Inhalt

VG München, Beschluss v. 09.10.2023 – M 19L DA 23.3325
Titel:

Vorläufige Dienstenthebung eines Polizeibeamten wegen Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht

Normenkette:
BayDG Art. 39 Abs. 2 S. 1, Art. 61
Leitsätze:
1. Die Prognose, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, ist gerechtfertigt, wenn nach dem Kenntnisstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verfassungstreuepflicht verpflichtet den Beamten nicht, sich die Ziele oder eine bestimmte Politik der jeweiligen Regierung zu eigen zu machen. Gefordert ist aber die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Polizeibeamter muss sein öffentliches außerdienstliches Verhalten so gestalten, dass nicht der Eindruck vermittelt wird, er identifiziere sich mit verfassungsfeindlichem und rechtsstaatswidrigem Gedankengut. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei einer Verletzung der Verfassungstreuepflicht ist ein Beamter im Regelfall aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. (Rn. 76) (redaktioneller Leitsatz)
5. Dass der Beamte straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und ehemals gute dienstliche Leistungen erbracht hat, führt bei einem gravierenden Fehlverhalten nicht zum Absehen von der Höchstmaßnahme. (Rn. 79) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen (abgelehnt), Äußerungen eines Polizeibeamten, insbesondere in den sozialen Medien, mit verschwörungstheoretischen und staatliche Organe und Institutionen verunglimpfenden Inhalten, Polizeibeamter, Disziplinarverfahren, vorläufige Dienstenthebung, Aussetzung, Verfassungstreuepflicht, Verschwörungstheorie, Covid-19, soziale Medien, Meinungsäußerung, Vertrauensverlust, außerdienstliches Verhalten, Höchstmaßnahme, Milderungsgrund
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28660

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen eine von der Disziplinarbehörde verfügte vorläufige Dienstenthebung unter Einbehalt von 50% der monatlichen Bezüge und der jährlichen Sonderzahlung.
2
1. Der am … … 1964 geborene Antragsteller steht seit 1. März 1988 im Dienst der Bayerischen Polizei, seit 7. April 1993 im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit und seit 1. Oktober 2017 im Amt eines Polizeioberkommissars (Besoldungsgruppe A 10). Er war seit 1. März 2015 bis zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte am 19. April 2021 beim Polizeipräsidium … …, Sachgebiet Einsatzzentrale, tätig. In der letzten periodischen Beurteilung im Jahr 2020 erhielt er das Gesamtprädikat von 9 Punkten.
3
Der Antragsteller ist straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Er hat drei erwachsene Kinder; über seinen Familienstand gehen die Aussagen in den vorliegenden Stellungnahmen auseinander (verheiratet/geschieden). Bei ihm besteht ein Grad der Behinderung von 30.
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2. Nach Bekanntwerden einiger Posts des Antragstellers in den sozialen Medien leitete das Polizeipräsidium ... Süd mit Aktenvermerk vom 9. April 2021 disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen ihn ein. Am 19. April 2021 sprach es mit sofortiger Wirkung ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) gegen ihn aus und bestätigte es mit Schreiben vom selben Tag. Seinen hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Polizeipräsidium ... Süd mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2021 zurück. Mit Schreiben vom 5. Juli 2021 setzte es den Antragsteller von der Einleitung des Disziplinarverfahrens in Kenntnis und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung. Er erklärte mit Schreiben vom 30. Juli 2021, dass er sich krankheitsbedingt nicht zur Abgabe einer Stellungnahme in der Lage sehe. Unter dem Datum des 29. Juli 2021 wurde ein Persönlichkeitsbild für ihn erstellt. Mit Schreiben vom 19. August 2021 übernahm das Polizeipräsidium M. das Disziplinarverfahren als Disziplinarbehörde. Dieses dehnte das Disziplinarverfahren mit Schreiben vom 17. November 2022 auf weitere Äußerungen des Antragstellers in den sozialen Medien aus, gab ihm bzw. seiner Bevollmächtigten hierzu erneut die Gelegenheit zur Stellungnahme und hörte ihn gleichzeitig zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung von Bezügen an.
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Im behördlichen Disziplinarverfahren erhielt die Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben des Polizeipräsidiums M. vom 28. Dezember 2022 und 7. Februar 2023 Akteneinsicht. Sie äußerte sich mit Schriftsätzen vom 28. November und 5. Dezember 2022, 9., 10., 11., 16. und 17. Januar sowie 15. Februar 2023.
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3. Mit Verfügung vom 21. Mai 2023 enthob die Disziplinarbehörde den Antragsteller vorläufig des Dienstes (Nr. 1) und behielt 50% seiner monatlichen Bezüge sowie die jährliche Sonderzahlung ein (Nr. 2).
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Ihm wurde im Abschnitt I. der Verfügung unter insgesamt 43 Einzelpunkten vorgeworfen, er habe im Zeitraum zwischen 7. März 2021 und 21. August 2022 kritische Äußerungen zu den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und zur Umsetzung der Maßnahmen durch die Bayerische Polizei mit teils verschwörungstheoretischen Inhalten getätigt. Sämtliche vorgeworfene Äußerungen sind in der Verfügung – teilweise wörtlich – wiedergegeben (dort S. 2-14). Dabei finden sich die Beiträge insbesondere auf dem ...-Account des Antragstellers „… … Offiziell“ unter der Adresse „… … …“ und auf dem Portal „… … …“, teilweise auch auf den Seiten „…de“, „… … …de“ oder „… Blog“. Es handelt sich um von ihm selbst verfasste oder von Dritten getätigte und von ihm – teilweise mit zustimmenden Kommentaren – gepostete Äußerungen oder Veröffentlichungen. Die Äußerungen erfolgten in Form von Text-, Audio- oder Videobotschaften und beinhalten Kritik an der Corona-Politik des Staates und einigen insoweit stattgefundenen Einsätzen der Polizei, insbesondere im Hinblick auf die Festnahme des bereits verstorbenen Polizeibeamten ... a.D. … … Vorgeworfen werden dem Antragsteller außerdem auf einer öffentlichen Corona-Demonstration am 26. April 2021 (Nr. 2), bei der Bekanntgabe des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte am 19. April 2021 (Nr. 13) und in einem am 25. November 2021 mit ihm geführten Interview (Nr. 24) getätigte Aussagen.
