Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 25.09.2023 – Au 9 K 22.1572
Titel:

Kostenentscheidung in einem für erledigt erklärten Verfahren über eine abfallrechtliche Beseitigungsanordnung (Anhänger als Protestmedium)

Normenketten:
GG Art. 5 Abs. 1
KrWG § 3 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 2, Abs. 4
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1
BayAbfG Art. 27 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Aus der formellen Begründungspflicht für Verwaltungsakte nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG folgt keine Pflicht zur objektiv richtigen Begründung mit der Folge eines Rechtswidrigkeitsverdikts, falls die von der Behörde genannte Rechtsnorm nicht die materiell-rechtlich richtige ist, um ihren Entscheidungsausspruch zu tragen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird ein Anhänger dauerhaft nicht mehr zum Transport von Gegenständen eingesetzt ist sein Verwendungszweck entfallen und ist er auch hinsichtlich seiner gegebenenfalls noch funktionsfähigen Bestandteile als Abfall anzusehen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Meinungsfreiheit berechtigt nicht dazu, zur Artikulierung von Protest diverse, als Abfall zu qualifizierende Gegenstände in der freien Natur als Medium für Protestaktionen einzusetzen. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtungsklage, teilweise übereinstimmende Erledigterklärung, Abfallbegriff, Vorlage von Entsorgungsnachweisen, Zwangsgeld, Ersatzvornahme, Begründungspflicht für Verwaltungsakte, Austausch der Rechtsgrundlage, Anhänger, Abfalleigenschaft, Meinungsfreiheit, Protestaktion, Protestmedium, Zwangsgeldandrohung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.12.2024 – 12 ZB 23.2024
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28705

Tenor

I. Das Verfahren Au 9 K 22.1572 wird insoweit eingestellt, als die Beteiligten es übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
II. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
III. Die Kosten des erledigten Verfahrensteils aus Au 9 K 22.1572 trägt der Beklagte. Im Übrigen trägt der Kläger die Kosten der Verfahren.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich im Verfahren Az. Au 9 K 22.1572 gegen die ihm vom Beklagten auferlegte Verpflichtung zur Beseitigung mehrerer auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung W. befindlichen Fahrzeuge mitsamt den sich darauf befindlichen Abfällen in einer dafür zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage und der Vorlage entsprechender Entsorgungsnachweise. Im Verfahren Az. Au 9 K 23.902 wendet sich der Kläger gegen die vom Beklagten vorgenommene Abänderung des Ausgangsbescheids vom 6. Juli 2022 in Bezug auf die dem Kläger auferlegte Handlungspflicht und die ihm angedrohte Ersatzvornahme. Seine Klage richtet sich insoweit gegen die Verpflichtung zur Beseitigung der als Abfall eingestuften Gegenstände bis spätestens zwei Wochen nach Bestandskraft des Ausgangsbescheids sowie die Androhung von zwei Zwangsgeldern in Höhe von 2.000,00 EUR bzw. 200,00 EUR.
2
Aufgrund einer Ordnungswidrigkeitenanzeige der Polizeistation ... vom 25. Februar 2022 wurde dem Beklagten mitgeteilt, dass bereits im Oktober 2020 auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung W. ein im Eigentum des Klägers stehender landwirtschaftlicher Anhänger direkt am Fahrbahnrand ohne Sicherung und Kenntlichmachung abgestellt ist. Der mündlichen polizeilichen Aufforderung, den Anhänger zu beseitigen, kam der Kläger im Folgenden nicht nach. Das entsprechende Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde eingestellt.
3
Am 19. August 2021 wurde von der Polizeistation ... festgestellt, dass nunmehr zwei landwirtschaftliche Anhänger im Kurvenbereich direkt an der Gemeindeverbindungsstraße angrenzend abgestellt waren. Die Polizei stellte weiter fest, dass die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch die in der Kurve aufgestellten Anhänger beeinträchtigt werden könne. Weiter wurde festgestellt, dass sich auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung W. mehrere weitere Anhänger mit Plakaten befanden. Nach Aussage des Klägers erfolgte die Positionierung der Anhänger, um die unzumutbaren Straßenzustände in diesem Bereich anzuprangern.
4
Bei einer polizeilichen Kontrolle am 23. November 2021 wurden beide Anhänger im Straßengrund unverändert vorgefunden.
5
Unter dem 19. Februar 2022 erstattete der Kläger eine Anzeige wegen Sachbeschädigung, nachdem zwei Anhänger, die direkt auf der Ortsverbindungsstraße im Kurvenbereich abgestellt waren, von einem unbekannten Täter umgeworfen worden waren.
6
Am 29. März 2022 fand eine Ortsbegehung durch das Landratsamt ... statt. Der Kläger äußerte sich hierbei dahingehend, dass die Ladewägen aus Protestzwecken aufgestellt worden seien.
