Titel:
Kein Schadensersatzanspruch des Erwerbers eines Diesel-Fahrzeugs mit Fahrkurvenerkennung wegen unvermeidbaren Verbotsirrtums
Normenketten:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Fahrzeugemissionen-VO Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Leitsatz:
Eine Entlastung wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums setzt voraus, dass der Fahrzeughersteller nicht nur allgemein darlegt, dass die Behörde Abschalteinrichtungen der verwendeten Art genehmigt hätte, sondern dass ihm dies auch unter Berücksichtigung der konkret verwendeten Abschalteinrichtung in allen für die Beurteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 maßgebenden Einzelheiten gelingt (hier bejaht für Fahrkurvenerkennung). (Rn. 51 – 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, sittenwidrige Schädigung, Schutzgesetz, Kfz-Hersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, EA 288, Fahrkurvenerkennung, Verbotsirrtum
Vorinstanz:
LG Würzburg, Urteil vom 10.05.2022 – 11 O 2110/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28460
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 10.05.2022, Az. 11 O 2110/21, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziff. 1. genannte Urteil des Landgerichts Bamberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für die Zeit bis 11.09.2023 auf 34.047,53 € und für die Zeit danach auf 29.930,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen der Verwendung verschiedener Abschalteinrichtungen.
2
Der Kläger erwarb am 08.03.2017 von einer nicht am Rechtsstreit Beteiligten Firma einen Pkw VW Passat Variant 2.0 CDI als Gebrauchtfahrzeug (Erstzulassung 15.07.2016) mit einem Kilometerstand von 21.000 zu einem Kaufpreis in Höhe von 28.930 €. Im Fahrzeug ist ein Motor EA 288, 2,0 TDI 110 kW mit NOx-Speicherkatalysator (NSK) verbaut. Das Fahrzeug verfügt über die Abgasnorm Euro 6. Ein verpflichtender Rückruf des klägerischen Pkw durch das Kraftfahrtbundesamt erging nicht. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 15.09.2023 hatte das Fahrzeug einen Kilometerstand vom 90.990 km. In dem Fahrzeug ist eine Fahrkurvenerkennung sowie ein Thermofenster verbaut.
3
Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, in das Fahrzeug seien verschiedene unzulässige Abschalteinrichtungen implementiert. Die Fahrkurvenerkennung beinhalte eine Umschaltlogik wie im Vorgängermotor. Das Thermofenster sei unzulässig. Außerdem läge eine Aufwärmfunktion, Manipulationen am „On Board Diagnose System“ sowie an der Batterie vor.
4
Der Kläger hat erstinstanzlich Rückzahlung von 33.047,53 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs an die Beklagte nebst Zahlung von Zinsen, Feststellung der weiteren Schadensersatzpflicht, Feststellung des Annahmeverzugs sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten beantragt.
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Die Beklagte hat erstinstanzlich Klageabweisung beantragt.
6
Die Beklagte hat erstinstanzlich geltend gemacht, in dem Fahrzeug seien keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut. Dies hätten mehrfache Überprüfung durch das Kraftfahrtbundesamt bestätigt. Der Vortrag der Klägerseite erfolge ins Blaue hinein.
7
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, des Verfahrenshergangs und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten nicht substantiiert vorgetragen; vertragliche Ansprüche bestünden nicht.
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Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er zunächst in erster Linie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und hilfsweise seinen ursprünglichen Zahlungsantrag uneingeschränkt weiterverfolgt hat.
10
Das Landgericht überspanne die Anforderungen an die Substantiierungspflicht. Es sei ausreichend vorgetragen worden, dass im Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen (Thermofenster, Fahrkurve/Zykluserkennung, Lenkwinkelerkennung, Batteriemanipulation, Manipulation des On-Board-Diagnosesystems, Manipulation des NOx-Speicherkatalysators) verbaut worden seien.
11
Ein fehlender Rückruf des Kraftfahrtbundesamts (KBA) sei irrelevant. Die unstreitig verbaute Fahrkurve nehme Einfluss auf die Emissionen. Das Thermofenster sei aus Motorschutzgründen nicht erforderlich.
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Nach einem Hinweis des Senats, dass der Zahlungsanspruch nicht mit dem Bruttokaufpreis in Einklang zu bringen sei, beantragt der Kläger in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei € 28.930,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Passat 2.0 TDI, FIN und abzüglich einer durch richterliches Ermessen festzusetzenden Entschädigung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klagepartei Schadenersatz zu leisten für weitere Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Passat 2.0 TDI, FIN durch die Beklagtenpartei resultieren.
