Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 19.10.2023 – 207 StRR 325/23
Titel:

Strafbarkeit des Schriftzuges "Hängt die Grünen" auf einem Wahlplakat

Normenkette:
StGB § 25 Abs. 1, § 130 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Der Schriftzug "Hängt die Grünen" auf dem Wahlplakat einer Partei verwirklicht den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB, weil nach den konkreten Umständen auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen andere Deutungsmöglichkeiten als diejenige, dass es sich hierbei um eine Aufforderung zur Verübung von Tötungsdelikten an Mitgliedern der Partei "Bündnis 90/Die Grünen" handelt, ausgeschlossen werden können. (Rn. 6 – 7) (red. LS Alexander Kalomiris)
2. Ein Angeklagter, der zum Zeitpunkt der Anbringung der Wahlplakate Parteivorsitzender ist, auf den Plakaten als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts bezeichnet ist und an den die Plakatiergenehmigung gerichtet war, ist hierfür als Täter (§ 25 Abs. 1 StGB) verantwortlich. (Rn. 6 – 7) (red. LS Alexander Kalomiris)
1. Der Schriftzug „Hängt die Grünen“ auf dem Wahlplakat einer Partei verwirklicht den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB, weil nach den konkreten Umständen auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen andere Deutungsmöglichkeiten als diejenige, dass es sich hierbei um eine Aufforderung zur Verübung von Tötungsdelikten an Mitgliedern der Partei "Bündnis 90/Die Grünen" handelt, ausgeschlossen werden können. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Angeklagter, der zum Zeitpunkt der Anbringung der Wahlplakate Parteivorsitzender ist, auf den Plakaten als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts bezeichnet ist und an den die Plakatiergenehmigung gerichtet war, ist hierfür als Täter (§ 25 Abs. 1 StGB) verantwortlich. (Redaktionelle Leitsätze) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hängt die Grünen, Wahlplakat, Volksverhetzung, Auslegung, Parteivorsitzender, Täter, Täterschaft, tatrichterliche Feststellungen
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 28.03.2023 – 18 NBs 112 Js 178777/21
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Urteil vom 14.12.2023 – 207 StRR 325/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28706

Tenor

I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28. März 2023 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte der Volksverhetzung in Tateinheit mit öffentlicher Aufforderung zu Straftaten schuldig ist.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
1
Das Amtsgericht München hat gegen den Angeklagten mit Urteil vom 25. Oktober 2022 wegen Volksverhetzung in 20 tateinheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit öffentlicher Aufforderung zum Totschlag eine Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 50 € festgesetzt. Das Landgericht hat den Angeklagten auf seine und die Berufung der Staatsanwaltschaft der Volksverhetzung in 20 tateinheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit öffentlicher Aufforderung zu Straftaten in Tateinheit mit Billigung von Straftaten schuldig gesprochen und ihn zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt.
2
Der Verurteilung lag nach den Feststellungen des Landgerichts zugrunde, dass der Angeklagte als Vorsitzender der Partei „Der III. Weg“ und presserechtlich Verantwortlicher die Fertigung eines Wahlplakates für den Bundestagswahlkampf und dessen Aufhängung an mindestens 20 verschiedenen Orten in Bayern und Sachsen veranlasste. Das Plakat ist rund 85 cm hoch und 59 cm breit. Es ist fast vollständig dunkelgrün eingefärbt. Im oberen Bereich bedeckt der großformatige Schriftzug „HÄNGT DIE GRÜNEN“ etwa die Hälfte des Plakates über eine Höhe von 44 cm. Jedes der drei Worte ist dabei in einer eigenen Zeile geschrieben. Der erste Buchstabe des ersten Wortes „HÄNGT“ hat eine Größe von 12 cm und eine Breite von 10 cm, beim zweiten Wort „DIE“ beträgt die Zeilenhöhe 7 cm, das dritte Wort „GRÜNEN“ sowie das Ausrufungszeichen dahinter haben eine Höhe von 10 cm. Darunter befindet sich mit einer Abdeckung von 10 cm der Höhe des Plakats und einer Zeichenhöhe von ca. 1,5 cm der Satz „Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt!“ auf insgesamt drei Zeilen geschrieben. Im unteren Drittel befindet sich ein wieder durch die Gestaltung deutlich hervorgehobener Schriftzug mit stilisiertem Wahlkreuz „Wählt Deutsch!“ sowie das Zeichen und ein Schriftzug der Partei „DER III. WEG“.
