Inhalt

OLG München, Beschluss v. 11.10.2023 – 2 UF 494/23 e
Titel:

Abänderung des Versorgungsausgleichs bei nachträglichem verschuldeten Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis

Normenketten:
FamFG § 225 Abs. 2, Abs. 3, § 226 Abs. 3
VersAusglG § 27
Leitsätze:
1. Bei Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis nach Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ist eine nachträgliche Änderung tatsächlicher Umstände gegeben. (Rn. 15) (red. LS Axel Burghart)
2. Es ist grundsätzlich ausgeschlossen, ein im Entscheidungszeitpunkt nicht oder nicht mehr in voller Höhe bestehendes Versorgungsanrecht für Zwecke des Versorgungsausgleichs mit seinem bei Ehezeitende noch vorhandenen höheren Wert zu fingieren. Dies gilt auch iRd Abänderungsverfahrens. (Rn. 19) (red. LS Axel Burghart)
Schlagworte:
Versorgungsausgleich, Beamtenversorgung, Nachversicherung, Abänderung
Vorinstanz:
AG Starnberg, Endbeschluss vom 06.02.2023 – 002 F 26/22
Fundstellen:
FamRZ 2024, 352
LSK 2023, 28646
BeckRS 2023, 28646

Tenor

1. Auf die Beschwerde der D. Rentenversicherung B. wird der Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 06.02.2023 aufgehoben.
2. Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Starnberg vom 04.08.2011, Aktenzeichen 3 F 773/10 wird mit Wirkung ab 01.02.2022 in Ziffer 2 Abs. 3 und 4 abgeändert und neu gefasst wie folgt:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners (jetzt: Antragsgegner zu 1)) bei der D. Rentenversicherung B., Vers.-Nr. …54 M 005 zugunsten der Antragstellerin (jetzt: Antragsgegnerin zu 2)) ein Anrecht in Höhe von 14,9446 Entgeltpunkten auf deren vorhandenes Konto bei der D. Rentenversicherung B., Versicherungsnummer …55 R 512, bezogen auf den 31.08.2010, übertragen.
Absatz 4 wird mit Wirkung ab 01.02.2022 aufgehoben.
3. Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Starnberg wird in Ziffer 2 Abs. 1 mit Wirkung ab 01.02.2022 dahingehend abgeändert, dass der Wertausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der D. Rentenversicherung B., Vers.-Nr…55 R 512, nicht mehr stattfindet.
4. Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Starnberg wird in Ziffer 2 Abs. 3 mit Wirkung ab 01.02.2022 dahingehend abgeändert, dass der Wertausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der B. Ingenieurversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung, …546 nicht mehr stattfindet.
5. Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
6. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.154,46 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
In vorliegendem Verfahren beantragt die D. Rentenversicherung B. als Versorgungsträger des Antragsgegners zu 1) die Abänderung einer rechtskräftigen Entscheidung des Familiengerichts zum Versorgungsausgleich.
2
Der Antragsgegner zu 1) war mit der Antragsgegnerin zu 2) knapp 30 Jahre lang verheiratet. Die Antragstellerin ist die gesetzliche Rentenversicherung beider Antragsgegner. Im Verfahren 3 F 773/10 des Amtsgerichts Starnberg wurde die Ehe der Antragsgegner durch Beschluss vom 04.08.2011 geschieden. In Ziffer 2 des Beschlusses wurde folgende Entscheidung zum Versorgungsausgleich getroffen:
„Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der D. Rentenversicherung B., Versicherungsnummer …55 R 512, zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 6,4347 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto …54 M 005 bei der D.
Rentenversicherung B., bezogen auf den 31.08.2010, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der B. Ingenieurversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung …546, zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 3.299,97 €, bezogen auf den 31.08.2010, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der . Rentenversicherung B., Versicherungsnummer …54 M 005, zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 6,5932 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto …55 R 512 bei der D. Rentenversicherung B., bezogen auf den 31.08.2010, übertragen.