7
Das Landratsamt ... hat zur Beurteilung der Verkehrstauglichkeit bzw. des Vorliegens der Abfalleigenschaft der gegenständlichen landwirtschaftlichen Ladewägen einen Sachverständigen des Polizeipräsidiums ... ... im Wege der Amtshilfe um Beurteilung gebeten.
8
Das Polizeipräsidium ... ... nahm unter dem 18. Mai 2022 zum Zustand der sieben landwirtschaftlichen Fahrzeuge aufgrund einer am 3. Mai 2022 durchgeführten Besichtigung Stellung. Es wird ausgeführt, dass bei sämtlichen Fahrzeugen keine Betriebserlaubnis vorliege. Die Fahrzeuge wiesen alters- und laufzeitgerechte Gebrauchsspuren auf. Die Fahrzeuge machten einen stark verbrauchten und verwahrlosten Eindruck. Eine Instandsetzung zum Erlangen der Verkehrssicherheit und der Betriebserlaubnis würde den Zeitwert, der jeweils auf 0,00 EUR geschätzt wurde, erheblich übersteigen.
9
Der Kläger wurde mit Schreiben des Landratsamts ... vom 24. Mai 2022 hinsichtlich der vorgenommenen Fahrzeugbewertung in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, die beurteilten sieben landwirtschaftlichen Fahrzeuge bis spätestens 7. Juni 2022 ordnungsgemäß zu entsorgen und entsprechende Nachweise vorzulegen. Der Kläger wurde zum Erlass einer kostenpflichtigen Anordnung mit Ersatzvornahme angehört.
10
Eine Kontrolle nach Fristablauf ergab, dass die Fahrzeuge unverändert auf den Grundstücken des Klägers lagerten.
11
Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 6. Juli 2022 (Gz. ...) wurde der Kläger aufgefordert, die im Bescheid aufgelisteten sieben landwirtschaftlichen Fahrzeuge (Ladewägen) mitsamt aufgeladenen Abfällen bis spätestens 26. Juli 2022 zu entfernen bzw. entfernen zu lassen und einer dafür zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage zuzuführen (Nr. 1 des Bescheids). In Nr. 2 des Bescheids wird der Kläger dazu verpflichtet, die entsprechenden Nachweise dem Landratsamt ... bis spätestens eine Woche nach der Entsorgung vorzulegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde dem Kläger in Nr. 3 des Bescheids die Ersatzvornahme angedroht. Weiter wurde bestimmt, dass die Kosten der Ersatzvornahme auf 2.500,00 EUR geschätzt würden.
12
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landratsamt aus, Rechtsgrundlage der Anordnung sei § 15 Abs. 1 Satz 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Danach sei derjenige, der in unzulässiger Weise Abfälle behandle, lagere oder ablagere, zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands verpflichtet. Die Kreisverwaltungsbehörde könne die erforderlichen Anordnungen erlassen. Bei den auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung W. lagernden Abfälle handle es sich um Fahrzeuge, deren sich der Kläger als Abfallbesitzer entledigen müsse. Der Kläger habe als Grundstückseigentümer bzw. Verursacher die tatsächliche Sachherrschaft über die abgelagerten Fahrzeuge und Materialien. Die gelagerten Fahrzeuge und Materialien stellten Abfall i.S. des sog. subjektiven Abfallbegriffs dar. Die Ladewägen stünden seit geraumer Zeit unverändert auf den vorbezeichneten Grundstücken und würden objektiv nicht mehr entsprechend ihres anfänglichen Verwendungszwecks genutzt. Eine neue Zweckbestimmung sei nicht erkennbar. Die Nutzung der Fahrzeuge zu Protestzwecken könne nicht als vernünftiger von der Verkehrsanschauung respektierter Zweck angesehen werden. Die abgestellten Fahrzeuge seien aufgrund der durchgeführten Fahrzeugbewertung des polizeilichen Sachverständigen mit einem jeweiligen Zeitwert von 0,00 EUR eingestuft worden und stellten demzufolge Abfall dar, der ordnungsgemäß einer Abfallbeseitigungsanlage i.S.d § 28 Abs. 1 Satz 1 KrWG zuzuführen sei. Als Abfallerzeuger bzw. -besitzer sei der Kläger auch der richtige Adressat der Entsorgungsverfügung (§ 3 Abs. 4 KrWG). Die im Bescheid gesetzten Fristen seien ausreichend bemessen, da es dem Kläger innerhalb des festgelegten Zeitraums tatsächlich möglich sei, die angeordnete Entsorgung durchzuführen oder durchführen zu lassen. Wie sich aus dem bisherigen Geschehensablauf ergebe, lasse ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten. In einem solchen Fall sei nach Art. 32 Satz 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) die Ersatzvornahme zulässig. Die Vorschrift des Art. 32 VwZVG gewähre der Vollstreckungsbehörde gegenüber dem Pflichtigen einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf Zahlung der für die Durchführung der Ersatzvornahme aufgewendeten Kosten.
