Titel:
Zulässigkeit des Austausches der Rechtsgrundlage, sofern der Bescheid nicht in seinem Wesen verändert wird, Anforderungen an die Verabreichung von oralen Arzneimitteln an Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, sowie Unzulässigkeit der Verabreichung solcher Arzneimittel über eine Fütterungsanlage, Parallele Anwendbarkeit europarechtlicher und nationaler Vorschriften, Bestimmtheit einer Zwangsgeldandrohung
Normenketten:
TAMG § 76
THAMNV § 4, § 5
VO (EU) 2019/6 Art. 107
Schlagworte:
Zulässigkeit des Austausches der Rechtsgrundlage, sofern der Bescheid nicht in seinem Wesen verändert wird, Anforderungen an die Verabreichung von oralen Arzneimitteln an Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, sowie Unzulässigkeit der Verabreichung solcher Arzneimittel über eine Fütterungsanlage, Parallele Anwendbarkeit europarechtlicher und nationaler Vorschriften, Bestimmtheit einer Zwangsgeldandrohung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28766
Tenor
I. Die Ziffer 2 des Bescheides des Landratsamtes L. vom 17.8.2020 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu ¾, der Beklagte zu ¼.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner bzw. die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger bzw. die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung veterinärrechtlicher Maßnahmen.
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Am 11.5.2020 kam es in dem klägerischen Betrieb in …, … zu einer unangekündigten Kontrolle durch das Veterinäramt L. Grund der Kontrolle war ein positiver Hemmstoffbefund (Sulfadimethoxin, Trimethorprim, Doxycyclin) der Untersuchungsstelle CVUA … vom 22.4.2020. Dieser stammte von einem Mastschwein aus dem Betrieb der Klägerin, welches am 23.3.2020 im Schlachthof … GmbH geschlachtet worden war. Im Nachgang an die Kontrolle teilte die an der Kontrolle beteiligte Veterinärin Fr. Dr. … dem Landratsamt via E-Mail mit, dass klägerseits durch Herrn …, angesprochen auf die möglichen Ursachen des positiven Hemmstoffbefundes, angegeben worden sei, es bestünden Probleme im Ferkelbereich mit Gelenksentzündungen und Atemwegserkrankungen. Daher seien die Tiere behandelt worden. Die Klägerin habe eine Fütterungsanlage und mische Arzneimittel über einen Medi-Doser in die Spot-Mix-Anlage ein. Weiter teilte Fr. Dr. … mit, bereits 2018 sei es zu einem gleichartigen Vorfall gekommen.
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Am 17.8.2020 erging der streitgegenständliche Bescheid mit nachfolgendem Inhalt:
„1. Anordnung von Abhilfemaßnahmen
1.1 Die Verabreichung von oralen Arzneimitteln über die Fütterungsanlage ist verboten.
Frist: ab Zustellung des Bescheides
1.2 Orale Tierarzneimittel sind den zu behandelnden Tieren direkt über den Trog zu verabreichen.
Frist: ab Zustellung des Bescheids
1.3 Der Trog ist nach Anwendung des Arzneimittels gründlich zu reinigen.
Frist: ab Zustellung des Bescheids
2. Androhung von Zwangsgeld
Für den Fall, dass Sie der Anordnung in Ziffer 1 des Bescheides nicht, unzureichend oder nicht fristgemäß nachkommen, wird jeweils ein Zwangsgeld fällig. Dieses beträgt für die Ziffer 1.1 3000,00 € Ziffer 1.2 1000,00 € Ziffer 1.3 1000,00 €
3. Anordnung des sofortigen Vollzugs
Die sofortige Vollziehung der vorstehenden Ziffer 1 wird angeordnet.