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei dem Landesamt für Finanzen, …470, zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 1655,24 € monatlich auf das vorhandene Konto …55 R 512 bei der D. Rentenversicherung B., bezogen auf den 31.08.2010, begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkten umzurechnen.“ Die Entscheidung ist rechtskräftig seit 24.09.2011.
3
Im Rahmen der Scheidung schlossen die Antragsgegner eine notarielle Vereinbarung, wonach sie wechselseitig auf Zugewinnausgleich verzichten und das Miteigentum an zwei Immobilien, wovon die Antragsgegnerin zu 2) eine davon weiter bewohnt, behalten.
4
Nach Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich ist der Antragsgegner zu 1) wegen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden und in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden. Die Rentenanwartschaft bei dem Landesamt für Finanzen in Höhe von 1.655,24 € gilt mit der Zahlung der Nachversicherungsbeiträge als in der gesetzlichen Rentenversicherung übertragen. Die Antragstellerin hat nach durchgeführter Nachversicherung einen Ehezeitanteil der gesetzlichen Rentenversicherung des Antragsgegners zu 1) von 29,8892 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 14,9446 Entgeltpunkten festgestellt. Bezogen auf den 31.08.2010 sind aus dem Versorgungsausgleich deshalb zugunsten der Antragsgegnerin zu 2) statt bisher 1834,50 € nur noch 406,49 € zu berücksichtigen. Die D. Rentenversicherung B. beantragt daher, den Versorgungsausgleich entsprechend abzuändern.
5
Beide Antragsgegner beziehen mittlerweile Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Antragsgegnerin zu 2) erhält bislang an monatlichen Rentenzahlungen von der B.
6
Versorgungskammer ca. 150 €, von der K.sparkasse ca. 40 € und von der Rentenversicherung B. monatlich 2738,72 €.
7
Die Versorgungsträger der Antragsgegnerin zu 2) haben aktuelle Auskünfte erteilt. Danach hat sich die ehezeitliche Anwartschaft der Antragsgegnerin zu 2) gegenüber der Entscheidung vom 04.08.2011 bei der B. Ingenieurversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung dahingehend geändert, dass Anwartschaften in Höhe von 7.397,88 € und bei der D. Rentenversicherung B. in Höhe von 15,5601 Entgeltpunkten erworben wurden.
8
Mit Beschluss vom 06.02.2023 wies das Amtsgericht Starnberg den Antrag der D. Rentenversicherung B. auf Abänderung des Versorgungsausgleichs zurück. Es führt aus, die Abänderung des Versorgungsausgleichs wäre grob unbillig im Sinne von § 226 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 27 VersAusglG. Die Antragsgegnerin zu 2) wäre nach der beantragten Abänderung aufgrund der erheblichen Verringerung ihrer Rente bedürftig. Dies auch trotz ihres Immobilien-Eigentums, da die Kosten der Unterhaltung des Hauses die Rente aufzehren dürften. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Ausgleichsberechtigte ehebedingte Nachteile in ihrer Versorgung hat hinnehmen müssen. Weiter sei zu sehen, dass die Antragsgegnerin zu 2) aufgrund rechtskräftiger Entscheidung darauf vertrauen durfte, dass ihre Altersvorsorge gesichert ist und sie im Falle der Abänderung für das Fehlverhalten des Antragsgegners zu 1) nach erfolgter Scheidung mitbüßen müsste.
9
Nach Erlass des amtsgerichtlichen Beschlusses forderte die D. Rentenversicherung B. vom Antragsgegner zu 1) mit Rückforderungsbescheid vom 28.02.2023 seit 01.11.2023 zu viel bezahlte Rente i.H.v. 55.043,71 € zurück.
