Inhalt

VG München, Urteil v. 03.05.2023 – M 5 K 19.2556
Titel:

Kein Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit für 50 % belastbare Apothekerin

Normenkette:
Satzung der Bayerischen Apotheker-Versorgung § 30 Abs. 1
Leitsatz:
Eine an einer mittelgradig rezidivierenden depressiven Störung erkrankte Apothekerin ist nicht berufsunfähig iSv § 30 Abs. 1 der Satzung der Bayerischen Apotheker-Versorgung, wenn sie den Beruf als Apothekerin noch zu 50% ausüben konnte. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Apothekerversorgung, Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit, mittelgradige rezidivierende depressive Störung, Berufsunfähigkeit, Ruhegeld, depressive Störung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28666

Tenor

 I.    Die Klage wird abgewiesen.
 II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die 1966 geborene Klägerin war in der Zeit vom ... November 1993 bis … September 2008 Pflichtmitglied bei der Beklagten und begehrt Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit.
2
Die Klägerin hat an Ängsten und Depressionen gelitten. Im Jahr 2011 war sie deshalb längerfristig erkrankt. Seit Juni 2016, als sich die Symptome erheblich verstärkt haben, war die Klägerin krankgeschrieben und hat ihrer Tätigkeit als Apothekerin bis Mitte Juli 2020 nicht ausgeübt.
3
Mit Schreiben vom … November 2017 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie beabsichtige, Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit zu beantragen. Ein förmlicher Antrag wurde am … März 2018 gestellt.
4
Ein Entlassbrief vom 9. August 2017 diagnostiziert bei der Klägerin eine depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode. Die Klägerin befand sich in vollstationärem Aufenthalt (vom …2017 bis …2017) und teilstationärem Aufenthalt (vom …2017 bis …7.2017) in einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
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Mit Ärztlichem Befundbericht vom … Dezember 2017 bescheinigte die behandelnde Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Frau Dr. W. zum Zeitpunkt der Erstvorstellung am … März 2017 eine agitierte rezidivierende mittelgradig bis schwer ausgeprägte Depression. Zum Zeitpunkt einer Wiedervorstellung nach stationärem und teilstationärem Aufenthalt am … September 2017 sei eine depressive Symptomatik anhaltend. Auch am ... November 2017 wurde eine anhaltende depressive Symptomatik attestiert.
6
Frau Dr. W. bescheinigte am … Januar 2018 sowie zuletzt am … Januar 2019, dass bei der Klägerin unverändert eine 100%-ige Berufsunfähigkeit im Beruf der Apothekerin bestehe. Im Befund vom … Januar 2019 führt die behandelnde Ärztin weiter aus, dass zusammenfassend der Zustand unverändert sei und nach wie vor eine relevante agitierte depressive Symptomatik, verbunden mit auch wechselnd ausgeprägten psychosomatischen Beschwerden, bestehe. Die Patientin befinde sich auf einem guten Weg und beginne Probleme zu lösen.
7
Ein Befundbericht vom … Februar 2020 von Frau Dr. W. führt aus, dass sich der psychische Zustand moderat gebessert habe. Zusammenfassend zeige sich eine anhaltend mittelgradige depressive Episode verbunden mit einer Stabilisierung und Besserung. Schwere depressive Phasen seien rückläufig. Die Berufsunfähigkeit sei derzeit bei 80% anzusiedeln.
8
Ein Gutachten, des Dr. Bu. vom ... September 2018, welches für die D. R. erstellt wurde, stellt fest, dass bei der Klägerin seit … März 2018 eine Leistungsminderung von unter 3 Stunden für voraussichtlich nicht unter drei Jahren bestehe.
9
Ein von der Apothekerversorgung für Schleswig-Holstein in Auftrag gegebenes Gutachten attestiert der Klägerin ein Restleistungsvermögen von 50%. Der Gutachter Dr. H. sieht in seinem Gutachten vom … Dezember 2019 eine mittelgradig depressive episodische Störung mit Symptomen eines leichtgradig ausgeprägten somatisch-depressiven Syndroms als gegeben an. Eine Tätigkeit in Teilzeit bei Tätigkeitsmerkmalen wie medizinisch-pharmazeutische Beratung, Arzneimittelkommissionsarbeit sowie Management bei der Arzneimittelherstellung und Logistik sei zumutbar.
