 14, m.w.N.). Um festzustellen, in wessen Herrschaftsgewalt sich eine Sache befindet, müssen alle Umstände des Einzelfalls zusammenfassend gewertet werden. Grundsätzlich übt derjenige die tatsächliche Herrschaft aus, der auf die Sache einwirken und Dritte von der Einwirkung auf die Sache ausschließen kann (FG München, Beschluss vom 20. Januar 2020 – 14 V 1567/19, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern – ZfZ – 2022, 92, Rn. 58).
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Die Kaffeesteuer gehört zwar gemäß Art. 1 Abs. 1 der System-Richtlinie nicht zu den harmonisierten Verbrauchsteuern. Es ist aber nicht ersichtlich, dass der nationale Gesetzgeber abweichende Grundsätze für das nicht harmonisierte Kaffeesteuerrecht aufgestellt hätte (vgl. zur Übertragbarkeit FG Düsseldorf, Urteil vom 18. April 2018 – 4 K 123/16 VK, ZfZ Beilage 2018, Nr. 3, 40, Rn. 17).
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c) Als juristische Person übt die Klägerin die tatsächliche Sachherrschaft durch ihre Organe aus. Diese hatten jedoch während der Durchfuhr durch die Bundesrepublik Deutschland keine Möglichkeit, selbst unmittelbar auf die Ladung zuzugreifen. Diese Möglichkeit hatte während der Fahrt nur die Fahrer.
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d) Der Besitz der Fahrer ist der Klägerin nicht zuzurechnen.
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aa) Der jeweilige Fahrer übte die tatsächliche Sachherrschaft als Angestellter der Klägerin zwar nicht für sich selbst, sondern im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für die Klägerin aus. Dabei unterlag er den Weisungen der Klägerin auch soweit sich diese auf die Ladung bezogen. Soweit er insoweit als Besitzdiener nach § 855 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) selbst keinerlei Besitz hat, sondern dieser dem Arbeitgeber zuzurechnen ist, hat diese Rechtsfigur nach der zu den harmonisierten Verbrauchsteuern ergangenen Rechtsprechung für die Bestimmung des Verbrauchsteuerschuldners jedoch keine Bedeutung (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 18. April 2018 – 4 K 123/16 VK, ZfZ Beilage 2018, Nr. 3, 40, Rn. 15 ff). Vielmehr bleiben Abhängigkeitsverhältnisse im Bereich der harmonisierten Verbrauchsteuern unberücksichtigt (BFH-Urteil vom 10. Oktober 2007 – VII R 49/06, BFHE 218, 469, Rn. 26; BFH-Beschluss vom 21. Oktober 2015 – VII B 39/15, BFH/NV 2016, 230, Rn. 12; vgl. auch zum „Mitsichführen“ im Mineralölsteuergesetz – MinöStG -: BFH-Urteil vom 23. November 1993 – VII R 32/93, BFHE 173, 274, Rn. 10; anderes soll dagegen bezüglich der Tatbestandsalternative des „Verwendens“ gelten können, vgl. Rn. 14, vgl. auch Jatzke, ZfZ 2019, 336, 337).
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bb) Anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des EuGH, nach der eine juristische Person wegen der Handlungen einer natürlichen Person als Verbrauchsteuerschuldner angesehen werden kann, wenn die natürliche Person als Beauftragter der juristischen Person gehandelt hat (vgl. EuGH-Urteil Comida paralela 12 vom 17. Oktober 2019 – C-579/18, ECLI:EU:C:2019:875, Rn. 40). Denn diese Entscheidung betraf allein das Merkmal der „Beteiligung an einer Unregelmäßigkeit“ i.S. des Art. 38 Abs. 3 der System-Richtlinie und wurde insbesondere damit begründet, dass im Vergleich zum Merkmal der unrechtmäßigen Entnahme vom Richtliniengeber gerade auf ein subjektives Tatbestandsmerkmal verzichtet wurde.
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Zwar kommt es – wie beim Begriff der „Beteiligung“ – beim „Besitz“ im Sinne des Verbrauchsteuerrechts auch nicht so sehr auf die subjektive Komponente des „Besitzwillens“ an bestimmten Gegenständen an (z.B., wenn Besitz auch an Waren angenommen wird, von deren Existenz der Besitzer nichts wusste, vgl. EuGH-Urteil Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs (Agent innocent) vom 10. Juni 2021 – C-279/19, ECLI:EU:C:2021:473, Rn. 25; BFH-Beschluss vom 25. März 2013 – VII B 232/12, BFH/NV 2013, 1131, Rn. 6). Auch wollte der Unionsgesetzgeber den Kreis der Personen, die im Fall der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren Verbrauchsteuern schulden, grundsätzlich weit fassen, um die Erhebung dieser Steuern soweit wie möglich sicherzustellen (vgl. EuGH-Urteil Commissioners for Her Majesty's Revenue and Customs (Agent innocent) vom 10. Juni 2021 – C-279/19, ECLI:EU:C:2021:473, Rn. 33).
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Allerdings würde eine Zurechnung der tatsächlichen Sachherrschaft an den Auftraggeber dem o.g. Grundgedanken widersprechen, dass derjenige Steuerschuldner sein soll, der anhand objektiver Umstände leicht ausgemacht und zur steuerrechtlichen Verantwortung gezogen werden kann, ohne dass es auf rechtliche Beziehungen ankäme. Dem steht auch das Erfordernis einer u.U. aufwendigeren Sachaufklärung zur ordnungsgemäßen Ausübung des Auswahlermessens nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 1993 – VII R 32/93, BFHE 173, 274, Rn. 21).
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Zudem ist zu berücksichtigen, dass der nationale Gesetzgeber, indem er nur den Versender aber nicht den, der die Lieferung vornimmt, als Steuerschuldner heranzieht, nicht wie der Unionsrechtsgeber eine umfassende Heranziehung aller an der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren Beteiligten (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Tanchev vom 21. Januar 2021 zu C-279/19, Rn. 65) geregelt hat. Insofern kann auch nicht an die Auslegung des zollrechtlichen Verbringensbegriffs angeknüpft werden. Das Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – (Urteil vom 14. März 2007 – 5 StR 461/06, Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht – wistra – 2007, 262, Rn. 35) erging zur Tabaksteuer. Die Regelungen zum Tabaksteuer- und zum Kaffeesteuerschuldner sind jedoch nicht vergleichbar (s.o.).
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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3. Die Revision war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
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4. Es erscheint als sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90 a FGO).