10
Gegen den Beschluss, ihr zugestellt am 17.02.2023, legte die D. Rentenversicherung B. am 17.03.2023 Beschwerde ein mit dem Antrag, die beantragte Abänderung durchzuführen. Sie führt aus, aufgrund der Nachversicherung sei eine wesentliche Wertänderung im Sinne des § 224 Abs. 2,3 VersAusglG eingetreten. Ein Ausschluss der Abänderung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit komme nicht in Betracht, weil auf Seiten des ehemaligen Antragsgegners Versorgungsanrechte nicht mehr in dem für das Ausgangsverfahren zugrunde gelegten Umfang vorhanden sind. In den Wertausgleich könnten nur Anrechte einbezogen werden, die im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch vorhanden sind. Die Umsetzung des Versorgungsausgleichs auf Grundlage der Erstentscheidung sei für die D. Rentenversicherung B. nicht mehr kostenneutral. Eine Sanktionierung des Einwirkens eines Ehegatten auf seine Versorgungsanrechte könne nur in der Weise erfolgen, dass der andere Ehegatte von seinen eigenen Versorgungsanwartschaften nichts oder entsprechend weniger auszugleichen habe.
11
Die Antragsgegnerin zu 2) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Abänderung des Versorgungsausgleichs habe wegen grober Unbilligkeit zu unterbleiben. Hilfsweise beantragt sie, den Versorgungsausgleich hinsichtlich der Anrechte der Antragsgegnerin zu 2) auszuschließen. Dass ein im Entscheidungszeitpunkt nicht oder nicht mehr in voller Höhe bestehendes Versorgungsanrecht nicht ausgeglichen werden kann, betreffe nicht solche Rechte, die im Zeitpunkt des Abänderungsverfahrens nicht mehr vorhanden sind. Die Umstände des Einzelfalls rechtfertigten hier, von der Halbteilung abzuweichen. Die Abänderung des Versorgungsausgleichs würde für die Antragsgegnerin zu 2) zu einem wirtschaftlich untragbaren Ergebnis führen, da ihre Rente aus dem Versorgungsausgleich sich um mehr als 3/4 reduzierten und ihr lediglich noch 406,49 € verblieben. Sie habe darauf vertraut, dass der Versorgungsausgleich rechtskräftig entschieden ist und habe ihren Lebensplan darauf eingestellt. Auch sei sie alters- und gesundheitsbedingt ohne jede Chance, sich als 68-jährige Frau mit Krebserkrankung noch eine eigene Altersvorsorge aufzubauen. Die strafrechtliche Verurteilung des Antragsgegners sei erst mehrere Jahre nach Rechtskraft der Ehescheidung erfolgt. Sie habe keinerlei Einfluss hierauf gehabt. Sie könne daher nicht so behandelt werden, als sei sie noch mit dem Antragsgegner verheiratet gewesen. Da es sich bei dem Verfahren um eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung handelt, werde die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt.
12
Der Antragsgegner zu 1) beantragt, das Verfahren auszusetzen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch gegen den Rückforderungsbescheid der D. Rentenversicherung vom 28.02.2023. Die durchgeführte Nachversicherung sei wegen Verstoßes gegen Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Grundgesetz verfassungswidrig. Mit der Nachversicherung sei im Ergebnis ein Verlust von 3/4 der Altersversorgung verbunden. Übermäßige und existenzbedrohende Abzüge durch das Verfahren der Nachversicherung seien verfassungswidrig. Es werde die Zulassung der Revision beantragt, da eine Entscheidung zur Problematik Wegfall der Altersanwartschaften bei Verlassen des Beamtenstatus und Nachversicherung mit übermäßigen existenzbedrohenden Abzügen noch nicht ergangen sei. Durch Ausschluss des Ausgleichs der Anwartschaften der Antragsgegnerin zu 2) wegen Unbilligkeit liege ein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz vor. Der Ausschluss sei auch deshalb unbillig, weil die Antragsgegnerin zu 2) die ehemalige Ehewohnung allein bewohnt und hierfür lediglich die Nebenkosten aufzubringen habe.
13
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze des Antragsgegners zu 1) vom 24.06.2023, 25.08.2023 und 08.09.2023 und die Schriftsätze der Antragsgegnerin zu 2) vom 22.06.2023 und 06.09.2023 Bezug genommen.
II.