10
Die Beklagte lehnte die Gewährung eines Ruhegeldes bei Berufsunfähigkeit mit Bescheid vom … März 2019 ab, da eine vollständige Berufsunfähigkeit bei der Klägerin nicht gegeben sei. § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung setze voraus, dass eine vollständige Berufsunfähigkeit vorliegen müsse. Nach § 30 Abs. 2 der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung habe das Mitglied die Berufsunfähigkeit durch ärztliche Atteste, Befunde, Gutachten und ähnliche Unterlagen nachzuweisen. Ein solcher Nachweis sei nicht erfolgt, vielmehr würde sich aus dem Gutachten des Dr. H. vom … Dezember 2019 ergeben, dass keine vollständige Berufsunfähigkeit vorliege. Das Gutachten sei überzeugend, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Die eingereichten Gutachten und Stellungnahmen, die zum Nachweis der verminderten Erwerbsfähigkeit für die Rentenversicherung erstellt wurden, würden nichts Anderes bedingen, da der Begriff der Berufsunfähigkeit nach der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung und die Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch VI unterschiedlich seien und eine Übertragung der Begriffe ausscheide. Auch eine länger bestehende Arbeitsunfähigkeit begründe nicht die Berufsunfähigkeit, da für diese eine Prognose maßgeblich sei, welche den vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gerade nicht zukomme.
11
Am 18. April 2019 hat die Klägerin Klage erhoben und zuletzt beantragt,
12
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom … März 2019 verpflichtet, der Klägerin rückwirkend ab Antragstellung vom ... November 2017 bis … Juni 2020 ein monatliches Ruhegeld in Höhe von 1.012,85 EUR wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.
13
Das seitens der Beklagten herangezogene Gutachten vom … Dezember 2018 sei nicht haltbar, da es den anderen ärztlichen Beurteilungen und Befunden wiederspreche.
14
Die Beklagte hat beantragt,
15
die Klage abzuweisen.
16
Der Gutachter Dr. H sei zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin eine vollständige Berufsunfähigkeit im Sinne der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung nicht gegeben sei.
17
Mit Schriftsatz vom … Juli 2019 hat die Klagepartei ein fachpsychiatrisches Obergutachten für die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein vom … Mai 2019 vorgelegt, welches eine vollumfängliche Berufsunfähigkeit annimmt, da die Klägerin voraussichtlich die nächsten zwei Jahre außerstande sei, ihren Beruf auszuüben. Die Apothekerversorgung für Schleswig-Holstein habe der Klägerin mit Bescheid vom … Juni 2019 eine Berufsunfähigkeitsente befristet bis … Mai 2021 gewährt, weshalb auch der hiesigen Klage stattzugeben sei.
18
Mit Schriftsatz vom … August 2019 erwiderte die Beklagte hierauf, dass § 17 der Satzung der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein nicht vollständig identisch zu § 30 der Satzung der Bayerischen Apotheker-Versorgung sei, insbesondere hinsichtlich der Regelungen zur Beibringungs- und Beweislast. Gemäß § 30 Abs. 2 der Satzung der Bayerischen Apothekerversorgung habe das Mitglied die Berufsunfähigkeit durch ärztliche Atteste, Befunde, Gutachten und ähnliche Unterlagen nachzuweisen. Die Bayerische Apothekerversorgung hole, soweit die Nachweise nicht hinreichend erscheinen, ein Gutachten ein. Es obliege daher zunächst dem Mitglied des Versorgungswerks, die Berufsunfähigkeit, die für ihn günstig und seinem höchstpersönlichen Lebensbereich zuzuordnen sei, durch Vorlage eines ärztlichen Gutachtens nachzuweisen. Insofern komme dem Mitglied die Darlegungs- und Beweislast zu. § 17 Abs. 5 der Satzung des Apothekerversorgungswerks Schleswig-Holstein sehe hingegen vor, dass die Berufsunfähigkeit durch zwei voneinander unabhängige ärztliche Gutachter festgestellt werde. Die Antragstellerin und die Apothekerversorgung bestimmten je einen Gutachter. Bei im Ergebnis abweichender Beurteilungen bestelle der Präsident der Apothekerkammer einen Obergutachter, dessen Gutachten für beide Teile bindend sei. Das fachpsychiatrische Obergutachten sei daher für die Bayerische Apothekerversorgung – im Gegensatz zum Apothekerversorgungswerk Schleswig-Holstein – nicht bindend. Bei dem fachpsychiatrischen Obergutachten handele es sich somit für die Bayerische Apothekerversorgung um ein vom Mitglied vorgelegtes ärztliches Gutachten. Dieses müsse substantiierte Aussagen enthalten, welche einzelnen Tätigkeiten des jeweiligen Berufsbilds dem Mitglied infolge der festgestellten Gesundheitsstörungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zugemutet werden können. Nur eine in diesem Sinne qualifizierte Stellungnahme sei geeignet, die Berufsunfähigkeit des Mitglieds nachzuweisen. Das fachpsychiatrische Obergutachten stelle keine qualifizierte Stellungnahme in diesem Sinne dar. Es würden substantiierte Aussagen darüber fehlen, welche der einzelnen Tätigkeiten des Berufsbildes der Apothekerin die Klägerin nicht mehr ausüben könne. Das fachpsychiatrische Obergutachten setzte sich des Weiteren nicht mit dem Sachverständigengutachten des Herrn Dr. H. auseinander und widerlege nicht in nachvollziehbarer Weise die Rückschlüsse und Beurteilungen von Herrn Dr. H., weshalb die Beklagte weiterhin an der Beurteilung von Herrn Dr. H. festhalte.
