Titel:
Anspruch auf förmliche Beglaubigung eines nicht rechtskräftigen Strafurteils in Form einer Apostille
Normenketten:
EGGVG § 23
BeurkG § 4
Leitsätze:
1. Für den Antrag auf eine förmliche Beglaubigung eines Strafurteils in Form einer Apostille ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet. (Rn. 5)
2. Einem Antrag auf Erstellung einer Apostille kann § 4 BeurkG i.V.m. § 1 Abs. 2 BeurkG entgegenstehen. Nach dieser Regelung soll eine Beurkundung abgelehnt werden, wenn sie mit den Amtspflichten der Urkundsperson nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn ihre Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. (Rn. 12 – 13)
3. Die Urkundsperson muss ihre Mitwirkung bereits bei Handlungen versagen, bei denen erkennbar der Verdacht besteht, dass unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. (Rn. 15 – 16)
Schlagworte:
nicht rechtskräftiges Strafurteil, Apostille, Justizverwaltungsakt, Urkundsperson, unredliche Zwecke
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth vom -- – 910 a E – 492/2023
Fundstellen:
LSK 2023, 28653
BeckRS 2023, 28653
NStZ-RR 2023, 388
StV 2024, 647
NJW 2024, 163
Tenor
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Antragstellers unter Festsetzung eines Geschäftswerts von 3.000 € als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen einen Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. März 2023, in dem sein Antrag auf Ausstellung einer Apostille für ein gegen ihn ergangenes nicht rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Mai 2019 im Strafverfahren 7 KLs 356 Js 25662/17 zurückgewiesen worden ist.
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Mit Schreiben vom 26. November 2022 hatte er beim Landgericht Nürnberg-Fürth eine Apostille „von der Originalausfertigung“ des oben benannten Urteils „zur Verwendung in den USA“ beantragt. Mit E-Mail vom 9. Januar 2023 und vom 10. Januar 2023 hatte die Ehefrau des Antragstellers ergänzend ausgeführt, dass die Apostille einer „richterlich unterschriebenen Ausfertigung“ des Urteils im Zusammenhang mit einer bis zum 25. Januar 2023 einzureichenden Begründung einer zivilrechtlichen Schadensersatzklage benötigt werde. Eine beglaubigte Abschrift sei nicht ausreichend. Nachdem diese Auskunft die Bedenken der Urkundsperson bezüglich der Verwendung der Apostille nicht ausräumen konnte und der Antragsteller eine weitere Nachfrage des Landgerichts zum Verwendungszweck, in der auf die fehlende Rechtskraft des Urteils hingewiesen wurde, unbeantwortet ließ, hat der Präsident des Landgerichts mit Bescheid vom 16. März 2023 den Antrag zurückgewiesen. Dem Antragsteller stehe kein Anspruch auf die von ihm gewünschte Art der förmlichen Beglaubigung des Urteils zu. Das Schreiben enthält die Rechtsmittelbelehrung, dass gegen die Entscheidung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG innerhalb eines Monats nach Zustellung gestellt werden könne.
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Mit dem bei Gericht am 4. April 2023 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz beantragt der Antragsteller sinngemäß, die ihm am 23. März 2023 zugestellte angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Apostille wie beantragt zu erteilen. Ein Grund für die Versagung sei nicht ersichtlich. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen.
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1. Der Antrag ist zulässig. Für den Antrag auf eine förmliche Beglaubigung eines Strafurteils ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet.
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Die Fertigung einer Apostille stellt einen Justizverwaltungsakt im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG auf dem Gebiet der Strafrechtspflege dar. Sie hat Regelungscharakter, da sie im internationalen Urkundsverkehr Beweis für die Echtheit der Unterschrift, der Eigenschaft, in welcher der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat, und gegebenenfalls für die Echtheit des Siegels oder Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist, erbringt (Art. 5 Abs. 2 des Haager Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation (BGBl. 1965 II 875)). Auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Erteilung der Apostille hinreichend geltend gemacht und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung fristgerecht gestellt (§ 24 Abs. 1, § 26 Abs. 1 EGGVG).
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2. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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a) Der Antragsteller beantragt – über seinen gesetzlich geregelten Anspruch auf Abschrift einer Entscheidung nach § 35 Abs. 1 S. 2 StPO hinaus – eine besondere Art der Beglaubigung eines gegen ihn ergangenen nicht rechtskräftigen Strafurteils. Seinem Vorbringen nach soll das Urteil in den USA als Anlage einer Begründung einer zivilrechtlichen Schadensersatzklage vorgelegt werden. Näheres zu dieser Klage hat der Antragsteller auch auf eine entsprechende Aufforderung des Landgerichts nicht dargelegt.
