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VG München, Urteil v. 23.05.2023 – M 28 K 21.3788
Titel:

Drittanfechtung einer Ausnahmegenehmigung zur Errichtung einer Freischankfläche

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 4
BayVwVfG § 43 Abs. 2
13. BayIfSMV Art. 15
BayStrWG Art. 14, Art. 17, Art. 18
GG Art. 14
Leitsätze:
1. Die für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis an einer öffentlichen Straße einschlägigen Normen (hier: Art. 18 BayStrWG) vermitteln grundsätzlich keinen Drittschutz. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anlieger können im Rahmen der gewerblichen Nutzung ihres Grundstücks zwar einen sogenannten „Kontakt nach außen“ beanspruchen. Dieser Außenkontakt, als Form des in Art. 14 Abs. 1 GG eigentumsrechtlich geschützten Anliegergebrauchs, erfasst jedoch keinesfalls alle rechtlichen oder faktischen Gegebenheiten, die sich wertsteigernd auswirken. Denn es steht dem Anlieger zwar grundsätzlich frei, aus den konkreten örtlichen Gegebenheiten Vorteile zu ziehen. Anspruch auf eine dauerhafte Aufrechterhaltung derselben hat er aber nicht. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für Freischankflächen, Drittanfechtung, keine drittschützende Wirkung, Erledigung nach Klageerhebung, Fortsetzungsfeststellungsinteresse, Ausnahmegenehmigung, Errichtung, Freischankfläche, Gaststätte, Fortsetzungsfeststellungsklage, Sondernutzungserlaubnis, Erledigung, Zeitablauf, Abstandsgebot, Gastronomiebetrieb, Klagebefugnis, Drittschutz, Anliegergebrauch
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28662

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
 II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Ausnahmegenehmigung zur Einrichtung einer Freischankfläche vor dem Anwesen …straße 7, ... M..
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Sie ist Eigentümerin des Anwesens …straße 9, ... M.. Die Zufahrt zu ihrem Anwesen erfolgt vom Straßengrund über einen öffentlichen Gehweg durch das Vordergebäude in den Innenhof, in dem sich Kfz-Stellplätze sowie der Zugang zu der unter dem Rückgebäude befindlichen Tiefgarage befinden. Der Beigeladene betrieb bis Januar 2022 im Erdgeschoss des Nachbargebäudes in der …straße 7, ... M. die Gaststätte „… …“.
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Nachdem der Stadtrat der Beklagten in der Sitzung vom 13. Mai 2020 beschlossen hatte, dass während der durch die Corona-Pandemie bedingten Einschränkungen grundsätzlich auch seitliche Erweiterungen bestehender Freischankflächen genehmigt werden können, erteilte die Beklagte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 5. Juni 2020 eine Ausnahmegenehmigung für die erweiterte Aufstellung von Tischen und Stühlen auf öffentlichem Verkehrsgrund vor dem Hauszugang der …straße 7 auf Höhe des Grünstreifens mit einer Fläche von 5,00 m x 2,00 m. Nach Ziffer 2.4 des Bescheides galt die Genehmigung nur „so lange die aktuelle Fassung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung die Einhaltung des Abstandsgebot von 1,5 m in Gastronomiebetrieben vorsieht“.
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Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Juli 2021 Klage erhoben und beantragte zunächst, den Bescheid der Beklagten aufzuheben.
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Die Klägerin trägt zur Begründung der Klage im Wesentlichen Folgendes vor:
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Da der Zugang zum Anwesen …straße 7 nunmehr durch die Freischankfläche blockiert sei, würden Gäste der Gaststätte, Kuriere und Umzugswagen in der Zufahrt zur …straße 9 parken, sodass die Bewohner nicht in den Hof sowie die Tiefgarage einfahren könnten. Die städtische Müllentsorgung müsse nun ebenfalls die Zufahrt der Klägerin in Anspruch nehmen. Weiter würden Eltern, die ihre Kinder in die – ebenfalls in der …straße 7 betriebene – Kindertagesstätte brächten bzw. aus dieser abholten, ihre Fahrzeuge in der Zufahrt der Klägerin abstellen. Zusätzlich werde die Situation dadurch erschwert, dass insbesondere auch Gaststättenbesucher des Beigeladenen die Zufahrt mit ihren Fahrrädern blockierten. Die Genehmigung einer Freischankfläche vor einer Hauszufahrt stelle zudem einen Verstoß gegen die Sondernutzungsrichtlinien der Beklagten dar, da die Freischankfläche nicht an eine Einfahrt angrenzen dürfe und der Mindestabstand von zwei Metern nicht eingehalten werde. Auch sei die Zustimmung des Eigentümers des Anwesens in der …straße 7 nicht eingeholt worden. Weiter fehle es an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung, da insbesondere die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs von der Beklagten unberücksichtigt gelassen worden ist. Jedenfalls sei die Beeinträchtigung der eigenen Erschließung der Klägerin drittschützend.