13
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamts ... vom 6. Juli 2022 wird ergänzend verwiesen.
14
Der Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 9. Juli 2022 bekannt gegeben.
15
Der Kläger hat gegen den Bescheid vom 6. Juli 2022 am 1. August 2022 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg zur Niederschrift Klage erhoben und im Verfahren Au 9 K 22.1572 zunächst beantragt,
16
Der Bescheid vom 6. Juli 2022 mit dem Az. ... wird aufgehoben.
17
Zur Begründung ist ausgeführt, dass das Polizeipräsidium ... ... ein Gefälligkeitsgutachten erstellt habe. Es handle sich um landwirtschaftliche, nicht zulassungspflichtige Anhänger, die keiner TÜV-Erlaubnis bedürften. Die am Fahrbahnrand abgestellten Fahrzeuge seien immer mit Beleuchtungen gesichert worden. Diese Beleuchtungen seien immer wieder von Dritten abgerissen und zerstört worden. Dies sei auch der Polizeistation ... gemeldet worden. Die Beurteilung durch den Sachverständigen der Polizei sei wertlos. Die Fahrzeuge würden weiterhin landwirtschaftlich genutzt. Es komme nicht auf die Verkehrstauglichkeit an. Es sei daher unzutreffend, dass es sich um Abfall handle.
18
Auf die weiteren Ausführungen des Klägers im Verfahren Au 9 K 22.1572 wird verwiesen.
19
Das Landratsamt ... ist der Klage mit Schriftsatz vom 21. September 2022 entgegengetreten und beantragt,
20
die Klage abzuweisen.
21
Zur Begründung wird ausgeführt, die Aussage, es handle sich um ein Gefälligkeitsgutachten, werde zurückgewiesen. Es werde darauf hingewiesen, dass das Gutachten von einem amtlich bestellten Sachverständigen mit Teilbefugnis des Polizeipräsidiums ... ... erstellt worden sei. Die weiteren vom Kläger vorgebrachten Äußerungen seien als Schutzbehauptung zu werten. Bei den auf den Grundstücken lagernden Abfällen handle es sich um landwirtschaftliche Fahrzeuge, deren sich ihr Besitzer entledigen müsse. Der Kläger habe die tatsächliche Sachherrschaft über die abgelagerten Fahrzeuge und Materialien. Sämtliche Fahrzeuge und die sich darauf befindlichen Materialien würden objektiv nicht mehr entsprechend ihres anfänglichen Verwendungszwecks genutzt. Eine neue Zweckbestimmung sei nicht erkennbar. Die Verwendung einzelner Fahrzeuge für die Lagerung von Brennholz werde als Schutzbehauptung eingestuft, da es dem Kläger alternativ möglich sei, auf seinen anderen im Eigentum befindlichen Grundstücken entsprechende Unterstände zu errichten und dort das Brennholz in geeigneter Weise zu lagern. Ob es sich bei den landwirtschaftlichen Fahrzeugen um Abfall handle, obliege der fachlichen Beurteilung des Sachverständigen. Eine Fahrbereitschaft sei insoweit nicht erkennbar.
22
Unter dem 24. Mai 2023 hat das Landratsamt ... einen Änderungsbescheid erlassen, wonach der Bescheid vom 6. Juli 2022 in Nr. 1 dahingehend abgeändert wird, dass dem Kläger eine Frist zur Beseitigung bis spätestens zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheids vom 6. Juli 2022 gesetzt wird. Nr. 3 des Bescheids wurde dahingehend geändert, dass anstelle der ursprünglich vorgesehenen Ersatzvornahme für die Nichterfüllung der Verpflichtung nach Nr. 1 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR und bei Zuwiderhandlung gegen Nr. 2 des Ausgangsbescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR zur Zahlung angedroht wird.
23
In den Gründen des Bescheids wird ausgeführt, Rechtsgrundlage der Anordnung sei Art. 27 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz (BayAbfG). Die im Bescheid abgeänderte Frist für die Handlungspflicht in Nr. 1 des Ausgangsbescheids vom 6. Juli 2022 sei ausreichend bemessen, da es dem Kläger innerhalb des festgelegten Zeitraums tatsächlich möglich sei, die angeordnete Entsorgung durchzuführen bzw. durchführen zu lassen. In Abänderung des Bescheids vom 6. Juli 2022 werde aufgrund Art. 31 Abs. 1 VwZVG ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR bei nicht durchgeführter bzw. nicht fristgemäßer Entsorgung der Abfälle festgesetzt. Für die Nichtvorlage der entsprechenden Beseitigungsnachweise werde ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR angedroht, da der Beweisführung zur Entsorgung eine gewichtige Rolle zufalle.
24
Auf den weiteren Inhalt des Änderungsbescheids des Landratsamts ... vom 24. Mai 2022 wird verwiesen.