14
Der Abänderungsantrag der D. Rentenversicherung B. ist zulässig und begründet. Der hilfsweise gestellte Abänderungsantrag der Antragsgegnerin zu 2) ist ebenfalls zulässig und begründet.
15
1. Es liegt eine nachträgliche Veränderung nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ausgleichswert eines Anrechts zurückwirkt, im Sinne des § 225 Abs. 2 FamFG vor. Bei Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis ist eine nachträgliche Änderung tatsächlicher Umstände gegeben (Wick, Versorgungsausgleich, 5.Aufl. Rz 1229; Sternal/Weber 21. Aufl. FamFG, § 225 Rz15). Der Antragsgegner zu 1) ist nach Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden und in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden. Diese tatsächliche Veränderung führt dazu, dass sich die antragsgegenständlichen Ausgleichswerte rückwirkend ändern. Das ausgeglichene Anrecht beim Freistaat Bayern, vertreten durch das Landesamt für Finanzen, ist erloschen. Durch die Nachversicherung ist das Anrecht des Antragsgegners zu 1) bei der D. Rentenversicherung B. angestiegen.
16
Es liegt auch eine wesentliche Wertänderung gemäß § 225 Abs. 2, 3 FamFG vor. Sowohl die relativen wie die absoluten Wertgrenzen sind überschritten. Die im Rahmen des § 225 Abs. 5 FamFG vorzunehmende formale Betrachtung führt auch zu einer Abänderung zugunsten des Antragsgegners zu 1), da sie zu einer Verringerung des Ausgleichswerts bei ihm führt.
17
2. Entgegen den Ausführungen des amtsgerichtlichen Beschlusses ist ein Ausschluss der Abänderung insgesamt über § 226 Abs. 3 FamFG, § 27 VersAusglG nicht möglich.
18
Wenn das Abänderungsverfahren wie hier eröffnet ist, kann über § 27 VersAusglG nur der Ausgleich einzelner Anwartschaften ausgeschlossen werden, und nicht die Abänderung insgesamt. Verfahrensgegenstand kann auch nur das Anrecht sein, bei dem sich der Ausgleichswert geändert hat.
19
Gemäß § 185 SGB VI besteht das Anrecht des Antragsgegners zu 1) bei der D. Rentenversicherung B. nur in Höhe des Nachversicherungswerts von insgesamt 29,8892 Entgeltpunkten. Wie die Beschwerde zutreffend ausführt, kann ein Anrecht, das nicht besteht, nicht geteilt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können in den Wertausgleich nur solche Anrechte einbezogen werden, die im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich noch vorhanden sind. Wird nach dem Ende der Ehezeit, aber noch vor der Entscheidung über den Versorgungsausgleich ein Versorgungsanrecht zum Erlöschen gebracht, so ist diese Veränderung der Versorgungslage unabhängig von ihren Ursachen und vom Zeitpunkt ihrer Entstehung im Versorgungsausgleich stets zu beachten. Es ergibt sich auch keine andere Beurteilung, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte auf die nach Ehezeitende eingetretene negative Entwicklung seiner Versorgungslage selbst eingewirkt hat. Schon im Hinblick auf die Rechtsstellung der beteiligten Versorgungsträger ist es grundsätzlich ausgeschlossen, ein im Entscheidungszeitpunkt nicht oder nicht mehr in voller Höhe bestehendes Versorgungsanrecht für Zwecke des Versorgungsausgleichs mit seinem bei Ehezeitende noch vorhandenen höheren Wert zu fingieren (BGH FamRZ 2019, 1993 m.w.N.). Dies gilt auch im Rahmen des Abänderungsverfahrens nach § 225 FamFG (OLG Oldenburg BeckRS 2012, 13599; OLG Frankfurt, BeckRS 2023, 4133). Ist die Abänderung eröffnet, ist die Entscheidung im Abänderungsverfahren der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung, auf die hinsichtlich des Vorhandenseins von zu teilenden Anwartschaften abzustellen ist. Eine andere Beurteilung würde auch gegen den zwingenden Halbteilungsgrundsatz verstoßen. Daher können die wirtschaftlichen Auswirkungen der Abänderung für die Antragsgegnerin zu 2) auch im Rahmen der Frage, ob die D. Rentenversicherung nicht vorhandene Anrechte ausbezahlen darf, keine Rolle spielen, sondern lediglich für die Frage, ob vom Ausgleich der Anwartschaften der Antragsgegnerin zu 2) abgesehen werden kann.