3
Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf zwei Verfahrensrügen und die allgemeine Sachrüge stützt. Er hält bereits den Inhalt des Wahlplakates für nicht strafbar und begehrt seinen Freispruch.
II.
4
Das Rechtsmittel hat nur insoweit einen geringfügigen Erfolg, als der Schuldspruch wie geschehen zu korrigieren war, was jedoch den Bestand des Rechtsfolgenausspruches nicht gefährdet; im Übrigen ist die Revision offensichtlich unbegründet.
5
1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat hinsichtlich des Schuldspruches wegen Volksverhetzung und öffentlichen Aufforderns zu Straftaten sowie des Rechtsfolgenausspruches keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
6
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 6. September 2023 insoweit wie folgt ausgeführt:
„Das Rechtsmittel, gegen welches in förmlicher Hinsicht keine Bedenken bestehen, ist unbegründet.
1. Verfahrensrüge
Die Verteidigung beanstandet die Ablehnung zweier Beweisanträge. Die hierauf gestützte Rüge einer Verletzung des Beweisantragsrechts greift nicht durch. Nach eigenem Vortrag beantragte die Verteidigerin, den Angeklagten freizusprechen, und stellte zwei Beweisanträge für den Fall der Verurteilung ihres Mandanten. Derartige Anträge, welche hilfsweise für den Fall, dass das Gericht dem Hauptantrag (hier: Freispruch) nicht folgt, gestellt werden, stellen sich als Hilfsbeweisanträge dar. Hilfsbeweisanträge müssen erst in den Urteilsgründen beschieden werden (BGHR StPO § 244 Abs. 4 Hilfsbeweisanträge 6). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Anträge vorliegend erst in den Urteilsgründen verbeschieden wurden. Auch inhaltlich begegnet die Ablehnung der Hilfsbeweisanträge keinen rechtlichen Bedenken. Im Einzelnen:
a) Antrag auf Erholung einer Auskunft des Einwohnermeldeamtes Die mit dem ersten Antrag unter Beweis gestellte Tatsache, dass unter der Anschrift des Angeklagten eine weitere Person mit dem Namen ”X. Y.“ wohne, hat das Gericht als wahr unterstellt, § 244 Abs. 3 Nr. 6 StPO. Von dieser Wahrunterstellung ist das Gericht in den Urteilsgründen nicht abgewichen. Es hat vielmehr auch in den nachfolgenden Ausführungen die Beweistatsache als wahr zugrunde gelegt und dargelegt, dass und aus welchen Gründen die Überzeugung des Gerichts von der Täterschaft des Angeklagten durch diese Tatsache nicht erschüttert werde (UA Seite 28). Es kann offenbleiben, ob unter diesen Umständen der Beweisantrag vorrangig wegen Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache (§ 244 Abs. 3 Nr. 2 StPO) abzulehnen gewesen wäre. Das Urteil könnte auf einem etwaigen Verstoß jedenfalls nicht beruhen. Das Gericht hat nämlich – wie dargelegt – die Beweistatsache ohne Einschränkung als wahr behandelt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Ob dies aufgrund einer Beweiserhebung (Verlesung einer Meldeamtsauskunft) oder aufgrund einer Wahrunterstellung geschieht, ist für die weitere Beweiswürdigung ohne Bedeutung und kann sich daher auf die Urteilsfindung nicht ausgewirkt haben. Soweit die Revision meint, aus der als wahr unterstellten Tatsache hätten andere Schlussfolgerungen gezogen werden müssen als durch das Landgericht geschehen, handelt es sich nicht um eine Frage des Verfahrensrechts, sondern lediglich um einen Angriff auf die tatrichterliche Beweiswürdigung.