25
Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid am 12. Juni 2023 zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen Au 9 K 23.902 geführt wird. Er beantragt,
26
Der Bescheid des Landratsamts ... vom 24. Mai 20223 mit dem Az. ... wird aufgehoben.
27
Zur Begründung wird ausgeführt, dass gerichtlich überprüft werden solle, ob die Änderung des Bescheids vom 6. Juli 2022 während eine laufenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht zum Nachteil des Klägers erfolgen dürfe. Er weise nochmals darauf hin, dass seine landwirtschaftlichen Anhänger weiterhin genutzt würden und diese aus Protest gegen die rechtswidrige Einleitung von Oberflächenwasser der Straßen in die Grundstücke des Klägers aufgestellt worden seien. Im Rechtsstaat sei es legitim, auf Missstände hinzuweisen und in Form von Protestaktionen die Bürger auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Die im Bescheid angedrohten Zwangsgelder erachte er für zu hoch angesetzt und gesetzlich unzulässig.
28
Das Landratsamt ... ist der Klage im Verfahren Au 9 K 23.902 mit Schriftsatz vom 11. Juli 2023 entgegengetreten und beantragt,
29
die Klage abzuweisen.
30
Die Abänderung des Bescheids vom 6. Juli 2022 sei erforderlich gewesen, da die im Ausgangsbescheid festgesetzte Frist (26. Juli 2022) zwischenzeitlich abgelaufen sei. Mit der neuen Fristbestimmung sei gewährleistet, dass im Fall eines Urteils der Ausgangsbescheid vom 6. Juli 2022 vollstreckbar sei. Im Übrigen werde auf die Klageerwiderung im Verfahren Az. Au 9 K 22.1572 verwiesen.
31
Aufgrund der vorgenommenen Aufhebung der Androhung der Ersatzvornahme und deren Ersetzung durch die Androhung entsprechender Zwangsgelder haben die Beteiligten den Rechtsstreit Au 9 K 22.1572 hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme in der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2023 übereinstimmend für erledigt erklärt.
32
Im Verfahren Au 9 K 22.1572 beantragt der Kläger somit zuletzt:
33
Der Bescheid vom 6. Juli 2022, Az., wird mit Ausnahme der Nr. 3 des Bescheids aufgehoben.
34
Am 25. September 2023 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
35
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagte vorgelegten Verfahrensakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

36
Die Verfahren Az. Au 9 K 22.1572 und Az. Au 9 K 23.902 konnten gem. § 93 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden, da gemeinsamer Gegenstand der Verfahren die vom Kläger geforderte Beseitigung der als Abfall eingestuften landwirtschaftlichen Fahrzeuge (Anhänger) ist. Der im Verfahren Az. Au 9 K 23.902 mit der Klage angegriffene Änderungsbescheid des Beklagten vom 24. Mai 2023 betrifft lediglich eine dem Kläger gesetzte erneute Handlungsfrist zur Beseitigung der Fahrzeuge und Vorlage der entsprechenden Entsorgungsnachweise und ersetzt die zunächst angedrohte Ersatzvornahme (Art. 32 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG) durch zwei Zwangsgeldandrohungen i.S.d. Art. 31 VwZVG. Die Verbindung der Verfahren war daher wegen des einheitlichen Streitgegenstands – geforderte Abfallbeseitigung und Vorlage entsprechender Entsorgungsnachweise – sachgerecht und geboten.
37
1. Soweit die Beteiligten das Verfahren Az. Au 9 K 22.1572 in der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2023 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war dieser Verfahrensteil betreffend die dem Kläger in Nr. 3 des Bescheids des Beklagten vom 6. Juli 2022 (Gz. ...) angedrohte Ersatzvornahme gem. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO einzustellen und nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (siehe unten 4.)
38
2. Soweit die Klage im Verfahren Az. Au 9 K 22.1572 in der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2023 vom Kläger noch aufrechterhalten wurde, ist diese zwar zulässig, aber unbegründet. Die nach den Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2023 unter den Beteiligten noch in Streit stehenden Nrn. 1 und 2 des Bescheids des Landratsamts ... vom 6. Juli 2022 sind rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
39
2.1 Die Anordnung des Beklagten zur Beseitigung und Entsorgung der sich auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung W. befindlichen landwirtschaftlichen Fahrzeuge (Anhänger) einschließlich der sich hierauf befindlichen Abfälle ist rechtmäßig.
