Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.05.2023 – M 5 E 23.786
Titel:

Konkurrentenstreitverfahren um die Stelle einer Vorsitzenden Richterin am Landessozialgericht

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 7 analog, § 123
BayVwVfG Art. 48
GG Art. 33 Abs. 2
BayRiStAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Art. 46 Abs. 2
LlBG Art. 56 Abs. 4 S. 1
Leitsätze:
1. Wenn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einigen Entscheidungen ausdrücklich angegeben hat, dass der Dienstherr nach einem für die Antragstellerpartei erfolgreichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Stellenbesetzungsverfahren eine neue Auswahlentscheidung zu treffen habe, in einem anderen Beschluss jedoch einen solchen Hinweis nicht angebracht hat, so muss der Dienstherr entscheiden, ob er das Besetzungsverfahren abbricht oder eine neue Auswahlentscheidung vornimmt. Das folgt aus dem Umstand, dass über Bewerbungen für eine vom Dienstherrn zu besetzende Stelle nur unter Leistungsgesichtspunkten zu befinden ist. Die Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens hinsichtlich der ersten, beanstandeten Auswahlentscheidung ändert daran nichts. Diese Rechtsschutzverfahren, die ein Verpflichtungsbegehren zum Gegenstand haben, haben die Aufhebung der ersten und die Vornahme einer neuen Auswahlentscheidung zum Gegenstand. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die unterschiedliche Länge von Beurteilungszeiträumen schließt die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen nicht aus, solange auf der Grundlage dieser Beurteilungen ein Qualifikationsvergleich nach dem Bestenauslesegrundsatz ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers möglich bleibt. Die Frage, welche Länge der gemeinsame Beurteilungszeitraum der Konkurrenten haben muss, um einen Qualifikationsvergleich nach dem Grundsatz der Bestenauslese ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers zu ermöglichen, ist unter Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Der "Überlappungszeitraum" der zum Leistungsvergleich herangezogenen Beurteilungen von nahezu 18 Monaten lässt einen Qualifikationsvergleich zu, ohne dass eine der Bewerberinnen benachteiligt wird. (Rn. 40 und 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wenn sich der Präsidialrat nicht in der Lage sieht, eine höhere fachliche und persönliche Eignung eine der Konkurrentinnen festzustellen, so hat er beide Bewerberinnen für grundsätzlich gleich geeignet bewertet. (Rn. 54 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Stellenbesetzung, Vorsitzender Richter, Landessozialgericht, Anlassbeurteilung, Binnendifferenzierung, Beurteilungsspielraum, Abänderungsantrag, Tenorierung, Vorsitzende Richterin, R 3, neue Auswahlentscheidung, Abbruch, Besetzungsverfahren, Rücknahme, Beurteilung, Konkurrentenstreitverfahren
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.10.2023 – 3 CE 23.1070
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28665

Tenor

I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) wird in Nr. I in der Weise geändert, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wird.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 27.410,83 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsgegner schrieb am … Februar 2022 eine Stelle für eine Vorsitzende Richterin / einen Vorsitzenden Richter am Bayerischen L. aus, bewertet mit der Besoldungsgruppe R 3. Auf diese Stellen bewarben sich die Antragstellerin und die Beigeladene.
2
Die 1963 geborene Antragstellerin ist – nach verschiedenen Tätigkeiten in der Verwaltung – seit … Juli 2007 Richterin auf Lebenszeit und war zunächst Richterin am Sozialgericht X. Seit … August 2020 ist sie Richterin am Bayerischen L., seit … Juni 2011 stellvertretende Vorsitzende eines Senats. Für den Zeitraum vom … Januar 2016 bis … Dezember 2019 erhielt sie eine periodische dienstliche Beurteilung im Amt R 2 mit einem Gesamtprädikat von 15 Punkten. Als Verwendungseignung ist genannt: „Vorsitzende eines Senats“, „leitende Aufgaben in der Gerichtsverwaltung“.
3
Die mit einem Grad von 50 schwerbehinderte, im Jahr 1959 geborene Beigeladene war – ebenfalls nach verschiedenen Tätigkeiten in der Verwaltung, davon fünf Monate als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bundesarbeitsgericht (…3.1989 bis …8.1989) und Erziehungsurlaub bzw. sonstiger Beurlaubung (…11.1989 bis …4.1991) – seit … Mai 1991 Richterin auf Probe, seit …September 1992 Richterin auf Lebenszeit und war als Richterin am Sozialgericht Y. tätig. Nach einem Erziehungsurlaub (…10.1995 bis …8.1997) war sie bis … Mai 1999 mit der Hälfte der Arbeitszeit und bis … August 2000 mit 75% der Arbeitszeit teilzeitbeschäftigt. Am … März 2006 wurde sie zur Richterin am Landessozialgericht ernannt (R 2). Nachdem sie an das Sozialgericht Y. seit … Dezember 2011 zur Überbrückung eines Personalengpasses abgeordnet war, wurde ihr an diesem Gericht mit Wirkung vom … Februar 2012 das Amt einer weiteren aufsichtführenden Richterin am Sozialgericht Y. (R 2) übertragen. Seit … November 2019 wechselte sie wieder an das Landessozialgericht. In der Anlassbeurteilung vom … März 2022, die aufgrund der Bewerbung um die streitgegenständliche Stelle erstellt wurde und den Beurteilungszeitraum vom … Juli 2018 bis … März 2022 umfasst, erzielte sie ein Gesamtprädikat von 15 Punkten mit der Verwendungseignung „Vorsitzende Richterin am Bayerischen L.; Tätigkeiten in der Gerichtsleitung“. Zuvor erhielt die Richterin eine aktualisierte periodische Beurteilung vom … Juli 2018 für den Beurteilungszeitraum … Januar 2012 bis … Juli 2018 durch die Präsidentin des Sozialgerichts Y.; diese Beurteilung im Statusamt R 2 lautet im Gesamtprädikat auf 14 Punkte.
4
Nachdem der Präsidialrat für die Sozialgerichtsbarkeit wie auch die Gleichstellungsbeauftragte für die beabsichtigte Besetzung der Stelle mit der Beigeladenen ihr Einverständnis erklärt hatten, teilte das Bayerische Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales der Antragstellerin am … Mai 2022 diese Personalentscheidung mit. Hiergegen erhob die nicht berücksichtigte Bewerberin Widerspruch, über den – soweit ersichtlich – bislang nicht entschieden ist.
5
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag der Antragstellerin mit dem Ziel, dem Antragsgegner aufzugeben, die Besetzung der streitgegenständlichen Stelle mit der Beigeladenen zu unterlassen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin rechtskräftig entschieden worden sei, mit Beschluss vom 2. August 2022 ab (M 5 E 22.2810).
