Inhalt

OLG München, Beschluss v. 18.10.2023 – 11 WF 892/23 e
Titel:

Verfahrensbeistand: Vergütung bei konkludenter Bestellung

Normenketten:
KV-FamGKG 2013
FamFG § 23, § 26
Leitsätze:
Zur Vergütung eines Verfahrensbeistandes, der in einem durch schlüssiges Verhalten des Gerichts in ein familienrechtliches Verfahren (elterliche Sorge) einbezogenen Verfahrensgegenstand (Umgang) konkludent bestellt wurde. (Rn. 9 – 15)
Die Annahme einer konkludenten Bestellung des Verfahrensbeistandes ist auf Ausnahmefälle zu begrenzen, weil es einer genauen Festlegung seiner Aufgaben bedarf und Klarheit darüber zu herrschen hat, in welchem konkreten Verfahren er bestellt worden ist, zumal eine solche eindeutige Bestimmung nicht zuletzt auch den Eltern die Entstehung womöglich weiterer hoher Kosten vor Augen führen soll. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfahrensbeistand, konkludente Bestellung, konkretes Verhahren, Festlegung der Aufgaben, Kosten, Vergütung
Vorinstanz:
AG Pfaffenhofen, Beschluss vom 10.07.2023 – 001 F 441/22
Fundstellen:
FamRZ 2024, 136
MDR 2023, 1617
RPfleger 2024, 271
LSK 2023, 28899
BeckRS 2023, 28899

Tenor

I. Der Zurückweisungsbeschluss wird aufgehoben.
II. Die Verfahrensbeiständin C. K. ist auch für ihre Tätigkeit hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes „Umgang“ ihrem Antrag vom 18.11.2022 gemäß zu entschädigen
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
Das Beschwerdeverfahren betrifft – einmal mehr – die Frage des Anfalls der Vergütung für einen nicht eindeutig bestellten Verfahrensbeistand.
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Mit Schriftsatz vom 16.08.2022 beantragte die Antragstellerin die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die beiden gemeinsamen Kinder der Parteien auf sich. Das Familiengericht bestellte mit Beschluss vom 15.09.2022 Frau C. K. zum Verfahrensbeistand und übertrug ihr die weiteren Aufgaben im Sinne von § 158 b Abs. 2 FamFG (ohne Begründung gemäß § 158 b Abs. 2 Satz 2 FamFG). In ihrer Stellungnahme vom 19.10.2022 stellte die Verfahrensbeiständin die unterschiedlichen Sichtweisen der Eltern und der Kinder dar, wobei sie insbesondere auch auf die Umgangsproblematik einging: Die beiden Anträge der Antragstellerin lösten ihrer Ansicht nach die eigentliche Problematik in der Familie nicht. Es stelle sich nicht die Frage einer Übertragung der elterlichen Sorge, vielmehr die nach einem kindeswohlgerechten Umgang; auf die insoweit ausführliche Darstellung wird Bezug genommen.
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Das Amtsgericht verfügte auf diesem Schriftsatz handschriftlich: „Umgang zusätzlich erfassen“. In einer E-Mail des Jugendamtes vom 09.11.2022 ist ebenfalls davon die Rede, das Kind S. lehne den Umgang mit dem Vater ab; es möge eine feste Umgangsregelung gefunden werden, wie sie die Eltern alleine nicht schaffen würden. Eine kurzzeitige Umgangspflegschaft könne dabei behilflich sein. Ein Grund, einem Elternteil das Sorgerecht zu entziehen, liege jedoch definitiv nicht vor. Am 10.11.2022 fand ein Termin vor dem Familiengericht Pfaffenhofen statt, bei dem beide Eltern, deren Verfahrensbevollmächtigte sowie die Verfahrensbeiständin anwesend waren. Zu Anfang des Termins wurde erneut die Umgangsproblematik angesprochen (Verhalten der nunmehrigen Ehefrau des Vaters). Sodann schlossen die Parteien eine Vereinbarung, wonach es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge für die beiden Kinder verbleibt, der Antragsgegner der Antragstellerin bestimmte Vollmachten erteilt und die weitere Regelung des Umgangs in einem Elternberatungstermin besprochen werde. Beide Eltern seien sich jedoch einig, dass eine „gestaffelte“ Umgangsregelung erfolgen solle. Hinsichtlich der weiteren Bestimmung des Umgangs waren sich die Eltern ferner einig, dass man an eine früher erfolgte Taktung wieder anknüpfen möchte. Weiter wurde ein Termin zwischen dem Vater und einem Kind „zur Wiederanbahnung des Vater-Umgangs“ festgelegt.
