Titel:
Anspruch des Erwerbers eines Diesel-Fahrzeugs mit Restreichweitenerkennung auf Ersatz des Differenzschadens
Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Fahrzeugemissionen-VO Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Leitsatz:
Der Geschädigte wird durch Gewährung des Differenzschadens wegen der Enttäuschung des Käufervertrauens so behandelt, als wäre es ihm in Kenntnis der wahren Sachlage und der damit verbundenen Risiken gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden liegt daher in dem Betrag, um den er den Kaufgegenstand mit Rücksicht auf die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung (hier Restreichweitenerkennung) verbundenen Risiken zu teuer erworben hat. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Schutzgesetz, Kfz-Hersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, Restreichweitenerkennung, EG-Typgenehmigung, Übereinstimmungsbescheinigung, Differenzschaden
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Urteil vom 03.11.2022 – 44 O 281/21 Die
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28301
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 03.11.2022, Az. 44 O 281/21 Die, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.609,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.03.2021 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 70 % und die Beklagte 30 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 60 % und die Beklagte 40 %.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Verfahren erster Instanz auf 53.058,77 € und für das Berufungsverfahren auf 27.204,59 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
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Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz wegen des Kaufs eines Dieselfahrzeugs geltend.
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Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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1. Der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger erwarb am 11.05.2017 (auf Bestellung vom 07.04.2017) einen von der Beklagten hergestellten, gebrauchten Audi A6 3.0 V6 TDI Quattro Avant, Erstzulassung 29.06.2016, mit einem Kilometerstand von 12.453 km zum Kaufpreis von 66.754,49 € brutto/56.096,21 € netto (Anlage K1). Das Fahrzeug mit 2.967 ccm Hubraum und 200 kW Leistung unterfällt der Abgasnorm Euro 6 und ist mit einem SCR-Katalysator ausgestattet. Für Zulassungskosten entrichtete der Kläger 117,65 € (Anlage K1), für Finanzierungskosten 1.558,12 € (Anlage K1 a).
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Für das Fahrzeug existiert ein Rückruf des Kraftfahrtbundesamts vom 04.06.2018 wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung, bezeichnet als aktive Restreichweitenerkennung (Strategie E) (Anlage K3 a). Die Beklagte erarbeitete eine Software zur Beseitigung dieser Funktion, die das Kraftfahrtbundesamt am 12.11.2018 freigab (Anlage BE15). Der Kläger ließ das Software-Update am 02.01.2019 durchführen.
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Der Kläger veräußerte das Fahrzeug am 10.08.2021 durch Ausübung eines mit der Finanzierung verbrieften Rückgaberechts mit einem Kilometerstand von 108.963 km für 22.022,00 € brutto/18.505,88 € netto (Anlage K1 b).
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2. Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 27.202,61 € nebst Zinsen seit 15.10.2020 zu verurteilen, festzustellen, dass dieser Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt, und weiters die Beklagte zur Freistellung des Klägers von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 3.196,34 € zu verurteilen.
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Das Landgericht Ingolstadt hat mit Endurteil vom 03.11.2022 die Klage mit der Begründung abgewiesen, die wesentlichen tatsächlichen Umstände des Fahrzeugerwerbs wie Kaufpreis, Kilometerstand bei Erwerb und Erwerb als Privatperson oder als Gewerbetreibender seien streitig geblieben. Der Kläger habe insoweit keinen Beweis angeboten.
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3. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er hat zunächst den Anspruch aus §§ 826, 31 BGB wegen der Manipulation des SCR-Katalysators in Form einer aktiven Restreichweitenerkennung (Strategie E) weiterverfolgt, die so funktioniere, dass der AdBlue-Verbrauch noch vor der Reststrecke von mindestens 2.400 km gedeckelt und die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems dadurch vermindert werde. Nunmehr richtet sich sein Begehren in der Berufungsinstanz auf den Differenzschaden gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 6 Abs. 1 EG-FGV. Aufgrund der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung habe im Zeitpunkt des Kaufs keine ordnungsgemäße Übereinstimmungserklärung vorgelegen. Da die Offenlegung der Strategie E gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt unterblieben sei, habe die Beklagte mindestens fahrlässig, wenn nicht vorsätzlich gehandelt.