b) Der Antrag, wonach zu klären sei, ob und inwieweit die zwei Zentimeter große Aufschrift auf den gegenständlichen Plakaten für Verkehrsteilnehmer erkennbar war, stellte bereits keinen Beweisantrag im Rechtssinne dar. Ein solcher setzt stets voraus, dass eine bestimmte Beweistatsache behauptet wird (BGHSt 39, 251). Eine konkrete Tatsache zur Erkennbarkeit des Plakattextes war in dem Antrag jedoch nicht behauptet; vielmehr wurde lediglich eine Klärung begehrt. Auch eine Verletzung der Aufklärungspflicht liegt nicht vor. Das Gericht hat im Rahmen der Ablehnung des Antrages bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Lesbarkeit des Plakattextes nicht abstrakt durch einen Sachverständigen beurteilt werden kann, sondern von den konkreten Umständen (gefahrene Geschwindigkeit, Lichtverhältnisse) abhängt. Überdies erscheint vorliegend nicht maßgeblich, wie die Lesbarkeit des Textes unter rein optisch-technischen Gesichtspunkten zu bewerten ist, wozu allein sich das beantragte Gutachten hätte verhalten können. Vielmehr ist zu bedenken, dass die Aufmerksamkeit von Verkehrsteilnehmern regelmäßig primär auf den Straßenverkehr gerichtet sein wird und Plakate am Straßenrand, gleichwohl ob Wahlwerbung oder kommerzielle Werbung, nur eher beiläufig und kursorisch wahrgenommen werden und nicht bis zur äußersten Grenze ihrer optischen Wahrnehmbarkeit. Es bedarf daher keiner allein technischen Beurteilung der Lesbarkeit, sondern einer wertenden Gesamtbetrachtung, inwieweit der Plakatinhalt zumindest für einen wesentlichen Teil der Verkehrsteilnehmer gleichsam ”ins Auge springt“ und inwieweit er derart in den Hintergrund tritt, dass er regelmäßig nicht mehr wahrgenommen wird, selbst wenn er noch entzifferbar wäre. Dies gilt insbesondere auch für längeren Text. Vorbeifahrenden Kraftfahrern wird regelmäßig weder ausreichend Zeit noch Aufnahmekapazität zur Verfügung stehen, derartigen Text vollständig durchzulesen und zu erfassen. Vielmehr wird in solchen Fällen der Lebenserfahrung nach eher nur der Anfang des Textes wahrgenommen, auch wenn der Schluss desselben technisch noch lesbar wäre. Die mithin erforderliche wertende Betrachtung, inwieweit der Plakattext von vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmern typischerweise wahrgenommen wird, kann indes nur durch den Tatrichter im Rahmen freier richterlicher Überzeugungsbildung erfolgen, nicht durch einen Sachverständigen. Nach alledem verletzt es die Aufklärungspflicht nicht, dass sich das Gericht selbst eine Beurteilung betreffend die Wahrnehmung des Plakattextes durch Verkehrsteilnehmer zugetraut hat, ohne einen Sachverständigen zuzuziehen. Dies gilt umso mehr, als anzunehmen ist, dass jeder Richter aufgrund eigener Teilnahme am Straßenverkehr über die insoweit notwendigen Erfahrungen und Kompetenzen verfügt.