Sie haben als Veranlasser dieser Amtshandlung die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für diese Anordnung wird eine Gebühr in Höhe von 75,00 € erhoben. An Auslagen angefallene Postpauschale von 4,05 €.“
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Rechtsgrundlage für die Maßnahmen in Ziffern 1.1 bis 1.3 seien § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG i.V.m. § 4 Abs. 1 und 2 THAMNV. Danach könne das Landratsamt die zur Beseitigung festgestellter und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen treffen. Die Handhabung der Spot-Mix-Anlage verstoße gegen die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes und der THAMNV, insbesondere gegen § 4 Abs. 1, 2 THAMNV. Die Anlage zur Einmischung antibakterieller Substanzen entspreche nicht dem Stand der Technik, um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen weiteren Eintrag dieser Substanzen zu gesunden Schweinen zu verhindern. Des Weiteren fehle es an einer Möglichkeit, die Spot-Mix-Anlage restlos von den antibakteriell wirkenden Substanzen zu befreien. Die Anordnungen 1.1 bis 1.3 seien geeignet, um künftige positive Hemmstoffbefunde der zu schlachtenden Schweine auszuschließen. Ferner seien die Maßnahmen erforderlich, um Antibiotikarückstände schlichtweg zu verhindern und die Gesundheit des Verbrauchers nicht zu gefährden. Die Einmischung der antibakteriell wirksamen Substanzen direkt in die Futtertröge oder Wasserstellen der erkrankten Tiere sei das mildeste anzuwendende Mittel. Aus dieser Gesamtschau sei die verwaltungsrechtliche Maßnahme angemessen, um dem Verbraucher- und Gesundheitsschutz ausreichend Geltung zu verschaffen. Im Übrigen wird auf den Bescheid verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 17.8.2020 hat die Klägerin Klage erheben lassen. Zur Begründung lässt sie vortragen, dass die gegenständlichen Anordnungen formell und materiell rechtswidrig seien. Sie seien nicht hinreichend bestimmt. Die Bestimmung, welches konkrete Verhalten verhindert werden solle oder von der Klägerin erwartet werde, könne nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen bleiben, sondern müsse bereits aus dem anordnenden Verwaltungsakt hervorgehen (BVerwGE 94, 341 – 352). Demnach sei die Anordnung zu unbestimmt. Außerdem könnten nach den Fachinformationen Arzneimittel direkt ins Maul gegeben werden, zum Beispiel Metacam. In der hierzu vorliegenden „Fachinformation Metacam“ (vgl. Anlage K2) werde dies bestätigt. Aus welchen Gründen die Klägerin dem folgend Metacam gemäß Anordnung 1.2 nicht direkt ins Maul verabreichen dürfe, habe die Beklagte weder begründet noch sei dies ersichtlich. Aus welchen Gründen der Trog gemäß Anordnung 1.3 nach Anwendung der Arzneimittel direkt ins Maul dann entsprechend der Anordnung gründlich zu reinigen sei, sei nicht begründet und auch nicht nachvollziehbar. Aus welchen Gründen Arzneimittel nicht über das Trinkwasser gemäß Anordnung 1.2 verabreicht werden dürften, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Aus welchen Gründen bei einer Erneuerung der Fütterungsanlage die erneuerte, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Fütterungsanlage zur Verabreichung von oralen Arzneimitteln nicht verwendet werden dürfe, sei ebenfalls unerfindlich. Außerdem könne die orale Verabreichung von Arzneimitteln auch über Dosierpumpen, Plastikinjektionen, mit einem Holzspatel oder mit Dragees erfolgen (zum Beleg dieser Tatsache zitiert der Prozessbevollmächtigte aus dem Lehrbuch der Schweinekrankheiten von Waldmann/Wendt, S. 49 f., vgl. Anlage K3). Aus welchen Gründen diese in der veterinärmedizinischen Literatur beschriebene orale Anwendung von Arzneimitteln nicht zulässig sein sollten, sei nicht nachvollziehbar. Schließlich sei § 69 AMG mittlerweile aufgehoben worden und seien die Vorschriften der THAMNV aufgrund des Inkrafttretens der EU-Verordnung 2019/6 nicht mehr anwendbar.