3. Die Beklagte wird verurteilt an die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2489,48 € freizustellen.
Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Klagepartei € 4339,50 (15% vom Kaufpreis) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Zurückweisung der Berufung.
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Die Beklagte verteidigt das Ersturteil. Das Erstgericht habe zu Recht eine Haftung der Beklagten nach § 826 BGB verneint. Der Bundesgerichtshof habe die Erwägungen zum Themenkomplex Thermofenster auf die Fahrkurvenerkennung übertragen. Besondere Umstände, die ein objektiv sittenwidriges Verhalten der Beklagten begründen könnten, seien nicht vorgetragen. Wiederholte Überprüfungen durch das KBA hätten ergeben, dass im Motor keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut seien. Im Übrigen habe die Beklagte dem Kläger angeboten, mithilfe eines freiwilligen Software-Updates die Fahrkurven zu beseitigen. Das habe er nicht angenommen. Das im streitgegenständlichen Fahrzeug enthaltene Thermofenster sei bei einer Außentemperatur von – 24 ° C bis + 70 ° C zu 100% aktiv. Oberhalb und unterhalb dieses Temperaturbereiches erfolge aus Motorschutzgründen und zur Gewährleistung eines sicheren Betriebes des Fahrzeugs keine Abgasrückführung. Innerhalb des Temperaturbereichs gäbe es keine schrittweise Reduktion der Abgasrückführung. Hinsichtlich der Verwendung der Fahrkurvenerkennung sowie hinsichtlich des Thermofensters könne der Beklagten auch kein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren auf die im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze.mit Anlagen Bezug genommen.
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Die Berufung des Klägers hat keine Aussicht auf Erfolg.
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1. Zwar bestehen hinsichtlich des neben dem Antrag auf Ersatz des großen Schadens gestellten materielle Feststellungsantrag (Berufungsklageantrag Ziffer 2) Bedenken gegen die Zulässigkeit.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag bereits zu unbestimmt ist oder das Feststellungsinteresse fehlt (§ 256 Abs. 1 ZPO), denn die Feststellungsklage ist in der Sache zur Abweisung reif(Thomas/Putzo ZPO 44. Auflage § 256 Rn. 4 mwN).
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2. Einem mit dem zuletzt gestellten Berufungsklageantrag (Ziffer 1.) geltend gemachten Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aus § 826 BGB steht bereits entgegen, dass es an der hinreichend substantiierten Darlegung eines vorsätzlichen und sittenwidrigen schädigenden Verhaltens der Beklagten fehlt.
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Zwar kann eine Programmierung der Motorsteuerung, die anhand der Fahrkurvenerkennung oder der Außentemperatur, der Wegstrecke oder anderer Parameter die Abgasreinigung nur im Prüfzyklus (Zykluserkennung) optimiert, geeignet sein, einen Anspruch aus § 826 BGB zu begründen, wie dies bei vielen Motoren des Typs EA 189 der Fall war.
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So hat es der Bundesgerichtshof in den Entscheidungen zu dem ebenfalls von der Beklagten hergestellten Motor des Typs EA 189, der der Vorgängermotor zum hier streitgegenständlichen Modell ist, als sittenwidrig angesehen, dass der Hersteller eines Kraftfahrzeuges auf der Grundlage einer für seinen Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in Bezug auf den Dieselmotor der Baureihe EA189 in siebenstelligen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 – ZR 252/19, juris Rn. 16, NJW 2020, 1962; vgl. auch BGH, Urteil vom 30.07.2020 – ZR 5/20, juris Rn. 33, NJW 2020, 2798; Urteil vom 30.07.2020 – ZR 367/19, juris Rn. 12 f., NJW 2020, 2804; Urteil vom 26.01.2021 – ZR 405/19, juris Rn. 12 f., ZIP 2021, 368; OLG Frankfurt a. M. Urteil v. 28.09.2021 – 24 U 208/20, BeckRS 2021, 30025 Rn. 27, beck-online).
a) Fahrkurve/Zykluserkennung, Lenkwinkelerkennung, Batteriemanipulation, Manipulation des On-Board-Diagnosesystems, Manipulation des NOx-Speicherkatalysators
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Die Behauptungen des Klägers, aufgrund einer Software würde die Motorsteuerung erkennen, dass sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befinde und sodann die Emissionsregelung entsprechend ändern, dass die Grenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten würden, stellen sich als reine Spekulation ohne tatsächliche Anknüpfungspunkte dar.