6
Auf Beschwerde der Antragstellerin änderte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) den Beschluss des Verwaltungsgerichts ab und untersagte dem Antragsgegner die Besetzung der streitgegenständlichen Stelle mit der Beigeladenen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin rechtskräftig entschieden wurde.
7
Mit Schreiben vom … Dezember 2022 nahm der Präsident des Bayerischen Landessozialgerichts die Anlassbeurteilung vom … März 2022 in analoger Anwendung von Art. 48 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) zurück. Nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) sei diese rechtswidrig, da ihr ein Beurteilungszeitraum von weniger als vier Jahren zugrunde liege. Für die Beigeladene wurde eine neue Anlassbeurteilung vom … Dezember 2022 für den Beurteilungszeitraum vom … Juli 2018 bis … Dezember 2022 mit dem Gesamturteil 15 Punkte erstellt.
8
Der Präsident des Bayerischen Landessozialgerichts schlug in einem Schreiben vom … Januar 2023 an das Staatsministerium vor, die Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen.
9
Das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales teilte dem Präsidialrat für die Sozialgerichtsbarkeit mit Schreiben vom … Januar 2023 mit, dass beabsichtigt sei, die ausgeschriebene Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen. Da die Beigeladene nicht mehr einer periodischen Beurteilung unterliege, sei diese ohne einen ausreichenden Grund und damit rechtswidrige Anlassbeurteilung vom … März 2022 analog Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zurückgenommen worden. Die aktualisierte periodische Beurteilung vom … Juli 2018 dürfe nicht für die Entscheidung herangezogen werden, da diese älter als der geltende Regelbeurteilungszeitraum sei. Es sei daher eine neue Anlassbeurteilung zu erstellen gewesen. In dieser Anlassbeurteilung vom … Dezember 2022, die den Beurteilungszeitraum vom … Juli 2018 bis … Dezember 2022 umfasse, habe die Beigeladene ein Gesamtprädikat von 15 Punkten erreicht. Für die Antragstellerin liege mit der periodischen Beurteilung 2020 eine aktuelle und inhaltlich aussagekräftige Leistungsbewertung vor. Nachdem die Antragstellerin wie die Beigeladene nach dem Gesamtergebnis der dienstlichen Beurteilungen als gleich zu bewerten seien, sei ein Vergleich anhand der auf den zu besetzenden Dienstposten bezogenen Anforderungen vorzunehmen. Das allgemeine Anforderungsprofil einer Vorsitzenden Richterin / eines Vorsitzenden Richters sei aus den Merkmalen „allgemeine Rechtskenntnisse“, „Führungsqualitäten“ und „Verhandlungsgeschick“ zu bilden. Ein spezielles Anforderungsprofil für die Stelle als Senatsvorsitzende/r am Landessozialgericht bestehe nicht. Weitere Anforderungen seien nicht erforderlich, noch seien sonstige erwünschte Merkmale in der Stellenausschreibung genannt. Bei den „allgemeinen Rechtskenntnissen“ bestehe ein Vorsprung für die Beigeladene. Das gelte auch für die „Führungsqualitäten“, da die Beigeladene als weitere aufsichtführende Richterin am Sozialgericht ein umfassendes Führungspotential unter Beweis gestellt habe. Vor diesem Hintergrund könne dahinstehen, ob die Beigeladene nicht auch über eine weitergehende Verwendungseignung verfüge. Auch beim Einzelmerkmal „Verhandlungsgeschick“ sei aus den textlichen Einzelaussagen in der Anlassbeurteilung für die Beigeladene eine positivere Einschätzung gegenüber den Formulierungen in der Beurteilung der Antragstellerin ausgedrückt. Danach ergebe sich ein Leistungsvorsprung zugunsten der Beigeladenen.
10
Der Präsidialrat für die Sozialgerichtsbarkeit teilte am … Februar 2023 mit, dass er sich derzeit mehrheitlich nicht in der Lage sehe, die höhere fachliche und persönliche Eignung der Beigeladenen im Vergleich zur Mitbewerberin festzustellen.
11
Die Gleichstellungsbeauftragte erklärte am … Februar 2023 ihr Einverständnis mit der Auswahlentscheidung. Die Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Richterinnen und Richter der Bayerischen Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit erklärte am … Februar 2023, dass in diesem Verfahren keine Stellungnahme abgegeben werde.
12
Die Antragstellerin hat bereits am 17. Februar 2023 eine Klage mit dem Ziel erhoben, den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheids vom … Mai 2022 zu verpflichten, die ausgeschriebene Stelle einer Vorsitzenden Richterin / eines Vorsitzenden Richters am Bayerischen L. mit der Antragstellerin zu besetzen. Über diese Klage, die unter dem Aktenzeichen M 5 K 23.744 geführt wird, ist noch nicht entschieden.
13
Mit Schreiben vom 16. Februar 2023, eingegangen beim Verwaltungsgericht München am 20. Februar 2023 hat das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Sozialordnung für den Antragsgegner beantragt,
14
Ziffer I. der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. November 2022 erlassenen einstweiligen Anordnung, mit der dem Antragsgegner untersagt wurde, die Stelle einer Vorsitzenden Richterin / eines Vorsitzenden Richters beim Bayerischen Landessozialgericht gem. Stellenausschreibung vom 2. Februar (BayMBl. 2002 Nr. 84) mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin rechtskräftig entschieden wurde, wird aufgehoben und der zugrundeliegende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
15
Der Antrag sei in analoger Anwendung von § 80 Abs. 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft. Denn durch die erneute Auswahlentscheidung für die streitbefangene Stelle vom … Januar 2023 sei eine veränderte Sachlage eingetreten, die eine abändernde Entscheidung im gerichtlichen Verfahren möglich erscheinen ließe. Aus der Fassung von Nr. I des Tenors des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) folge nicht, dass mit der Bekanntgabe des zweiten Auswahlvermerks die ihm zukommende Rechtswirkung ende. Der Antrag sei auch begründet. Denn durch die neue Auswahlentscheidung komme eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs der Antragstellerin nicht (mehr) in Betracht. Für die zweite Auswahlentscheidung sei der Zeitpunkt der erneuten Auswahlentscheidung maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt dürfe die aktualisierte periodische Beurteilung der Beigeladenen (richtig statt „Antragstellerin“) nicht mehr für einen Leistungsvergleich verwendet werden, da diese inzwischen älter als der geltende Regelbeurteilungszeitraum sei. Nach Rücknahme der rechtswidrigen Anlassbeurteilung vom … März 2022 sei für die Beigeladene eine Anlassbeurteilung am … Dezember 2022 für den Beurteilungszeitraum … Juli 2018 bis … Dezember 2022 erfolgt. Für die Antragstellerin sei für den Leistungsvergleich die periodische dienstliche Beurteilung vom … Mai 2020 für den Beurteilungszeitraum … Januar 2016 bis … Dezember 2019 heranzuziehen. Für die Erstellung einer Anlassbeurteilung für die Antragstellerin gebe es keine Veranlassung. Der Leistungsvergleich nach dem Auswahlvermerk vom … Januar 2023 ergebe einen Leistungsvorsprung für die Beigeladene. Nachdem die Konkurrentinnen im Gesamtergebnis das gleiche Leistungsniveau erreicht hätten, sei ein Vergleich anhand der textlichen Einzelaussagen („inhaltliche Ausschöpfung“, „inhaltliche Ausschärfung“ oder „Binnendifferenzierung“) vorzunehmen gewesen. Der Präsident des Bayerischen Landessozialgerichts habe für die Erstellung der Anlassbeurteilung der Beigeladenen Beurteilungsbeiträge des früheren und der aktuellen Senatsvorsitzenden eingeholt, der die Beigeladene angehöre.