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Die Klägerin beantragt,
die streitgegenständliche Anordnung vom 17.8.2020 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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Die Klage sei unbegründet. Die Anordnungen seien bestimmt. Im Hinblick auf die Anordnung 1.1 ergebe sich unmittelbar aus der Anordnung, welches konkrete Verhalten verhindert werden solle. Die Klägerin dürfe die oralen Arzneimittel nicht in die Fütterungsanlage einführen, um diese zu verabreichen. Aus Anordnungspunkt 1.2 ergebe sich dann, was von der Klägerin erwartet werde und zwar, dass Arzneimittel nicht über die Fütterungsanlage, sondern direkt über den Trog verabreicht werden. Diese Anordnung sehe ferner kein Verbot der Anwendung von Tierarzneimitteln über das Trinkwasser vor, sondern lediglich die Verabreichung über den Trog. Ob die Arzneimittel über das Wasser oder Futter zu verabreichen seien, sei der Packungsbeilage des Arzneimittels bzw. den Anweisungen des Tierarztes zu entnehmen, da nicht alle Tierarzneimittel für die Wasser- oder Futterapplikation geeignet seien. Die direkte Verabreichung der Arzneimittel über den Trog statt über die Fütterungsanlage sei damit zu begründen, dass nach dem Leitfaden „Orale Anwendung von Tierarzneimitteln im Nutztierbereich über das Futter oder das Wasser“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Ziel jeder Therapie sei, dass jedes zu behandelnde Tier die therapeutisch wirksame Dosis erhalte. Daher sei bei der Behandlung von Tieren sicherzustellen, dass jedes einzelne Tier die bestimmungsgemäße Dosis erhalte. Die einzusetzenden oral anzuwendenden Fertigarzneimittel (OAF) müssten so nah wie möglich vor der zu behandelnden Zielgruppe ein-gemischt werden. Bei der Behandlung von Tieren, die individuell gefüttert würden, sei eine Einmischung des OAF in das Futter nicht erforderlich, sofern dem Tier das OAF individuell in der erforderlichen Menge vorgelegt werde. Bei der Behandlung von Tieren, die nicht einzeln gefüttert würden, wie im Betrieb der Klägerin, müsse das Arzneimittel dagegen so in das Futter/in das Wasser eingemischt/gelöst werden, dass sichergestellt werde, dass jedes Tier die erforderliche Dosis aufnehmen könne. Daher sei es geboten, die Tierarzneimittel so nah am Tier wie möglich in das Futter zu mischen. Deswegen sei eine Verabreichung über die Fütterungsanlage ungeeignet, da so nicht sichergestellt werden könne, dass jedes Tier die gleiche Dosis erhalte. Andernfalls bestünden Risiken, wie bspw. der Verschleppung von Arzneimitteln, was dazu führen könne, dass die Qualität von Lebensmitteln tierischer Herkunft reduziert werde. Gerade Letzteres passiere in nicht unerheblichen Umfang, indem die Klägerin oral anzuwendende Fertigarzneimitteln über die zentrale Fütterungsanlage einmische, obwohl bereits am 2.2.2018 ein Mastschwein aus dem Betrieb Rückstände des Antibiotikums Doxycyclin enthalten habe. Auch bei dem am 23.3.2020 beprobten Schwein seien Rückstände von Antibiotika gefunden worden, die laut Aussage der Klägerin am 11.5.2020 ebenfalls über die zentrale Fütterungsanlage medikamentiert worden seien. Eine Verschleppung von Antibiotika beim Einsatz über eine Fütterungsanlage sei nie gänzlich zu vermeiden und damit bestehe immer die Gefahr, dass vom Tier gewonnene Lebensmittel in den Verkehr gebracht würden, in oder auf denen Stoffe mit pharmakologische Wirkung oder deren Umwandlungsprodukte vorhanden seien. Daher sei die am 17.8.2020 erlassene Anordnung in Punkt 1.1 geboten gewesen. Das von der Klägerseite zitierte Lehrbuch der Schweinekrankheiten thematisiere nur die Behandlung von Saugferkeln und nicht von Mastschweinen. Ein Saugferkel sei in der Regel maximal 8 kg schwer, sodass ein Handling des Tieres bei den im Lehrbuch beschriebenen Methoden durchaus möglich sei. Bei den durch die Klägerin behandelten Schweinen handele es sich um Mastschweine, die ein Gewicht von ca. 110 kg hätten. Eine orale Behandlung dieser Tiere mit den im Lehrbuch genannten Methoden sei aufgrund der Schwere und Abwehrreaktionen der Tiere unrealistisch, da Verletzungen von Menschen und/oder Tieren entstehen könnten oder das Tier vor der oralen Eingabe des Medikaments in Zwangsmaßnahmen fixiert werden müsse. Letzteres führe zu einem erheblichen Stress der Tiere mit Minderung der Fleischqualität und/oder Zunahme des Tieres. Das ein Trog nach der Verwendung zur Verabreichung von Arzneimitteln gründlich zu reinigen sei, sei überdies nachvollziehbar und bedürfe keiner Begründung. Es sei selbst verständlich, dass eingesetzte Utensilien gereinigt werden müssten, insbesondere, weil Rückstände im Trog bleiben könnten, die dann bei der Hinzugabe einer weiteren Dosis an Medikamenten zu einer hohen Dosierung führen könnten. Die zu hohe Dosierung sei dann als Rückstand im Schweinefleisch feststellbar.