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aa) Der Senat verkennt dabei nicht, dass eine unter Beweis gestellte Behauptung erst dann unbeachtlich ist, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhaltes willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können. Es ist einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (BGH, Beschluss vom 28.01.2020 – ZR 57/19, Rn. 7 f.; Urt. v. 13.07.2021 aaO, Rn. 20 ff.).
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bb) Jedoch ist auch nach diesen Maßstäben der Sachvortrag des Klägers im vorliegenden Fall nicht hinreichend substantiiert.
25
Der Umstand, dass die Beklagte im Motortyp EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung nebst Fahrstanderkennung („Umschaltlogik“) verwendet hat, stellt noch keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür dar, dass dies auch beim Motortyp EA 288 der Fall ist (OLG Dresden, Urteil vom 04.12.2020, 9a U 2074/19, juris Rn. 30). Aus dem Umstand, dass es sich bei dem Motorentyp EA 189 um den Vorgängermotor zum streitgegenständlichen Motorentyp EA 288 gehandelt hat, kann nicht geschlossen werden, dass auch in dem Nachfolgemodell eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2021, 16a U 196/19, juris Rn. 54). Schließlich fehlt jeglicher Vortrag der Klägerin zu den in Bezug auf die Entwicklung des Motortyps EA 288 im Konzern der Beklagten erfolgten Entscheidungsprozessen sowie zu der inhaltlichen Auseinandersetzung der Organe der Beklagten mit den Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2017.
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Soweit der Kläger meint, sich für seine Argumentation auf interne Unterlagen der Beklagten stützen zu können, belegen diese Unterlagen das Vorbringen des Klägers gerade nicht. Diese enthalten lediglich Anweisungen bezüglich der Durchführung der Fahrzyklen Precon und NEFZ. Bezüglich des Vorhandenseins einer manipulativen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerungssoftware haben sie keine Aussagekraft. Soweit es um das „Ausbedaten“ einer sowohl bei EA 189 als auch bei EA 288 gleichermaßen vorhandenen Funktion in den Motorsteuerungsgeräten angeordnet wird, lässt sich dieser Anordnung nicht ansatzweise entnehmen, dass es sich insoweit um eine Abschalteinrichtung zur Abgasmanipulation handelt.
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Darüber hinaus werden die Auswirkungen der unstreitig verbauten Fahrkurvenerkennung mit ihren behaupteten Zusatzfunktionen auf das Emissionsverhalten des Motortyps EA 288 nicht nachvollziehbar dargestellt. Der Kläger trägt insbesondere nicht substantiiert vor, dass die behauptete Prüfstandserkennung dazu führt, dass die Grenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten würden. Dass die Emissionen von Prüfbetrieb und Realbetrieb nicht identisch sind genügt hierfür nicht. Dem Vortrag der Beklagten, dass die Grenzwerte auch bei Deaktivierung der Fahrkurvenerkennung eingehalten werden, ist der Kläger nicht entgegen getreten.
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Der Kläger bringt auch keine greifbaren Umstände vor, die auf eine Strategie der Beklagten schließen lassen könnten, das Kraftfahrtbundesamt durch die Verwendung der behaupteten Abschalteinrichtungen zu täuschen (vgl. OLG Bamberg Urteil vom 14.04.2021 – 8 U 113/20). Wie, wann und wodurch die Beklagte das Kraftfahrtbundesamt konkret worüber getäuscht haben soll, wird durch den Kläger weder konkret dargelegt, noch werden hierfür tatsächliche Anhaltspunkte vorgebracht. Weshalb sich ein Anhaltspunkt für eine Vertuschung ergeben soll, wenn die Beklagte gegenüber dem KBA das Vorhandensein der Fahrkurven und damit das Vorliegen einer Prüfstanderkennung einräumt, gleichzeitig aber die Entfernung offenlegt, vermag sich dem Senat nicht zu erschließen.