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Hierdurch stehe er im Verdacht, ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen zu haben, indem er die ihm obliegenden Pflichten zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) und zu politischer Mäßigung und Zurückhaltung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG) verletzt habe. Die Aktivitäten seien auch nicht unter Verweis auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit gerechtfertigt. Das Verhalten des Antragstellers begründe ein einheitliches Dienstvergehen, wobei der Verstoß gegen die politische Treuepflicht als innerdienstlich anzusehen sei, aber auch das außerdienstliche Fehlverhalten disziplinarrechtlich relevant sei. Gerade das Zusammenspiel der Äußerungen und die für jedermann zugängliche Präsenz in den sozialen Medien führten zu einer erheblichen Schwere des Dienstvergehens. Das Fehlverhalten sei selbst nach dem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte am 19. April 2021 fortgesetzt worden. Das Dienstvergehen wiege so schwer, dass als Disziplinarmaßnahme nur eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis in Betracht komme, weshalb die Voraussetzungen für eine vorläufige Dienstenthebung vorlägen.
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Auch der ausgesprochene Einbehalt sei gerechtfertigt, wenn man von einem Mindestbedarf i.H.v. 1037,30 € (Regelsatz i.H.v. 451 € für ihn und seine Ehefrau plus 15%) ausgehe. Bei einem Einbehalt von 50% erhalte er noch monatliche Nettobezüge i.H.v. 2.261,30 €.
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Die vom Antragsteller getätigten Äußerungen ergeben sich aus der streitgegenständlichen Verfügung, auf die auch hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
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4. Am 6. Juli 2023 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte beim Verwaltungsgericht München beantragen,
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I. die mit Verfügung vom 21. Mai 2023 erlassene vorläufige Dienstenthebung sowie die Einbehaltung von 50% der monatlichen Dienstbezüge und der jährlichen Sonderzahlung aufzuheben.
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II. die vorgenannte vorläufige Dienstenthebung und Einbehaltung von Bezügen auszusetzen.
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Dabei rügte er die Verfahrensführung der Disziplinarbehörde (insbes. fehlendes Personalgespräch vor Einleitung des Disziplinarverfahrens, Unklarheit hinsichtlich des Bekanntwerdens der ersten Vorwürfe, Vorgehen des Dienstherrn bei der Eröffnung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte, unzureichende Gewährung von Akteneinsicht, fehlende abschließende Anhörung, unterbliebene Beteiligung von Schwerbehindertenvertretung und Personalvertretung, Persönlichkeitsbild vom 19.7.2021 nicht in den Akten). Weiter trat er den einzelnen Vorwürfen detailliert entgegen. Zudem trug er vor, die Äußerungen seien von seiner Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt, dies gerade im Hinblick auf die von ihm vorgebrachte Kritik an der Verhältnismäßigkeit von Polizeieinsätzen und wegen der fehlenden Normalität nach Ausruf einer pandemischen Ausnahmelage nationaler Tragweite, bei der sich der Wesensgehalt des Grundgesetzes besonders bewähren müsse. Er habe sich nicht mit den weitergeleiteten Posts identifiziert, sondern diese lediglich zur Diskussion gestellt.
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Zudem machte er erstmals weitere monatliche Belastungen geltend (Antragsschriftsatz S. 55 f.).
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Auf die Antragsschrift wird ebenfalls verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
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Die Disziplinarbehörde trat dem Vorbringen des Antragstellers mit Schreiben vom 7. August 2023 entgegen und beantragte,
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die Anträge abzulehnen.
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Der Antragsteller replizierte mit Schriftsätzen seiner Bevollmächtigten vom 23. August und 18. September 2023 und rügte erneut insbesondere die Akten- und Verfahrensführung durch die Disziplinarbehörde.
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Diese ersuchte den Antragsteller mit Schreiben vom 1. September 2023 um Beibringung von Nachweisen zu seinen in der Antragsschrift geltend gemachten monatlichen Belastungen.
21
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
22
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist dahin auszulegen (Art. 3 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG, § 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), dass einziges Rechtsschutzziel die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen nach der Vorschrift des Art. 61 BayDG ist (Antrag II.). Soweit zusätzlich beantragt wird, die mit Verfügung vom 21. Mai 2023 erlassene vorläufige Dienstenthebung sowie die Einbehaltung von 50% der monatlichen Dienstbezüge und der jährlichen Sonderzahlung aufzuheben (Antrag I.), könnte dies nur durch die Disziplinarbehörde, nicht durch das Verwaltungsgericht geschehen, weil Art. 61 BayDG in der vorliegenden Konstellation andere Rechtsschutzmöglichkeiten verdrängt (vgl. Art. 3 BayDG; Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2022, Art. 61 Rn. 1).
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1. Nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG kann die Disziplinarbehörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird. Nach Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG kann sie gleichzeitig mit oder nach der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass bis zu 50% der monatlichen Bezüge einbehalten werden.
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Nach Art. 61 Abs. 1 BayDG kann der Beamte bei dem Gericht der Hauptsache die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen beantragen. Über den Antrag ist durch Beschluss zu entscheiden (vgl. Art. 61 Abs. 3 BayDG).
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Die vorläufige Dienstenthebung und die Einbehaltung von Bezügen sind nach Art. 61 Abs. 2 BayDG ganz oder zum Teil auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die von der Behörde getroffene Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG ist zu prüfen, ob die in der Anordnung liegende Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, was dann der Fall ist, wenn nach dem Kenntnisstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens die Möglichkeit der Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich ist. Ist es dagegen zumindest ebenso wahrscheinlich, dass eine Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis im Disziplinarverfahren nicht erfolgen wird, sind insoweit ernstliche Zweifel im Sinne des Art. 61 Abs. 2 BayDG zu bejahen. Hinsichtlich des zur Last gelegten Dienstvergehens genügt die Feststellung, dass der Beamte dieses Dienstvergehen mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist, dass es bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist. Da im gerichtlichen Verfahren nach Art. 61 BayDG für eigene Beweiserhebungen im Regelfall kein Raum ist, muss das Gericht anhand einer ihrer Natur nach nur kursorisch möglichen Prüfung des Sachverhalts aufgrund der gerade aktuellen Entscheidungsgrundlage entscheiden (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 16a DS 13.706 – juris Rn. 18).