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Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2023 festgestellt wurde, dass derzeit kein Gaststättengewerbe mehr in der …straße 7 betrieben wird, beantragt die Klägerin zuletzt,
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festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2020, Az. … * …, rechtswidrig war.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klage sei bereits unzulässig, da die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis keine drittschützende Wirkung habe. Eine subjektive Rechtsposition der Klägerin könne sich aus dem Anliegergebrauch nur ausnahmsweise in Fällen ergeben, in denen Zufahrten und Zugänge unzumutbar beeinträchtigt würden. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, weil es in Stadtbezirken, wie dem, in dem das klägerische Grundstück liegt, zur allgemeinen Lebenswirklichkeit gehöre, dass aufgrund des Parkraummangels auch private Einfahrten zum vorübergehenden Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzt würden. Weiter erscheine die Beeinträchtigung der Zufahrt nicht von vornherein kausal zur Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zu sein. Verkehrswidrige Verhaltensweisen anderer Verkehrsteilnehmer würden das in der Innenstadtlage Zumutbare nicht übersteigen und seien zudem durch die Polizei abzustellen. Das kurzfristige Abstellen von Mülltonnen im Zufahrtsbereich der Klägerin unterfalle dem Gemeingebrauch und müsse hingenommen werden. Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig ergangen, da die Voraussetzungen nach § 23 der Sondernutzungsrichtlinien der Beklagten vorgelegen und das nach Art. 18 BayStrWG eingeräumte Ermessen daher ordnungsgemäß ausgeübt worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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In der Verwaltungsstreitsache konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2023 entschieden werden, obwohl für den Beigeladenen in diesem Termin niemand erschienen ist, nachdem in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die in der mündlichen Verhandlung erklärte Klageänderung von der ursprünglichen Anfechtungsklage hin zur Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO.
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Die Klage ist jedoch unzulässig.
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Zwar ist die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft (A.). Es fehlt der Klägerin allerdings an der notwendigen Klagebefugnis (B.) Darüber hinaus hat sie kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Sondernutzungserlaubnis (C.).
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A. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
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Die mit Bescheid vom 5. Juni 2020 erteilte Sondernutzungserlaubnis hat sich nach Klageerhebung mit Schriftsatz vom 16. Juli 2021 durch Zeitablauf am 1. September 2021 erledigt, Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG. Der Bescheid sollte laut Ziffer 2.4 des Bescheides so lange wirksam bleiben, wie die aktuelle Fassung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) die Einhaltung des Abstandsgebots von 1,5 m in Gastronomiebetrieben vorsieht. Ein solches sah § 15 Abs. 1 Nr. 2 der 13. BayIfSMV vor. Diese Regelung trat mit Wirkung vom 1. September 2021 außer Kraft, sodass in diesem Zeitpunkt das Befristungsende der Sondernutzungserlaubnis erreicht wurde, Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG, und der Verwaltungsakt erlosch. Auf die Frage, ob die fortgesetzte Sondernutzung durch die Beklagte aufgrund des Stadtratsbeschlusses vom 25. November 2021 bis zum 31. März 2022 geduldet worden ist und, ob der Beschluss überhaupt zur Verlängerung der Befristung geeignet gewesen wäre, bzw. wann genau die Betriebsaufgabe durch den Beigeladenen erfolgte, kommt es daher nichtmehr an.
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B. Zwar kann die ursprüngliche Anfechtungsklage bei Erledigung des Verwaltungsaktes nach Klageerhebung grundsätzlich im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiterverfolgt werden. Dies setzt jedoch unter anderem voraus, dass die ursprüngliche Anfechtungsklage bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig gewesen ist (BVerwG, U.v. 9. 2.1967 – I C 49.64 – juris).