2. Sachrüge
Die umfassende Nachprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch. Auch der Rechtsfolgenausspruch begegnet keinerlei rechtlichen Bedenken. Zu dem Revisionsvorbringen ist Folgendes auszuführen:
a) Beweiswürdigung aa) Inhalt des Plakates
Der Beschwerdeführer beanstandet zunächst die Auslegung des Plakattextes durch das Landgericht. Die Auslegung von Äußerungen, Erklärungen, Urkunden oder bildlichen Darstellungen ist eine Tatsachenwürdigung, die nur dem Tatrichter zusteht (BGH NStZ-RR 2017, 318). Die Prüfung des Revisionsgerichts beschränkt sich darauf, ob die Auslegung des Tatrichters Rechtsfehler aufweist, insbesondere ob sie auf Rechtsirrtum beruht, lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze und allgemeine Auslegungsregeln verstößt (BGHSt 21, 371; 37, 55). Vorliegend hat das Landgericht den Plakattext dahin ausgelegt, dass es sich um eine Aufforderung zur Verübung von Tötungsdelikten im Stile einer Exekution an Mitgliedern der unter der Kurzbezeichnung ”Die Grünen“ bekannten Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ handelt (UA Seite 12). Diese Auslegung lässt keine Rechtsfehler erkennen. Sie ist insbesondere nicht lückenhaft. Das Landgericht hat entgegen der Behauptung der Revision (RB Seite 8) sehr wohl auch andere Auslegungsmöglichkeiten bedacht und diese mit nachvollziehbarer Begründung ausgeschlossen. So hat das Landgericht ausdrücklich die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass nicht nur Parteimitglieder, sondern allgemein Wähler bzw. Anhänger der „Grünen“ (UA Seite 12) oder weitergehend allgemein ökologisch eingestellte Personen (UA Seite 29) gemeint gewesen sein könnten. Es hat diese Möglichkeit jedoch verworfen, wobei es auf den allgemeinen Sprachgebrauch und ergänzend auf den zum Tatzeitpunkt bestehenden Bundestagswahlkampf, in welchem vor allem von Parteien gesprochen wurde, abgestellt hat (UA Seite 29). Diese Bewertung erscheint nachvollziehbar. Insbesondere trifft es zu, dass es nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch entspräche, Personen als „die Grünen“ zu bezeichnen, welche nicht der Partei ”Bündnis 90/Die Grünen“ angehören. Erst recht läge es ferne, von dieser Formulierung auch Personen als erfasst anzusehen, welche lediglich allgemein der ”Klimabewegung“ angehören. Ökologische Ziele werden nämlich keinesfalls nur von der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ verfolgt. Außerdem enthält die in dem Plakat verwendete Bezeichnung ”die Grünen“ keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der angesprochene Personenkreis lediglich auf bestimmte Funktionsträger innerhalb der Partei ”Bündnis 90/Die Grünen“ beschränkt sein soll. Aus diesem Grunde brauchte eine derartige Beschränkung in den Urteilsgründen auch nicht erörtert werden. Gleiches gilt für die Erwägung, dass lediglich grüne ”Parteifarben“ oder „Fahnen“ (so RB Seite 8) gemeint gewesen sein könnten. Für derartige Deutungsmöglichkeiten gibt der Plakatinhalt in keiner Weise Anhaltspunkte. Ausdrücklich auseinandergesetzt hat sich das Gericht hingegen mit der Möglichkeit, dass es sich bei ”die Grünen“ um die grünfarbigen Wahlplakate der Partei ”Der III. Weg“ handeln sollte. Auch diese Möglichkeit hat das Gericht mit ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung ausgeschlossen (UA Seite 12, 29). Es hat hierbei den Gesamteindruck des Plakats, insbesondere die deutlich unterschiedlichen Schriftgrößen, eingehend gewürdigt und ist hierbei zu dem Ergebnis gelangt, dass der [richtig wohl: „die“, Anmerkung des Senates] Aufforderung, die Grünen zu hängen, der Blickfänger des Plakates sei. Unabhängigkeit von der Lesbarkeit des Nachsatzes bleibe ein objektiver Leser an der ersten Aufforderung hängen. Der deutlich kleiner gedruckte ”Nachsatz“ war nach Überzeugung des Gerichts hingegen lediglich als ”Ausrede“ gedacht (UA Seite 29). Auch diese Erwägungen des Gerichts sind durchwegs nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere für die Bewertung der Verwendung auffallend unterschiedlicher Schriftgrößen und die damit verbundene Intention, wonach der Betrachter hauptsächlich die großgedruckte Aufforderung „Hängt die Grünen“ und nicht den kleingedruckten Nachsatz wahrnehmen sollte. Rechtsfehler bei der Auslegung des Plakattextes durch den Tatrichter sind mithin nicht zu erkennen. Alle Auslegungsmöglichkeiten, für welche der verwendete Text Anhalt bot, hat das Gericht bedacht und alle außer derjenigen, die dem Urteil zugrunde gelegt wurde, mit tragfähiger Begründung verworfen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen die Gerichte bei mehreren in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten eine zur Bestrafung führende Deutung zugrunde legen, wenn sie zuvor andere, keine Strafbarkeit begründende Deutungsmöglichkeiten mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen haben (BVerfGE 93, 266; BVerfG NJW 2014, 3357).