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b) Im ausländischen Urkundenverkehr bedarf es für die Anerkennung einer in Deutschland erstellten Urkunde, sofern keine davon befreienden Abkommen bestehen, in der Regel der Legalisation oder Legalisierung (zum Begriff vgl. § 13 Konsulargesetz). Die Legalisation wird von der diplomatischen oder konsularischen Vertretung desjenigen ausländischen Staates vorgenommen, in dem die Urkunde verwendet werden soll. Ein Rechtsanspruch auf eine Legalisation besteht nicht. Soll die Urkunde wie hier in einem Vertragsstaat des Haager Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation (BGBl. 1965 II 875) Verwendung finden, genügt grundsätzlich eine vereinfachte Form der Echtheitsbestätigung, die sogenannte Apostille (vgl. Art. 2 und Art. 3 des Übereinkommens; Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über die Legalisation deutscher Urkunden, Erteilung von Apostillen und Bestätigungen sowie Befreiung von der Legalisation vom 3. April 2008 (JMBl. S. 46), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 10. Februar 2023 (BayMBl. Nr. 119)). Diese erteilt für Urkunden aus dem Bereich der bayerischen Strafjustiz der jeweilige Landgerichtspräsident oder sein Vertreter (Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation vom 21. Juni 1965 (BGBl. II S. 875) i.V.m. § 72 Abs. 1 Nr. 3 der bayerischen Zuständigkeitsverordnung vom 16. Juni 2015 (GVBl. S. 184)).
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c) Der Präsident des Landgerichts hat hier als die für die Erteilung der Apostille zuständige Urkundsperson im Ergebnis rechtsfehlerfrei die Beglaubigung abgelehnt.
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aa) Der Antrag scheitert bereits daran, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Überlassung der Urschrift des Urteils oder deren Ablichtung hat. Bei einer Apostille handelt es sich um eine in einer gesetzlich bestimmten Form durchzuführende Bestätigung der Echtheit der Unterschrift, der Eigenschaft, in welcher der Unterzeichner der Urkunde gehandelt hat, und gegebenenfalls der Echtheit des Siegels oder Stempels, mit dem die Urkunde versehen ist (Art. 3 Abs. 1 des Haager Übereinkommens zur Befreiung ausländischer öffentlicher Urkunden von der Legalisation). Nach Art. 5 Abs. 1 dieses Übereinkommens wird eine Apostille auf Antrag des Unterzeichners oder des Inhabers einer Urkunde ausgestellt. Voraussetzung für die Ausstellung einer Apostille ist also, dass jemand in Besitz einer Urkunde ist, die die zu bestätigenden Eigenschaften hat, oder zumindest einen Anspruch auf Überlassung einer solchen Urkunde hat. Einen derartigen Anspruch hat der Antragsteller, der selbst nicht im Besitz des von den Richtern unterzeichneten Urteils ist, jedoch nicht. Das von den entscheidenden Richtern im Original unterschriebene Urteil des Landgerichts Nürnberg – Fürth vom 16. Mai 2019 wurde gemäß § 275 Abs. 1 S. 1 StPO zu den Akten gebracht und ist damit zum Aktenbestandteil geworden. Eine Herausnahme des Original-Urteils durch Entfernung aus den Akten und Weitergabe an den Antragsteller ist nicht zulässig.
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Dementsprechend hat der Präsident des Landgerichts Nürnberg – Fürth in seinem Bescheid vom 16. März 2023 das Begehren des Antragstellers dahingehend ausgelegt, dass er eine beglaubigte Kopie des bei den Akten befindlichen von den entscheidenden Richtern im Original unterschrieben Urteils wolle. Zu Recht hat er aber auch dies abgelehnt. Nach § 35 Abs. 1 S. 2 StPO sind betroffenen Personen von Entscheidungen, die – wie hier – in deren Anwesenheit ergangen sind, auf Verlangen Abschriften zu erteilen, nicht jedoch eine Kopie des von den entscheidenden Richtern im Original unterschriebenen Urteils. Eine bloße Abschrift ist jedoch, da sie die Originalunterschriften der erkennenden Richter nicht enthält, nicht im Sinne des Antragstellers apostillierfähig.
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bb) Zudem stünde der vom Antragsteller begehrten Erteilung einer Apostille zur Verwendung in einem angeblichen Schadensersatzprozess („Schadensersatzklage“) in den USA die gesetzliche Vorschrift des § 4 BeurkG i.V.m. § 1 Abs. 2 BeurkG entgegen.