16
Die Antragstellerin beantragt,
17
den Abänderungsantrag (richtig statt: „Ablehnungsantrag“) zurückzuweisen.
18
Der Antrag sei bereits unzulässig. Denn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe dem Antragsgegner untersagt, die streitgegenständliche Stelle bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Bewerbung der Antragstellerin zu besetzen. Einen förmlichen Abbruch des Besetzungsverfahrens habe es nicht gegeben. Den Antragsgegner treffe daher die Verpflichtung, über die Bewerbung zu entscheiden und einen Abhilfe- bzw. Widerspruchsbescheid zu erlassen. Da das bislang nicht erfolgt sei, werde dieser Anspruch im Klageverfahren M 5 K 23.744 verfolgt. Die neue Auswahlentscheidung regle daher etwas, über das ein Gerichtsverfahren anderweitig anhängig sei. Der Verwaltungsgerichtshof gebe auch die Linie zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Bewerbung der Antragstellerin vor. Ein Abbruch des Auswahlverfahrens sei weder dokumentiert noch allein in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs begründet. Ein Abbruch sei auch nicht gerechtfertigt. Denn es lasse sich der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Eilverfahren entnehmen, dass es eine dem Leistungsgrundsatz entsprechende Entscheidung auf der Basis der sich zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung gegenüberstehenden jeweiligen Beurteilungen geben könne. Der Antrag sei auch unbegründet, da es keine Änderung der Sach- und Rechtslage gegeben habe. Die neue Anlassbeurteilung habe keine Relevanz für die Auswahlentscheidung, die existent sei. Es hätte zu keiner neuen Auswahlentscheidung kommen dürfen. Die neue Anlassbeurteilung umfasse nunmehr 53 Monate, wobei sich die Beurteilungszeiträume der Konkurrentinnen nur zu 18 Monaten überschnitten. Damit sei das Prinzip der größtmöglichen Vergleichbarkeit nicht gewahrt. Es sei auch nicht erkennbar, dass die seit … März 2022 tätige Vorsitzende des Senats, dem die Beigeladene zugewiesen sei, in den Beurteilungsprozess einbezogen worden sei. Der Präsidialrat habe eine erneute Auswahlentscheidung stark in Zweifel gezogen. Weiter habe sich dieses Gremium nicht in der Lage gesehen, den nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben erforderlichen Eignungsvorsprung der Beigeladenen festzustellen.
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Das Gericht hat mit Beschluss vom 22. Februar 2023 die ausgewählte Richterin zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene hat sich dem Antrag des Antragsgegners angeschlossen, ohne einen eigenen Antrag zu stellen. Für den Abänderungsantrag des Antragsgegners bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Auffassung der Antragstellerpartei, dass dem Leistungsvergleich die aktualisierte periodische Beurteilung für die Beigeladene zugrunde zu legen sei, gehe fehl. Denn dann wäre auf die aktualisierte periodische Beurteilung der Beigeladenen zurückzugreifen, die im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung älter als der Regelbeurteilungszeitraum von drei Jahre wäre. Zudem wäre diese Beurteilung noch von der Präsidentin eines Sozialgerichts erstellt und weder zeitlich aktuell noch inhaltlich aussagekräftig. Im Übrigen verletze eine formale Betrachtung der Rechtmäßigkeit der Anlassbeurteilung ohne Einzelfallwürdigung den Bewerbungsverfahrensanspruch der Beigeladenen. Denn das Bundesverwaltungsgericht habe den für eine Anlassbeurteilung erforderlichen erheblichen Zeitraum von 2/3 des Beurteilungszeitraums nur für einen dreijährigen Beurteilungszeitraum statuiert. Daraus folge nicht, dass das auch für einen vierjährigen Beurteilungszeitraum gelte. Der Dienstherr durfte nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 die vom Gericht gerügten Mängel beheben und das Auswahlverfahren fortführen. Ein Abbruch sei nicht gerechtfertigt gewesen, hierzu habe auch keine Verpflichtung bestanden. Die vorliegend dem Leistungsvergleich zugrunde gelegten Beurteilungen seien auch mit einem Überlappungszeitraum vergleichbar. Die Rechtmäßigkeit der Anlassbeurteilung der Beigeladenen werde in Zweifel gezogen, ohne einen konkreten Vorhalt zu formulieren. Die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen sei rechtlich nicht zu beanstanden. Das Ministerium dürfe eine neue Auswahlentscheidung treffen und sei durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 16. November 2022 nicht daran gehindert.
20
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft.
22
Durch die Fassung des Tenors des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) wird dem Antragsgegner untersagt, die streitgegenständliche Stelle einer Vorsitzenden Richterin / eines Vorsitzenden Richters beim Bayerischen Landessozialgericht gem. Stellenausschreibung vom 2. Februar 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 84) mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin rechtskräftig entschieden wurde. Die Wirkung dieses Beschlusses besteht bis zur Beendigung des Stellenbesetzungsverfahrens hinsichtlich der umstrittenen Stelle. Durch die erneute Auswahlentscheidung vom … Januar 2023 wurde die erste Besetzungsentscheidung vom … April 2022 ersetzt und damit gegenstandslos. Eine kürzere Dauer der Wirkung des Beschlusses vom … November 2022 (3 CE 22.1887) ist ausdrücklich nicht angeordnet.