19
Ab Mitte Juli 2020 hat die Klägerin ihre Tätigkeit als Apothekerin wieder aufgenommen. Dies geschah zunächst mit zehn Wochenstunden, ab Oktober 2020 mit 15 Wochenstunden und ab Januar 2021 mit 20 Wochenstunden.
20
Der Rechtstreit ist mit Beschluss vom 6. Mai 2019 des Schleswig-Holsteinischen Veraltungsgerichtes an das Verwaltungsgericht München verwiesen worden.
21
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des sachverständigen Zeugen Prof. Dr. H. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2023 Bezug genommen.
22
Wegen weiterer Einzelheiten insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
24
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit für den Zeitraum vom … November 2017 bis … Juni 2020 (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
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1. Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Ruhegeld wegen Berufsunfähigkeit ist § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung vom 11. Dezember 1996 (Bayer. Staatsanzeiger 1996 Nr. 51/52 S. 4), in der hier maßgeblichen Fassung der Änderungssatzung, zuletzt geändert durch Satzung vom 17. November 2020 (Bayer. Staatsanzeiger 2020 Nr. 49 S. 1) – (im Folgenden: Satzung).
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Nach dieser Vorschrift hat ein Mitglied der Beklagten Anspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit, wenn es vor dem Zeitpunkt, zu dem es erstmals vorgezogenes Altersruhegeld beziehen kann, berufsunfähig geworden ist, einen Antrag auf Ruhegeld gestellt hat und die berufliche Tätigkeit eingestellt worden ist (Eintritt des Versorgungsfalls); der Anspruch besteht dabei ab dem 1. des Monats, der auf den Eintritt des Versorgungsfalls folgt. Von einer Berufsunfähigkeit des Mitglieds ist gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung auszugehen, wenn das Mitglied infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit im Apothekerberuf auszuüben.
27
Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt dabei nicht erst dann vor, wenn das Mitglied außerstande ist, jegliche Tätigkeit, zu deren Ausübung seine berufliche Vorbildung ganz oder teilweise Voraussetzung ist, fortzuführen, sondern es genügt, wenn das Mitglied nicht mehr in der Lage ist, in nennenswertem Umfang seinem Beruf nachzugehen. Denn ein wesentliches Merkmal jeder beruflichen Tätigkeit ist, dass sie dem Grunde nach geeignet sein muss, eine entsprechende materielle Lebensgrundlage zu schaffen oder zu erhalten. Folglich liegt Berufsunfähigkeit auch dann vor, wenn die Möglichkeiten einer Berufsausübung krankheitsbedingt so stark eingeschränkt sind, dass ihr eine existenzsichernde Funktion – womit nicht die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards gemeint ist – nicht mehr zukommen kann, auch wenn die Verrichtung einzelner zum Berufsbild der Apothekerin gehörender Tätigkeiten noch möglich ist (BayVGH, B.v. 7.4.2006 – 9 ZB 05.2587 – juris Rn. 16 m.w.N.).
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Berufsunfähigkeit ist dabei in einem umfassenden Sinn zu verstehen. Maßgeblich ist daher nicht, ob die Klägerin der konkret in den letzten Jahren ausgeübten Tätigkeit weiterhin nachgehen kann, sondern ob es ihr möglich ist, eine existenzsichernde Tätigkeit auszuüben, die sich im Rahmen des durch die Ausbildung vorgezeichneten Berufsfeldes einer Apothekerin hält (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.5.2006 – W 7 K 05.559 – juris Rn. 19). Darauf, ob das Mitglied sich auf dem Arbeitsmarkt gegenüber anderen Bewerbern auf entsprechende Arbeitsstellen durchsetzen kann, kommt es für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit hingegen nicht an. Denn die Satzung des beklagten Versorgungswerks deckt nur das Risiko ab, aus gesundheitlichen Gründen aus der Tätigkeit als Apothekerin kein hinreichendes Einkommen zu haben. Nicht erfasst ist das Risiko, auf dem vorhandenen Arbeitsmarkt nicht zum Zuge zu kommen (BayVGH, B.v. 11.7.2011 – 21 ZB 11.721 – juris Rn. 5; VG Regensburg, U.v. 5.7.2012 – RN 5 K 11.1139 – juris Rn. 36).