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Mit Schreiben vom 10.2.2023 hat das Gericht den Beteiligten einen umfassenden Hinweis erteilt und auf die seiner Ansicht nach bestehende Möglichkeit einer vergleichsweisen Streitbeilegung hingewiesen. Auf das Schreiben wird verwiesen. Eine Reaktion der Beteiligten hie-rauf erfolgte nicht.
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Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Behördenakte, die dem Gericht vorgelegen hat, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9.10.2023 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) hat im tenorierten Umfang Erfolg. Soweit sich die Klage gegen die Androhung von Zwangsgeldern in Ziffer 2 richtet, ist sie begründet. Der Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Im Übrigen erweist sich der Bescheid als rechtmäßig.
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1. Die tierseuchenrechtlichen Anordnungen unter Ziffern 1.1, 1.2 und 1.3 sind rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist jeweils § 76 Abs. 1 Satz 1 des Tierarzneimittelgesetzes (TAMG) i.V.m. §§ 4, 5 der Verordnung über Nachweispflichten der Tierhalter für Arzneimittel, die zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind (Tierhalter-Arzneimittelanwendungs- und Nachweisverordnung; THAMNV).
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a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit ist der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung, nachdem es sich bei den Ziffern 1.1, 1.2 und 1.3 jeweils um Dauerverwaltungsakte handelt. Ein Dauerverwaltungsakt ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht nur eine einmalige, sondern eine dauerhafte Regelungswirkung entfaltet. Das ist hier der Fall, nachdem ab dem Zeitpunkt des Bescheidserlasses mit Wirkung für die Zukunft die Verabreichung von oralen Arzneimitteln nur noch auf die angeordnete Art und Weise durchgeführt werden soll. Nachdem die Dauerverwaltungsakte somit ihre Regelungswirkung ständig, nämlich bei jeder erfassten Anwendung von Arzneimitteln, neu entfalten, sind sie auch stets an der aktuellen Sach- und Rechtslage zu messen. Das Gericht hat deshalb bei der Überprüfung von Dauerverwaltungsakten die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung seiner Entscheidung zugrunde zu legen (BVerwG, Urteil vom 22.1.1998 – 3 C 6-97 – NJW 1999, 881; VG München, B. v. 6.8.2019 – M 18 S 19.3222 – juris Rn. 68; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 1019, § 113 Rn. 58).
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b) In dem streitgegenständlichen Bescheid ist als Rechtsgrundlage für die gegenständlichen Anordnungen § 69 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) angegeben. Diese Vorschrift ist mittlerweile nicht mehr die einschlägige Rechtsgrundlage. Zutreffende Rechtsgrundlage ist nunmehr § 76 Abs. 1 Satz 1 TAMG.
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Im Zuge einer Novellierung des Tierarzneimittelrechts ist in Deutschland das Gesetz über den Verkehr mit Tierarzneimitteln und zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Tierarzneimittel (TAMG) in Kraft getreten, welches gem. Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes zum Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 27.9.2021 (BGBl. I S. 4530 ff.) am 28.1.2022 in Kraft getreten ist. Im Zuge dessen wurde unter anderem der § 76 TAMG geschaffen, welcher als speziellere Ausprägung des § 69 Arzneimittelgesetz (AMG) die Befugnisse der zuständigen Behörde zum Erlass von Anordnungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit Tierarzneimitteln regelt und den § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG insoweit verdrängt.