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2. Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat die Disziplinarbehörde die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers zu Recht ausgesprochen.
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2.1. Die gegenständliche Verfügung ist nicht bereits aufgrund der von der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgebrachten Verfahrensfehler rechtswidrig.
28
2.1.1. Die Bevollmächtigte rügt, dass sich aus den Disziplinarakten nicht ergibt, auf welchem Weg die vom Antragsteller veröffentlichten Inhalte zur Kenntnis des Dienstherrn gelangt sind. Sie meint weiter, dass vor Einleitung des Disziplinarverfahrens ein Personalgespräch mit ihm zur Klärung von Anlass und Ablauf der Polizeieinsätze gegen den ehemaligen Kollegen ... a.D. … … und zu den vom Antragsteller online verbreiteten Meinungsbekundungen durchgeführt werden hätte müssen. Diese beiden vor Einleitung des Disziplinarverfahrens liegenden Umstände begründen – selbst wenn sie zuträfen – keinen Verfahrensfehler. Nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 BayDG ist der Dienstvorgesetzte oder die Disziplinarbehörde bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, zwingend verpflichtet, ein Disziplinarverfahren einzuleiten und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Auf welchem Weg der Dienstherr von diesen tatsächlichen Anhaltspunkten Kenntnis erlangt hat oder ob eventuell aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht heraus ein Gespräch mit dem Beamten angezeigt wäre, ist im Rahmen der Einleitungsverpflichtung unerheblich und lässt diese nicht entfallen.
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2.1.2. Auch aus den von der Bevollmächtigten detailliert dargestellten näheren Umständen des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte am 19. April 2021 (vgl. Antragsschrift S. 23 f. und Schriftsatz v. 5.12.2022 im behördlichen Disziplinarverfahren) ergibt sich kein Fehler des Disziplinarverfahrens. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 39 BeamtStG stellt eine selbstständig anfechtbare beamtenrechtliche Maßnahme dar, gegen die hier auch Widerspruch erhoben wurde, wohingegen das Disziplinarverfahren hier bereits mit Aktenvermerk vom 9. April 2021 (Akte SG EZ, S. 65) eingeleitet wurde.
30
2.1.3. Auch die Rüge der Bevollmächtigten im Hinblick auf nicht oder nicht ausreichend gewährte Akteneinsicht greift nicht durch. Der Beamte wurde nach Art. 22 Abs. 1 BayDG mit Schreiben vom 5. Juli 2021 und 17. November 2022 über die Einleitung und Ausdehnung des Disziplinarverfahrens und die einzelnen gegen ihn erhobenen Vorwürfe unterrichtet. Die Bevollmächtigte erhielt mit Schreiben des Polizeipräsidiums M. vom 28. Dezember 2022 und vom 7. Februar 2023 Einsicht in die disziplinarrechtlichen Ermittlungsakten.
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2.1.4. Anders als von ihr vorgetragen bedurfte es vor Erlass der streitgegenständlichen Verfügung keiner abschließenden Anhörung. Eine solche ist nach Art. 32 Satz 1 Halbs. 1 BayDG erst nach der Beendigung der Ermittlungen durchzuführen, die hier noch nicht vorliegt.
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2.1.5. Das Persönlichkeitsbild vom 29. Juli 2021 (und nicht wie von der Bevollmächtigten vorgetragen v. 19.7.2021) befindet sich in der Disziplinarakte (DA PPM, S. 324).
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2.1.6. Entgegen der Rüge der Bevollmächtigten bedurfte es vor Erlass der streitgegenständlichen Verfügung nicht der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und der Personalvertretung, die mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2022 beantragt wurden. Die zuständige Schwerbehindertenvertretung war nicht nach § 178 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX einzubinden, weil bei dem Antragsteller ein Grad der Behinderung von (nur) 30 besteht, der nicht zur Schwerbehinderteneigenschaft (erst ab GdB 50, vgl. § 2 Abs. 2 SGB IX) führt und auch eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX nicht erfolgt bzw. nachgewiesen ist. Eine Mitwirkung des Personalrats ist vor der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen nicht vorgeschrieben. Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Bayerisches Personalvertretungsgesetz (BayPVG) sieht ein Mitwirkungsrecht des Personalrats nur bei Erlass einer Disziplinarverfügung und Erhebung der Disziplinarklage vor, nicht aber bei Anordnung vorläufiger Maßnahmen nach Art. 39 BayDG (Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2022, Art. 39 Rn. 52).
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2.2. Das Gericht legt seiner Entscheidung in tatsächlicher Hinsicht die Vorwürfe aus der streitgegenständlichen Verfügung zugrunde.
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2.2.1. Danach hat der Antragsteller im Zeitraum vom 7. März 2021 bis 21. August 2022 vielfach kritische Äußerungen zu den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und zur Umsetzung der Maßnahmen durch die Bayerische Polizei getätigt und auch verschwörungstheoretische Ansichten vertreten. Die Mehrzahl der Beiträge findet sich auf seinem ...-Account „… … …“, teilweise auch auf den Seiten „Polizisten für Aufklärung“, „…de“, „… … …de“ und „… Blog“. Daneben liegen entsprechende Äußerungen vor, die auf einer öffentlichen Corona-Demonstration am … April 2021 in … … (Nr. 2), bei der Bekanntgabe des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte am 19. April 2021 (Nr. 13) und in einem am 25. November 2021 mit ihm geführten Interview (Nr. 24) getätigt wurden. Auf den Inhalt der Äußerungen, die in der Disziplinarverfügung überwiegend wörtlich wiedergegeben werden, wird verwiesen. Darüber hinaus ergeben sich aus den Disziplinarakten weitere einschlägige Äußerungen des Antragstellers, die bislang nicht zum Gegenstand des Disziplinarverfahrens gemacht wurden.
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2.2.2. Zwar ist – wie von der Bevollmächtigten gerügt – seitens der Disziplinarbehörde eine weitere Aufarbeitung und Präzisierung der gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe vorzunehmen. So lassen sich die ihm vorgeworfenen Äußerungen derzeit nur mit entsprechender „Puzzle-Arbeit“ in den vorgelegten Disziplinarakten und auf den beigefügten CDs nachvollziehen. Zur besseren Übersichtlichkeit und Auffindbarkeit wird daher im Fortgang des Disziplinarverfahrens bei den einzelnen Vorwürfen auf die jeweilige Fundstelle in den Disziplinarakten und gegebenenfalls auf den diesen beigefügten CDs hinzuweisen sein.