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Selbst wenn einzelne Angaben der Beklagten im Typengenehmigungsverfahren bzw. im Nachgang bei der Offenlegung der Funktion gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt tatsächlich unvollständig gewesen sein sollten, wäre dies noch kein konkreter Anhaltspunkt für deren Bewusstsein, eine unzulässige Abschalteinrichtung bei Verheimlichung dieses Umstands zu verwenden bzw. verwendet zu haben. Denn es wäre ggf. Sache des Kraftfahrtbundesamtes gewesen, vermeintlich unvollständige Angaben zu monieren, was offensichtlich nicht geschehen ist. Denn das Kraftfahrtbundesamt hat zunächst zu prüfen, ob die Unterlagen im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben vollständig sind. Fehlt es daran, hat es den Antragsteller aufzufordern, die Antragsunterlagen zu ergänzen. Kommt der Antragsteller dem nicht nach, lehnt die Behörde den Antrag ab (OLG München, Beschluss vom 01. März 2021 – 8 U 4122/20 –, Rn. 63, 52 f. juris).
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Für eine Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes, dem die vom Kläger ins Feld geführten Argumente kaum unbekannt geblieben sein dürften, für die Zeit nach der Typengenehmigung bestehen angesichts der Vielzahl der vom Kraftfahrtbundesamt untersuchten Motoren und des immer gleichen Ergebnisses der Untersuchungen ebenfalls keine Anhaltspunkte. Gerade weil die Beklagte die Fahrkurvenerkennung bereits im Herbst 2015 gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt offengelegt hat und dieses bei der Vielzahl der mit dem Motortyp durchgeführten Untersuchungen ausweislich der vorgelegten und in Bezug genommenen Stellungnahmen durchaus in der Lage zu prüfen und festzustellen, dass die Grenzwerte auch nach Abschaltung der Funktion eingehalten werden. Maßgebliches Kriterium für die Bejahung einer Schadensersatzpflicht nach § 826 BGB infolge der Umschaltlogik beim Motor EA 189 war aber der Umstand, dass die Software bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Grenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typengenehmigungsbehörde abzielte (BGH Urteil vom 25.05.2020 – ZR 252/19). Hiervon kann aber spätestens mit Offenlegung der Funktion gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt keine Rede mehr sein.
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Hier kommt hinzu, dass der Kläger das Fahrzeug erst am 08.03.2017 und damit lange nach dem Zeitpunkt erworben hat, an dem die Beklagte die Fahrkurven gegenüber dem KBA offengelegt hat. Auf dieser Grundlage hat das KBA Euro 5- und 6-Motoren der Baureihen EA 288 eingehend untersucht. Bei dieser Sachlage lag es aus Sicht der Beklagten – auch und gerade mit Blick auf das durch die Medienberichterstattung zum EA 189-Motor ausgelöste überragende Öffentlichkeitsinteresse an der Abgasthematik – nahe, dass das KBA die breite Öffentlichkeit, sollte es die Fahrkurvenerkennung als unzulässig erachten, über die Ausstattung von EA 288-Aggregaten mit dieser unzulässigen Strategie informiert hätte. Hiervon ausgehend konnte der Beklagten Anfang März 2017 nicht mehr eine billigende Inkaufnahme der Schädigung potentieller Fahrzeugerwerber, sondern allenfalls bewusst fahrlässiges Verhalten (Vertrauen auf den Nichteintritt des im Erwerb eines mit einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung versehenen Fahrzeugs liegenden Schadens) zur Last gelegt werden.
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Auch hinsichtlich des implementierten Thermofensters fehlt es an greifbarem Sachvortrag für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung.
33
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH Urteil vom 14.07.2022 C-128/20 in NJW 2022, 2605; Urteil vom 14.07.2022 – C-134/20 in BeckRS 2022, 16621 und Urteil vom 14.07.2022 – C-145/20 in BeckRS 2022, 16620) sind die Europäischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge in Verbindung mit Art. 5 dieser Verordnung ist dahin auszulegen, dass ein Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, wenn hierdurch die Einhaltung der Grenzwerte unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres nicht gewährleistet ist. So hat der Europäische Gerichtshof in diesen Entscheidungen festgestellt, dass eine Einrichtung, die die Einhaltung der in dieser Verordnung vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15°C und 33°C liegt und der Fahrbetrieb unterhalb von 1.000 Höhenmetern erfolgt, eine „Abschalteinrichtung“ im Sinne dieses Art. 3 Nr. 10 darstellt.