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Der Umstand, dass der Beklagte die in Rede stehende Anordnung auf § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG gestützt hat, ist rechtlich unschädlich, denn das Auswechseln der Rechtsgrundlage ist hier ohne weiteres zulässig. Die Frage, ob der streitgegenständliche Bescheid in materieller Hinsicht rechtmäßig ist, richtet sich nach der Rechtsgrundlage, die geeignet ist, die getroffene Regel zu tragen. Denn erweist sich ein Bescheid aus anderen Gründen als denen, die in der Begründung angegeben sind, als rechtmäßig, ohne dass der Bescheid durch den Austausch der Begründung in seinem Kern bzw. seinem Wesen geändert wird, dann ist der Verwaltungsakt nicht im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig (vgl. zu alledem bspw.: BVerwG, U.v. 27.1.1982 – 8 C 12/81 – NVwZ 1982, 620, Leitsatz 1; BayVGH, B. v. 20.4.2015 – 20 ZB 15.106 – juris Rn. 7). Das erkennende Gericht kann hier, ohne den Bescheid in seinem Wesen zu verändern, auf die einschlägige Rechtsgrundlage, den § 76 Abs. 1 Satz 1 TAMG, abstellen. Der Austausch der Rechtsgrundlage lässt den Tenor des Ausgangsverwaltungsaktes unberührt, es sind außerdem keine anderweitigen Ermessenserwägungen erforderlich. § 69 AMG und § 76 TAMG sind zudem vergleichbar aufgebaut. Sie bestehen jeweils aus einer Generalklausel und einer beispielhaften, nicht abschließenden Aufzählung möglicher Maßnahmen. Weder in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen, noch die Rechtsfolgen, weisen die Bestimmungen im vorliegenden Anwendungsfall relevante Unterschiede auf.
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c) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 76 Abs. 1 Satz 1 TAMG liegen vor. Die angeordneten Maßnahmen sind zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich. Der Begriff der Verstöße bezieht sich hierbei auf die Vorschriften des TAMG, auf Vorschriften in Verordnungen, die aufgrund des TAMG erlassen wurden, sowie auf Vorschriften in unmittelbar geltenden Rechtsakten der EG und der EU zur Regelung des Tierarzneimittelrechts. Dies ergibt sich aus § 3 TAMG sowie im Übrigen aus der Systematik des TAMG, vgl. bspw. § 1 TAMG, § 66 Abs. 1 Nr. 2 TAMG.
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(1) Ausweislich der Begründung des Bescheids wurden die gegenständlichen Anordnungen auf Verstöße gegen § 4 Abs. 1, 2 THAMNV gestützt. Derartige Verstöße wurden zurecht angenommen. Nach § 4 Abs. 1 THAMNV dürfen Tierhalter Fertigarzneimittel, die antimikrobielle Stoffe enthalten und die zur oralen Anwendung über das Futter oder das Wasser bei Tieren, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, bestimmt sind, nur anwenden, wenn die Einrichtungen zur Dosierung und Anwendungen dieser Arzneimittel dem jeweiligen Stand der Technik entsprechen. Nach § 4 Abs. 2 THAMNV müssen ferner Dosiergeräte für die in Abs. 1 genannten Arzneimittel so nah wie möglich vor der zu behandelnden Tiergruppe installiert sein. Das Landratsamt hat hierzu vorgetragen, dass durch die verwendete Fütterungsanlage nicht sichergestellt wird und auch nicht sichergestellt werden kann, dass Einträge von Arzneimitteln zu gesunden Tieren verhindert werden und, dass diese Anlage mithin nicht in dem o.g. Sinn dem Stand der Technik entspricht. Des Weiteren spreche hierfür auch, dass es bei der klägerischen Anlage an der Möglichkeit fehle, diese restlos von den eingesetzten Substanzen zu befreien. Das Gericht hält diese Ausführungen für zutreffend, zumal diese von klägerischer Seite auch nicht angegriffen wurden, von klägerischer Seite auch die grundsätzliche Gabe von Arzneimitteln über die Anlage nicht abgestritten wurde und es im Übrigen durch die vorgeworfenen Befunde auch belegt ist, dass es zu Verschleppungen gekommen ist. Insoweit hat das