29
Gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 der Satzung obliegt es dem Mitglied, die Berufsunfähigkeit durch ärztliche Atteste, Befunde, Gutachten und ähnliche Unterlagen (Daten über Gesundheit im Sinn des Bayerischen Datenschutzgesetzes) nachzuweisen. Die Beklagte kann an die ausstellenden Ärzte Nachfragen richten und auf ihre Kosten Gutachten einholen, soweit die Nachweise nicht hinreichend erscheinen (§ 30 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Satzung).
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2. Gemessen an diesen Vorgaben ist nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass die Klägerin, die für das Vorliegen der Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit die materielle Beweislast trägt, krankheitsbedingt außerstande war, im streitgegenständlichen Zeitraum eine Erwerbstätigkeit als Apothekerin auszuüben und damit berufsunfähig im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung war. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass die Klägerin psychisch hinreichend belastbar war, um zumindest eine existenzsichernde Tätigkeit im Berufsfeld einer Apothekerin auszuüben. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund des fachärztlichen Gutachtens, auf welches sich die Beklagte stützt, sowie den ausführlichen Erläuterungen des sachverständigen Zeugen Dr. H. hierzu in der mündlichen Verhandlung.
31
a) Der sachverständige Zeuge Dr. H. kommt in seinem Gutachten vom … Dezember 2018 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin den Beruf als Apothekerin noch zu 50% ausüben könne. Bei der Klägerin bestehe demnach eine rezidivierende mittelgradig depressive episodische Störung mit Symptomen eines leichtgradig ausgeprägten somatisch-depressiven Syndroms.
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aa) Der Gutachter führt aus, dass eine mäßiggradige Antriebsstörung sowie ein Teilverlust an Freude und Interesse an früher angenehmen Tätigkeiten Teilsymptome einer depressiven Kernsymptomatik mit depressiver Verstimmung seien. Des weiteren lägen auch Symptome eines somatisch-depressiven Syndroms (leichtgradig ausgeprägt) und eines kognitiv-dysfunktionalen Syndroms im Sinne eines herabgesetzten Selbstwertempfindens bzw. die Klage über vermindertes Denk- und Konzentrationsvermögen, Unschlüssigkeit und Unentschlossenheit vor. Zusammenfassend sei von einer rezidivierend-depressiven Störung gemäß ICD-10-Schlüssel auszugehen.
33
Auch unter Anwendung der 13 Dimensionen des Mini-ICF-APP (Aktivitäten und Partizipation im Kontext psychischer Störungen) ist der Gutachter zu folgender Einschätzung gelangt:
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„Leichte Beeinträchtigung (Fähigkeitsdimensionen):
35
1. Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen
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4. Kompetenz und Wissenanwendung
37
5. Entscheidungs- und Urteilsfähigkeit
38
11. Fähigkeit zu engen dyadischen Beziehungen
39
12. Fähigkeit zur Selbstpflege und Selbstversorgung
40
13. Mobilität und Verkehrsfähigkeit
41
Mittelgradige Beeinträchtigungen (Fähigkeitsdimensionen):
42
2. Fähigkeit zur Planung und Strukturierung von Aufgaben
43
3. Flexibilität und Umstellungsfähigkeit
44
8. Selbstbehauptungsfähigkeit
45
9. Konversation und Kontaktfähigkeit zu Dritten
46
10. Gruppenfähigkeit
47
Schwere Beeinträchtigungen (Fähigkeitsdimensionen):
48
7. Widerstands- und Durchhaltefähigkeit
49
6. Produktivität und Spontanaktivitäten“
50
Im Beruf als Apothekerin ergaben sich daher folgende Leistungsminderungen:
51
„1. Aufbau und Leitung Abteilung für Arzneimittelinformation und Pharmakovigilanz: 40-50%
52
2. Stellvertreter in der Apothekenleitung: 40-50%
53
3. Mitarbeiter in der Abteilung für Arzneimittellogistik: 40%
54
4. Teilnahme an der Rufbereitschaft der Apotheke: 40%“
55
Aus gutachterlicher Sicht wäre etwa eine Tätigkeit in Teilzeit (halbtags, zum Beispiel in einer Klinikapotheke) bei Tätigkeitsmerkmalen wie medizinisch-pharmazeutischer Beratung, Arzneimittelkommissionsarbeit sowie Management bei der Arzneimittelherstellung und Logistik zumutbar.