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Die fristgerecht (I.) erhobene Anfechtungsklage war indes mangels Klagebefugnis (II.) unzulässig, § 42 Abs. 2 VwGO.
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I. Die Anfechtungsklage wurde fristgemäß am 16. Juli 2021 erhoben.
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Da der streitgegenständliche Bescheid gegenüber der Klägerin zunächst nicht bekanntgemacht wurde, begann die Klagefrist gemäß §§ 74, 57 f. VwGO frühestens nach der Mitteilung der Beklagten an die Klägerin vom 22. Juni 2021 zu laufen, sodass die Klagefrist gewahrt wurde.
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II. Die Klage war jedoch mangels Klagebefugnis unzulässig.
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Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist dann gegeben, wenn die Möglichkeit der von der Klägerin behaupteten Rechtsverletzung besteht. Dies setzt voraus, dass die Anwendung von Rechtssätzen möglich erscheint, die abstrakt auch dem Schutz der Interessen von Personen zu dienen bestimmt sind, welche sich in einer Lage befinden, die derjenigen der Klägerin vergleichbar ist. Insoweit bedarf es jedenfalls dann einer besonderen Prüfung, wenn die Klägerin nicht selbst Adressatin eines sie belastenden Verwaltungsaktes ist, sondern sich gegen einen in erster Linie einen anderen begünstigenden Verwaltungsakt als sogenannte Dritte wendet. Nur wenn hier ein besonderer Bezug zu Dritten festzustellen ist, kann die betreffende Rechtsvorschrift als sogenannte Schutznorm angesehen werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2003 – 8 CS 03.2279 – juris Rn. 4 ff.).
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Eine dementsprechende Drittbetroffenheit ist weder aus dem Vortrag der Klägerin noch sonst ersichtlich. Die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis vermittelt grundsätzlich keinen Drittschutz (1.). Der Klägerin steht auch kein ausnahmsweises Abwehrrecht zu (2.).
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1. Die für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis an einer öffentlichen Straße einschlägigen Normen, hier Art. 18 BayStrWG, vermitteln grundsätzlich keinen Drittschutz (stRspr vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 12.4.2013 – 8 ZB 12.648 – juris Rn. 2).
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Das in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 14 BayStrWG vorgegebene Entscheidungsprogramm der Straßenbaubehörde, das der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zu Grunde liegt, stellt auf eine Benutzung der Straßenverkehrsfläche ab, die nicht mehr gemeingebräuchlich ist, weil sie nicht vorwiegend zu Zwecken des Verkehrs erfolgt. Da der Straße als Verkehrsfläche eine wichtige Mittlerfunktion zukommt, soll die Behörde durch das in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG enthaltene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit eine abweichende Nutzung der Verkehrsfläche noch mit den Belangen des Straßenrechts – vor allem, wie sie in den Vorschriften des Straßen- und Wegerechts, aber zum Teil auch in den Vorschriften des Straßenverkehrsrechts zum Ausdruck kommen – vereinbar ist. Es geht dabei mithin um die Frage, ob die straßenfremde Nutzung mit den Belangen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs vereinbar und insoweit gemeinverträglich ist. Im Einzelfall können hier auch noch Belange des Umfelds der Straße in städtebaulichen oder baupflegerischen Vorschriften eine Rolle spielen, soweit sie einen eindeutigen Bezug zur Straße aufweisen. Die Grenze des Entscheidungsprogramms der Sondernutzungserlaubnis liegt aber dort, wo nicht mehr um die Nutzung der Straßenverkehrsfläche, sondern um die Nutzung der auf ihr aufgestellten oder in sonstiger Weise aufgebrachten Anlagen oder Sachen gestritten wird. Die Nutzung solcher Anlagen oder Sachen interessiert unter dem Blickwinkel des Rechts der Sondernutzungserlaubnis nur, soweit es um die Auswirkungen dieser Nutzung auf die Straßenverkehrsfläche und die Verkehrsteilnehmer geht. Sonstige Anlagen oder Sachen, die auf der Straße aufgestellt oder auf sie aufgebracht werden, namentlich durch diese hervorgerufene Immissionen, die Anlieger oder sonstige Dritte belästigen oder schädigen können, sind vielmehr nach dem insoweit geltenden Fachrecht zu beurteilen und mit den dort gegebenen Ermächtigungsnormen hoheitlich abzuwehren bzw. zwischen privaten Nachbarn auch zivilrechtlich zu klären (BayVGH, B.v. 24.11.2003 – 8 CS 03.2279 – juris Rn. 6).