20
Die Abänderung des Ausgleichs des Anrechts des Antragsgegners zu 2) bei der D. Rentenversicherung B. und des früheren Anrechts bei dem Landesamt für Finanzen ist daher antragsgemäß durchzuführen. Der Ehezeitanteil in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt unter Berücksichtigung der durchgeführten Nachversicherung 29,8892 Entgeltpunkte. Zu übertragen sind somit 14,9446 Entgeltpunkte als Ausgleichswert, § 1 Abs. 2 S.2 VersAusglG.
21
Die Regelung der Nachversicherung mit einem Verlust von ca. einem Drittel des Wertes der Anwartschaften ist auch nicht verfassungswidrig, da die Beamtenversorgung auf dem Lebenszeitprinzip beruht, das auf ein umfassendes Treueverhältnis des Beamten auf Lebenszeit ausgelegt ist. Besteht kein lebenszeitliches Treueverhältnis, entfällt auch die Grundlage der Beamtenversorgung, die von vornherein auch auf die Alternative der Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung angelegt ist, § 185 SGB VI. Entgegen den Ausführungen des Antragsgegners zu 1) besteht aufgrund der Aufhebung des Beamtenverhältnisses auch die Alimentationspflicht des früheren Dienstherrn für die Altersversorgung nicht fort. Die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung führt auch nicht zu übermäßigen und existenzbedrohenden Abzügen, sondern zu Rentenanwartschaften, wie sie ein gesetzlich Versicherter erhält. Es handelt sich auch um keine Doppelbestrafung, sondern um eine Folge der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Hier liegt keinerlei Besonderheit gegenüber sämtlichen Fällen der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis vor.
22
Abgesehen davon, dass eine Teilung des nicht mehr vorhandenen Anrechts bei dem Landesamt für Finanzen wie dargelegt nicht möglich ist, ist dieses Ergebnis auch nicht unbillig. Auch bei bestehender Ehe hätte die Antragsgegnerin zu 2) das Risiko des Verlusts von Rentenanwartschaften gleichermaßen zu tragen gehabt. Eine Besserstellung aufgrund der erfolgten Scheidung ist nicht gerechtfertigt. Der Verlust der Rentenanwartschaften des Antragsgegners zu 1) beruht letztlich auf einer „Lebensführungsschuld“. Auch im Fall des verschuldeten Entfernens aus dem Beamtenverhältnis wegen eines persönlichen Fehlverhaltens muss dieser Verlust von beiden früheren Ehegatten getragen werden, wie dies auch im Fall der Fortsetzung der Ehe gegolten hätte (BGH FamRZ 1989, 1058; FamRZ 1988, 1148). Auch bei bestehender Ehe hätte die Antragsgegnerin zu 2) ohne eigenes vorwerfbares Verhalten und ohne Einflussmöglichkeit auf das Geschehen die Auswirkungen des Verhaltens des Antragsgegners zu 1) auf den Versorgungsausgleich mittragen müssen.
23
3. Aus Billigkeitsgründen ist jedoch ein Ausgleich der Anrechte der Antragsgegnerin bei der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der B. Ingenieurversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung gemäß §§ 225, 226 Abs. 3 FamFG, § 27 VersAusglG auszuschließen.