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Leistungsminderungen würden vermutlich im Arbeitstempo und der Auseinandersetzung mit Vorgesetzten, Kunden und Auftraggebern bestehen. Insbesondere hinsichtlich der Konfliktfähigkeit würden sich wohl erhebliche Einschränkungen ergeben. Die Klägerin sei jedoch zur Ausübung des Berufs in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit noch in der Lage, jedoch nicht mehr im bisherigen zeitlichen Umfang.
57
bb) In der mündlichen Verhandlung hat der sachverständige Zeuge Dr. H. nochmals ausführlich zu seinem Gutachten Stellung genommen und erläutert, dass nach seiner Bewertung eine mittelgradige rezidivierende depressive Störung bei der Klägerin zum Zeitpunkt der Untersuchung im Juni 2018 vorgelegen habe. Zur Unterscheidung zwischen einer schweren rezidivierenden depressiven Störung und einer mittelgradigen – welche anhand der ICD-10 vorgenommen werde – komme es auf drei Kernsymptome und verschiedene Zusatzsymptome an. Um eine schwere depressive Störung zu diagnostizieren, müssten drei Kernsymptome sowie mindestens 8 oder mehr Zusatzsymptome erfüllt sein. Für eine mittelgradige depressive Störung müssten zwei Kernsymptome sowie 6 oder 7 Zusatzsymptome erfüllt sein. Bei der Klägerin habe er nur zwei Kernsymptome sowie 6 bis 7 Zusatzsymptome als erfüllt angesehen. Eine mittelgradige rezidivierende depressive Störung rechtfertige in der Regel eine Berufsunfähigkeit von etwa 50%. Im Einzelfall könne der Prozentsatz etwas darüber oder darunter liegen. Bei der Klägerin seien jedoch keine Anhaltspunkte erkennbar gewesen, die ein Abweichen von 50% rechtfertigen würden.
58
Weiter führt der sachverständige Zeuge Dr. H aus, dass er die Unterscheidung zwischen einem rezidivierenden mittelgradigen Syndrom und einem schweren Syndrom nicht nur anhand der ICD-10 versucht habe zu operationalisieren, sondern auch anhand der Fähigkeitsdimensionen der ICF. Die verschiedenen Einzelfähigkeiten seien mit einer leichten, manche mit einer mittelgradigen und zwei mit einer schweren Beeinträchtigung als gegeben angesehen worden. Wichtig für die Tätigkeit der Klägerin sei die schwere Beeinträchtigung der Widerstands- und Durchhaltefähigkeit. Daher sei er auch zu einem gewissen Grad zur Einschränkung der Berufsfähigkeit der Klägerin gekommen. Entscheidend für die zeitliche Einschränkung der Durchhaltefähigkeit und letztlich der Stresstoleranz sei die schwere Beeinträchtigung dieses Einzelmerkmals, welches zwar beeinträchtigt sei, aber in der Gesamtbetrachtung nicht so stark, dass eine völlige Berufsunfähigkeit gerechtfertigt wäre.
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Der sachverständige Zeuge Dr. H. führte weiter aus, dass er zwar nicht ausschließen könne, dass sich nach seiner Untersuchung der Klägerin im Juni 2018 die Erkrankung verschlimmert habe, oder Schwankung unterlegen habe. Die Berichte von Dr. W. sprächen aber gegen eine Verschlechterung. Im Bericht vom … Januar 2019 werde zwar von einer Berufsunfähigkeit von 100% gesprochen, da eine nach wie vor relevante agitierte depressive Symptomatik vorliege, verbunden auch mit wechselnd ausgeprägten psychosomatischen Beschwerden. Bereits im Februar 2020 wird im Bericht vom … Februar 2020 jedoch davon gesprochen, dass sich eine anhaltende mittelgradige depressive Episode zeige, die sich aber auf einem noch deutlich eingeschränkten Funktionsniveau stabilisiert und gebessert habe. Die Berufsunfähigkeit sei damals bei 80% anzusiedeln gewesen. Auch die Tatsache, dass die Klägerin im Juli 2020 mit zehn Stunden wöchentlich und seit Beginn des Jahres 2021 mit 20 Wochenstunden ihre Tätigkeit in einer Apotheke aufgenommen habe, stütze seine Einschätzung aus dem Jahr 2018. Auch aus der Formulierung, dass sich die Patientin auf einem guten Weg befinde und beginne Probleme zu lösen (Befund vom …1.2019 von Frau Dr. W.), lasse sich ableiten, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin nicht verschlechtert habe. Weiter ergäben sich aus dem Obergutachten von Dr. Be. keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt. Die dort wiedergegebenen Symptome seien höher kategorisiert worden als es er es in seinem Gutachten getan habe.