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Entsprechende Formulierungen, die eine kürzere Dauer der Wirkung einer einstweiligen Anordnung im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren beinhalten, sind in der Rechtsprechung weit verbreitet (vgl. z.B. „zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung über eine neue Auswahlentscheidung“: HessVGH, B.v. 21.11.2017 – 1 B 1522/17 – juris; VG Berlin, B.v. 22.12.2017 – 28 L 614.17 – juris; VG Frankfurt/Main, B.v. 27.12.2010 – 9 L 1975/10.F. – juris; VGH BW, B.v. 13.11.2014 – 4 S 1641/14 – VBlBW 2015, 423, juris; „bis zu einer erneuten Auswahlentscheidung“: OVG NW, B.v. 6.5.2008 – 1 B 1786/07 – juris Rn. 4 ff. mit Begründung; BayVGH, B.v. 18.4.2012 – 7 CE 12.166 – BayVBl 2012, 599, juris; OVG Berlin-BBg, B.v. 29.3.2007 – OVG 4 S 16.06 – juris; VG Ansbach – B.v. 24.4.2019 – An 2 E 19.164 – juris; VG Schleswig, B.v. 18.12.2017 – 12 B 22/17 – juris; VG München, B.v. 2.2.2021 – M 5 E 20.5212 – juris Rn. 45 ff. mit Begründung; so auch BayVGH, B.v. 1.12.2021 – 3 CE 21.2593 – DRiZ 2022, 128, juris Rn. 8).
24
Wenn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Rahmen des ihm nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO zukommenden Ermessens hinsichtlich der Reichweite seiner Tenorierung die mit Beschluss vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) ausgesprochene Variante angeordnet hat, so besteht mit Blick auf die in der Rechtsprechung verbreiteten, eine kürzere Dauer anordnende Tenorierungsvarianten, kein Anhalt dafür, der einstweiligen Anordnung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 eine zeitlich kürzere Wirkung beimessen zu wollen. Das gilt auch insbesondere vor dem Hintergrund des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. Oktober 2020 (3 CE 20.1582 – juris). Dort hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich angegeben, dass die Tenorierung bis über die „Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist“ über eine vom Verwaltungsgericht rechtlich beanstandete Besetzungsentscheidung hinausgreift und das gesamte Stellenbesetzungsverfahren andauert (BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 3 CE 20.1582 – juris Rn. 10). Damit muss der Antragsgegner die ihn belastenden Wirkungen des rechtskräftigen Beschlusses vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) im Hinblick auf die erneute Auswahlentscheidung vom 19. Januar 2023 durch einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO analog wegen einer nachträglichen Änderung der Umstände beseitigen (BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 3 CE 20.1582 – juris Rn. 10 ff.). Das ist mit dem vorliegenden Antrag erfolgt.
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2. Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO analog hat auch in der Sache Erfolg. Durch die rechtlich nicht zu beanstandende Auswahlentscheidung vom … Januar 2023 ist eine Änderung der Sachlage eingetreten, die eine Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. November 2022 bedingt (vgl. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 123 Rn. 77 f.).
26
Dabei ist es erforderlich, aber auch ausreichend, Nr. I. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) in der Weise abzuändern, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wird. Das ist zur Klarstellung zwischen den Beteiligten erforderlich. An einer Tenorierung mit dem Inhalt, dass die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 2. August 2022 (M 5 E 22.2810) zurückgewiesen wird, sieht sich das Verwaltungsgericht im Rahmen der Abänderung nach § 80 Abs. 7 VwGO analog gehindert, da dem Verwaltungsgericht auch im Abänderungsverfahren keine Kompetenz zur Entscheidung über eine Beschwerde zukommt (§ 146 Abs. 1 VwGO). Dem erfolgreichen Abänderungsantrag wird mit Blick auf die gebotene Klarstellung gegenüber den Beteiligten dadurch hinreichend entsprochen, dass Nr. I des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) in der Weise geändert wird, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt wird.
27
a) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. November 2022 mit der Besetzungsentscheidung vom … Januar 2023 eine neue Auswahlentscheidung hinsichtlich der streitgegenständlichen Stelle getroffen hat.
28
Mit der erneuten Auswahlentscheidung vom … Januar 2023 erfolgte eine Besetzungsentscheidung hinsichtlich der streitbefangenen Stelle, um nach der vom Verwaltungsgerichtshof rechtlich beanstandeten Auswahl vom … April 2022 eine rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung zu treffen. Damit ist die erste (beanstandete) Besetzungsentscheidung vom … April 2022 durch die neue Entscheidung vom 19. Januar 2023 ersetzt worden und damit gegenstandslos geworden (BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 3 CE 20.1582 – juris Rn. 10). Das folgt auch aus der Formulierung der Auswahlentscheidung vom … Januar 2023, wonach „auf der Grundlage des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 – 3 CE 22.1887 eine erneute Auswahlentscheidung vorzunehmen“ ist.
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Damit liegt in der Entscheidung vom … Januar 2023 weder nach der Bezeichnung durch den Antragsgegner noch deren Wirkung ein Abbruch des Besetzungsverfahrens. Denn ein Abbruch eines Besetzungsverfahrens ist dadurch gekennzeichnet, dass das bislang durchgeführte Verfahren beendet und ein erneutes Besetzungsverfahren begonnen wird. Das Ministerium hat eine entsprechende unmissverständliche Entscheidung nicht getroffen bzw. eine solche Erklärung gegenüber den Bewerbern nicht abgegeben und auch keine Schritte für ein neues Verfahren (insb. keine erneute Ausschreibung) in die Wege geleitet. Damit sind die rechtlichen Voraussetzungen für den Abbruch eines Besetzungsverfahrens vorliegend nicht maßgeblich (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 26.1.2012 – 2 A 7/09 – BVerwGE 141, 361, juris Rn. 27 ff.; U.v. 3.12.2014 – 2 A 3/13 – BVerwGE 151, 14, juris Rn. 18 ff.).
30
Mit der Auswahlentscheidung vom … Januar 2023 wurde vielmehr eine neue Auswahlentscheidung im Besetzungsverfahren hinsichtlich der streitgegenständlichen Stelle einer Vorsitzenden Richterin / eines Vorsitzenden Richters beim Bayerischen Landessozialgericht gemäß Stellenausschreibung vom 2. Februar 2022 (BayMBl 2022 Nr. 84) getroffen (BVerwG, B.v. 29.4.2016 – 1 WB 27/15 – NVwZ-RR 2016, 628, juris Rn. 21). Mit dieser neuen Entscheidung soll eine rechtsfehlerfreie Auswahl erfolgen, nachdem die erste Auswahlentscheidung vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. November 2022 rechtlich beanstandet worden ist. Damit tritt die Auswahl vom … Januar 2023 an die Stelle der Entscheidung vom … April 2022 über die Besetzung der Stelle, auch wenn das in der Besetzungsentscheidung vom … Januar 2023 nicht ausdrücklich angegeben ist bzw. eine ausdrückliche Aufhebung der (als rechtswidrig qualifizierten) Besetzungsentscheidung vom … April 2022 nicht erfolgt ist.