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aaa) Nach dieser Regelung soll eine Beurkundung abgelehnt werden, wenn sie mit den Amtspflichten der Urkundsperson nicht vereinbar wäre, insbesondere wenn ihre Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden. Vom Anwendungsbereich des § 4 BeurkG werden sämtliche Beurkundungstätigkeiten einer Urkundsperson (§ 1 Abs. 2 BeurkG) erfasst (Schaller in BeckOGK 1.06.2023 BeurkG § 4 Rn. 2). Damit unterfällt der Regelung auch die Beglaubigung durch einen Präsidenten des Landgerichts.
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bbb) Der Zweck dieser Vorschrift ist es, der Herstellung öffentlicher Urkunden mit rechts- oder sittenwidrigem Verwendungszweck vorzubeugen und keinen zusätzlichen Vertrauenstatbestand durch die Beurkundung zu schaffen (Preuß in: Armbrüster/Preuß, BeurkG mit NotAktVV und DONot, 9. Aufl., § 4 Ablehnung der Beurkundung Rn. 4). Beurkundungserfordernisse sichern in diesem Sinne auch den Schutz der Rechtsordnung (Preuß a.a.O.).
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ccc) Verboten sind der Urkundsperson alle Beurkundungen, deren Zweck darauf gerichtet ist, Beteiligten oder Dritten eine Sicherheit oder Seriosität vorzutäuschen, die in dieser Form überhaupt nicht besteht, und zwar selbst dann, wenn keine strafbaren Zwecke erkennbar sind (BeckOK BGB/Litzenburger, 66. Ed. 1.5.2023, BeurkG § 4 Rn. 8). Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist eröffnet, wenn der Verdacht besteht, dass eine Apostille dazu dienen soll, einem Dokument Rechtswirkungen beizumessen, die der Urkunde nicht zukommen (vgl. Winkler, Beurkundungsgesetz, 20. Aufl. § 4 Rn. 41, 42).
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ddd) Ein Nachweis einer unredlichen Zweckverfolgung ist für eine Ablehnung der Beurkundung nicht erforderlich. Vielmehr muss die Urkundsperson nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ihre Mitwirkung bereits bei Handlungen versagen, bei denen erkennbar der Verdacht besteht, dass unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden (BGH, Beschluss vom 23. November 2015 – NotSt (Brfg) 4/15 –, juris für den Notar). Es besteht dann keine Beurkundungspflicht.
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eee) Im Justizverwaltungsverfahren hat der Präsident des Landgerichts dem Antragsteller gegenüber seine Bedenken dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er auf einer näheren Erläuterung des Verwendungszwecks des nicht rechtskräftigen Urteils in den USA bestanden und den Antragsteller aufgefordert hat, näheres zu einer redlichen Verwendung darzutun. Eine Begründung, weshalb ausnahmsweise die förmliche Echtheitsbestätigung eines nicht rechtskräftigen Strafurteils unter Ausweisung von Unterschriften der Richter für einen zivilrechtlichen Schadensersatzprozess in den USA von Bedeutung wäre, hat der Antragsteller jedoch nicht beigebracht.
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fff) Somit ist die Versagung der Apostille im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dem formell nicht rechtkräftigen Strafurteil kommt im inländischen Recht keine materielle Rechtskraft und damit keine rechtliche Verbindlichkeit zu. Die Apostille wird zudem nach Art. 4 Abs. 1 des Haager Übereinkommens ausschließlich in der dort bestimmten Form erteilt; soll wie hier ein Strafurteil beglaubigt werden, bedarf es dazu keiner Abbildung der Unterschriften der Richter auf der Ausfertigung. Nachdem der Vortrag des Antragstellers erkennbar Zweifel an der Redlichkeit seiner Absichten aufkommen ließ und er gleichwohl die Bedenken der Gerichtsverwaltung in der Folge nicht entkräftet hat, kann der Senat aufgrund der Ungereimtheiten des Antrags die Ablehnung der Urkundsperson nachvollziehen. Er kann nicht ausschließen, dass die Absicht bestand, die Apostille im Ausland missbräuchlich zu verwenden. Da nach dem Gesetz ein entsprechender Verdacht genügt, den der Präsident des Landgerichts zutreffend auf das Indiz der Forderung des Antragstellers nach einem Abbild der Unterschriften gestützt und hinreichend begründet hat, bedarf der konkrete Verwendungszweck im gerichtlichen Verfahren keiner weiteren Aufklärung. Die Ablehnung stellt sich auch unter dem Aspekt der Missbrauchsgefahr als rechtmäßig dar (vgl. zur Unzulässigkeit einer missbräuchlichen Verwendung einer Abschrift auch § 32f Abs. 5 S. 1 StPO).
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1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 GNotKG.
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2. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 36 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 19 GNotKG.
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3. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 29 Abs. 1 EGGVG). Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich – wie oben dargelegt – nicht.