40
2.1.1 Zwar hat das nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Abfallwirtschaftsgesetz (BayAbfG) zuständige Landratsamt ... die streitgegenständliche Beseitigung im Ausgangsbescheid vom 6. Juli 2022 zunächst fehlerhaft ausschließlich auf die Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG gestützt. Nach dieser Vorschrift sind die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen, die nicht verwertet werden, verpflichtet, diese zu beseitigen, soweit in § 17 KrWG nichts anderes bestimmt ist. Zutreffende Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung in Nr. 1 des Bescheids wäre aber Art. 27 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BayAbfG. Die fehlerhafte Bezeichnung der Rechtsgrundlage ist jedoch unschädlich, da als allgemeiner Grundsatz anerkannt ist, dass die zur Kontrolle des Verwaltungshandelns berufenen Gerichte in ihrer Bewertung der Rechtslage, namentlich in der Frage, anhand welcher Rechtsnormen das Verwaltungshandeln zu überprüfen und aufgrund welcher Rechtsnormen es als rechtmäßig erachtet werden kann, unabhängig von der Rechtsauffassung der Verwaltung sind. Im geltenden Verwaltungsprozessrecht findet er seinen Niederschlag in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Verwaltungsgericht einen angefochtenen Verwaltungsakt (nur) aufhebt, (wenn und) soweit er rechtswidrig ist (und den Kläger in seinen Rechten verletzt). Kommt das Gericht zu der Erkenntnis, dass der Verwaltungsakt zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt ist, ist das Gericht gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet zu prüfen, ob (und ggf. in welchem Umfang) der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19.18 – juris Rn. 24; Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 23 f.). Auch Art. 39 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) normiert für Verwaltungsakte lediglich eine formelle Begründungspflicht; aus der Regelung folgt keine Pflicht zur objektiv richtigen Begründung mit der Folge eines Rechtswidrigkeitsverdikts, falls die von der Behörde genannte Rechtsnorm nicht die materiell-rechtlich richtige ist, um ihren Entscheidungsausspruch zu tragen (vgl. Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 39 Rn. 30). Überdies hat das zuständige Landratsamt ... im ebenfalls mit Klage angegriffenen Änderungsbescheid vom 24. Mai 2023 die Beseitigungsanordnung auf die zutreffende Rechtsgrundlage des Art. 27 Abs. 2 BayAbfG gestützt und insoweit in zulässiger Weise die Rechtsgrundlage der Nr. 1 des Ausgangsbescheids vom 6. Juli 2022 ausgetauscht.
41
2.1.2 Nach Art. 27 Abs. 2 BayAbfG kann die zuständige Behörde gegenüber demjenigen, der Abfälle in unzulässiger Weise behandelt, lagert oder ablagert, die erforderlichen Anordnungen erlassen. Erfasst werden insoweit alle Ablagerungen außerhalb von zugelassenen Entsorgungsanlagen. Die entsprechenden landesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen, die der Beseitigung von Verstößen gegen das Landesabfallrecht und damit primär der Gefahrenabwehr dienen, stehen als verfassungsrechtlich zulässige Befugnisnormen neben den bundesgesetzlichen Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG), insbesondere dessen § 62 (vgl. BVerwG, B.v. 5.11.2012 – 7 B 25.12 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 27.3.2017 – 20 CS 16.2404 – juris Rn. 58). Vorliegend geht es um die Beseitigung der seit längerem andauernden Lagerung von landwirtschaftlichen Fahrzeugen, deren Nutzung zu sachfremden Zwecken und der damit verbundenen negativen Vorbildwirkung.
42
2.1.3 Die sich auf den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... der Gemarkung W. befindlichen und im Ausgangsbescheid vom 6. Juli 2022 benannten landwirtschaftlichen Fahrzeuge (Anhänger) unterfallen nach Auffassung des Gerichts dem Abfallbegriff des KrWG.
43
Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 KrWG sind Abfälle alle Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG ist ein Wille zur Entledigung i.S.v. § 3 Abs. 1 KrWG hinsichtlich solcher Stoffe oder Gegenstände anzunehmen, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Für die Beurteilung der Zweckbestimmung ist nach § 3 Abs. 3 Satz 2 KrWG die Auffassung des Erzeugers oder Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zugrunde zu legen. Die Verkehrsanschauung dient dabei als objektives Korrektiv der subjektiven Vorstellungen des Abfallbesitzers. Die Absicht, einen als Abfall zu bewertenden Stoff oder Gegenstand zu veräußern, stellt keine zulässige Zweckbestimmung dar, zumal auch Stoffe oder Gegenstände, die einen Handelswert haben, Abfall sein können. Anderenfalls würde der Sinn und Zweck des Abfallrechts, die Umwelt und die menschliche Gesundheit auch vorbeugend und vorsorglich zu schützen, unterlaufen. Selbst eine nur zeitweilige Ungewissheit über den Verwendungszweck eines Stoffes oder Gegenstandes begründet Missbrauchsgefahren, weil damit eine Grauzone zwischen der Abfall- und Produkteigenschaft erzeugt würde (BVerwG, U.v. 29.5.2018 – 7 C 34.15 – juris Rn. 29 f). Die materielle Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Abfalleigenschaft trifft die Behörde (BayVGH, B.v. 17.2.2020 – 12 CS 19.2505 – juris Rn. 43).