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Darüber hinaus sei in die Motorsteuerungssoftware als weitere unzulässige Abschalteinrichtung ein Thermofenster integriert, das eine vollständige Leistung des Emissionskontrollsystems nur zwischen 15 °C und 33 °C und unterhalb von 1.000 Metern gewährleiste. Außerhalb dieses Temperaturbereichs werde die Abgasreinigung erheblich reduziert bzw. komplett zurückgefahren, so dass sie in Deutschland bei normalen Nutzungsbedingungen in der Regel nicht funktioniere. Motorschutzgründe könnten der Beklagten offensichtlich nicht als Rechtfertigung dienen. Ihr sei auch in Bezug auf das Thermofenster aufgrund eines unzureichenden Qualitätsmanagementsystems ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen. Auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum könne sie sich bei einer Abschalteinrichtung, die die meiste Zeit des Jahres aktiv sei, nicht berufen.
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Der Kläger habe das Fahrzeug in Unkenntnis der nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware erworben. Dies hätte er nicht getan, hätte er gewusst, dass das Fahrzeug zwar formell über eine Typgenehmigung verfügte, diese aber nicht hätte erhalten dürfen und daher Maßnahmen bis zur Stilllegung drohten. Insbesondere wegen des Thermofensters bestehe die Gefahr eines behördlichen Einschreitens bis hin zur Betriebsbeschränkung oder untersagung. Der objektive Wert des Fahrzeugs entspreche aufgrund der Strategie E und des Thermofensters nicht dem gezahlten Kaufpreis. Der Differenzschaden belaufe sich auf 10 % des Brutto-Kaufpreises. Um diesen Betrag habe der Kläger das Fahrzeug zu teuer erworben. Die Nutzungsvorteile, die sich auf 19.088,00 € (Basis 350.000 km) beliefen, und der Verkaufserlös über 18.505,88 € überstiegen den um den Differenzschaden geminderten Kaufpreis nicht.
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Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sei eine 2,0 Geschäftsgebühr angemessen.
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Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 27.204,59 € nebst Zinsen seit 15.10.2020 zu verurteilen, festzustellen, dass dieser Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt, und die Beklagte weiter zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 3.196,34 freizustellen.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag bezüglich des Fahrzeugs der Marke Audi mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens EUR 6.675,45 betragen muss, zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
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die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 3.196,34 freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Ein Differenzschaden des Klägers sei nicht gegeben. Eine Nutzungseinschränkung des Fahrzeugs infolge der ehemals eingesetzten Restreichweitenerkennung drohe nach dem Software-Update nicht. Zudem belege die Restwertentwicklung der V-TDI-Fahrzeuge, die bereits Gegenstand gutachterlicher Überprüfung gewesen sei, dass diese Strategie keine Auswirkungen auf den Kaufpreis gehabt habe. Eine Schadenschätzung nach § 287 ZPO wäre eine unzulässige, vorweggenommene Beweiswürdigung. Selbst wenn man sie zuließe, müssten der Vortrag und das Beweisangebot der Beklagten zum fehlenden Schaden Gehör finden. Des Weiteren bestehe kein kausaler Zusammenhang zwischen der Restreichweitenerkennung und einem etwaigen Differenzschaden, da im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits absehbar gewesen sei, wie diese regulatorische Unzulässigkeit beseitigt werden könne, und da behördliche Maßnahmen wegen der Anwendungsintention, der technischen Natur und der fehlenden Eingriffstiefe nie ernsthaft im Raum gestanden hätten. Überdies sei der Beklagten kein Verschulden vorzuwerfen, weil die Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs über ein System zur Warnung bei niedrigem AdBlue-Füllstand verfügen müssten. Ohne Änderung der Dosierungsstrategie bei Erreichen einer Restreichweite von 2.400 km könne wegen der Vielzahl von Faktoren (Farbprofil, Umgebungsbedingungen etc.) nicht sichergestellt werden, dass dem Fahrer diese Strecke tatsächlich noch zur Verfügung stehe. Das Kraftfahrtbundesamt habe darin zwar eine unzulässige Abschalteinrichtung gesehen, weil die Wirkweise des SCR-Katalysators nicht herabgesetzt werden dürfe, habe die rechtlichen Unsicherheiten bei der Auslegung von Ziffer 3.5 des Anhangs XVI der VO (EG) Nr. 692/2008 aber bestätigt.