60
Das Gutachten von Dr. Be. vom … Mai 2019 sei aus Sicht des sachverständigen Zeugen sehr unpräzise, da nicht klar unterschieden werde, ab wann eine mittelgradige und ab wann eine schwere depressive Episode vorliege. Zudem entspreche es der Praxis sich festzulegen, ob eine mittelgradige, oder eine schwere Episode vorliege. Es sei auch widersprüchlich wenn ein Kernsymptom „Konzentration“ als lediglich leicht beeinträchtigt beurteilt werde, denn das müsse bei einer schweren Episode als schwer beeinträchtigt wiedergegeben werden. Auch die Formulierung „Verdacht auf masochistische Tendenzen, bei Neigung zum autodestruktiven Verhalten“ sowie, dass sich „die Probandin in einem ständigen Kampf um Anerkennung und Selbstbehauptung“ befinde, hätten bei der Wiedergabe eines psychopathologischen Befundes eigentlich nichts zu suchen, da dies nicht in das System zur Diagnostizierung einer mittelgradigen oder schweren depressiven Störung gehöre. Auch die Definition der Unterscheidung zwischen einer mittelgradigen und einer schweren depressiven Episode im Gutachten von Prof. Dr. Be. auf Seite 14 stehe nicht im Einklang mit der wissenschaftlichen Fachliteratur zur Begutachtung einer Depression. Es sei zudem unklar, anhand welcher Kriterien die Einstufung einer mittel- bis schwergradigen depressiven Episode erfolgt sei.
61
Auch das Gutachten von Dr. Bu. vom ... September 2018, welches im Auftrag der D. R.erstellt wurde, entspreche im Ergebnis nach Einschätzung des sachverständigen Zeugen nicht der Realität. Das Gutachten enthalte zum einen keine richtige Begründung, da lediglich die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode wiederholt werde. Im Übrigen gelte auch betreffend das Gutachten von Dr. Bu., dass sich aus der Wiederaufnahme der Tätigkeit sowie den Befunden der Frau Dr. W ergebe, dass eine Verschlechterung in der Folge nicht erfolgt sei, sodass die Einschätzung des Dr. Bu. wahrscheinlich unzutreffend sei.
62
b) Das Gericht folgt den in sich schlüssigen und nachvollziehbar begründeten Folgerungen des sachverständigen Zeugen Dr. H, wonach die Klägerin den Beruf als Apothekerin noch zu 50% ausüben konnte und bei der Klägerin eine mittelgradig rezidivierende depressive Störung bestand.
63
Das Gutachten überzeugt nach Methodik und Durchführung der Erhebungen. Der sachverständige Zeuge Dr. H. hat die beigezogenen Akten umfassend ausgewertet und im Rahmen der Begutachtung die Beschwerden der Klägerin eruiert. Aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin hat er des Weiteren einen umfassenden Untersuchungsbefund erstellt. Seine Folgerungen beruhen sowohl auf eigenen medizinischen Erkenntnissen als auch auf Befunden, die in nachprüfbarer Weise in dem Gutachten selbst angegeben sind. In der mündlichen Verhandlung hat der sachverständige Zeuge Dr. H. die von ihm erhobenen Befunde ausführlich dargelegt und seine Schlussfolgerungen überzeugend erläutert. An der Sachkunde oder Unparteilichkeit des sachverständigen Zeugen Dr. H. bestehen für die Kammer keine Zweifel.
64
Das Gutachten vom … Dezember 2018 geht weder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus noch weist es offen erkennbare Mängel auf. Der sachverständige Zeuge hat nachvollziehbar begründet, dass die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung die Tätigkeit als Apothekerin zwar einschränke, insbesondere im Hinblick auf Widerstands- und Durchhaltefähigkeit, ihr bei Reduzierung des zeitlichen Umfangs um 50% jedoch grundsätzlich eine Tätigkeit im Arbeitsfeld der Apothekerin z.B. in einer Klinikapotheke noch möglich sei. Bestehenden Einschränkungen könne nachvollziehbar durch die Reduzierung der Arbeitszeit Rechnung getragen werden.