44
Der Beklagte hat die tatsächlichen Voraussetzungen der Abfalleigenschaft der landwirtschaftlichen Fahrzeuge anhand der umfangreichen, in diversen Ortseinsichten entstandenen Lichtbilder und der vom Beklagten eingeholten Fahrzeugbewertung des Polizeipräsidiums Schwaben Nord vom 18. Mai 2022 nach Auffassung der Kammer in ausreichender Weise dargetan. Ausweislich der Lichtbilder lagern die landwirtschaftlichen Fahrzeuge seit längerem ungeordnet, ohne hinreichenden Schutz vor der Witterung, teilweise beschädigt, auf den Grundstücken des Klägers, sodass der Beklagte rechtsfehlerfrei angenommen hat, dass deren ursprüngliche Zweckbestimmung aufgegeben wurde.
45
Das Polizeipräsidium ... ... kommt in seiner fachlichen Stellungnahme vom 18. Mai 2022, an deren Richtigkeit das Gericht keinen Zweifel hat, zusammenfassend zum Ergebnis, dass die sieben landwirtschaftlichen Anhänger sämtlich einen stark verbrauchten ungepflegten Eindruck vermitteln. Eine Instandsetzung zum Erlangen der Verkehrssicherheit und der Betriebserlaubnis der Fahrzeuge würde den aktuellen Zeitwert, der jeweils mit 0,00 EUR geschätzt wurde, erheblich übersteigen. Dementsprechend handelt es sich nach der fachlichen Einschätzung des Polizeipräsidiums ... ... vom 18. Mai 2022 aufgrund des Alters und des Zustandes der landwirtschaftlichen Fahrzeuge und der seit längerem ungeschützt vor Witterungseinflüssen andauernden Lagerung im Freien um Abfall i.S.d. § 3 KrWG. Eine Reparatur der landwirtschaftlichen Fahrzeuge ist nach der Einschätzung des Polizeipräsidiums ... ... wirtschaftlich unvernünftig und wird insoweit auch vom Kläger nach dessen Äußerung in der mündlichen Verhandlung aktuell und in nächster Zeit gar nicht beabsichtigt, da die Fahrzeuge gegenwärtig ausschließlich zu Protestzwecken gegen die vom Kläger behauptete Untätigkeit der Gemeinde ... in Bezug auf die Grundstücksentwässerung verwendet werden.
46
Insofern ist es aber auch unerheblich, ob die landwirtschaftlichen Fahrzeuge noch als „Teileträger“ verwendbar wären, da ihr ursprünglicher Verwendungszweck als landwirtschaftliches Transportmittel unzweifelhaft weggefallen ist. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch selbst eingeräumt. Die Anhänger werden nämlich seit längerem – nach Mitteilung der Polizeistation ... stehen sie seit Oktober 2020 am Fahrbahnrand der Ortsverbindungsstraße – nicht mehr dazu genutzt, um Gegenstände von einem Ort zu einem anderen zu transportieren. Der Kläger verwendet die abgestellten Anhänger nach eigenen Aussagen ausschließlich zu Protestzwecken, um die Gemeinde ... zur Verbesserung der Zufahrtssituation zum Anwesen des Klägers zu bewegen. Selbst wenn der ein oder andere abgestellte Anhänger abstrakt gesehen zum Transport von Gegenständen eingesetzt werden könnte, ist dieser Zweck nach der konkreten Verwendungsweise des Klägers seit längerem entfallen. Die landwirtschaftlichen Fahrzeuge, die im Bescheid vom 6. Juli 2022 hinreichend bestimmt vom Beklagten gekennzeichnet sind (vgl. Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) sind daher auch hinsichtlich ihrer ggf. noch funktionsfähigen Bestandteile, als Abfall zu betrachten (vgl. Petersen in Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022., § 3 Rn. 91).
47
Die Anhänger wurden auch nicht einem neuen, nach der Verkehrsauffassung anerkannten Verwendungszweck zugeführt. Die Berücksichtigung der Verkehrsanschauung dient im Rahmen des § 3 KrWG als objektives Korrektiv für vorgebrachte Zweckbestimmungen, die dem Zweck dienen, abfallrechtliche Verwertungs- und Beseitigungspflichten zu umgehen (Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, Kommentar, 4. Aufl. 2019, § 3 Rn. 30; Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022., § 3 Rn. 90) Soweit der Kläger daher darauf verweist, dass er die beanstandeten landwirtschaftlichen Fahrzeuge als „Träger“ für seine Protestaktionen gegenüber der Gemeinde ... benötige, so ist dieser vom Kläger geäußerte Verwendungszweck nicht schutzwürdig. Auch wenn sich der Kläger hinsichtlich seines Protests auf die nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Meinungsfreiheit beruft, berechtigt diese den Kläger nicht dazu, zur Artikulierung seines Protestes diverse, als Abfall zu qualifizierende Gegenstände in der freien Natur als Medium für Protestaktionen einzusetzen. Der Kläger ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, seinen Protest gegenüber der Gemeinde ... in anderer Form kund zu tun. Die Verwendung von Gegenständen, die als Abfall zu qualifizieren sind, entspricht daher nicht den vernünftigen, von der Verkehrsanschauung respektierten Erwägungen.