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In Zusammenhang zu schildern sind weiter die Vorkommnisse um die einmalige oder mehrfache Festnahme des verstorbenen Polizeibeamten ... a.D. … …, die von dem Antragsteller mehrfach kritisiert wurden, sich aber im Ganzen weder aus den vorgelegten Disziplinarakten und den beiliegenden CDs noch aus der streitgegenständlichen Verfügung entnehmen lassen und sich daher einer differenzierten Beurteilung durch das Gericht entziehen.
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Derzeit nicht nachvollziehbar sind die vom Antragsteller bei der öffentlichen Corona-Demonstration am 26. April 2021 in … … getätigten Äußerungen (Vorwurf 2). Gleiches gilt für die Rede von Bernd Bayerlein von „Polizisten für Aufklärung“ (Vorwurf 39). Die Inhalte der vorgeworfenen Äußerungen lassen sich weder den vorgelegten Disziplinarakten (vgl. Ordner EZ, S. 242 bzw. Ordner DA, S. 196) noch der streitgegenständlichen Verfügung entnehmen. Auch insoweit besteht Nachbesserungsbedarf oder wird das Verfahren nach Art. 21 Abs. 2 Satz 1 BayDG zu beschränken sein.
39
2.2.3. Dennoch erscheinen die dem Antragsteller vorwerfbaren Äußerungen aber bereits jetzt so ausreichend nachgewiesen und nachvollziehbar, dass das von ihm vertretene Gedankengut deutlich zu Tage tritt. Insoweit sind beispielsweise folgende Äußerungen zu nennen:
40
„De Demokratie is g´storbn in Thüringen. … Der Rechtsstaat is g´storbn am 14.2.2021, da is er endgültig g´storbn, ois an … … als Redner, als Protestredner einer angemeldeten und genehmigten Veranstaltung von der Bühne g´holt ham.“ (Video des Antragstellers am 30.3.2021 auf seinem ...-Kanal unter Hinweis auf seine Stellung als Polizeibeamter und Mitglied im Verein „Polizisten für Aufklärung“, Vorwurf 1a)
41
„Es ist wieder a Haufen passiert heute und das mit dem … …, diese Festnahme in Anführungszeichen, ist die absolute Krönung. Also ein Offenbarungseid, dass in unserem Staat Rechtsstaatlichkeit nur noch auf dem Papier vorhanden ist. Könnte man in Hollywood nicht besser fabrizieren. Also ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie die Kollegen auf den Gedanken kommen, dass sie in einem rechtsstaatlichen System rechtsstaatlich agieren, dass das alles rechtmäßig ist. Keine Chance, das irgendwie nachzuvollziehen, was in diesen Köpfen vorgeht, was sie sich davon versprechen. Ich weiß nur, was da wirklich passiert. Dieses Video, das hier vom … … seiner Festnahme gemacht worden ist, wenn das hoffentlich viral geht, dann sehen ein Haufen Leut, was Sache in Deutschland ist. Dass wir im Vierten Reich sind. Nichts anderes. … Weil langsam die Blödesten in diesem Land kapieren, was abgeht. Langsam dürfte der Dümmste es merken, dass das alles mit Demokratie und Rechtsstaat nichts mehr zu tun hat.“ (Video des Antragstellers am 11.4.2021 auf seinem Telegram-Kanal, Vorwurf 1b)
42
Erneute Äußerung zur Verhaftung von … …: „Es mag komisch klingen, aber ich freu mich, wenn so etwas passiert und publik gemacht wird. Warum? Diese Taten sprechen viel deutlicher als alle unsere Worte es je könnten. Solche Aktionen sind ein diktatorischer Offenbarungseid. Der 14. Februar war der Tag, an dem der Rechtsstaat und die Demokratie in Deutschland erkennbar starben. Nirgends, niemals auf unserer großen weiten Welt, wurde in einem funktionierenden Rechtsstaat, einer funktionierenden Demokratie während einer angemeldeten und genehmigten Veranstaltung ein Protestredner live durch die Polizei von der Bühne heruntergezerrt und in Gewahrsam genommen. Nirgends, niemals! Warum? Weil es für derartige Maßnahmen in einem Rechtsstaat, einer funktionierenden Demokratie keine Rechtfertigung gibt.“ (Kommentar des Antragstellers v. 9.3.2021 auf dem Telegram-Kanal „Polizisten für Aufklärung“ bzw. „… Blog“, Vorwurf 4)
43
„Wenn du nicht mehr einverstanden bist mit dieser Art „Polizeiarbeit“ und du gegen deine persönlichen Überzeugungen und dein Gewissen deinen Dienst verrichtest, dann findest du bei „Polizisten für Aufklärung“ kompetente Ansprechpartner, die dir in deiner Not mit Rat und Tat beiseite stehen.“ (Kommentar des Antragstellers am 12.3.2021 auf dem ...-Kanal „Polizisten für Aufklärung“, Vorwurf 5)
44
Weiterleitung einer Nachricht von … … am 30. März 2021 durch den Antragsteller auf seinem Telegram-Kanal; die Nachricht von … … hat folgenden Inhalt: „Das was kriminelle Politiker und kriminelle Medienvertreter hier mit dem Land und mit der Bevölkerung anstellen, ist sofort beendet in dem Moment, wo ihr nicht mehr mitmacht. Wie die Polizisten und Soldaten sich nicht mehr von diesen Kriminellen missbrauchen lassen. Wir brauchen keinen Aufstand, wir brauchen keine Revolution, ihr müsst einfach nur sagen, wir machen nicht mehr mit. Wenn ihr das tut, ist von einer Sekunde auf die andere dieses korrupte verlogene System zu Ende und wir können als selbst denkende, souveräne, freie Menschen eine neue Gesellschaftsform aufbauen, in der wir entscheiden, wie wir leben, wofür wir Steuern zahlen möchten.“
45
Der Antragsteller kommentierte diesen Post mit den Worten: „Dem ist nichts hinzuzufügen.“ (Vorwurf 6)
46
„Wenn i des ganze zam nimm und i schaug mia o, was de Polizisten, was de Polizei oder der einzelne Polizist da verbricht teilweis, wenn sie mit friedlichen Demonstranten umgehn, wias ganze Versammlungen auflösn, wenn´s hilflose Männer abführn wegen blöden Maskenverstößen. Erstens des Karma, des sie do b´stelln, des mecht i ned abhoin müassn, ehrlich ned. Irgendwann kummt do irgendwie de große Schauffe von oben runter. …
47
Des andere is, dadurch dass de so mit de Leid umgehn, is eigentlich überhaupt koa Zweifel mehr offen, in wos für am Land dass mia leb´n. Es ist klar wie Klosbrühe, hod ma früher gsogt, wos hier los ist in diesem Land. Und sie san sich dessen ned bewusst, des is da Wahnsinn. Also mia leb´n schon lang nimma in oana Demokratie. Die Demokratie is g´storbn in Thüringen, weil in am Land, wo so lang g´wählt wird bis as Ergebnis stimmt, des ko ned demokratisch sei, des geht gar ned.