Landratsamt zutreffend festgestellt, dass die eingesetzte Anlage zur Verabreichung von Arzneimitteln nicht dem Stand der Technik entspricht. Ferner liegen auch Verstöße gegen § 5 Abs. 1, 2 THAMNV vor. Nach § 5 Abs. 1 THAMNV haben Tierhalter durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die in § 4 Abs. 1 genannten Arzneimittel nur bei den zu behandelnden Tieren angewendet werden. Nach § 5 Abs. 2 THAMNV muss nach Beendigung der Anwendung der in § 4 Abs. 1 genannten Arzneimittel eine Reinigung der verwendeten Anlagen nach § 4 Abs. 1 und 2 erfolgen. Auch insoweit liegen offensichtlich Verstöße vor, nachdem durch die Nutzung der o.g. Anlage gerade nicht sichergestellt wird, dass Arzneimittel nur bei den zu behandelnden Tieren angewendet werden; ferner fehlt es bei der klägerischen Anlage nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Landratsamts auch an einer Möglichkeit, eine entsprechende Reinigung vorzunehmen, wie sie § 5 Abs. 2 THAMNV verlangt.
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(2) Die THAMNV ist auch nicht aufgrund vorrangiger europarechtlicher Regelungen unanwendbar geworden. Zwar wurde von der Klägerseite zutreffend ausgeführt, dass verschiedene Vorschriften zur Anwendung von Antibiotika bei Tieren sowie der Dokumentation dieser Anwendungen auch in der Verordnung des europäischen Parlamentes und des Rates vom 11. Dezember 2018 über Tierarzneimittel und zur Aufhebung der RL 2001/82/EG (nachfolgend: VO (EU) 2019/6) geregelt sind, insbesondere in deren Art. 107 und Art. 108, welche als Regelungen in Form der EU-Verordnung den deutschen Regelungen in der THAMNV durch ihre unmittelbare Geltung grundsätzlich vorgehen, Art. 288 Abs. 2 Satz 1 AEUV. Jedoch ist die hier einschlägige Vorschrift, Art. 107 VO (EU) 2019/6 nach ihrem eindeutigen Wortlaut weder abschließend, noch steht der Inhalt der THAMNV dieser in irgendeiner Weise entgegen. Vielmehr bezwecken beide Regelungen, die Anwendung von Tierarzneimitteln bzw. Antibiotika bei Tieren auf das nötigste zu reduzieren und die Verschleppung von solchen so weit wie möglich zu verhindern, regeln dabei aber jeweils unterschiedliche Gesichtspunkte. Während in Art. 107 VO (EU) 2019/6 allgemeine Punkte geregelt werden, wie das Verbot des routinemäßigen Einsatzes zum Ausgleich mangelnder Hygiene etc. (Abs. 1), das Verbot des Einsatzes zur Förderung des Wachstums (Abs. 2) oder die Anwendung zur Prophylaxe (Abs. 3), regelt die THAMNV die konkrete Anwendung der Arzneimittel im Einzelfall. Daher sind unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 2 AEUV und Art. 4 Abs. 3 EUV die Vorschriften der THAMNV und Art. 107 VO (EU) 2019/6 ohne Weiteres nebeneinander anwendbar.
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d) Aufgrund dieser Verstöße musste das Landratsamt zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Sicherheit im Verkehr mit Tierarzneimitteln die notwendigen und erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen treffen. Hierbei besteht nach dem Wortlaut des § 76 Abs. 1 TAMG kein Entschließungsjedoch ein Auswahlermessen (vgl. so ausdrücklich zu § 69 AMG: Dr. P. in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 247. EL Juni 2023, § 69 AMG Rn. 1). Auf S. 3 des Bescheides wird dargelegt, dass die Einmischung der antibakteriell wirksamen Substanzen direkt in die Futtertröge oder Wasserstellen der erkrankten Tiere das mildeste anzuwendende Mittel ist. Ferner wird ausgeführt, dass diese Maßnahme zur Vermeidung von Antibiotikarückständen und zum Schutz der Verbraucher schlichtweg erforderlich ist. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstande und werden den gesetzlichen Anforderungen an das Ermessen (Art. 40 BayVwVfG) unter Berücksichtigung von § 114 VwGO gerecht, zumal auch von Klägerseite nichts gegenteiliges vorgetragen wurde.