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Im Anschluss an diese Vereinbarung bewilligte das Gericht zunächst der Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe auch hinsichtlich der im Termin getroffenen Vereinbarung und erstreckte diese antragsgemäß „auf bisher nicht erfasste Verfahrensgegenstände, insbesondere auf den Verfahrensgegenstand Umgang“. In einem weiteren Beschluss bewilligte das Gericht auch dem Antragsgegner – ab Antragstellung – Verfahrenskostenhilfe, ordnete die für ihn handelnde Verfahrensbevollmächtigte bei und erstreckte die Bewilligung ebenfalls auf den Abschluss der heutigen Vereinbarung sowie „auf bisher nicht erfasste Verfahrensgegenstände, insbesondere auf den Verfahrensgegenstand Umgang“. Den Wert des Verfahrens setzte das Gericht auf 8.000,- € fest, wobei es zur Begründung ausführte, der „relativ hohe“ Wert beruhe darauf, dass mit der geschlossenen Vereinbarung neben der elterlichen Sorge auch der Umgang behandelt worden sei.
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Beschwerdegegenständlich ist der Antrag der Verfahrensbeiständin, ihr auch für ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Verfahrensgegenstand „Umgang“ die vorgesehene Vergütung zu gewähren (§ 158 c Abs. 1 Satz 2 FamFG); sie beanspruche die Vergütung zweimal, da sie aktiv an dem Erörterungstermin auch zum Umgang teilgenommen habe und insoweit konkludent bestellt worden sei.
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Die Rechtspflegerin wies den Festsetzungsantrag hinsichtlich der auf den Umgang bezogenen Tätigkeit zurück, im Wesentlichen mit der Begründung, es liege kein Fall der konkludenten Bestellung zum Verfahrensbeistand vor. Eine solche sei nur im Ausnahmefall anzunehmen; vorliegend fehle es auch an einem Antrag der Beteiligten auf die Regelung des Umgangs. Allein dessen Abhandlung im Termin rechtfertige eine weitere Vergütung nicht. Der Verfahrensbeistand werde grundsätzlich für das Verfahren bestellt, egal wie viele Themen darin abgehandelt würden.
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Dagegen wendet sich die Verfahrensbeiständin mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung verweist sie insbesondere darauf, beide Kinder hätten „eindringlich und ausdrücklich“ auch um Hilfe beim Thema „Umgang“ gebeten. Es sei notwendig gewesen, einen Verfahrensbeistand für den Bereich „Umgang“ zu bestellen, da die bisherige Umgangssituation mit einer Kindeswohlgefährdung verbunden gewesen sei; diesbezüglich habe ein erheblicher Interessengegensatz gemäß § 158 Abs. 3 Satz 2 FamFG bestanden. Bei Bestellung sowohl in einer Sorgerechts-, als auch in einer Umgangsrechtsangelegenheit falle die Vergütung des Verfahrensbeistandes zweimal an, auch wenn das Amtsgericht nur ein einziges Verfahren geführt habe. Es komme nicht auf die Anzahl der Verfahren an, vielmehr auf die der „Verfahrensgegenstände“. Beide Parteien hätten von Anfang an schriftsätzlich streitig zum Thema „Umgang“ vorgetragen. Das Gericht habe bereits bei Eröffnung des Termins deutlich festgestellt, man unterhalte sich aufgrund der Stellungnahme der Verfahrensbeiständin nicht über die elterliche Sorge, sondern über den Umgang. Es entspreche herrschender Meinung, dass ein Verfahrensbeistand auch konkludent bestellt werden könne. Dieser habe hier den wesentlichen Kern der abgeschlossenen Vereinbarung „initiiert“. Berechtigt sei weiter auch die Vergütung für den erweiterten Wirkungskreis, da die Verfahrensbeiständin die mögliche Gefährdung des Kindeswohls erst aus Gesprächen mit den Eltern habe erkennen können; auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen.
II.
8
Die gemäß §§ 158 c, 292 Abs. 1, 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg; bei vorliegender Konstellation fällt für die Verfahrensbeiständin eine Vergütung auch für den Bereich „Umgang“ selbst dann an, wenn zum einen hinsichtlich dieses Gegenstandes keine formelle Verfahrenseinleitung erfolgt ist und zum anderen die Heranziehung der Verfahrensbeiständin nur im Wege der „konkludenten Bestellung“ angenommen werden kann.