48
Da Rechtsstaat is g´storbn am 14.2.2021, do is er endgültig g´storbn, ois an … … als Redner, als Protestredner einer angemeldeten und genehmigten Versammlung von der Bühne g´hoit ham. …“ (Video des Antragstellers am 30.3.2021 auf ...-Kanal „… … Offiziell“, Vorwurf 7)
49
„Ich habe heute in den Nachrichten gehört, unsere liebe … will das Ganze selbst in die Hand nehmen, weil das in den Ländern irgendwie zu uneinheitlich gehandhabt wird. … Ja, also mittlerweile ähnelt das Ganze, was wir hier haben in Deutschland, eher einer ... Monarchie, Kaiserin von Deutschland und König von irgendeinem Bundesland oder der Bundesländer. So Leute, ehrlich wahr, wer hier nur ansatzweise irgendetwas Demokratisches noch entdecken kann, der ist schon mit sehr viel Fantasie gesegnet.“ (Video des Antragstellers am 9.4.2021 auf Telegram-Kanal „… … Offiziell“, Vorwurf 11)
50
Bestätigung der Aussage zum Vierten Reich bei Eröffnung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte am 19. April 2021 (Vorwurf 13)
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Kommentar des Antragstellers am 22.9.2021 auf Telegram-Kanal „… … Offiziell“ zur Äußerung von … …, der sich für eine Impfpflicht ausspricht: „Fragt euch mal, wieso sie alle impfen wollen. Es geht nicht um eine Krankheit, es geht um Corona! Es geht um einen Plan, einen Plan, der seit Generationen vorbereitet ist und wir werden Zeitzeugen dieser Ausführung! Es ist eine Dezimierung der Weltbevölkerung! Es ist der größte Genozid und Massenmord der Menschheitsgeschichte!“ (Vorwurf 16)
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„Sie haben nichts dazugelernt!
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In der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar gibt es eine neue Ausstellung unter dem Titel „Ausgrenzung und Gewalt 1937-1945“. Ungeimpfte Menschen dürfen diese Ausstellung nicht besuchen.“ (Repost am 23.11.2021 auf Telegram-Kanal „… … Offiziell“, Vorwurf 22)
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Äußerung des Antragstellers im Interview am 25. November 2021 auf die Frage, ob es noch eine unerwartete Wende geben könnte im Hinblick auf seine Suspendierung: „Will ich das denn wirklich, so ohne, dass sich dort was ändert? Mich wieder zum Werkzeug machen lassen, das dieses System unterstützt? Ganz schwer.“ (Vorwurf 24)
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„ „…“ – neue Maßeinheit der Dimension Widerstand
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Danke, … für 100 …!
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≙ 1 …“
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(Das Foto von zwei Personen, die ein Banner mit dieser Aufschrift tragen, wurde am 29.11.2021 auf dem ...-Kanal „… … Offiziell“ gepostet; Vorwurf 25).
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Aus den vorstehenden – beispielhaft herausgegriffenen – Äußerungen des Antragstellers ergibt sich bei einer Zusammenschau die von ihm vertretene Auffassung, dass die Bundesrepublik infolge der Corona-Maßnahmen der Regierung keine Demokratie und kein Rechtsstaat mehr sei. Die politischen Maßnahmen folgten vielmehr einem vorgefertigten Plan mit dem Ziel, Andersdenkende zu unterdrücken, ein totalitäres System vergleichbar dem Dritten Reich zu errichten und die Dezimierung der Weltbevölkerung zu erreichen. Hierzu wirkten die Bundesregierung und/ oder die Landesregierungen manipulativ auf die Bürger ein. Die Polizei werde zum bloßen Werkzeug gemacht, das dieses Unrechtssystem unterstützen solle und die Grundsätze polizeilichen Handelns aus den Augen verliere, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, was sich insbesondere bei der Verhaftung des verstorbenen Polizeikollegen ... a.D. … … und dem Vorgehen gegen Maskenverweigerer gezeigt habe. Zudem werden Parallelen zwischen dem staatlichen Vorgehen während der Corona-Pandemie und zur Zeit des Nationalsozialismus gezogen und die Presse diffamierende Äußerungen weitergeleitet.
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Die vorstehende Auffassung äußert der Antragsteller überwiegend selbst in seinen Videobotschaften und Kommentaren. Sie kommt daneben in von ihm weitergeleiteten Posts zum Ausdruck, die von anderen Akteuren – wie etwa … … (Vorwurf 6) – verfasst wurden oder allgemein im Internet zugänglich sind (vgl. etwa Vorwürfe 15, 19, 21, 22, 23, 30, 33-35). Deren Meinung macht sich der Antragsteller durch den Repost zu eigen, indem er die Beiträge entweder kommentarlos oder gar mit unterstützenden Kommentaren auf seinem ...-Account veröffentlicht. So teilt er etwa die Auffassung von … … mit den Worten „Dem ist nichts hinzuzufügen.“ (Vorwurf 6) und die Ansprache „An alle Ungeimpften“, die dem Versuch zu Manipulation und Gehirnwäsche widerstanden haben, mit dem Text „Ich bin geboren, um wild und frei zu sein. Ich habe die Schnauze voll vom,brav sein´ und vom,funktionieren´“. Wird langsam Zeit, die Sau rauszulassen.“ (Vorwurf 26). Nicht zutreffend erscheint der Vortrag der Bevollmächtigten, der Antragsteller habe mit der Weiterleitung von Beiträgen Dritter lediglich eine gesamtgesellschaftliche Diskussion anstoßen wollen, ohne die entsprechende Meinung zu teilen. Er hat die vorgeworfenen Äußerungen Dritter vielmehr weitergeleitet, ohne sie zu relativieren oder sich von ihnen zu distanzieren. Im Gegenteil hat er sie teilweise durch bestätigende Kommentare unterstützt (insbes. Vorwürfe 6 und 26). Daneben entsprechen die weitergeleiteten Posts offensichtlich dem im Übrigen vom Antragsteller vertretenen Gedankengut.