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Greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dazu, dass vorliegend ein vergleichbares Thermofenster im klägerischen Fahrzeug verbaut ist, liefert der Kläger nicht. Im Gegenteil: Der Kläger hat dem substanziierten Vorbringen der Beklagten, das im streitgegenständlichen Fahrzeug enthaltene Thermofenster sei bei einer Außentemperatur von – 24 °C bis + 70 °C zu 100% aktiv und es gäbe innerhalb des Temperaturbereichs auch keine schrittweise Reduktion der Abgasrückführung, nichts entgegengebracht. Damit ist das Vorbringen des Klägers auch insoweit als „in Blaue hinein“ zu bewerten. Es liegt an der Klägerseite, die Anspruchsvoraussetzungen vorzutragen.
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Bei Fahrten in einem Temperaturbereich unter – 24 °C und über + 70 °C handelt es sich aber nach Auffassung des Senats nicht mehr um einen normalen Fahrbetrieb (so auch OLG Dresden, Beschluss vom 10.05.2023 – 3 U 2623/22 BeckRS 2023, 10868; OLG Dresden Urteil vom 12.09.2023 – 4 U 1689/22 BeckRS 2023, 25577).
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c) Liegen damit nach dem klägerischen Vorbringen schon die objektiven Voraussetzungen für ein sittenwidriges Handeln nicht vor, fehlt es auch zum Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB an einem ausreichenden Vortrag des Klägers.
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aa) Durchgreifender Vortrag zu einer Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes ist – wie bereits dargelegt – nicht erfolgt.
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bb) Es ist nicht dargetan, dass das Verhalten der für die Beklagten tätigen Personen über eine ggf. fahrlässige Verkennung der Rechtslage hinausgegangen ist. Insoweit liegt auch nach Einschätzung der vom Bundesverkehrsministerium eingesetzten Untersuchungskommission Volkswagen ein Gesetzesverstoß gegen die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 aVO (EG) Nr. 715/2007 durch die von allen Autoherstellern eingesetzten Thermofenster jedenfalls nicht eindeutig vor (vgl. BMVI, Bericht der Untersuchungskommission Volkwagen, Stand April 2016 bzw. BGH Urteil vom 16.09.2021 – ZR 190/20 Rn 31 bei juris). So heißt es im vorerwähnten Bericht der Untersuchungskommission ausdrücklich: „… verstößt eine weite Interpretation durch die Fahrzeughersteller und die Verwendung von Abschalteinrichtungen mit der Begründung, dass eine Abschaltung erforderlich ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten, angesichts der Unschärfe der Bestimmung, die auch weite Interpretationen zulässt, möglicherweise nicht gegen die VO (EG) Nr. 715/2007. Zudem ist auch die breit geführte Diskussion um die Zulässigkeit und der erhebliche Aufwand, mit dem die Unzulässigkeit des Thermofensters und sonstiger Abschalteinrichtungen begründet wird, sowie der Umstand zu berücksichtigen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entwicklung des Motors EA 288 und dem Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs noch nicht vorlagen.
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Eine vor diesem Hintergrund ggf. fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt aber für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten nicht (BGH Urteil vom 16.09.2021 – ZR 190/20 Rn 31 bei juris).
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Dieselbe Argumentation gilt für die in den Motoren des Typs EA 288 implementierte Fahrkurvenerkennung. Auch insoweit liegt mangels konkreten Vortrags der Klägerseite ggf. eine fahrlässige Verkennung der Rechtslage nahe. Daran vermag der Umstand, dass ein Grund für den ursprünglichen Einbau bzw. ein Ziel, das mit dem ursprünglichen Einbau verfolgt werden sollte, nicht ersichtlich ist bzw. von der Beklagten nicht vorgebracht wurde, nichts ändern. Es liegt an der Klägerseite, die Anspruchsvoraussetzungen vorzutragen.
41
Der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 21.03.2022, VIa ZR 334/21, juris Rn. 20) hat zudem für die – so wörtlich – „prüfzyklusabhängige NSK-Steuerung“ eine Haftung der Beklagten abgelehnt, da diese nachvollziehbar erläutert habe, dass die Steuerung der Vermeidung verzerrter NEFZ-Testergebnisse gedient habe, also einem nicht-manipulativen, grundsätzlich anerkennenswerten Zweck, und die Beklagte alle Vorgaben zur NSK-Steuerung in der Entscheidungsvorlage vom 18.11.2015 ausdrücklich unter den Vorbehalt gesetzmäßigen Handels gestellt habe (OLG Bamberg Hinweisbeschluss v. 30.8.2023 – 10 U 28/23, BeckRS 2023, 24363 Rn. 12).