48
Darüber hinaus handelt es sich vorliegend auch nach § 3 Abs. 4 KrWG um zu beseitigenden Abfall. Nach dieser Vorschrift muss sich der Besitzer von Gegenständen entledigen und diese ordnungsgemäß beseitigen, wenn sie geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt zu gefährden und das Gefährdungspotenzial nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung ausgeschlossen werden kann. Das Abstellen der streitgegenständlichen, mit Gegenständen beladenen Anhänger in der freien Natur ist geeignet, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit zu gefährden, da damit zu rechnen ist, dass diese einen erheblichen Anreiz zum Abstellen weiterer Abfallgegenstände oder zu Vandalismus geben. Dies ist nach eigenen, mit Bildmaterial belegten Angaben des Klägers bereits geschehen, in dem einer der Anhänger umgeworfen wurde und die auf ihm geladenen Gegenstände in der Landschaft verstreut wurden.
49
Nach allem bestehen aufgrund der fachlichen Einschätzung des Zustands der landwirtschaftlichen Fahrzeuge im Gutachten des Polizeipräsidiums ... ... vom 18. Mai 2022 und den eindeutigen Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung für das Gericht an der Abfalleigenschaft der im Bescheid benannten streitgegenständlichen landwirtschaftlichen Fahrzeuge und der hierauf gelagerten weiteren nicht mehr gebrauchsfähigen Gegenstände keine Zweifel.
50
2.1.4 Da die Grundstücke des Klägers keine zugelassene Abfallbeseitigungsanlage i.S.v. 28 KrWG sind, erfolgte die Ablagerung der Abfälle auch in unzulässiger Weise i.S.d. Art. 27 Abs. 1 BayAbfG.
51
2.1.5 Die Auswahl des Klägers als Adressat der Anordnung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Kläger übt als Eigentümer der betroffenen Grundstücke die tatsächliche Sachherrschaft über die auf diesen gelagerten Gegenstände aus und ist daher als Abfallbesitzer i.S.v. § 3 Abs. 9 KrWG tauglicher Adressat der Beseitigungsanordnung nach Art. 27 Abs. 1 und 2 BayAbfG.
52
2.1.6 Letztlich erweist sich die Beseitigungsanordnung des Beklagten auch nicht als unverhältnismäßig oder in sonstiger Weise ermessensfehlerhaft. Da die abgelagerten Gegenstände nicht mehr bestimmungsgemäß verwendet werden und einem solchen Gebrauch auch nicht (mehr) zugeführt werden können bzw. sollen, überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung. Die streitgegenständliche Beseitigungsanordnung wurde deshalb zu Recht angeordnet.
53
2.2 Der angegriffene Bescheid vom 6. Juli 2022 ist auch insoweit rechtmäßig, als er in Nr. 2 die Vorlage der entsprechenden Entsorgungsnachweise vom Kläger fordert. Der Beklagte konnte den Nachweis auf Grundlage von § 62 KrWG i.V.m. § 47 Abs. 3 KrWG einfordern, um die Erfüllung der Verpflichtung zur Beseitigung der Abfälle sicherzustellen. Für das Gericht nur eingeschränkt nach § 114 VwGO zu überprüfende Ermessensfehler sind insoweit nicht erkennbar.
54
Damit war die vom Kläger noch aufrechterhaltene Klage im Verfahren Az. Au 9 K 22.1572 abzuweisen.
55
3. Die Klage im Verfahren Az. Au 9 K 23.902, gerichtet gegen den vom Beklagten unter dem 24. Mai 2023 erlassenen Änderungsbescheid, ist zulässig, aber ebenfalls unbegründet. Der Änderungsbescheid ist rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
56
3.1 Die dem Kläger zur Erfüllung seiner Handlungspflichten aus Nrn. 1 und 2 des Ausgansbescheids des Beklagten vom 6. Juli 2022 gesetzte Handlungsfrist von zwei Wochen ab Bestandskraft des Ausgangsbescheids begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Frist ist aus Sicht der Kammer angemessen, um die Grundpflichten des Klägers aus dem Bescheid vom 6. Juli 2022 zu erfüllen. Einwände gegen die ihm zur Verfügung gestellte Frist zur Beseitigung der Gegenstände und Vorlage der entsprechenden Entsorgungsnachweise hat der Kläger auch nicht erhoben.