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2.3. Mit seinem Verhalten hat der Antragsteller die beamtenrechtlichen Pflichten zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG; vgl. 2.3.1.), zu politischer Mäßigung und Zurückhaltung (§ 33 Abs. 2 BeamtStG; vgl. 2.3.2) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG; vgl. 2.3.3.) verletzt. Das Gericht teilt insoweit die in der streitgegenständlichen Verfügung (dort S. 17-25) vertretene Auffassung der Disziplinarbehörde.
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2.3.1. Mit seinen Posts und Äußerungen hat der Antragsteller seine Verfassungstreuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verletzt. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG), dass sich der Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die er vereidigt ist, bekennt und für sie eintritt.
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Der Beamte, der „sozusagen als Staat Befehle geben kann“, muss sich mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Damit ist nicht eine Verpflichtung gemeint, sich die Ziele oder eine bestimmte Politik der jeweiligen Regierung zu eigen zu machen. Gefordert ist aber die Bereitschaft, sich mit der Idee des Staates, dem der Beamte dienen soll, mit der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung dieses Staates zu identifizieren und für sie einzutreten. Dies schließt nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln einzutreten, solange in diesem Gewand nicht eben dieser Staat und seine verfassungsmäßige Grundlage in Frage gestellt werden. An einer „unkritischen“ Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben. Unverzichtbar ist aber, dass der Beamte den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung bejaht, sie als schützenswert anerkennt, in diesem Sinne sich zu ihnen bekennt und aktiv für sie eintritt. Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen (BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 15 f.).
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Jedenfalls Teile der Veröffentlichungen des Antragstellers widersprechen der Verfassungstreuepflicht. Zulässig ist zwar eine sachliche, wenn auch kritische Auseinandersetzung eines Beamten mit den staatlichen Corona-Maßnahmen und polizeilichem Handeln und insbesondere die Rüge, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz werde bei einzelnen staatlich verordneten oder polizeilichen Maßnahmen nicht ausreichend beachtet. Die Äußerungen des Antragstellers, deren Inhalt unter Heranziehung des gesamten Kontextes der Erklärungen zu ermitteln ist (BVerfG, B.v. 10.7.1992 – 2 BvR 1802/91 – juris Rn. 63), überschreiten jedoch den zulässigen Rahmen einer berechtigten Kritik auf sachlicher Ebene. Sie begründen den Eindruck, er werde bei seiner Dienstausübung nicht loyal gegenüber seinem Dienstherrn und nicht neutral gegenüber jedermann sein und dienstlichen Anordnungen unter Umständen nicht folgen (vgl. Masuch, Vom Maß der Freiheit – Der Beamte zwischen Meinungsfreiheit und Mäßigungsgebot, NVwZ 2021, 523 f.).
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So belässt es der Antragsteller im Hinblick auf die Festnahme(n) von ... a.D. … … nicht bei der Darstellung der Ereignisse und dem Hinweis auf die Umstände, die den Grundsätzen polizeilichen Handelns, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, widersprechen. Stattdessen stellt er mit der Behauptung, es gebe in Deutschland keinen Rechtsstaat und keine Demokratie mehr (Vorwürfe 1a und b, 4, 7, 11, 12 und 24), den Fortbestand der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland grundlegend in Frage. Mit der Gleichsetzung staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mit Maßnahmen während des Nationalsozialismus, indem er mehrfach den Ausspruch „Viertes Reich“ verwendet (Vorwürfe 1b, 13 und 24) oder die damalige Widerstandsbewegung mit Maßnahmen der Corona-Gegner vergleicht (Vorwürfe 22 und 25), wirft er der Bundesrepublik Deutschland undemokratisches und menschenverachtendes Handeln vor. Hierdurch verstößt er gegen die beamtenrechtliche Treuepflicht (ebenso OVG Lüneburg, U.v. 14.3.2023 – 3 LD 7/22 – juris Rn. 192 f.).
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Gleiches gilt für seine Äußerungen mit verschwörungstheoretischen Inhalten. So verbreitet der Antragsteller das Narrativ, hinter den staatlichen Corona-Maßnahmen stehe der große (wohl internationale) Plan (wohl einer globalen Finanz- und Politikelite), eine neue Welt- und Staatsordnung zu etablieren und hierdurch individuelle Freiheiten der Bevölkerung einzuschränken; deshalb sei das Corona-Virus vorsätzlich und mit dem Ziel verbreitet worden, eine Pandemie auszulösen und so diesen Weg zu ebnen. Dabei suggeriert er mit seinen Kommentaren eine Mitwirkung der Bundesregierung an diesem Plan und einen Einsatz der Polizei hierbei als Werkzeug und verstößt damit gegen seine Verfassungstreuepflicht (anders OVG Lüneburg, U.v. 14.3.2023 – 3 LD 7/22 – juris Rn. 128 f. und 147 ff., das durch dieses Verhalten nur die Pflicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG verletzt sieht).
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2.3.2. Mit einigen der Posts hat der Antragsteller auch die Pflicht zu Mäßigung und Zurückhaltung aus § 33 Abs. 2 BeamtStG verletzt. Dies gilt in inhaltlicher Hinsicht ebenso wie im Hinblick auf den mehrfachen Hinweis auf seine Stellung als Polizeibeamter und die damit implizierte Inanspruchnahme besonderer Sachkunde.
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2.3.3. Durch sein gesamtes Verhalten hat der Antragsteller weiter die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verletzt. Statt der Verbreitung verschwörungstheoretischer und staatliche Stellen verunglimpfender Beiträge wäre eine ausreichende Distanzierung von der von der Verschwörungsbewegung vorgenommenen verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates (vgl. insoweit den Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums von 2021, S. 24 ff.) zu erwarten gewesen.