31
Der Umstand, dass hinsichtlich der Besetzungsentscheidung vom … April 2022 das Widerspruchsverfahren noch nicht beendet ist bzw. über das Klageverfahren M 5 K 23.744 noch nicht entschieden ist, mit dem das Ziel verfolgt wird, der Antragstellerin nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 die streitgegenständliche Stelle zu übertragen, bedingt nichts Anderes. Denn durch den rechtskräftigen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 ist der Antragsgegner rechtlich nicht gehindert, hinsichtlich der zu besetzenden Stelle eine neue Auswahlentscheidung zu treffen. Wird das Besetzungsverfahren nicht abgebrochen, so hat hinsichtlich der ausgeschriebenen Stelle eine neue, rechtskonforme Auswahlentscheidung zu erfolgen. Die Rechtskraft des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 beschränkt sich nur darauf, dem Antragsgegner zu untersagen, die streitbefangene Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin rechtskräftig entschieden wurde. Dadurch ist der Antragsgegner nicht gehindert, eine neue Auswahlentscheidung unter Vermeidung eines Rechtsfehlers zu treffen. Das korreliert mit dem Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes im beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitverfahren, die Schaffung vollendeter Tatsachen durch Übertragung der Aufgaben einer streitbefangenen Stelle auf einen Bewerber bzw. dessen Ernennung zu verhindern. Wenn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einigen Entscheidungen ausdrücklich angegeben hat, dass der Dienstherr nach einem für die Antragstellerpartei erfolgreichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Stellenbesetzungsverfahren eine neue Auswahlentscheidung zu treffen habe (BayVGH, B.v. 12.7.2021 – 3 CE 21.1466 – BayVBl 2021, 610, juris Rn. 9; B.v. 1.12.2021 – 3 CE 21.2593 – DRiZ 2022, 128, juris Rn. 7), im Beschluss vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) jedoch einen solchen Hinweis nicht angebracht hat, so muss der Dienstherr entscheiden, ob er das Besetzungsverfahren abbricht oder eine neue Auswahlentscheidung vornimmt. Das folgt aus dem Umstand, dass über Bewerbungen für eine vom Dienstherrn zu besetzende Stelle nur unter Leistungsgesichtspunkten (Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG) zu befinden ist (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – BVerwGE 138, 102, juris Rn. 21). Vorliegend hat das Ministerium das Besetzungsverfahren ausdrücklich nicht abgebrochen, sondern eine erneute Auswahlentscheidung getroffen. Die Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens hinsichtlich der ersten, beanstandeten Auswahlentscheidung ändert daran nichts. Diese Rechtsschutzverfahren, die ein Verpflichtungsbegehren zum Gegenstand haben, haben die Aufhebung der ersten und die Vornahme einer neuen Auswahlentscheidung zum Gegenstand.
32
Das gilt auch für den Widerspruch und das Klageverfahren (M 5 K 23.744), mit der die Aufhebung der (ersten) Besetzungsentscheidung vom … Mai 2022 und die Besetzung der Stelle mit der Antragstellerin erstrebt wird. Wird gegen eine zweite Auswahlentscheidung in einem Besetzungsverfahren ein Rechtsbehelf eingelegt, nachdem eine erste Entscheidung aufgehoben wurde, so erstreckt sich ein Rechtsbehelf gegen die erste Auswahlentscheidung nicht auf die neue (zweite) Entscheidung (BVerwG, B.v. 29.4.2016 – 1 WB 27/15 – NVwZ-RR 628, juris Rn. 16).
33
b) Ebenso ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner in seiner Auswahlentscheidung vom … Januar 2023 hinsichtlich der streitbefangenen Stelle zu dem Ergebnis kommt, dass die Beigeladene im Vergleich mit der Antragstellerin als leistungsfähigere Bewerberin anzusehen ist.
34
Maßgeblich für die neue Auswahlentscheidung ist die Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt, zu dem diese neue Entscheidung getroffen wird (BVerwG, B.v. 29.4.2016 – 1 WB 27.15 – NVwZ-RR 2016, 628, juris Rn. 18; U.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – BVerwGE 138, 102, juris Rn. 58; OVG NW, B.v. 29.7.2012 – 1 B 1072/21 – ZBR 2021, 422, juris Rn. 17 f. m.w.N.).
35
Der Vergleich unter den Bewerbern im Rahmen einer dienstrechtlichen Auswahlentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG hat – vor allem – anhand dienstlicher Beurteilungen zu erfolgen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – BVerwGE 165, 305, juris Rn. 32 m.w.N.). Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Grundlage für den Bewerbervergleich setzt voraus, dass diese zeitlich aktuell (BVerwG, B.v. 10.5.2016 – 2 VR 2.15 – BVerwGE 155, 152, juris Rn. 22) und inhaltlich aussagekräftig (BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – BVerwGE 153, 48, juris Rn. 14) sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das Leistungsvermögen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen (BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – BVerwGE 157, 168, juris Rn. 24; U.v. 27.11.2014 – 2 A 10.13 – BVerwGE 150, 359, juris Rn. 21). Darüber hinaus müssen die Beurteilungszeiträume ausreichend lang sein, um eine verlässliche Aussage zu Eignung, Leistung und Befähigung der Beurteilten zuzulassen (BayVGH, B.v. 2.9.2020 – 6 CE 20.1351 – juris Rn. 12).
36
Es ist rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass für den Leistungsvergleich der Konkurrentinnen um die umstrittene Stelle die periodische dienstliche Beurteilung für die Antragstellerin vom … Mai 2020 für den Beurteilungszeitraum vom … Januar 2016 bis … Dezember 2019 herangezogen wird und für die Beigeladene die Anlassbeurteilung vom … Dezember 2022, die einen Beurteilungszeitraum vom … Juli 2018 bis … Dezember 2022 umfasst.
37
aa) Die Antragstellerin unterliegt der periodischen Beurteilung (Nr. 1.1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration zur dienstlichen Beurteilung der Richter und Richterinnen in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit vom 20. November 2015, AllMBl 2015, 582). Es liegt für sie eine aktuelle periodische Beurteilung vom … Mai 2020 für den Beurteilungszeitraum … Januar 2016 bis … Dezember 2019 vor. Grundsätzlich ist eine periodische Beurteilung für (Beförderungen und) Auswahlentscheidungen bis zu dem in Verwaltungsvorschriften festzulegenden einheitlichen Verwendungsbeginn der nächsten regulären periodischen Beurteilung zu verwenden. Entsprechend Art. 56 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen – Leistungslaufbahngesetz/LlbG, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetzes/RiStAG und Nrn. 5.1 und 5.10 der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien der Justiz, des Innern, für Bau und Verkehr, der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat sowie für Arbeit und Soziales, Familie und Integration zur Beurteilung der Richter und Richterinnen sowie der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen (Gemeinsame Bekanntmachung) vom 26. März 2015 (JMBl. S. 18) kann die periodische Beurteilung für die Antragstellerin grundsätzlich bis zum 1. Januar 2024 weiterverwendet werden (BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 3 CE 19.1896 – RiA 2020, 34, juris Rn. 14). Es sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung vom … Januar 2023 die Voraussetzungen für die Erstellung einer Anlassbeurteilung für die Antragstellerin vorliegen würden (vgl. hierzu Nr. 7.1 der Gemeinsamen Bekanntmachung).