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e) Die Rechtswidrigkeit der Anordnungen ergibt sich auch nicht aus den weiteren von der Klägerseite vorgetragenen Punkten.
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(1) Die Anordnungen in Ziffer 1 sind nicht unbestimmt, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Unbestimmtheit liegt vor, wenn der Pflichtige nicht eindeutig erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Dies kann, wie von der Klägerseite grundsätzlich zutreffend angeführt bspw. dann der Fall sein, wenn auslegungsbedürftige Begriffe verwendet werden, nur der Gesetzeswortlaut wiederholt wird oder die jeweilige Anordnung erst im Vollstreckungsverfahren hinreichend konkretisiert wird. So verhält es sich mit den Anordnungen in Ziffer 1 gerade nicht. Aus diesen ergibt sich eindeutig, was von der Klägerin verlangt wird bzw. was ihr auferlegt wird. Die Anwendung von oralen Arzneimitteln über die Fütterungsanlage ist verboten, stattdessen müssen diese über den Trog verabreicht werden und ist dieser nach der Anwendung zu reinigen. Es werden insbesondere weder auslegungsbedürftige Begriffe verwendet, noch wird schlicht der Gesetzeswortlaut wiederholt. Auch ansonsten ist diese Formulierung ersichtlich absolut einfach, plausibel und verständlich gehalten. Es gibt nach alledem keine Anhaltspunkte für eine Unbestimmtheit.
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(2) Ferner wird vorgebracht, dass es rechtswidrig sei, dass der Klägerin auch andere denkbare Arten der Arzneimittelgabe durch den Bescheid untersagt würden, wie die Gabe direkt ins Maul. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch im Verwaltungsrecht gilt in Bezug auf öffentlich-rechtliche Erklärungen grundsätzlich der aus dem Zivilrecht bekannte Grundsatz, dass es bei empfangsbedürftigen Erklärungen nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden ankommt, sondern auf den objektiven Erklärungsinhalt, wie er sich – unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und dem Empfängerhorizont – für den Empfänger der jeweiligen Erklärung darstellt; es gelten §§ 133, 157 BGB insoweit analog (StRspr, vgl. BVerwG Urt. v. 20.6.2013 – 8 C 46.12 – BeckRS 2013, 56766, Rn. 27, m.w.N.). Bei der Ermittlung dieses objektiven Empfängerhorizonts sind alle dem Empfänger bekannten oder für diesen erkennbaren Umstände heranzuziehen (BVerwG, B.v. 30.6.2011 – 3 B 87/10 – BeckRS 2011, 52971, Rn. 3). Es mag sein, dass unter Zugrundelegung des bloßen Wortlautes der Anordnungen 1.1 und 1.2 der Pflichtige den Eindruck gewinnen kann, er dürfe orale Arzneimittel nur noch und ausschließlich über den Trog verabreichen. Bezieht der Pflichte in seine eigene Auslegung zusätzlich noch den sicherlich auch ihm bekannten Sinn und Zweck der Anordnungen mit ein, die Vermeidung der Verschleppung von oralen Arzneimitteln bzw. die möglichst zielgerichtete Anwendung solcher, so dürfte auch diesem nach Ansicht des Gerichts bereits hier eindeutig bewusst sein, dass eine Gabe von einzelnen Arzneimitteln an einzelne Tiere direkt natürlich erst recht nicht zu beanstanden ist und auch von dem Verbot in Ziffer 1 bzw. dem Gebot in Ziffer 2 gerade nicht erfasst werden sollte. Dies gilt erst Recht dann, wenn der Pflichtige die Anordnung 1.2 im Kontext der Anordnung 1.1 zur Kenntnis nimmt, die gerade nur die Gabe von Arzneimitteln über die Fütterungsanlage verbietet und an deren Stelle die Gabe über den Trog vorschreibt. Ohnehin ist maßgeblich aber auch in Bezug auf die Auslegung der hiesigen Anordnungen der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung (s.o.), sodass keinerlei Zweifel verbleiben, dass es der Klägerin weiter gestattet bleibt, Arzneimittel an einzelne Tiere direkt und nach fachlicher Maßgabe zu verabreichen. Denn dies wurde Beklagtenseits sowohl schriftsätzlich in der Klageerwiderung als auch nochmals in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt. Nachdem auch dies in die Auslegung der Anordnungen einzubeziehen ist, bestehen auch insoweit keinerlei Bedenken von Seiten des Gerichts.