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2.3.4. Anders als die Bevollmächtigte vorträgt sind die Äußerungen des Antragstellers nicht von seiner Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt. Bei einem Widerstreit zwischen der beamtenrechtlichen Treuepflicht und den Grundrechten, die dem Antragsteller auch als Beamten zustehen, stoßen zwei Grundentscheidungen des Grundgesetzes aufeinander, nämlich die Garantie eines für den Staat unentbehrlichen, ihn tragenden, verlässlichen, die freiheitliche demokratische Grundordnung bejahenden Beamtenkörpers und die Garantie der individuellen Freiheitsrechte, hier insbesondere des Grundrechts der freien Meinungsäußerung. Der notwendige Ausgleich ist so zu suchen, dass die für die Erhaltung eines intakten Beamtentums unerlässlich zu fordernden Pflichten des Beamten die Wahrnehmung von Grundrechten durch den Beamten einschränken (BVerfG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73 – juris Rn. 96). Das Grundrecht auf Meinungsäußerung hat also dort zurückzutreten, wo – wie hier – die Verfassungstreuepflicht und weitere beamtenrechtliche Pflichten in unzulässiger Weise tangiert sind. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass der Antragsteller zwar sachliche Kritik an Regierungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie oder an polizeilichen Maßnahmen etwa im Hinblick auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes äußern kann. Hierüber gehen die getätigten Äußerungen unter Verbreiten von Verschwörungstheorien und Verunglimpfung staatlicher Institutionen und Organe jedoch weit hinaus.
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Dies gilt im vorliegenden Fall auch deshalb, weil der Antragsteller für seine Aussagen jedenfalls teilweise die besondere Sach- und Fachkompetenz und Vertrauensstellung eines Polizeibeamten in Anspruch nahm. Dies ergibt sich aus seinem mehrfachen Hinweis auf seine Stellung als Polizeibeamter und auf sein Engagement bei „Polizisten für Aufklärung“.
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Soweit die Bevollmächtigte darauf hinweist, die beamtenrechtlichen Pflichten seien wegen der fehlenden Normalität nach Ausruf einer pandemischen Ausnahmelage nationaler Tragweite suspendiert oder wesentlich eingeschränkt gewesen, ist dem nicht zu folgen. Diese Argumentation verkennt, dass dem Antragsteller als Polizeibeamten kontinuierlich beamtenrechtliche Pflichten obliegen und er gerade in der Zeit der Corona-Pandemie mit besonderen Schwierigkeiten für staatliche Institutionen und Organe sowie gesellschaftlicher Unsicherheit besonders gehalten ist, bei den Staat und die Staatsgewalt aushöhlenden Äußerungen Zurückhaltung zu üben.
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2.4. Die Äußerungen des Antragstellers erfolgten nahezu ausschließlich außerdienstlich (mit Ausnahme der Aussage bei der Eröffnung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte, Vorwurf 13). Ungeachtet dessen ist der Verstoß gegen die politische Treuepflicht, die als beamtenrechtliche Kernpflicht wegen ihrer Unteilbarkeit nicht auf den dienstlichen Raum beschränkt ist, stets als Vergehen innerhalb des Dienstes zu werten (BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 26; BayVGH, U.v. 20.7.2022 – 16a D 20.1464 – juris Rn. 16).
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Unabhängig davon erfüllen die Beiträge des Antragstellers auch die qualifizierenden Voraussetzungen von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Nach dieser Vorschrift ist ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Die Äußerung von Verschwörungstheorien und die Verunglimpfung staatlicher Institutionen und Organe durch einen Polizeibeamten unter Berufung auf eben diese Stellung weisen einen so engen Bezug zum Amt des Antragstellers auf, dass die disziplinarrechtlich relevante Erheblichkeitsschwelle von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG überschritten ist. Mit den vorgeworfenen Äußerungen erweckt der Antragsteller den Eindruck, nicht mehr uneingeschränkt zur verfassungsmäßigen Ordnung zu stehen, deren Repräsentant auch er ist. Wenn ein Polizeibeamter Verschwörungstheorien verbreitet und die staatlichen Institutionen sowie das politische System generell in Frage stellt, begründet dieses Handeln durchgreifende Zweifel an seiner persönlichen Eignung für seine dienstliche Tätigkeit und beeinträchtigt in erheblichem Maße das Vertrauen, das jeder Bürger ihm bei seiner Amtsausübung entgegenbringt.
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Die vorstehenden Aussagen gelten entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten auch für den bislang in der Verkehrsleitzentrale tätigen Antragsteller. Bezugspunkt für die Vertrauensbeeinträchtigung außerdienstlichen Verhaltens ist nicht das Amt im konkret-funktionellen Sinne – und damit die mit einem gegenwärtig innegehabten Dienstposten verbundene Tätigkeit –, sondern das Amt im statusrechtlichen Sinne, das für den amtsangemessenen Aufgabenbereich eines Beamten und seine künftige Verwendung entscheidend ist (BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 16 f.). Deshalb hat gerade der Antragsteller als Polizeibeamter sein öffentliches außerdienstliches Verhalten so zu gestalten, dass nicht der Eindruck vermittelt wird, er identifiziere sich mit verfassungsfeindlichem und rechtsstaatswidrigem Gedankengut.
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2.5. Der Antragsteller handelte mit Wissen und Wollen, also jeweils vorsätzlich.
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2.6. Er hat durch das vorgeworfene Verhalten ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Insgesamt ist es überwiegend wahrscheinlich, dass in der Hauptsache die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gegen ihn ausgesprochen werden wird. Bei einer Verletzung der Verfassungstreuepflicht ist ein Beamter im Regelfall aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es nicht zu, Personen mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen, die die freiheitliche demokratische Verfassungsordnung ablehnen (BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 91). Durch die Verbreitung verschwörungstheoretischer und staatliche Organe verunglimpfender Äußerungen hat der Antragsteller das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in eine ordnungsgemäße Amtsausübung erschüttert. Verstärkt wird diese Gewichtung dadurch, dass er sein Verhalten auch nach Ausspruch des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte im April 2021 fortgesetzt hat. Seine Äußerungen waren durch die Verbreitung auf den sozialen Medien gerade darauf gerichtet, einer Vielzahl von Personen bekannt zu werden. Weiter erschwerend ist zu bewerten, dass er bei seinen Auftritten gerade seine dienstliche Stellung als Polizeibeamter betonte, um den Äußerungen ein stärkeres Gewicht zu verleihen. Den damit möglicherweise verbundenen Schaden für die öffentliche Wahrnehmung der Polizei nahm er dabei billigend in Kauf.