24
Nach der Auskunft der B. Ingenieurversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung vom 14.03.2022 hat sich der Wert des Anrechts der Antragsgegnerin zu 2) nach dem Ende der Ehezeit wesentlich geändert, sodass das Anrecht einer Abänderung gemäß § 225 FamFG zugänglich ist. Der Ausgleichswert des Anrechts beträgt zum 14.03.2022 3.624,96 € gegenüber 3.299,97 € zum 20.10.2010. Die Differenz in Höhe von 325,99 € entspricht 9,85% so dass die relative Wesentlichkeitsgrenze überschritten ist. Auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze in Höhe von 1% der maßgeblichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV ist überschritten. Gleiches gilt nach Auskunft des Rentenversicherungsträgers vom 02.08.2022 für das Anrecht der Antragsgegnerin zu 2) bei der D. Rentenversicherung B., wonach der Ausgleichswert nunmehr 7,7801 gegenüber 6,4347 Entgeltpunkten beträgt.
25
Nach § 226 Abs. 3 FamFG i.V.m. § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dabei ist die Billigkeitsprüfung nicht auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse beschränkt, sondern es sind, wie im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 27 FamFG auch, andere Gründe, wie ein Fehlverhalten eines Ehegatten ohne wirtschaftliche Relevanz, in die Gesamtabwägung einzubeziehen (OLG Frankfurt, BeckRS 2023,4133; OLG Oldenburg BeckRS 2012, 13599; Johannsen/Henrich/Althammer/Siede Familienrecht, 7. Aufl. 2020,226 FamFG, Rz 4).
26
Vorliegend hält es der Senat für grob unbillig, wenn die Antragsgegnerin zu 2) eine auf einem eindeutig beim Antragsgegner zu 1) liegenden strafrechtlich relevanten Fehlverhalten beruhende Verkürzung der Anrechte mittragen muss und andererseits auch noch ihre eigenen Versorgungsanwartschaften hälftig geteilt würden. Dies gilt trotz der vom Antragsgegner zu 1) geschilderten Möglichkeit, die frühere Ehewohnung unentgeltlich zu nutzen. Die Antragsgegnerin zu 2) hat keine Möglichkeit, den Verlust der Anwartschaften anderweitig auszugleichen oder eine weitere Altersvorsorge aufzubauen. Sie ist deshalb auf die ihr nach der Abänderungsentscheidung verbleibenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Versorgungswerk dringend angewiesen. Der Ausgleich ihrer Anrechte im Abänderungsverfahren widerspricht daher dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in nicht hinnehmbarer Weise.
27
Durch den Ausschluss des Ausgleichs der Anwartschaften der Antragsgegnerin zu 2) liegt auch kein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz vor. Die Ausnahme vom Halbteilungsgrundsatz ist in § 27 VersAusglG ausdrücklich ausnahmsweise vorgesehen. Auch bei einem Fehlverhalten während bestehender Ehe würde über § 27 VersAusglG die Möglichkeit bestehen, bei nachfolgender Scheidung vom Ausgleich der Versorgungsanwartschaften der Antragsgegnerin zu 2) abzusehen (vgl. BGH FamRZ 2013, 1362).
28
4. Eine Aussetzung des hiesigen Verfahrens im Hinblick auf das Verfahren wegen des geänderten Rentenbescheids kommt nicht in Betracht. Vorgreiflich ist allenfalls das hiesige Verfahren für das sozialversicherungsrechtliche Verfahren.
III.
29
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, § 20 FamGKG. Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus §§ 40, 45 FamGKG.
30
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 FamFG.
31
Die Entscheidung ergeht im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung. Zur Frage der Nachversicherung beamtenrechtlicher Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung nach Aufhebung des Beamtenverhältnisses und deren Behandlung im Versorgungsausgleich sind bereits zahlreiche Entscheidungen ergangen (vgl. BGH FamRZ 1988, 1148; BGH FamRZ 1989, 1085; zuletzt OLG Bamberg FamRZ 2023, 684). Auch dass nicht bestehende Anwartschaften nicht ausgeglichen werden dürfen, sowie der Zeitpunkt, auf den hierfür abzustellen ist, ist obergerichtlich geklärt (OLG Frankfurt BeckRS 2023, 4133; OLG Oldenburg BeckRS 2012, 13599; BGH FamRZ 1986,892; BGH FamRZ 2019, 1993;).
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 16.10.2023.