bb) Beteiligung des Angeklagten
Die Revision wendet sich auch gegen die Feststellung des Landgerichts betreffend die Verantwortlichkeit des Angeklagten für die Plakataktion. Sie wendet sich damit gegen die Beweiswürdigung. Hiermit vermag sie jedoch nicht durchzudringen. Die in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise zu würdigen ist alleine Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur dann eingreifen, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist, weil sie Widersprüche, Unklarheiten oder Lücken aufweist oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (ständige Rechtsprechung, BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2) oder wenn sich die Schlussfolgerungen des Tatrichters so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind, die nicht mehr als einen – wenn auch schwerwiegenden – Verdacht begründen (BGH NStZ 1981, 33). Derartige Rechtsfehler liegen hier nicht vor. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass die Schlussfolgerungen des Landgerichts betreffend die Verantwortlichkeit des Angeklagten einer ausreichenden Tatsachengrundlage entbehren würden. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte im maßgeblichen Zeitpunkt Parteivorsitzender war, dass die Plakatiergenehmigung an ihn gerichtet war, dass er auf dem Plakat als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts angegeben wurde und dass er schließlich eine Anwältin mit der Vertretung der Partei im Zusammenhang mit der Abhängung der Wahlplakate durch die Polizei mandatiert hat (UA Seite 12, 26). Aus der Gesamtschau dieser Umstände und unter Berücksichtigung dessen, dass jedenfalls bei einer so kleinen Partei wie der vorliegenden eine bundeslandübergreifende Plakatieraktion ohne Einbindung des Parteivorsitzenden nicht vorstellbar sei, hat das Landgericht auf die Täterschaft des Angeklagten geschlossen (UA Seite 28). Diese Schlussfolgerung beruht damit auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Das Vorbringen der Revision ist auch nicht geeignet, Lücken in der Beweiswürdigung aufzuzeigen. Mit der Frage des Drucks der Plakate hat sich das Landgericht befasst, konnte diese jedoch nicht aufklären (UA Seite 24). Soweit die Revision auf den ”Plakatbeauftragten“ abstellt, ist ersichtlich der Angeklagte Z. gemeint. Dieser soll Stützpunktleiter für den Bereich München/Oberbayern gewesen sein (UA Seite 24). Eine Alleinverantwortung von Z. [richtig wohl: „…“, Anmerkung des Senates] für eine bundesweite Aktion liegt daher nicht nahe. Für das Vorhandensein eines ”Vorsitznachfolgers“ im Tatzeitpunkt geben die allein maßgeblichen schriftlichen Urteilsgründe keine Hinweise, weshalb eine Auseinandersetzung hiermit sachlich-rechtlich ebenfalls nicht geboten war. Schließlich hat sich das Landgericht auch mit der als wahr unterstellten Tatsache, dass es an der Wohnanschrift des Angeklagten eine weitere Person namens X. Y. geben solle, auseinandergesetzt. Es hat hierzu nachvollziehbar dargelegt, dass diese Person im Gegensatz zum Angeklagten nicht Vorsitzender der Partei ”Der Ill. Weg“ ist und deswegen als Täter anstelle des Angeklagten nicht in Betracht komme (UA Seite 28). Auch hiergegen ist von Rechts wegen nichts zu erinnern. Das gegenteilige Vorbringen der Revision erschöpft sich in dem unzulässigen Versuch, die tatrichterliche Beweiswürdigung durch eine eigene zu ersetzen, ohne Rechtsfehler aufzuzeigen.