65
c) Die Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. H. werden auch nicht durch privatärztliche Befunde bzw. Atteste der Frau Dr. W., durch das Obergutachten des Herrn Dr. Be. oder durch das Gutachten des Dr. Bu. durchgreifend in Frage gestellt. Sämtliche vorgelegten medizinischen Unterlagen lagen dem sachverständigen Zeugen Dr. H bei seiner psychiatrischen Stellungnahme bzw. zum Zeitpunkt seiner Einvernahme als sachverständiger Zeuge vor und wurden von diesem berücksichtigt und erläutert.
66
aa) Bezogen auf den Zeitpunkt der Untersuchung der Klägerin durch den sachverständigen Zeugen am … Juni 2018 sowie den Zeitraum nach der Untersuchung bis zum … Juni 2020 sprechen weder die Berichte der Dr. W. noch das Obergutachten des Dr. Be. für eine Verschlechterung des Krankheitsbildes, oder die Annahme, dass eine Berufsunfähigkeit von 100% vorgelegen haben könnte.
67
(1) Im Bericht der Dr. W vom … Januar 2019 wird zwar von einer Berufsunfähigkeit von 100% gesprochen, da eine nach wie vor relevante agitierte depressive Symptomatik vorliege, verbunden auch mit wechselnd ausgeprägten psychosomatischen Beschwerden. Weiter führt der Bericht aus, dass der Zustand der Patientin weitgehend unverändert sei, die Patientin sich aber auf einem guten Weg befinde, dass sie beginne Probleme zu lösen und eine Arbeitsfähigkeit mittelfristig wieder möglich erscheine.
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Wenn auch sehr verhalten, ergeben sich für das Gericht aus diesem Bericht schon Anzeichen dafür, dass sich der gesundheitliche Zustand der Klägerin zum Untersuchungszeitpunkt … Januar 2019 zumindest nicht verschlechtert, sie sich sogar eher auf dem Weg einer Besserung befunden hat.
69
Dies bestätigt sich im Bericht der Dr. W. vom … Februar 2020 (Untersuchungszeitpunkt …2020). Zusammenfasend zeige sich eine anhaltende mittelgradige depressive Episode, die sich aber auf einem noch deutlich eingeschränkten Funktionsniveau stabilisiert und gebessert habe. Schwere depressive Phasen seien rückläufig. Die Berufsunfähigkeit sei bei 80% anzusiedeln. Auch die Tatsache, dass die Klägerin im Juli 2020 mit zehn Stunden wöchentlich und seit Beginn des Jahres 2021 mit 20 Wochenstunden ihre Tätigkeit in einer Apotheke aufgenommen habe, stützt zur Überzeugung des Gerichts, die Einschätzung des sachverständigen Zeugen aus dem Jahr 2018.
70
(2) Auch das Gutachten Dr. Be. vom … Mai 2019, welches im Auftrag der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein als Obergutachten erstellt wurde, vermag das Gericht nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin eine 100%ige Berufsunfähigkeit vorgelegen hat.
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Zum einen ergibt sich aus dem Gutachten nicht, ob die Klägerin an einer mittelgradig oder schweren depressiven Episode leidet. Der Gutachter stellt zusammenfassend fest, dass eine mittelgradig bis schweres depressives Snyndrom vorliege, ohne sich – wie es laut Aussage des sachverständigen Zeugen üblich ist – festzulegen.
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Zum anderen sind die Kriterien und der Maßstab, anhand welcher die Einstufung einer mittel- bis schwergradigen depressiven Episode erfolgt ist, unrichtig, sodass die getroffene Diagnose und Schlussfolgerung, dass eine Berufsunfähigkeit von 100% vorliegt, das Gericht nicht zu überzeugen vermag. Im Gutachten Dr. Be. wird auf Seite 14 ausgeführt, dass laut ICD-10 für die Diagnose einer depressiven Episode zwei Hauptsymptome sowie mindestens zwei Nebensymptome vorliegen müssen. Ab zwei Nebensymptomen liege eine leichte, ab drei eine mittelgradige und ab vier eine schwere depressive Episode vor. Die ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen jedoch sieht als diagnostische Kriterien für eine mittelgradig depressive Episode (F32.1) vor, dass u.a. mindestens zwei der drei Symptome von F32.0 B (Hauptsymptome) vorliegen müssen und zusätzlich Symptome vom F32.0. C (Nebensymptome), sodass die Gesamtzahl mindestens sechs oder auch sieben Symptome beträgt. Eine schwere depressive Episode (F32.2) liegt vor, wenn u.a. alle drei Symptome von F32.0 B (Hauptsymptome) vorliegen und zusätzlich Symptome vom F32.0. C (Nebensymptome), sodass die Gesamtzahl mindestens acht Symptome beträgt. Für die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung (F33) wird für die Unterscheidung zwischen einer mittelgradigen und schweren Episode auf die oben dargestellte Unterscheidung F32 verwiesen (Horst Dilling, Harald Freyberger, Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, 7. Auflage 2014). Der im Gutachten Dr. Be. wiedergegebene Maßstab, insbesondere, dass auch bei Vorliegen von zwei Hauptsymptomen eine schwere Episode vorliegen könne und sich der Schweregrad anhand der Anzahl der Nebensymptomen ergibt, entspricht somit nicht den ICD-10 Kriterien.
