Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 19.01.2023 – AN 16 K 20.01748
Titel:

Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei Versorgungsbezügen für ein vor dem 1.1.1992 geborenes Kind

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1
BeamtVG § 6 Abs. 1 S. 4, S. 5, § 85 Abs. 7 aF
BeamtVG § 50a, § 69m Abs. 3
Leitsatz:
Ein Anspruch auf Anerkennung von Kindererziehungszeiten im Rahmen der Versorgungsbezüge scheidet aus, wenn nach der Geburt des Kindes kein Erziehungsurlaub, keine Teilzeitbeschäftigung oder eine andere Freistellung vom Dienst erfolgte, sondern in diesem Zeitraum eine Vollbeschäftigung als Beamtin gegeben ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anerkennung von Kindererziehungszeiten für ein vor dem 1.1.1992 geborenes Kind, Versorgungsbezüge, Kindererziehungszeiten, Erziehungsurlaub, Teilzeitbeschäftigung, Vollbeschäftigung, vor dem 1.1.1992 geborenes Kind
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2866

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Anerkennung von Kindererziehungszeiten als ruhegehaltsfähige Dienstzeit.
2
Die im Jahre 1965 geborene Klägerin stand als Bundesbahnhauptsekretärin im Dienste der Beklagten. Das Beamtenverhältnis wurde am … 1982 begründet. Mit Ablauf des … 2010 wurde die Klägerin wegen Dienstunfähigkeit zur Ruhe gesetzt.
3
Stand … 2020 erhält die Klägerin bei einem Ruhegehaltssatz von 68,22% einen Nettoversorgungsbezug in Höhe von 2021,18 EUR.
4
Die Klägerin hat ein vor dem … 1992 geborenes Kind. Einen Erziehungsurlaub oder eine vergleichbare Zeit einer Freistellung vom Dienst hat sie nicht genommen. Im Rahmen des Bescheides zur Festsetzung ihrer Versorgungsbezüge vom 8. September 2010 wurde die Zeit nach Geburt der Kinder als vollbeschäftigte Dienstzeit berücksichtigt.
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Unter dem 16. April 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Anerkennung von Kindererziehungszeiten.
6
Mit Bescheid vom 30. Juni 2020 lehnte die Beklagte eine Änderung der Festsetzung der Versorgungsbezüge ab.
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Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Bescheid vom 6. August 2020 zurück.
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Auf die jeweiligen Begründungen wird Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 4. September 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 30. Juni 2020.
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Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass Kindererziehungszeiten für den Zeitraum vom 1. November 1983 bis zum 30. April 1986 und vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Oktober 1993 für das am … 1983 geborene Kind der Klägerin zu berücksichtigen seien. Durch die Ablehnung der Anerkennung der Kindererziehungszeiten würden ihr monatlich 4,32 EUR entgehen.
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Die Klägerin beantragt,
Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2020 im Verfahren Az: … in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 6. August 2020 wird mit der Maßgabe abgeändert, dass entsprechend dem Antrag vom 16. April 2020 die Kindererziehungszeiten angerechnet werden.
12
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13
Zur Erwiderung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, dass bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge der Klägerin keine Zeiten der Kindererziehung für das vor dem 1.1.1992 geborene Kind mit bis zu sechs Monaten ruhegehaltsfähiger Dienstzeit beim Ruhegehaltssatz berücksichtigt worden sei, da nach der Geburt des Kindes bzw. der Mutterschutzfrist keine Beurlaubung oder Teilzeitbeschäftigung in Anspruch genommen worden sei, die Zeit mithin bereits als vollbeschäftigte Beamtenzeit berücksichtigt worden sei.
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Mit Beschluss vom 18. Januar 2023 ist der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogene Behördenakte sowie die Gerichtsakte.

Entscheidungsgründe

16
Die zulässige Klage, über die aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist unbegründet.
17
Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung der geltend gemachten Kindererziehungszeiten im Rahmen ihrer Versorgungsbezüge, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
18
1. Gemäß § 69m Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ist § 50a BeamtVG auf schriftlichen oder elektronischen Antrag anzuwenden für am 31. August 2020 vorhandene Ruhestandsbeamte, bei denen eine ruhegehaltsfähige Zeit nach § 85 Abs. 7 in der Fassung bis zum 31. August 2020 berücksichtigt worden ist. Gemäß § 50a Abs. 1 Satz 1 BeamtVG erhöht sich das Ruhegehalt für jeden Monat einer dem Beamten zuzuordnenden Kindererziehungszeit um einen Kindererziehungszuschlag.
19
Gemäß § 85 Abs. 7 Satz 1 in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung richtet sich die Berücksichtigung der Zeit einer Kindererziehung für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind nach § 6 Abs. 1 Satz 4 und 5 in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung.
20
Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 BeamtVG in der Fassung bis zum 31. Dezember 1991 ist die Zeit eines Erziehungsurlaubs bis zu dem Tag ruhegehaltsfähig, an dem das Kind sechs Monate alt wird. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 5 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung gilt Satz 4 entsprechend für die Zeit einer Kindererziehung von der Geburt des Kindes bis zu dem Tag, an dem das Kind sechs Monate alt wird, die in eine Beurlaubung nach § 72a oder nach § 79a des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechenden Landesrechts fällt.
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2. Die Voraussetzungen der genannten Normen liegen im vorliegenden Verfahren nicht vor.
22
Die Klägerin hat unstreitig nach der Geburt des Kindes keinen Erziehungsurlaub, keine Teilzeitbeschäftigung oder eine andere Freistellung vom Dienst erhalten. Die Klägerin war vielmehr in diesem Zeitraum im Dienst, was auch entsprechend in ihrem Versorgungsbescheid zur Geltung gekommen ist.
23
Da es vorliegend um ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind geht, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Sätze 4, 5 BeamtVG a.F. wie eben dargestellt nicht vorliegen, kann die Zeit einer Kindererziehung gemäß § 69m Abs. 3 i.V.m. § 85 Abs. 7 a.F. i.V.m. § 50a BeamtVG nicht berücksichtigt werden.
24
Der ablehnende Bescheid hinsichtlich einer Abänderung des ursprünglichen Versorgungsbescheides ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung hat.
25
Verfassungsrechtliche Bedenken an dieser Regelung bestehen nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.1.2003 – 2 BvL 9/00 – juris Rn. 14; BVerwG, Beschluss vom 13.12.1996 – 2 B 57.96 – juris Rn. 3; BayVGH, Beschluss 11.1.2021 – 3 ZB 20.158 – juris Rn. 5).
26
Nach alldem war die Klage abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.