cc) Tatvorsatz
Auch die Feststellungen zur subjektiven Tatseite begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht ging davon aus, dass die gegenständliche Äußerung gerade in dem Sinn, wie sie vom Gericht verstanden wurde, vom Angeklagten auch gemeint war (UA Seite 12, 29). Insoweit hat es also direkten Vorsatz festgestellt. Hinsichtlich dessen, dass die Aufforderung ernst genommen und umgesetzt werden würde, ist es von Eventualvorsatz ausgegangen (UA Seite 13). Gerade die Verwendung unterschiedlicher Schriftgrößen zur Hervorhebung der inkriminierten Äußerung lässt die vom Landgericht angenommene gezielte, mithin vorsätzliche Fokussierung auf die Worte ”Hängt die Grünen“ naheliegend erscheinen. Wenn der Angeklagte jedoch gerade diese Worte in den Mittelpunkt der Wahrnehmung stellen wollte, liegt es auch nahe, dass er diese Worte so gemeint hat, wie sie sich isoliert betrachtet ihrem wörtlichen Sinn nach darstellen. Rechtsfehler sind mithin auch insoweit nicht zu erkennen.
d) Verbotsirrtum
Der Beschwerdeführer beanstandet schließlich auch die Erwägungen, mit welchen das Berufungsgericht das Vorliegen eines (unvermeidbaren) Verbotsirrtums ausgeschlossen hat. Insoweit ist zunächst klarzustellen, dass ein schuldausschließender unvermeidbarer Verbotsirrtum im Sinne des § 17 Satz 1 StGB zu unterscheiden ist von einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB sowie von einem bloßen Strafbarkeitsirrtum. Letzterer ist generell unbeachtlich; wer ein Verhalten zwar für verboten, aber straflos erachtet, ist grundsätzlich strafrechtlich voll verantwortlich (Fischer StGB 70. Aufl. § 17 Rn. 3). Bei der Prüfung des Vorliegens eines Verbotsirrtums kommt es allein darauf an, ob der Angeklagte die Verbotenheit der vom Tatrichter objektiv wie subjektiv festgestellten Tat erkannt hat. Welche Vorstellung der Täter betreffend die Erlaubtheit oder Verbotenheit irgendeines anderen als des in dem Verfahren festgestellten Geschehens hatte, ist unerheblich. Vorliegend hat das Gericht festgestellt, dass das Wahlplakat eine Aufforderung zur Verübung von Tötungsdelikten an Mitgliedern der Partei „Bündnis 90/die Grünen“ enthielt (UA Seite 12). Es hat ferner festgestellt, dass der Angeklagte vorsätzlich handelte (UA Seite 12/13). Es bedarf keiner ernstlichen Erörterung, dass für jedermann offensichtlich ist, dass es in Deutschland verboten ist, andere Menschen – etwa wegen ihrer Zugehörigkeit seiner [richtig wohl: „zu einer“, Anmerkung des Senates] bestimmten Partei – zu töten. Ebenso ist es offensichtlich, dass es verboten ist, zu derartigen Tötungen aufzufordern. Dies ist bei auch nur geringfügiger Gewissensanspannung derart leicht zu erkennen, dass das Gericht zwanglos davon ausgehen konnte, dass dies auch dem Angeklagten bewusst war. Nähere Erörterungen zum Vorliegen eines Verbotsirrtums im Sinne des § 17 Abs. 1 StGB bedurfte es daher nicht. Soweit die Revision anderes annehmen will, gründet sich dies ersichtlich darauf, dass sie von einer anderen Tathandlung (Aufforderung zur Aufhängung von Wahlplakaten u. ä.) ausgeht als sie das Landgericht festgestellt hat (wissentliche Aufforderung zur Tötung von Menschen). Maßgeblich im Revisionsverfahren ist jedoch alleine der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt, § 337 Abs. 1 StPO. Unbeschadet dessen würde selbst auf dem Boden der Anschauung des Beschwerdeführers kein Verbotsirrtum im Rechtssinne vorliegen, da in diesem Fall schon kein verbotenes Verhalten gegeben wäre und sich folglich die Frage nach § 17 StGB nicht mehr erheben würde. Soweit Juristen in Sachsen sich nicht einig gewesen sein sollen, ob das verfahrensgegenständliche Plakat strafbar sei (UA Seite 27), ist – auch wenn sich die allein maßgeblichen schriftlichen Urteilsgründe hierzu nicht verhalten – wohl davon auszugehen, dass die betreffenden Juristen von unterschiedlichen Sachverhaltsinterpretationen ausgegangen waren. Für das Revisionsgericht ist jedoch -wie dargelegt – allein der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt maßgeblich.