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(3) Eine Gabe von Arzneimitteln über das Trinkwasser wird der Klägerin entgegen ihrem Vortrag von vornherein nicht untersagt, hierfür finden sich weder im Tenor noch in den Gründen des Bescheides irgendwelche Anhaltspunkte.
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(4) Schließlich trägt die Klägerseite vor, im hypothetischen Fall einer Erneuerung der Anlage und der dann bestehenden Möglichkeit, über diese die Arzneimittel zielgerichtet zu verabreichen, würden die gegenständlichen Anordnungen ggf. überholt. Nachdem das Gericht allerdings die Lage im Zeitpunkt der Entscheidung zugrunde zu legen hat (s.o.), ist dieser hypothetische Fall hier unbeachtlich.
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2. Die Androhung von Zwangsgeldern in Ziffer 2 ist rechtswidrig. Sie ist unbestimmt. Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Adressat des Verwaltungsaktes anhand dessen Inhalt erkennen kann, was er zu tun hat bzw. was auf ihn zukommt. Bei Zwangsgeldandrohungen sind die Anforderungen an die Bestimmtheit besonders hoch, da für den Pflichtigen und auch die Vollstreckungsbehörde ohne jeden Zweifel klar und eindeutig ersichtlich sein muss, wann und in welchen Fällen das Zwangsgeld fällig wird, damit der Pflichtige sein Verhalten danach ausrichten kann und die Behörde auch nur in den tatsächlich vorgesehenen und zweifelsfrei bestimmbaren Fällen vollstrecken kann. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Insbesondere der Begriff „jeweils“ macht die Androhung unbestimmt. Dieser könnte zum einen so verstanden werden, dass pro Verstoß gegen die Ziffern 1.1, 1.2 und 1.3 jeweils einmalig ein Zwangsgeld in der genannten Höhe fällig wird. Dieser könnte jedoch auch so verstanden werden, dass pro Verstoß gegen eine der genannten Anordnungen jeweils und auch bei jedem weiteren Verstoß ein erneutes Zwangsgeld fällig wird. Unabhängig davon, dass eine solche Zwangsgeldandrohung wohl rechtswidrig wäre, führt diese Unklarheit zur Unbestimmtheit der Anordnung gem. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
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3. Die Entscheidung über die Kosten in Ziffer 4 ist rechtmäßig. Kosten wurden nach der Begründung im Bescheid nur für die tierseuchenrechtlichen Anordnungen in Ziffer 1 des Bescheides festgesetzt (vgl. Bescheid S. 3, 5.). Diese waren jedoch nicht zu beanstanden, sodass auch gegen die klägerseitige Kostentragungspflicht insoweit keine Einwände bestehen (vgl. Art. 16 Abs. 5 KG). Ferner ist die Gebühr auch in der Höhe nicht zu beanstanden (vgl. lfd. Nr. 7 IX 8/Tarifstelle 5 des Kostenverzeichnisses).
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Nach alledem war die Ziffer 2 des Bescheides aufzuheben und die Klage im Übrigen abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach sind, wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Einer verhältnismäßigen Teilung entsprach es hier, der Klägerseite die Kosten für die Anordnungen 1.1, 1.2 und 1.3 (3/4), der Beklagtenseite die Kosten für die Ziffer 2 (1/4) aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.