38
bb) Für die Beigeladene wurde zu Recht eine Anlassbeurteilung vom … Dezember 2022 für den Beurteilungszeitraum vom … Juli 2018 bis … Dezember 2022 erstellt.
39
Die Erstellung der Anlassbeurteilung vom … Dezember 2022 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das steht in Einklang mit den Regelungen der Gemeinsamen Bekanntmachung über die dienstliche Beurteilung der Richter und Richterinnen sowie der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen. Nach Nr. 7.1 Satz 2 Alt. 1 der Gemeinsamen Bekanntmachung soll eine Anlassbeurteilung erstellt werden, wenn die letzte (reguläre oder aktualisierte) periodische Beurteilung oder Anlassbeurteilung länger als vier Jahre zurückliegt. Das ist hier der Fall, da im Zeitpunkt der Erstellung der Anlassbeurteilung (…12.2022) seit Erstellung der aktualisierten periodischen Beurteilung (…7.2018) mehr als vier Jahre vergangen sind. Hinzu kommt, dass keine Gründe ersichtlich sind, die ein ausnahmsweises Abweichen von der „soll“ – Regelung der Erstellung einer Anlassbeurteilung bedingen würden. Denn die Aufgaben einer Vorsitzenden Richterin in der ersten Instanz sowie die Aufgaben als weitere aufsichtführende Richterin (mit erheblichen Aufgaben der Gerichtsverwaltung) unterscheiden sich wesentlich von den Aufgaben einer Berichterstatterin und stellvertretenden Vorsitzenden in der zweiten Instanz. Aus diesem Grund ist die Erstellung einer Anlassbeurteilung auch nach Nr. 7.1 Satz 2 Alt. 2 der Gemeinsamen Bekanntmachung gerechtfertigt. Die Tätigkeit an einem Gericht erster Instanz und die Tätigkeit an einem Berufungsgericht heben sich erheblich voneinander ab. Ergänzend kann hierzu auf den Beschluss des Gerichts vom 2. August 2022 (M 5 E 22.2810 – juris Rn. 34) verwiesen werden, da sich die Tätigkeit der Beigeladenen am Bayerischen Landessozialgericht seither nicht verändert hat. Auch wenn man das vom Bundesverwaltungsgericht (U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – BVerwGE 165, 305, juris Rn. 48 ff. – für einen Beurteilungszeitraum von drei Jahren) statuierte Erfordernis, dass sich die Wahrnehmung wesentlich anderer Aufgaben über 2/3 des Beurteilungszeitraums erstreckt hat (ohne diesen Wert zu begründen), als starre rechnerische Größe übernimmt, ist das vorliegend erfüllt. Denn die Beigeladene ist seit … November 2019 am Landessozialgericht tätig, was im Zeitpunkt der Erstellung der Anlassbeurteilung (…12.2022) einen Zeitraum von über 36 Monaten bei einem Regelbeurteilungszeitraum von 48 Monaten (über ¾ des Beurteilungszeitraums) ausmacht.
40
cc) Auch der Vergleichszeitraum anhand der herangezogenen Beurteilungen umfasst einen für einen Leistungsvergleich hinreichend aussagekräftigen Zeitraum von nahezu 18 Monaten. Dieser Zeitraum ist als noch ausreichend bei einem vierjährigen Beurteilungsturnus anzusehen (BayVGH, B.v. 26.4.2020 – 3 CE 20.3137 – juris Rn. 21, 23). Die unterschiedliche Länge von Beurteilungszeiträumen schließt die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen nicht aus, solange auf der Grundlage dieser Beurteilungen ein Qualifikationsvergleich nach dem Bestenauslesegrundsatz ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers möglich bleibt. Die Frage, welche Länge der gemeinsame Beurteilungszeitraum der Konkurrenten haben muss, um einen Qualifikationsvergleich nach dem Grundsatz der Bestenauslese ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers zu ermöglichen, ist unter Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (vgl. ThürOVG, B.v. 28.11.2017 – 2 EO 524/17 – ThürVBl 2019, 239, juris Rn. 9 f. m.w.N.). Wie lange der Beurteilungszeitraum einer Anlassbeurteilung im konkreten Fall sein muss, hängt grundsätzlich vom Anlass ab, aus dem beurteilt werden soll. Geht es – wie hier – um die Bewerbung um ein Beförderungsamt, so wird man in der Regel den Zeitraum seit der letzten Regelbeurteilung bzw. seit der letzten gemeinsamen Beurteilung der Bewerber zugrunde legen (vgl. OVG Hamburg, B.v. 28.5.2009 – 1 Bs 70/09 – juris Rn. 9; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 2.9.2020 – 6 CE 20.1351 – juris Rn. 20).
41
Vergleichsgrundlage sind die den Beurteilungen zugrundeliegenden Zeiträume und nicht diejenigen, in denen die Bewerberinnen eine vergleichbare Tätigkeit ausgeübt haben. Denn der Leistungsvergleich anhand dienstlicher Beurteilungen erfolgt zunächst – umfassend – im Hinblick auf das der dienstlichen Beurteilung zugrunde gelegte abstrakte Statusamt (BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 37/04 – BVerwGE 124, 99, juris Rn. 18 f.). Spezifische Anforderungen des konkreten Dienstpostens sind gegebenenfalls auf einer späteren Stufe der Auswahlentscheidung maßgeblich (OVG Bremen, B.v. 22.9.2016 – 2 B 123/16 – NVwZ-RR 2017, 294, juris Rn. 40 ff.).
42
Der „Überlappungszeitraum“ der zum Leistungsvergleich herangezogenen Beurteilungen von nahezu 18 Monaten lässt einen Qualifikationsvergleich zu, ohne dass eine der Bewerberinnen benachteiligt wird. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beurteilungszeitraum der Anlassbeurteilung für die Beigeladene – die nicht mehr der periodischen Beurteilung unterliegt – an den Beurteilungszeitraum der letzten (aktualisierten) periodischen Beurteilung anknüpft und für die Antragstellerin die periodische Beurteilung vom … Mai 2020 für den Beurteilungszeitraum … Januar 2016 bis … Dezember 2019 zugrunde gelegt wird. Die Verwendung der periodischen dienstlichen Beurteilung für die Antragstellerin für den Zeitraum einer periodischen Beurteilung entspricht ausdrücklich den Richtlinien des Antragsgegners (Nr. 5.10 der Gemeinsamen Bekanntmachung i.V.m. Nr. 2 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration vom 20. November 2015 über die dienstliche Beurteilung der Richter und Richterinnen in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit, AllMBl S. 582).