b) Rechtliche Würdigung
Auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten zurecht wegen Volksverhetzung (…) verurteilt. Da die nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts betroffene Gruppe der Mitglieder der Partei „Bündnis 90/die Grünen“ (UA Seite 12) durch formale Mitgliedschaft in der genannten Partei eindeutig bestimmbar ist, stellen sich auch die von der Revision angesprochenen Fragen hinsichtlich der Abgrenzbarkeit der betroffenen Personengruppe (RB Seite 7) nicht. Eine Rechtfertigung durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) scheidet aus. Die Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet. Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG findet sie ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen, den Bestimmungen zum Schutz der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre. Dazu gehören auch die Vorschriften der §§ 111, 130, 140 StGB, auf die das Berufungsgericht sein Urteil gestützt hat. Diese müssen jedoch ihrerseits wieder im Licht des eingeschränkten Grundrechts ausgelegt und angewandt werden, damit der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts auch auf der Rechtsanwendungsebene Rechnung getragen wird (vgl. bereits BVerfGE 7, 198 (205ff.) = NJW 1958, 257; st. Rspr.). Das erfordert eine Abwägung zwischen der in dem Verbot liegenden Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit auf der einen und der Gefährdung des von der in Rede stehenden Strafnorm geschützten Rechtsguts durch die Äußerung auf der anderen Seite. Sie ist im Rahmen der Tatbestandsmerkmale der anzuwendenden Gesetze und unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls vorzunehmen. Im vorliegenden Falle dienen die angewandten Strafgesetze der Verhinderung von Straftaten, konkret der Tötung anderer Menschen. In Hinblick auf den überragenden Stellenwert des Schutzes menschlichen Lebens (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ergibt die Abwägung auch unter Berücksichtigung von Art. 21 Grundgesetz eindeutig, dass im Falle der Aufforderung zur Tötung von Menschen die Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit des Angeklagten zurücktritt. Soweit die Revision schließlich auf verfahrensfremde Sachverhalte, etwa ein Plakat einer anderen Partei oder lange zurückliegende Äußerungen eines ehemaligen Nationalspielers Bezug nimmt, veranlasst dies zunächst den Hinweis, dass Gegenstand der sachlich-rechtlichen Nachprüfung des Urteils ausschließlich die schriftlichen Urteilsgründe sind (BGHSt 35, 238, 241; BGH NJW 1998, 3654). Bereits deswegen ist dieser Vortrag revisionsrechtlich unbeachtlich. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass jeder Täter nach dem Maß der eigenen Schuld abzuurteilen ist. Die in anderen Fällen erfolgte bzw. nicht erfolgte Ahndung führt zu keiner, wie auch immer beschaffenen, rechtlichen Bindung des Gerichts. Anderes gilt nur bei der Aburteilung mehrerer Beteiligter an derselben Tat durch dasselbe Gericht (BGHSt 56, 262; BGH, Beschluss vom 23. März 2017 – 2 StR 406/16, juris). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor.“
7
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung vollumfänglich an.