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Ein unterstellter Differenzschaden des Klägers wäre jedenfalls im Rahmen des Vorteilsausgleichs durch das Software-Update entfallen. Zudem hätte der Kläger als vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer von vornherein nur einen Schaden in Höhe seiner tatsächlichen wirtschaftlichen Netto-Belastung erlitten und müsste sich Steuervorteile aus der Absetzung für Abnutzung in Höhe von geschätzt 12.008,09 € entgegenhalten lassen. Ferner wären der Restwert des Fahrzeugs sowie eine Nutzungsentschädigung, ausgehend vom Brutto-Kaufpreis und auf der Basis einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km, mit insgesamt 49.145,01 € anzurechnen.
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Der Rückruf des Kraftfahrtbundesamts beziehe sich nicht auf ein Thermofenster. Ein solches sei regulatorisch zulässig, wenn es dazu diene, plötzliche und unvorhersehbare Motorschäden zu vermeiden und einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Diese Anforderungen erfülle das Thermofenster im streitgegenständlichen Fahrzeug, da es vor Verlackung und Versottung des Abgasrückführung-Ventils, vor einem Durchbrand des Dieselpartikelfilters und vor daraus folgenden Motorschäden schütze. Das Kraftfahrtbundesamt habe nicht festgestellt, dass das Thermofenster während des überwiegenden Teils eines Jahres unter den im Unionsgebiet herrschenden tatsächlichen Fahrbedingungen nicht aktiv sei. Die Beklagte habe wegen der Einhaltung des jeweils geltenden Stands der Technik und wegen der Verwaltungspraxis des Kraftfahrtbundesamts nicht erkennen können, dass die Übereinstimmungsbescheinigung in Bezug auf das Thermofenster unrichtig sein könnte.
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Die vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten seien zur Rechtsverfolgung nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe nicht dargelegt, den Klägervertretern ein zunächst auf die außergerichtliche Tätigkeit beschränktes Mandat erteilt zu haben.
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Der Senat hat den Kläger als Partei vernommen
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Einer weitergehenden Darstellung des Sachverhalts bedarf es vorliegend nicht, da nach der Klageänderung ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Senats mangels Überschreitung einer Beschwer in Höhe von 20.000,00 € (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) unzweifelhaft nicht zulässig ist (§§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO).
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Die zulässige Berufung erweist sich teilweise als begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV in Höhe von 5.609,62 €, weil er durch den Abschluss des Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug wegen eines Verstoßes der Beklagten als Fahrzeughersteller gegen das europäische Abgasrecht eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese erlitten hat.
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1. Die Umstellung von dem „großen Schadensersatz“ auf den Differenzschaden durch Schriftsatz der Klägervertreter vom 01.09.2023 erweist sich als auch in der 2. Instanz stets zulässige Antragsänderung nach §§ 525 S. 1, 264 Nr. 2 ZPO. Denn dem vom Kläger in erster Linie auf §§ 826, 31 BGB gestützten „großen Schadensersatz“ einerseits und einem Differenzschaden nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV andererseits liegen lediglich unterschiedliche Methoden der Schadensberechnung zugrunde, die im Kern an die Vertrauensinvestition des Käufers bei Abschluss des Kaufvertrags anknüpfen (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 45). Wechselt der Kläger jedoch nur die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt keine Klageänderung i.S.d. § 263 ZPO vor (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2015, XI ZR 536/14, juris Rdnr. 33).
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2. Die Beklagte hat eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung erteilt.
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a) Unzutreffend ist eine Übereinstimmungsbescheinigung, wenn das betreffende Kraftfahrzeug mit einer gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, weil die Bescheinigung dann eine tatsächlich nicht gegebene Übereinstimmung des konkreten Kraftfahrzeugs mit Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 ausweist. Auf den Inhalt der zugrundeliegenden EG-Typgenehmigung kommt es dabei nicht an, weil sich die Tatbestandswirkung deren verfügenden Teils nicht über eine seitens der befassten Genehmigungsbehörde getroffene Feststellung der Rechtmäßigkeit des zur Beurteilung unterbreiteten Fahrzeugtyps hinaus erstrecken kann. Die Übereinstimmungsbescheinigung weist hingegen gemäß der verbindlichen Auslegung des Unionsrechts durch den EuGH (Urteil vom 21.03.2023, C-100/21) nicht nur die Übereinstimmung des konkreten Kraftfahrzeugs mit dem genehmigten Typ aus, sondern auch die Übereinstimmung des konkreten Kraftfahrzeugs mit allen Rechtsakten, also auch mit Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) Nr. 715/2007. Die Übereinstimmungsbescheinigung verweist nach ihrem gesetzlichen Inhalt auch auf materielle Voraussetzungen, die im Falle einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht vorliegen (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 34; BGH, Urteil vom 20.07.2023, III ZR 267/20, ZIP 2023, 1903, juris Rdnr. 26 f.).