57
3.2 Soweit dem Kläger im Änderungsbescheid vom 24. Mai 2023 Zwangsgelder i.H.v. 2.000,00 EUR (betreffend die Beseitigungspflicht aus Nr. 1 des Bescheids vom 6. Juli 2022) und i.H.v. 200,00 EUR (betreffend die Verpflichtung zur Vorlage von Entsorgungsnachweisen in Nr. 2 des Ausgangsbescheids vom 6. Juli 2022) angedroht wurden, bleibt die Klage ebenfalls ohne Erfolg. Die Zwangsgeldandrohungen finden ihre Rechtsgrundlage jeweils in Art. 29 Abs. 1 und 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1 und 5 VwZVG.
58
3.2.1 Die Beseitigungs- und Nachweisvorlagepflicht sind Handlungspflichten, für deren Durchsetzung als Zwangsmittel gem. Art. 29 Abs. 2 VwZVG grundsätzlich Zwangsgeld, Ersatzvornahme, Ersatzzwangshaft und unmittelbarer Zwang zur Verfügung stehen. Die Auswahl von Zwangsgeld nach Art. 31 VwZVG als geeignetes und gleichzeitig mildestes Mittel ist nicht zu beanstanden.
59
3.2.2 Die Zwangsgeldandrohungen stehen auch hinsichtlich ihrer Höhe mit den gesetzlichen Vorschriften im Einklang. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15,00 EUR und höchstens 50.000,00 EUR. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG soll das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen, wobei nach Satz 4 der Vorschrift das wirtschaftliche Interesse nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen. Eine Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses ist regelmäßig nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2010 – 1 CS 10.1803 – juris Rn. 23). Das wirtschaftliche Interesse des Klägers bemisst sich vorliegend ganz wesentlich nach den voraussichtlich anfallenden Beseitigungs- und Entsorgungskosten. Fehler bei der Ausübung des nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG eingeräumten Ermessens sind nicht ersichtlich (§ 114 VwGO).
60
3.2.3 Bezogen auf den dem Kläger im Änderungsbescheid vom 24. Mai 2023 gesetzten Zeitraum zur Erfüllung seiner Handlungsverpflichtungen, liegen auch die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vor.
61
Eine Zwangsgeldandrohung ist ein aufschiebend bedingter Leistungsbescheid (Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG) über eine Geldforderung, die entsteht und fällig wird (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG), wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Voraussetzung ist zum einen, dass während des maßgeblichen Zeitraumes bzw. zum maßgeblichen Zeitpunkt alle Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind. Bei einer Anordnung (Grundverfügung), der – wie hier – nicht sofort nachzukommen ist, müssen die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht nur bei Ablauf der Erfüllungsfrist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG), sondern auch schon während des davorliegenden Erfüllungszeitraumes vorliegen. Darüber hinaus ist weitere Bedingung, dass bei Ablauf der Erfüllungsfrist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) die durch die Grundverfügung auferlegte Pflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt ist (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 VwZVG) (BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – BayVBl 2002, 275 ff.).
62
Da nunmehr mit dem Änderungsbescheid an die Bestandskraft des Ausgangsbescheids des Beklagten vom 6. Juli 2022 angeknüpft wird, liegt für diesen Zeitraum der Erfüllung der Handlungsverpflichtungen ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt i.S.d. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vor.
63
Folglich erweist sich der mit der Klage im Verfahren Az. Au 9 K 23.902 angegriffene Änderungsbescheid des Beklagten vom 24. Mai 2023 als rechtmäßig. Die hiergegen erhobene Klage war daher abzuweisen.
64
4. Soweit das Verfahren Az. Au 9 K 22.1572 von den Beteiligten in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, war gem. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Hierbei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen. Danach hat der Beklagte die Kosten des erledigten Verfahrensteils zu tragen, weil die ursprünglich im Ausgangsbescheid dem Kläger angedrohte Ersatzvornahme (Nr. 3 des Bescheids vom 6. Juli 2022) rechtswidrig war, da nach den dargestellten Grundsätzen im Erfüllungszeitraum der Handlungsverpflichtungen aus dem Ausgangsbescheid (Beseitigung der Abfälle bis zum 26. Juli 2022) aufgrund der hiergegen vom Kläger erhobenen Klage die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorlagen und der Beklagte auch die sofortige Vollziehbarkeit i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht angeordnet hatte. Ungeachtet der Frage, ob vorliegend überhaupt die Voraussetzungen des Art. 32 Satz 2 VwZVG zu Lasten des Klägers gegeben waren, wonach die Ersatzvornahme nur zulässig ist, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lässt, war die Androhung der Ersatzvornahme im Ausgangsbescheid bereits aufgrund der fehlenden allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen rechtswidrig und wäre bei Fortgang des Verfahrens und unterbliebenem Erlass des Änderungsbescheids vom 24. Mai 2023 antragsgemäß aufzuheben gewesen.
65
Soweit die Klage im Verfahren Az. Au 9 K 22.1572 vom Kläger aufrechterhalten wurde, war sie mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gleiches gilt für die Klage im Verfahren Az. Au 9 K 23.902. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger jeweils die Kosten des Verfahrens zu tragen.
66
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der jeweiligen Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).