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Hiernach ist Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
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2.7. Von der voraussichtlich auszusprechenden Höchstmaßnahme ist auch nicht ausnahmsweise zugunsten einer milderen Disziplinarmaßnahme abzusehen, weil Milderungsgründe vorliegen, die das schwere Dienstvergehen des Antragstellers als weniger gravierend erscheinen lassen.
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Zu denken ist insoweit an die fehlende Vorbelastung und seine bis zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte am 19. April 2021 anerkennenswerten dienstlichen Leistungen, die in dem Persönlichkeitsbild vom 29. Juli 2021 Erwähnung finden. Angesichts der Schwere des Dienstvergehens kann die Tatsache, dass er straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und ehemals gute dienstliche Leistungen erbracht hat, jedoch nicht zum Ausspruch einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Ein solches Verhalten stellt lediglich den Regelfall dar, führt bei einem derart gravierenden Fehlverhalten aber nicht zum Absehen von der Höchstmaßnahme (BayVGH, U.v. 26.10.2022 – 16a D 21.2136 – juris Rn. 43).
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Weiter liegt auch keine Abkehr oder Distanzierung von den vertretenen Inhalten vor. Der Antragsteller hat vielmehr in der Zeit vom 7. März 2021 bis 21. August 2022 und damit für die Dauer von knapp 18 Monate vorwerfbare Inhalte verbreitet. Nach Beginn des Ukrainekrieges veröffentlichte er Posts mit prorussischen und auch ansonsten zweifelhaftem Inhalt (Vorwürfe 36, 38, 40 und 41). Zwar stammt die letzte vorgeworfene Veröffentlichung vom 21. August 2022 und ergeben sich für die Zeit danach keine weiteren Veröffentlichungen mehr aus den vorgelegten Akten. Eine explizite Distanzierung von den geposteten Inhalten erfolgte jedoch nicht.
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2.8. In einer Gesamtschau der derzeit bekannten Umstände ist daher die Prognose der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu treffen und die vorläufige Dienstenthebung deshalb nicht zu beanstanden.
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3. Der vom Antragsgegner ausgesprochene Einbehaltungssatz i.H.v. 50% der monatlichen Bezüge und der jährlichen Sonderzuwendung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Bei einer Kürzung in Höhe von 50% verbleiben dem Antragsteller monatlich 2.261,30 € (vgl. DA S. 356). Dem steht ein Bedarf i.H.v. 1037,30 € (Regelsatz i.H.v. 451 € für ihn und seine Ehefrau plus 15%) gegenüber, sodass ihm ein zusätzlicher monatlicher Betrag i.H.v. 1224 € zur Verfügung steht. Hiervon kann der Antragsteller die erstmals und ohne Nachweise in der Antragsschrift (dort S. 55 f.) geltend gemachten monatlichen Belastungen für Versicherungen (Unfall-, Hausrat- und Haftpflicht-, Rechtsschutz-, Geräte- und Krankenversicherung) i.H.v. 410,48 € bezahlen.
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Soweit er weiter Kosten für die Krankenversicherung seiner ehemaligen Ehefrau S. R. i.H.v. 210,83 € monatlich geltend macht, ist ohne weitere Darlegung nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der Antragsteller zur Tagung dieser Kosten pflichtet ist.
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Auch wenn dem Beamten grundsätzlich die Möglichkeit zur Schuldentilgung bleiben muss (Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2022, Art. 39 Rn. 37), erschließt sich im Hinblick auf die darüber hinaus ebenfalls ohne Nachweise geltend gemachten Kosten für die Rückzahlung von Krediten (...card, Kreditkarte, Darlehenstilgung, ... Girokonto, Hausdarlehen, Pkw) i.H.v. insgesamt 1355,14 € monatlich nicht, wofür diese Zahlungen anfallen und dass sie tatsächlich seit längerem getätigt werden. Insoweit ist der Antragsteller seiner Darlegungslast nicht nachgekommen, die sich in einem auf die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge gerichteten Verwaltungsverfahren aus Art. 3 BayDG i.V.m. Art. 26 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), im gerichtlichen Verfahren nach Art. 61 BayDG aus Art. 3 BayDG i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO ergibt (BayVGH, B.v. 24.1.2013 – 16a DS 12.2337 – juris Rn. 20). Neben der Vorlage der Kreditverträge wäre auszuführen gewesen, für welche Ausgaben die Kredite seinerzeit ausgereicht wurden. Diese Angaben sind erforderlich, um zu beurteilen, ob die Kredittilgung den anzuerkennenden Ausgaben unterfällt oder möglicherweise auf einer unangemessenen, durch freien Entschluss herbeigeführten Lebenshaltung beruht.
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Soweit darüber hinaus Kosten i.H.v. 599 € monatlich für Zahlungen in einen Bausparvertrag geltend gemacht werden, ist zu prüfen, ob nicht eine vorübergehende Stilllegung der Zahlungen in Betracht kommt.
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Jedenfalls ist der Antragsteller in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und seine Ehefrau nebst den vorgetragenen Ausgaben für Versicherungen zu tragen; danach verbleibt ihm noch immer ein Betrag i.H.v. 813,52, mit dem er die übrigen vorgetragenen Belastungen begleichen kann.
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Für den Fall, dass er von seiner Ehefrau geschieden sein oder mit ihr nicht mehr in einer Lebensgemeinschaft leben sollte, würde sich sein Bedarf ohnehin um 518,65 € verringern. Stattdessen wäre zu prüfen, ob infolge der dann getrennten Wohnungen nun höhere Kosten für Wohnen anfallen und ihrerseits Anspruch auf Unterhalt besteht. Andernfalls wären für den Fall, dass die eheliche Lebensgemeinschaft fortbesteht, auch die Einkünfte der Ehefrau anzurechnen.
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Der Antrag war daher insgesamt abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG gerichtskostenfrei.