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b) In dem streitgegenständlichen Fahrzeug ist unstreitig eine aktive Restreichweitenerkennung appliziert, die jedenfalls dazu führt, dass nach Aktivierung des Aufforderungssystems nicht über die gesamte Restreichweite des Fahrzeugs gleich viel Reagens in den SCR-Katalysator eingedüst wird (bezogen auf vergleichbare Betriebsbedingungen vor Erreichen der Restreichweite). Dies sollte nach Angaben der Beklagten der Sicherstellung der geforderten Reagens-Restreichweite von 2.400 km dienen.
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Dass es sich dabei um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, wird durch den Bescheid des Kraftfahrtbundesamts mit der Anordnung nachträglicher Nebenbestimmungen zur Entfernung dieser Funktion und Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit indiziert. Das Kraftfahrtbundesamt stellte fest, dass die VO (EG) Nr. 715/2007 explizit das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen verbiete bzw. sie nur unter in Art. 5 bestimmten Bedingungen gestatte, welche hier allesamt nicht zuträfen. Es hielt daher abschließend fest, dass durch die gewählte Strategie die Wirksamkeit des Abgasnachbehandlungssystems unzulässig verringert werde.
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Im Übrigen unterfällt die Restreichweitenerkennung auch nach der von der Beklagten beschriebenen Funktionsweise dem Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007. Danach ist eine Abschalteinrichtung ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.
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3. Die Beklagte hat bei der Inverkehrgabe der Übereinstimmungsbescheinigung zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.
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a) Gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV genügt ein fahrlässiger Verstoß gegen die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung für die Haftung. Der subjektive Tatbestand des Schutzgesetzes ist auch für die Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB maßgebend. § 37 Abs. 1 EG-FGV sanktioniert sowohl den vorsätzlichen als auch den fahrlässigen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 S. 1 EG-FGV (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, juris Rdnr. 38; BGH, Urteil vom 20.07.2023, III ZR 267/20, ZIP 2023, 1903, juris Rdnr. 30).
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Zwar trifft hinsichtlich des Verschuldens als anspruchsbegründender Voraussetzung gemäß § 823 Abs. 2 BGB gewöhnlich den Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast. Jedoch muss derjenige, der objektiv ein Schutzgesetz verletzt hat, Umstände darlegen und erforderlichenfalls beweisen, die geeignet sind, die daraus folgende Annahme seines Verschuldens in Form einer Fahrlässigkeit auszuräumen. Insofern besteht eine von der objektiven Schutzgesetzverletzung ausgehende Verschuldensvermutung. Dementsprechend muss der Fahrzeughersteller, wenn er eine Übereinstimmungsbescheinigung trotz der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegeben und dadurch §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV verletzt hat, Umstände darlegen und beweisen, die sein Verhalten ausnahmsweise nicht als fahrlässig erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 59).
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b) Die für das Abgasnachbehandlungssystem bei der Beklagten Verantwortlichen hätte erkennen können und müssen, dass die Manipulationen am SCR-Katalysator in Form der Restreichweitenerkennung unter anderem nicht den Vorgaben in Ziffern
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3.2 (Das Warnsystem muss mit sinkendem Füllstand das Signal verstärken. Wenn das Signal am stärksten ist, muss der Fahrer eine Meldung erhalten, die nicht einfach abgeschaltet werden oder unbeachtet bleiben kann. Das System darf erst dann abgeschaltet werden können, wenn das Reagens nachgefüllt worden ist.),
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3.5 (Das Warnsystem muss sich aktivieren, sobald noch eine Strecke von mindestens 2.400 km gefahren werden kann, bevor der Reagensbehälter leer wird.),
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8.1 (Das Fahrzeug muss über ein Aufforderungssystem für den Fahrer verfügen, um zu gewährleisten, dass das Fahrzeug jederzeit mit einem funktionsfähigen Emissionsminderungssystem betrieben wird.) und
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8.4 (Sobald sich das Aufforderungssystem voll aktiviert und das Fahrzeug stillgelegt hat, darf sich das Aufforderungssystem nur dann deaktivieren, wenn die nachgefüllte Reagensmenge einer mittleren Reichweite von 2.400 km entspricht oder die in den Abschnitten 4, 5 oder 6 dieser Anlage beschriebenen Fehlfunktionen beseitigt wurden.)