42
d) Ebenso fehlen greifbare Anhaltspunkte für den erforderlichen Schädigungsvorsatz. Insoweit müsste der Handelnde die Schädigung des Klägers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben oder jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Allein aus einer objektiven Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer (vgl. z.B. BGH Urteil vom 16.09.2021 ZR 190/20 R. 29ff bei juris).
43
Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage sowie die Feststellungen des Kraftfahrtbundesamtes zu den Motoren des Typs EA 288 ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers hätte aufdrängen müssen.
44
e) Der Vortrag des Klägers führt auch nicht zu einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zu den technischen Gegebenheiten der mit dem Motor EA 288 ausgestatteten Fahrzeuge bzw. der Kenntnisse für die Beklagten tätigen Personen.
45
Grundsätzlich trägt der Geschädigte, der sich auf einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB beruft, die volle Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 33. Aufl., vor § 284 Rdnr. 34). Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass der darlegungs- und beweisbelasteten Partei die nähere Darlegung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die gegnerische Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt oder es ihr zuzumuten ist, nähere Angaben zu machen. Die Voraussetzungen für eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten sind hier nicht erfüllt. Um eine Ausforschung zu vermeiden, muss der unstreitige oder zu beweisende Vortrag des Beweispflichtigen greifbare Anhaltspunkte für seine Behauptung liefern (Zöller-Greger, a.a.O, m.w.N.). Daran fehlt es hier, wie bereits dargestellt.
46
Selbst bei eingehender Auseinandersetzung mit dem klägerischen Sachvortrag unter Beachtung der vom BGH aufgestellten Maßstäbe verbleibt es bei der Bewertung, dass der Klägervortrag konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das streitgegenständliche Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung zur Prüfstandserkennung einhält, nicht aufzeigt und diese auch sonst nicht ersichtlich sind.
47
3. Ansprüche des Klägers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB sind ebenfalls nicht gegeben. Diese würden jeweils den Nachweis eines deliktischen Handelns bzw. einer vorsätzlichen Täuschungshandlung voraussetzen. Dieser ist – wie oben dargelegt – dem Kläger nicht gelungen. Im Übrigen scheitert dieser Anspruch bereits am Fehlen der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden. Der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei müssen der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander „spiegelbildlich“ entsprechen. Einen Vermögensschaden hat der Käufer dann erlitten, wenn das von ihm erworbene Fahrzeug im Hinblick auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und etwaige damit verbundene Risiken den vereinbarten und bezahlten Kaufpreis nicht wert war. Zwischen dieser etwaigen Vermögenseinbuße mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten, etwa den Fahrzeughändler, erstrebt haben könnte, besteht jedoch keine Stoffgleichheit (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. ZR 5/20).
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4. Auf einen evtl. Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV i.V.m. Art. 5 VO 715/2007/EG kann der in erster Linie begehrte große Schdensersatz nicht gestützt werden (BGH Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21 Rn. 19ff).
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5. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung des hilfsweise geltend gemachten Diefferenzschadens aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.
50
Einem Differenzschaden im Hinblick auf das unstreitig vorhandene Thermofenster steht bereits entgegen, dass es insoweit an ausreichendem Vortrag der Klägerseite für den Einau einer unzulässigen Abschalteinrichtung fehlt (siehe oben).
51
Hinsichtlich der Fahrkurvenerkennung kann offen bleiben, ob es sich um eine Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 handelt. Insbesondere bedarf es keiner Entscheidung, ob es für die Qualifizierung der Fahrkurvenerkennung als Abschalteinrichtung auf die Frage der Grenzwertkausalität ankommt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26.06.2023, VIa ZR 335/21).
52
Selbst wenn man zu Gunsten der Klagepartei unterstellt, dass die Voraussetzungen des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 erfüllt sind, fehlt es jedenfalls an einem Verschulden der Beklagten. Denn die Beklagte unterlag hinsichtlich der Zulässigkeit der Fahrkurvenerkennung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger Anfang März 2017 einem unvermeidbaren Verbotsirrtum, der sie entlastet (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21).