43
dd) Hinsichtlich der Anlassbeurteilung für die Beigeladene sind auch keine rechtlich relevanten Mängel erkennbar.
44
Die Rücknahme der Anlassbeurteilung analog Art. 48 BayVwVfG vom 5. März 2022 ist nicht zu beanstanden. Denn diese Rücknahme erfolgte durch den zuständigen Beurteiler, da sich diese Anlassbeurteilung mit Blick auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. November 2022 (3 CE 22.1887) als rechtswidrig herausgestellt hatte (vgl. BVerwG, U.v. 17.3.2016 – 2 A 4/15 – NVwZ 2016, 1648, juris Rn. 16 ff.).
45
Soweit von Antragstellerseite gerügt wird, dass nicht ersichtlich sei, ob die seit … März 2022 tätige Vorsitzende des Senats, in dem die Beigeladene zugewiesen sei, in den Beurteilungsprozess einbezogen worden sei, so ist das mit dem Vermerk des Präsidenten des Bayerischen Landessozialgerichts vom … Dezember 2022 geklärt. Dort hat der Beurteiler angegeben, dass er die Vorsitzende der beiden Senate, denen die Beigeladene ab dem … Februar 2020 mit je 50% zugewiesen war (zuvor von …11.2019 bis …1.2020 mit 50% auch einem anderen Senat und den beiden Senaten mit zunächst je 25% – so die Zusammenschau von tabellarischer Tätigkeitsübersicht und Fließtext der Anlassbeurteilung) in das Verfahren zur Erstellung der Anlassbeurteilung einbezogen habe. Diese Senatsvorsitzende habe sich ausdrücklich dem Beurteilungsbeitrag des früheren Senatsvorsitzenden angeschlossen.
46
dd) Auch gegen die Auswahlentscheidung auf der Grundlage der zum Vergleich herangezogenen Beurteilungen ist rechtlich nichts einzuwenden.
47
Nachdem die Beurteilungen für die beiden Konkurrentinnen im Gesamtergebnis ein gleiches Leistungsniveau (15 Punkte) ergeben, waren die Beurteilungen inhaltlich anhand der textlichen Einzelaussagen einer vergleichenden Betrachtung („inhaltliche Ausschöpfung“, „inhaltliche Ausschärfung“ oder auch „Binnendifferenzierung“) zu unterziehen (BayVGH, B.v. 17.5.2013 – 3 CE 12.2469 – BayVBl 2014, 84, juris Rn. 32; BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 2 VR 1.13 – BVerwGE 147, 20, juris Rn. 47, 56; OVG NW, B.v. 23.1.2015 – 6 B 1365/14 – juris Rn. 4, HessVGH, B.v. 16.4.2020 – 1 B 2734/18 – juris Rn. 61).
48
Gegen Methodik und Bewertung der „inhaltlichen Ausschöpfung“ der Beurteilungen der Bewerberinnen ist rechtlich nichts einzuwenden. Der dem Dienstherrn hierbei zustehende Bewertungsspielraum bei der Auswahl der Konkurrentinnen unter Anwendung des Leistungsprinzips (Art. 33 Abs. 2 GG) ist vorliegend nicht in rechtlich relevanter Weise verletzt. Das Gericht ist bei seiner Kontrolle darauf beschränkt, ob sich die Bewertung im Rahmen der Beurteilungsermächtigung gehalten und an deren Zweck ausgerichtet hat, sowie ob von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen wurde (vgl. hierzu allgemein Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 114 Rn. 78 ff.).
49
Ein spezielles Anforderungsprofil für die Stelle einer/s Vorsitzenden Richterin / Vorsitzenden Richters am Bayerischen L. besteht nicht. Es bedarf auch keines vom Dienstherrn festgelegten Anforderungsprofils, weil sich die Anforderungsmerkmale ohne weiteres aus dem angestrebten Statusamt selbst ergeben (BayVGH, B.v. 18.11.2020 – 3 CE 20.2092 – juris Rn. 14: Stelle eines Vorsitzenden Richters am Finanzgericht; B.v. 28.5.2015 – 3 CE 15.727 – juris Rn. 40: Stelle eines Senatsvorsitzenden am Bayerischen Landessozialgericht; B.v. 10.1.2022 – 3 CE 21.2716 – juris Rn. 11: Stelle eines Senatsvorsitzenden am Bayerischen Landessozialgericht; B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565, juris Rn. 36 ff.: Stelle des Vizepräsidenten eines Verwaltungsgerichts; B.v. 18.2.2005 – 15 CE 04.3030 – juris Rn. 14: Stelle eines Vorsitzenden Richters am Bundespatentgericht).
50
Der dem Dienstherrn im Rahmen seiner Organisationsgewalt zukommende Einschätzungsspielraum ist vorliegend nicht in rechtserheblicher Weise verletzt. Das der Auswahlentscheidung zugrunde gelegte Anforderungsprofil wird im Schreiben vom … Januar 2023 an den Präsidialrat – in dem die Gründe für die Auswahl dargestellt sind -aufgestellt (vgl. BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565, juris Rn. 36 f.). Die Anknüpfung an die Anforderungsmerkmale „Allgemeine Rechtskenntnisse“, „Führungsqualitäten“ und „Verhandlungsgeschick“ ist sachgerecht und entspricht den Anforderungen an den zu besetzenden Dienstposten einer/s Vorsitzenden Richterin/Richters am Landessozialgericht. Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens ist es Sache des Dienstherrn, festzulegen, welchen Eignungsmerkmalen er bei einer konkreten Stelle ein größeres, für die Besetzungsentscheidung ausschlaggebendes Gewicht beimisst (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746, juris Rn. 13; B.v. 5.9.2007 – 2 BvR 1855/07 – NVwZ-RR 2008, 433, juris Rn. 8). Mit Blick auf die Aufgaben einer/s Vorsitzenden Richterin/s am Bayerischen Landessozialgericht ist es sachgerecht, hinsichtlich der Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung des Spruchkörpers sowie der Verhandlungsaufgaben (vgl. hierzu auch BVerfG, B.v. 26.11.2010, a.a.O., juris Rn. 18) und der Koordination innerhalb des Senats auf die drei Anforderungsmerkmale „allgemeine Rechtskenntnisse“, „Führungsqualitäten“ und „Verhandlungsgeschick“ abzustellen. Auf diese drei Merkmale hat das Ministerium – soweit ersichtlich – auch bei der inhaltlichen Ausschöpfung von dienstlichen Beurteilungen bei der Besetzung der Stelle eines Vorsitzenden Richters am Bayerischen L. in früheren Verfahren abgestellt (so ausdrücklich: BayVGH, B.v. 28.5.2015 – 3 CE 15.727 – juris Rn. 40; VG München, B.v. 18.10.2021 – M 5 E 21.4569 – juris Rn. 32 ff.; BayVGH, B.v. 10.1.2022 – 3 CE 21.2716 – juris Rn. 13). Insbesondere ist damit nicht zu besorgen, dass diese Eignungsmerkmale in einer Besetzungsentscheidung „nachgeschoben“ worden sein könnten und damit eine effektive gerichtliche Kontrolle im Hinblick auf ein benachteiligungsfreies Auswahlverfahren nicht möglich wäre (BayVGH, B.v. 9.8.2019 – 3 CE 19.895 – juris Rn. 14).