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Aus der streitbefangenen Sondernutzungserlaubnis folgt daher jedenfalls vom Grundsatz her keine Möglichkeit der Rechtsverletzung der Klägerin. Insbesondere vermitteln die von der Beklagten erlassenen Sondernutzungsrichtlinien keine drittschützende Wirkung, da diese lediglich dazu dienen, das durch Art. 18 BayStrWG eingeräumte Ermessen zu lenken, hingegen nicht zu einer Erweiterung des durch die Norm aufgestellten Entscheidungsprogramms führen.
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2. Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine ausnahmsweise drittschützende, subjektive Rechtsposition berufen.
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Eine solche kann sich im Einzelfall aus dem Anliegergebrauch nach Art. 17 BayStrWG ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2003 – 8 CS 03.2279 – juris Rn. 7). Auf eine durch das Grundrecht des Eigentumsschutzes (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition kann der Anlieger dabei jedoch nicht rekurrieren; wie weit der Anliegergebrauch gewährleistet wird, richtet sich allein nach einschlägigem Straßenrecht, hier also nach Art. 17 BayStrWG (VG München, B.v. 14.6.2018 – M 2 E 18.2405 – juris Rn. 16).
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Art. 17 BayStrWG gewährt dem Straßenanlieger allerdings nur in sehr eingeschränktem Ausmaß eine einklagbare Rechtsposition. Eine Verletzung des Art. 17 BayStrWG käme etwa dann in Betracht, wenn durch die Sondernutzungserlaubnis die für das Grundstück des Antragstellers erforderlichen Zufahrten und Zugänge unzumutbar beeinträchtigt würden. Für eine derart schwerwiegende Beeinträchtigung ist weder etwas vorgetragen noch sind sonst Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.
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Der Anliegergebrauch reicht nur soweit, wie eine angemessene Benutzung des Grundeigentums die Benutzung der Straße erfordert und der Anlieger auf das Vorhandensein und die Benutzung der Straße in spezifischer Weise angewiesen ist. Er steht Einschränkungen oder Erschwernissen der Zufahrtsmöglichkeiten nicht entgegen. Die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit innerörtlicher Grundstücke gewährleistet er nicht (BayVGH, B.v. 24.11.2003 – 8 CS 03.2279 – juris Rn. 7 mit Verweis auf BayVGH, U.v. 27.10.1998 – 8 B 97.1604 – BayVBl 1999, 561/563 m.w.N.). Anlieger können im Rahmen der gewerblichen Nutzung ihres Grundstücks zwar einen sogenannten „Kontakt nach außen“ beanspruchen. Dieser Außenkontakt, als Form des in Art. 14 Abs. 1 GG eigentumsrechtlich geschützten Anliegergebrauchs, erfasst jedoch keinesfalls alle rechtlichen oder faktischen Gegebenheiten, die sich wertsteigernd auswirken. Denn es steht dem Anlieger zwar grundsätzlich frei, aus den konkreten örtlichen Gegebenheiten Vorteile zu ziehen. Anspruch auf eine dauerhafte Aufrechterhaltung derselben hat er aber nicht (VG Berlin, B.v. 7.9.2021 – VG 1 L 370/21 – juris Rn. 19 m.w.N.).
33
Bei Anwendung dieser Maßstäbe kommt eine Verletzung der Anliegerrechte der Klägerin nicht in Betracht.
34
Aus den in den Akten befindlichen Fotoaufnahmen ergibt sich, dass die Freischankfläche selbst nicht zu einer Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks bzw. deren Zufahrt führte, da diese auf dem öffentlichen Verkehrsgrund vor der …straße 7 errichtet wurde.
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Die Klägerin beanstandet vielmehr, dass es mittelbar durch die mit der Aufstellung der Freischankfläche einhergehende Verknappung des Parkraums vor der …straße 7 zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Zu- und Abfahrtsverkehr des Anwesens …straße 9 komme; konkret zu verkehrswidrig geparkten Fahrzeugen, Fahrrädern und der Inanspruchnahme der klägerischen Zufahrt durch das Müllentsorgungsunternehmen.