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1. Vom Ausgangspunkt her zutreffend weist die Rechtspflegerin darauf hin, die Annahme einer konkludenten Bestellung des Verfahrensbeistandes sei auf Ausnahmefälle zu begrenzen (siehe etwa Senat, Beschl. v. 13.10.2016 – 11 WF 1092/16; Beschl. v. 19.08.2015 – 11 WF 1028/15), was auch die Beschwerde nicht in Abrede stellt. Zumal nach neuem Recht bedarf es nämlich einer genauen Festlegung der Aufgaben, ferner hat Klarheit zu herrschen, in welchem Verfahren genau ein Verfahrensbeistand bestellt wird, ob er etwa auch in einem Eilverfahren tätig zu werden hat und eine eindeutige Bestimmung soll nicht zuletzt auch den Eltern die Entstehung womöglich weiterer hoher Kosten vor Augen führen. Soweit der Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 25.03.2021 – 3 WF 172/20 verweist, besteht durchaus eine Vergleichbarkeit mit dem vorliegenden Fall.
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2. Erfolg hat das Rechtsmittel deshalb, weil vorliegend davon auszugehen ist, dass auch ein Verfahren mit dem Regelungsgegenstand „Umgang“ anhängig wurde:
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a) Anders als in dem dem Beschluss des OLG Dresden vom 27.05.2016 – 18 WF 1406/15 zugrundeliegenden Sachverhalt hat das Familiengericht hier – wiederum konkludent – auch den Bereich „Umgang“ (§ 151 Nr. 2 FamFG) als weiteren Verfahrensgegenstand in das Verfahren eingeführt. Soweit die Rechtspflegerin bemerkt, die Abhandlung dieses Themas im Termin alleine rechtfertige keine weitere Vergütung, ist dies zwar zutreffend. Hier indes wurde das Umgangsrecht bereits in einem sehr frühen Verfahrensstadium thematisiert: So etwa trägt der Antragsgegner bereits in seiner Erwiderung vor, die Antragstellerin unterbinde den Umgang soweit möglich; er habe eine Neuregelung des Umgangs haben wollen. Weiter schildert die Verfahrensbeiständin in ihrer Stellungnahme vom 19.10.2022 Schwierigkeiten mit dem Umgang und führt aus, über eine Regelung des Sorgerechts ließe sich die „eigentliche Problematik“ nicht lösen, vielmehr stelle sich die Frage nach einem kindeswohlgerechten Umgang. Beide Kinder hätten der Beiständin signalisiert, ein großer Anteil dieser Problematik entstehe durch die Einstellung der Mutter etc.. Besonders deutlich ergibt sich aus dem genannten handschriftlichen Vermerk des Familienrichters vom 25.10.2022, wonach der Umgang „zusätzlich erfasst“ werden solle, dessen Absicht, auch dieses Thema zu behandeln (wenngleich diese Verfügung in den Akten keinen für den Senat erkennbaren Niederschlag gefunden hat, das Rubrum etwa blieb gleich). Eines ausdrücklichen Antrages einer Partei bedurfte es hierzu nicht, vielmehr ist eine solche Einbeziehung auch von Amts wegen möglich, vgl. etwa Sternal-Sternal, FamFG, 21. Aufl., § 23 Rn. 6, 8; § 24 Rn. 5.
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Weiter wird in der E-Mail des Jugendamtes vom 09.11.2022 die Notwendigkeit einer festen Umgangsregelung betont. Im Termin vom 10.11.2022 wurde offensichtlich bereits zu Beginn ebenfalls auf Schwierigkeiten im Bereich „Umgang“ hingewiesen.
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b) Unter diesen Umständen wurde das Umgangsrecht vorliegend zum Gegenstand des Verfahrens – anders als in dem eingangs genannten Beschluss des OLG Dresden oder in dem vom OLG Düsseldorf a.a.O. – oben II. 1. a.E. – entschiedenen Fall, vgl. dort Rn. 8. Der Umstand, dass nur ein Verfahren, mit einem Aktenzeichen, vorlag, steht der Annahme mehrerer Verfahrensgegenstände nicht entgegen: Der BGH stellt nicht auf das Verfahren im formalen Sinne, vielmehr auf Verfahrensgegenstände ab, siehe hierzu den bereits in der Beschwerdeschrift zitierten Beschluss vom 01.08.2012 – XII ZB 456/11 Tz. 12 ff. und dazu dem dieser Entscheidung folgenden Senatsbeschluss vom 27.02.2013 – 11 WF 250/13, = FamRZ 13, 966.