8
2. Der Schuldspruch bedarf allerdings im tenorierten Umfang der Korrektur (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1 StPO), was jedoch den Rechtsfolgenausspruch unberührt lässt.
9
a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte nicht der Volksverhetzung in 20 tateinheitlichen Fällen (jeweils in Tateinheit mit der Billigung von Straftaten), sondern (nur) in einem Fall durch eine einheitliche Tathandlung strafbar gemacht, weshalb der Senat den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO abändert.
10
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB für jeden Täter grundsätzlich nach der Anzahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten anderer Beteiligter selbst nicht unmittelbar mit, sondern erschöpfen sich seine Tatbeiträge hierzu im Aufbau und in der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten „Geschäftsbetriebes“, sind diese Tathandlungen als – uneigentliches – Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes; vgl. BGH, Beschlüsse vom 14.10.2014, 3 StR 365/14, zitiert nach juris, und vom 22.03.2023, 1 StR 336/22, wistra 2023, 286ff.). Von dieser Handlungseinheit sind nur die Fälle ausgenommen, in denen der Täter selbst einen individuellen Tatbeitrag erbringt. Da der Angeklagte hier nach den Feststellungen des Landgerichtes zu den einzelnen Fällen, in denen die gegenständlichen Plakate aufgehängt wurden, keinen individuellen Tatbeitrag geleistet hat, sind diese Einzelfälle rechtlich als unselbständige Teile eines derartigen Organisationsdelikts zu bewerten und der Anklagte nur wegen einer einzigen Tat zu verurteilen.
11
b) Darüber hinaus hatte der Schuldspruch wegen Billigung von Straftaten nach § 140 Nr. 2 StGB zu entfallen.
12
Zwar trifft es zu, dass die Vorschrift in der seit 1. Juli 2021 geltenden Fassung auch das Billigen noch nicht begangener Straftaten unter Strafe stellt (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 140 Rdn. 3). Anders als bei der vorherigen Fassung des § 140 StGB (vgl. zu dieser Krauß in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 140 Rdn. 31) kommt § 140 Nr. 2 StGB in diesen Fällen jedoch kein eigener Unrechtsgehalt zu, wenn zugleich § 111 Abs. 1 StGB erfüllt ist; § 140 Nr. 2 StGB tritt dann als konsumiert zurück. Grund für die Erweiterung des § 140 Nr. 2 StGB war nämlich (nur) die Schließung von Strafbarkeitslücken, wenn § 111 StGB nicht erfüllt ist (vgl. BT-Drs. 19/17741 S. 34). So liegt es hier.
13
c) Beide Schuldspruchänderungen gefährden den Bestand des Strafausspruches nicht. Soweit der Senat die Konkurrenzverhältnisse abweichend beurteilt hat (vgl. oben zu a)), lässt dies den Schuldgehalt der Tat unberührt und stellt somit kein maßgebliches Kriterium bei der Strafzumessung dar (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 24.05.2022, 5 StR 133/22, zitiert nach juris, dort Rdn. 7). Soweit der Schuldspruch nach § 140 Nr. 2 StGB entfällt, ging bereits das Landgericht davon aus, dass diesem kein eigener Unrechtsgehalt zukommt (UA S. 35), so dass der Senat auszuschließen vermag, dass die Kammer bei Wegfall der Verurteilung nach § 140 Nr. 2 StGB zu einer geringeren Strafe gelangt wäre.
14
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).