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Es ist bereits fraglich, ob diese Beeinträchtigungen mit Blick auf die Innenstadtlage des Anwesens …straße 9 überhaupt kausal auf die erteilte Sondernutzungserlaubnis zurückführbar sind und, ob diese mittelbare Wirkung der Beklagten aufgrund der Erteilung der Sondernutzungserlaubnis objektiv zurechenbar ist oder sich insoweit lediglich allgemeine, mit der Innenstadtlage des Anwesens der Klägerin zwangsläufig verbundene Risiken verwirklichen. Selbst wenn ersteres unterstellt würde, wären die durch Dritte verursachten kurzzeitigen Beeinträchtigungen der Anfahrmöglichkeit des klägerischen Grundstücks jedenfalls nicht derart gewichtig, dass sie die angemessene Benutzung des Grundeigentums unzumutbar einschränkten. Insbesondere muss die Anfahrmöglichkeit des Anwesens nicht den gesamten Tag über gegeben sein; es genügt, wenn die Anfahrmöglichkeit zeitlich beschränkt gewährleistet ist (Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand Januar 2023, Art. 14 Rn. 70 m.w.N.). Darüber hinaus war und ist das Parken auf den öffentlichen Flächen weder vor der …straße 7 noch vor der …straße 9 erlaubt. Etwaige Verkehrsverstöße Dritter führen nicht zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids, sondern sind auf Grundlage des Straßenverkehrsrechts abzustellen.
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C. Für die Zulässigkeit der Klage fehlt es weiter an dem nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderlichen berechtigten Feststellungsinteresse der Klägerin.
38
Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein (vgl. BVerwG, U.v. 12.9.1989 – 1 C 40/88 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 11.11.2009 – 6 B 22/09 – juris Rn. 4) und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben (BVerwG, U.v. 12.11.2020 – 2 C 5.19 – juris Rn. 13; VG München, U.v. 7.3.2018 – M 7 K 16.4201 – juris Rn. 20). Dabei muss die gerichtliche Feststellung geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern (BVerwG, Urteil vom 17. November 2016 – 2 C 27.15 – juris Rn. 13 m.w.N.).
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Keine der in der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen ist vorliegend einschlägig.
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Weder liegt eine schwerwiegende Beeinträchtigung des hier einzig in Betracht kommenden Grundrechts aus Art. 14 GG vor (vgl. B.
II. 2.) noch wurden ein Rehabilitationsinteresse oder die Präjudizwirkung des hiesigen Verwaltungsstreitverfahrens von der Klägerin vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Auch besteht keine Wiederholungsgefahr.
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Eine das Fortsetzungsfeststellungsinteresse gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO begründende Wiederholungsgefahr ist immer dann anzunehmen, wenn die hinreichend konkrete Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BayVGH, U.v. 26.4.2022 – 22 B 21.860 – juris Rn. 71).
43
Sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen Umstände haben sich jedoch seit Erlass des streitgegenständlichen Bescheids maßgeblich geändert. Zum einen steht nach den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung fest, dass in der …straße 7 jedenfalls seit Januar 2022 kein Gaststättenbetrieb mehr stattfindet. Demnach fehlt es derzeit bereits an den tatsächlichen Voraussetzungen für die wiederholte Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für eine in räumlichem Zusammenhang mit der Gastwirtschaft stehende Freischankfläche. Zum anderen beruhte die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis an den Beigeladenen im Wesentlichen auf den Ereignissen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Die Erweiterung von Freischankflächen ist nunmehr jedoch weder aus Infektionsschutzgründen erforderlich noch – nach Außerkrafttreten des Abstandsgebots in der BayISMV – rechtlich veranlasst. Die Beklagte hat bereits durch den Stadtratsbeschluss vom 25. November 2021 zu erkennen gegeben, dass entsprechende Sondernutzungen nicht über den 31. März 2022 hinaus geduldet werden würden. Zudem erklärte der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, dass die streitgegenständliche Sondernutzungserlaubnis als erloschen betrachtet würde und die Erteilung einer neuen Sondernutzungserlaubnis nach derzeit geltender Rechtslage erneut geprüft werden müsste. Daher ist jedenfalls ausgeschlossen, dass der Beigeladene oder ein etwaiger Rechtsnachfolger von der bisherigen – nach alter Rechtslage erteilten – Sondernutzungserlaubnis weiter Gebrauch machen kann.
44
D. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Für den Beigeladenen scheidet die Kostentragungspflicht mangels eigenem Antrag bereits nach § 154 Abs. 3 VwGO aus.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.
46
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).