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c) Auszugehen ist hier auch von einer konkludenten Bestellung der Verfahrensbeiständin: Ein formeller Beschluss in diesem Sinne wäre – zumal für die spätere kostenmäßige Abwicklung – zwar äußerst wünschenswert, ist gesetzlich jedoch auch nach der Neufassung der Vorschriften über den Verfahrensbeistand mit Wirkung vom 01.07.2021 nicht vorgegeben.
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Keinem Zweifel kann unterliegen, dass die Verfahrensbeiständin hier im Bereich Umgangsrecht in ausreichender Weise im Interesse der Kinder tätig war. Hieran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass ihr eine Anregung an das Gericht, sie zur Klarstellung auch hinsichtlich des Umgangsbereiches zu bestellen, leicht möglich und auch dem Gericht eine solche durch einen Beschluss wohl zumutbar war. Dem Kostenrecht ist ferner auch in anderen Bereichen der Anfall einer Vergütung dann, wenn das Gericht – wie hier – eine Leistung verwertet hat, nicht fremd (siehe z.B. § 8 a Abs. 2 Satz 1, 2 JVEG; wobei sich auch dort für die spätere Kostenabrechnung Einzelheiten einer solchen Verwertung häufig schwer feststellen lassen).
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3. Der Senat lässt gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zu:
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Fragen der Vergütung eines Verfahrensbeistandes, der nur durch schlüssiges Verhalten bestellt ist, zumal wenn das Gericht, wie hier, in einem Verfahren mehrere Gegenstände behandelt, ohne dies formal klar zum Ausdruck zu bringen, treten nicht selten auf. Hier gibt es immer wieder Unklarheiten, schon etwa rein begrifflicher Art: Beispielsweise geht das OLG Düsseldorf in der bereits zitierten Entscheidung vom 25.03.2021 – 3 WF 172/20 Tz. 16 offenbar davon aus, es könnten mehrere kindschaftsrechtliche Angelegenheiten zu einem „Verfahrensgegenstand“ geworden sein, während der BGH bei der Aufzählung in § 151 FamFG von „Verfahrensgegenständen“ spricht (Beschl. v. 01.08.2012, a.a.O., Tz. 12). Bei der Vergütung von Rechtsanwälten etwa ist die „Angelegenheit“ im Allgemeinen mit dem Verfahren identisch (Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 25. Aufl., § 15 Rn. 5), so dass dort eine klare Abgrenzung gegeben ist. Dies ist hier nicht in gleicher Weise der Fall.
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Von nicht unerheblicher Bedeutung ist weiter, dass es für den Rechtspfleger schwer sein wird, bei der Bestimmung der Vergütung eines Verfahrensbeistandes festzustellen, ob im Einzelfall das Familiengericht ein Verfahren von Amts wegen eingeleitet hat – wie hier angenommen – oder nicht. Im vorliegenden Sachverhalt ging der Senat wegen der erkennbaren Thematisierung des Bereiches „Umgang“ in einem bereits frühen Stadium und dem dargelegten Verhalten des Gerichts davon aus, es solle auch der Umgang behandelt und die Verfahrensbeiständin auch hierfür bestellt werden. Hätte beispielsweise die Verfahrensbeiständin die Umgangsproblematik vor dem Termin aber nur kurz angesprochen und/oder wäre dieser Bereich im Termin ebenfalls nur am Rande erörtert worden, ergäben sich Abgrenzungsprobleme, denn der bloße Einbezug in eine Vereinbarung reicht nicht aus, um von einem entsprechenden Verfahren im Sinne von § 151 Nr. 2 FamFG ausgehen zu können.
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Nach der Entscheidung des Senats entsteht damit der von Menne, FamRB 2016, 347, 348 erwähnte „schale Beigeschmack“ hier zwar nicht unter dem vom BGH immer wieder betonten Gesichtspunkt einer auskömmlichen Vergütung des Verfahrensbeistandes, womöglich aber generell insofern, als auf die Eltern hohe Gerichtskosten zukommen, da die Aufwendungen für den Verfahrensbeistand als Auslagen gemäß § 1 FamGKG, Nr. 2013 KV-FamGKG auf die nach §§ 80 ff. FamFG bestimmten Schuldner umgelegt werden (die hier auch keine Gelegenheit zu einer Äußerung vor deren Bestellung hatten – wobei der Gesichtspunkt einer weiteren Kostenbelastung im konkreten Fall wegen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nicht zum Tragen kommen mag).
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4. Kosten: § 81 Abs. 1 FamFG; Gerichtskosten fallen nicht an, eine Erstattung erfolgt nicht.