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bb) Bezogen auf den Zeitraum ab … November 2017 bis zu der Untersuchung der Klägerin durch den sachverständigen Zeugen am … Juni 2018, sprechen weder die Berichte der Dr. W. noch das Gutachten des Dr. Bu. vom … September 2018, welches im Auftrag der D. R.erstellt wurde, für die Annahme, dass in diesem Zeitraum eine Berufsunfähigkeit von 100% vorgelegen hat. Das Gericht ist davon überzeugt, dass trotz Schwankungen im Krankheitsverlauf der Klägerin sowie der Schwere der Erkrankung keine Berufsunfähigkeit von 100% vorgelegen hat.
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(1) Das Gericht geht davon aus, dass der Krankheitsverlauf der Klägerin sowie die Schwere der Erkrankung Schwankungen unterlegen war. Auch der sachverständige Zeuge räumt ein, dass er den Schweregrad der depressiven Episode im Zeitraum vor seiner Untersuchung nicht mit absoluter Sicherheit bestimmen könne. Der sachverständige Zeuge führt aber schlüssig und für das Gericht nachvollziehbar aus, dass er auch und unter Vorhalt der Befunde von Frau Dr. W. bei seiner Auffassung bleibe, dass die Klägerin zu 50% berufsfähig gewesen sei, da seine Kriterien zur Bewertung des Schweregrads der Erkrankung wie auch der Berufsfähigkeit operationalisiert seien, d.h. dass die einzelnen Symptome im Ausmaß und Stärke beschrieben und letztlich bewertet (skaliert) würden. Das Gericht sieht, wie auch der sachverständige Zeuge, keinen Widerspruch dahingehend, dass in einem Entlassbericht einer psychiatrischen Klinik vom … August 2017 von einer depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode, die Rede ist, da es – soweit der sachverständige Zeuge sich erinnern könne – damals einige Vorkommnisse im Leben der Klägerin gegeben habe, die eine entsprechende Verschlechterung erklären könnten.
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Die Diagnose der depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode zum Zeitpunkt des vollstationären Aufenthalts (vom …2017 bis …2017) und teilstationären Aufenthalts (vom …2017 bis …2017) im Entlassbrief vom … August 2017 erfolgte mehr als drei Monate vor Beginn des streitgegenständlichen Zeitraums am ... November 2017, sodass ein Rückschluss darauf, dass die schwere Epsisode auch im November 2017 noch vorgelegen hat, nicht zu ziehen ist. Insbesondere, da im Entlassbrief vom … August 2017 zwar ausgeführt wird, dass die Symptome vor der Entlassung zwar deutlich zugenommen haben, sich die depressive Symptomatik aber sehr langsam und kleinschichtig rückläufig darstelle und die Klägerin in leicht gebessertem psychischem Zustand entlassen werde.
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(2) Auch das Gutachten von Dr. Bu. vom ... September 2018, welches im Auftrag der D. R.erstellt wurde, überzeugt das Gericht nicht davon, dass bei der Klägerin eine vollständige Berufsunfähigkeit vorgelegen haben könnte. Das Gutachten wiederholt lediglich die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode und enthält keine fachlich überzeugende Begründung, wie der Gutachter zu dieser Diagnose gekommen ist. Auch hat der sachverständigen Zeugen Dr. H schlüssig und nachvollziehbar geschildert, dass bei einer mittelgradigen depressiven Episode in der Regel von einer Restleistung von 50% auszugehen sei. Das Gutachten von Dr. Bu. steht hierzu in Widerspruch, da es ohne weitere Begründung oder Eingehen auf den Einzelfall bereits bei einer mittelgradigen depressiven Episode von einer 100%igen Berufsunfähigkeit ausgeht.
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3. Die Klägerin trägt als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).