53
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der Fahrzeughersteller u. a. dann auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen, wenn seine Rechtsauffassung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden wäre (hypothetische Genehmigung). Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat. Eine Entlastung auf dieser Grundlage setzt allerdings voraus, dass der Fahrzeughersteller nicht nur allgemein darlegt, dass die Behörde Abschalteinrichtungen der verwendeten Art genehmigt hätte, sondern dass ihm dies auch unter Berücksichtigung der konkret verwendeten Abschalteinrichtung in allen für die Beurteilung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 maßgebenden Einzelheiten gelingt. Haben mehrere Abschalteinrichtungen Verwendung gefunden, muss der Tatrichter die Einzelheiten der konkret verwendeten Kombination für die Frage einer hypothetischen Genehmigung in den Blick nehmen (BGH, Urt. v. 26.06.2023 aaO, Tz. 65 f.).
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Das KBA als die für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständige Behörde hat nach dem nicht ausreichend bestrittenen Vorbringen der Beklagten bezogen auf den im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motor EA 288 bestätigt, dass es die Fahrkurvenerkennung nicht als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ansieht. Dies hat das KBA für zahlreiche mit dem Motor EA 288 ausgestattete Fahrzeuge mit unterschiedlichen Hubräumen und für die Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6 ausgeführt. Es hat dabei jeweils das gesamte Emissionskontrollsystem und seine Komponenten – also im vorliegenden Fall auch die Kombination mit dem Thermofenster – untersucht, insbesondere auch wie im vorliegenden Fall einen Motor mit 2,0 l Hubraum und 110 kW Nennleistung. Dabei ist eine Unzulässigkeit dieser Funktionen nach seiner Ansicht nicht gegeben. Das KBA vertritt dabei insbesondere auch die Rechtsansicht, wonach es darauf ankommt, dass auch bei einer Deaktivierung der Fahrkurvenfunktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden und deshalb keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt.
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Ob diese Rechtsmeinung richtig ist, spielt für die Frage des Verschuldens der Beklagten keine Rolle. Es gibt auch keinen Grund für die Annahme, dass die Mitarbeiter oder Organe der Beklagten besser als die hierfür zuständige Behörde in der Lage sind, den Sachverhalt in technischer und rechtlicher Hinsicht zu beurteilen. Im Übrigen entspricht die Auffassung des KBA zur Relevanz der Grenzwertkausalität – jedenfalls bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.06.2023 – der Rechtsprechung vieler Oberlandesgerichte. Damit ist eine Verwaltungspraxis belegt, nach der die Fahrkurvenerkennung über Jahre hinweg mangels Grenzwertkausalität nicht als Abschalteinrichtung eingestuft wurde. Diese lässt nur den Schluss zu, dass das KBA auch der Beklagten bestätigt hätte, dass es sich bei der Fahrkurvenerkennung um keine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, weil auch bei ihrem Abschalten die Grenzwerte eingehalten werden (ebenso: OLG Brandenburg Beschluss vom 03.07.2023 – 10 U 27/23 BeckRS 2023, 17809; OLG Braunschweig Beschluss vom 13.07.2023 – 7 U 4/21 BeckRS 2023, 17815; OLG Dresden Urteil vom 29.08.2023 – 3 U 852/23 BeckRS 2023, 24377; OLG Bamberg Beschluss vom 30.08.2023 10 U 28/23 BeckRS 2023, 24363; OLG Koblenz Beschluss vom 07.09.2023 – 6 U 1873/22 BeckRS 2023, 25585; OLG Dresden Urteil vom 12.09.2023 – 4 U 1689/22 BeckRS 2023, 25577; OLG Zweibrücken Beschluss vom 28.9.2023 – 5 U 36/22 BeckRS 2023, 26751).
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6. Vor diesem Hintergrund ist auch kein Raum für die von der Klägerseite geltend gemachten Nebenforderungen.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Über klärungsfähige und -bedürftige Rechtsfragen hat der Senat nicht zu befinden. Soweit Rechtsfragen zu beantworten waren, sind diese in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt. Der Senat weicht hiervon nicht ab.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97, 269 StPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO. V.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.
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Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass sich der Berufungsstreitwert durch die Verringerung des Zahlungsantrags vor der mündlichen Verhandlung ermäßigt hat und diese Ermäßigung als Teilklagerücknahme zu behandeln ist. Den Wert der begehrten Feststellung hat der Senat mit 1.000 € bemessen.