51
Auch die Bewertung des Ministeriums im Schreiben vom … Januar 2023, dass sich bei den Merkmalen „allgemeine Rechtskenntnisse“ (umschrieben in Nr. 3.2.8 der Gemeinsamen Bekanntmachung) sowie „Führungsqualitäten“ (umschrieben in Nrn. 3.1.7, 3.1.8, 3.2.7 und 3.5. der Gemeinsamen Bekanntmachung) wie auch beim „Verhandlungsgeschick“ (umschrieben in Nrn. 3.1.3, 3.1.5 und 3.2.3 der Gemeinsamen Bekanntmachung) ein Leistungsvorsprung zugunsten der Beigeladenen ergebe, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Vorsprung der Beigeladenen lässt sich ohne Rechtsverstoß gegen den Beurteilungsspielraum des Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung aus einem Vergleich der verbalen Umschreibungen dieser Einzelmerkmale in den heranzuziehenden Beurteilungen ableiten.
52
Wenn das Ministerium im Schreiben vom … Januar 2023 auf der Grundlage insoweit textlich gleichlautender Formulierungen in der Anlassbeurteilung vom … Dezember 2022 wie der Anlassbeurteilung vom … März 2022 zu dem Ergebnis kommt, dass auch beim Einzelmerkmal „Verhandlungsgeschick“ eine positivere Einschätzung der Beigeladenen gegenüber der Antragstellerin in den verbalen Umschreibungen ausgedrückt sei, während das Ministerium im Schreiben vom … April 2022 noch von einem Gleichstand bei diesem Einzelmerkmal – mit einem leichten Vorsprung zugunsten der Beigeladenen – ausgegangen ist, so liegt hierin kein Rechtsfehler, der sich auf die Auswahlentscheidung auswirken könnte. Denn im Schreiben vom … Januar 2023 ist ausdrücklich angegeben, dass eine eingehendere Bewertung des Einzelmerkmals „Verhandlungsgeschick“ dahingestellt bleiben kann, da sich bereits aus der Bewertung der Merkmale „allgemeine Rechtskenntnisse“ und „Führungsqualitäten“ ein Vorsprung zugunsten der Beigeladenen ergebe. Zudem hält sich eine leicht positivere Bewertung auf derselben tatsächlichen Grundlage noch innerhalb des rechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Bewertungsspielraums des Dienstherrn. Denn ein leichter Vorsprung der Beigeladenen beim „Verhandlungsgeschick“ war auch in der Bewertung vom … April 2022 bereits angegeben und wird im Schreiben vom … Januar 2023 etwas deutlicher gesehen. Beide Bewertungen bewegen sich in einem rechtlich zulässigen Bewertungskorridor, sie stehen gerade nicht im Gegensatz zueinander.
53
ee) Die Auswahlentscheidung ist auch in Bezug auf die Beteiligung des Präsidialrats nicht rechtsfehlerhaft.
54
Nach Art. 46 Abs. 2 Satz 1 BayRiStAG nimmt der Präsidialrat zu der persönlichen und fachlichen Eignung des ausgewählten Bewerbers Stellung; gemäß Art. 46 Abs. 2 Satz 2 BayRiStAG kann er auch Gegenvorschläge machen. Dabei hat die Stellungnahme des Präsidialrates zwar nur empfehlenden Charakter, gleichwohl ist die oberste Dienstbehörde verpflichtet, das Votum zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Sie kann sodann entweder an ihrer Entscheidung festhalten oder dem Vorschlag des Präsidialrates folgen. Der Präsidialrat nimmt daher eine wichtige Rolle bei Entscheidungen in Personalangelegenheiten ein. Er vertritt die Interessen der Gerichtsbarkeit gegenüber der obersten Dienstbehörde. Die Interessen der einzelnen Richter und der Gesamtheit aller Richter vertritt dagegen der Richterrat (Schmidt/Räntsch, DRiG, 6. Auflage 2009, § 73 Rn. 5). Der Präsidialrat hat eine Kontrollfunktion, aber kein eigenes Auswahlermessen (VGH BW, B.v. 1.6.2012 – 4 S 472/12 – VBlBW 2012, 423, juris Rn. 18). Das unterscheidet dieses Gremium von einem Richterwahlausschuss (Art. 98 Abs. 4 GG, vgl. OVG SH, B.v. 21.10.2019 – 2 MB 3/19 – juris Rn. 41; vgl. insgesamt hierzu auch: VG München, B.v. 20.12.2019 – M 5 E 19.2951 – juris Rn. 30).
55
Vorliegend hat sich der Präsidialrat in seiner Sitzung vom … Februar 2023 derzeit mehrheitlich nicht in der Lage gesehen, die höhere fachliche und persönliche Eignung der Beigeladenen im Vergleich zur Mitbewerberin festzustellen. Mit der wiedergegebenen Formulierung ist die fachliche und persönliche Eignung der Beigeladenen wie auch der Antragstellerin ausgesagt. Wenn sich das Gremium nicht in der Lage sah, eine höhere fachliche und persönliche Eignung der Beigeladenen festzustellen, so hat es beide Bewerberinnen für grundsätzlich gleich geeignet bewertet. Wie dargestellt, kommt dem Präsidialrat aber kein Auswahlermessen zu. Das liegt ausschließlich in der Kompetenz des Dienstherrn. Insbesondere hat der Präsidialrat keinen Gegenvorschlag gemacht (Art. 46 Abs. 2 Satz 2 BayRiStAG). Damit wurde der Präsidialrat nach den gesetzlichen Vorschriften ordnungsgemäß beteiligt.
56
3. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladene das Verfahren durch einen eigenen Tatsachen- und Rechtsvortrag gefördert hat (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 162 Rn. 41), ist es gerechtfertigt, auch deren außergerichtliche Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
57
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 Gerichtskostengesetz (GKG) – ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen (aufgrund der Staffelung der Gebührenschritte im Gerichtskostengesetz kann auch im vorliegenden Verfahren für die Bemessung des Streitwerts auf Jahresbezüge von 109.643,33 EUR zurückgegriffen werden – hiervon ein Viertel, vgl. VG München, B.v. 2.8.2022 – M 5 E 22.2810 – juris Rn. 48).