der Anlage 6 der Regelung Nr. 83 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE) vom 22.01.2015 entsprachen.
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Die Beklagte hat eingeräumt, dass der Wirkungsgrad der AdBlue-Einspritzung herabgesetzt worden sei, wenn die Menge nur noch für 2.400 km ausgereicht habe und das Fahrzeug über längere Zeit hochlastig und dynamisch bewegt worden sei. Der Einwand der Beklagten, dies sei nur im Ausnahmefall und nur unter bestimmten Bedingungen vorgekommen (Temperatur im SCR-Katalysator von über 400 °C oder NOx-Rohemissionen über 40 mg/s (gefiltert über 50 bis 800 s) oder Umgebungsdruck unter 810 mbar (etwa 1600 m ü. NN) oder Umgebungstemperatur über 38,5 °C oder unter -8,5 °C) und nur dann, wenn der durchschnittliche Langzeitverbrauch von AdBlue die Marke von 1,1 I pro 1.000 km überschritten habe, lässt den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht entfallen. Wie dargestellt, muss das Emissionsminderungssystem jederzeit funktionsfähig sein.
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Gleiches gilt für die Ausführungen der Beklagten zur technischen Notwendigkeit der Restreichweitenregelung, wonach aufgrund der Vielzahl von Faktoren, die den Ad-Blue-Verbrauch beeinflussen könnten (Fahrprofil, Umgebungsbedingungen etc.), nicht sicher prognostiziert werden könne, wie viel AdBlue für die letzten 2.400 km überhaupt bereitgehalten werden müsse. Dass es technisch nicht machbar sein soll, aus dem vorangegangenen Fahrverhalten einen durchschnittlichen Verbrauch zu errechnen und hierauf einen Sicherheitszuschlag zu machen, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
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Auch der Verweis auf die Ausführungen des Kraftfahrtbundesamts im Rückrufbescheid geht fehl. Dort hat das KBA erläutert, „aus der Vorschrift“ ergebe sich nicht klar, ob das Reagens unter allen möglichen Umständen mindestens 2.400 km oder aber nur bei einem „mittleren“ Betriebsprofil 2.400 km ausreichen müsse. Das KBA hat jedoch im Nachsatz sogleich festgestellt, dass die in Art. 5 der VO (EG) Nr. 715/2007 bestimmten Bedingungen, unter denen ausnahmsweise Abschalteinrichtungen für zulässig erachtet werden, im Fall der Restreichweitenregelung allesamt nicht zuträfen. Es hat lediglich konzediert, dass die Abschaltung des Emissionskontrollsystems beim streitgegenständlichen Fahrzeugtyp in weit geringerem Umfang stattfinde als im Fall des VW Touareg. An der formalen Einstufung als unzulässige Abschalteinrichtung hat das Kraftfahrtbundesamt jedoch nicht gerüttelt. Die Beklagte hat somit die Verschuldensvermutung nicht widerlegt.
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4. Zur Überzeugung des Senats hätte der Kläger das Fahrzeug nicht erworben, hätte er von der unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung Kenntnis gehabt.
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a) Zum einen streitet bereits der Erfahrungssatz für den Kläger, nach dem auszuschließen ist, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem behoben werden kann (BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, juris Rdnr. 49).
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Hierbei ist es ohne Bedeutung, ob dem Käufer beim Erwerb des Kraftfahrzeugs die vom Fahrzeughersteller ausgegebene unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung vorgelegen und ob er von deren Inhalt Kenntnis genommen hat. Denn erwirbt ein Käufer ein zugelassenes oder zulassungsfähiges Fahrzeug auch zur Nutzung im Straßenverkehr, wird er regelmäßig darauf vertrauen, dass die Zulassungsvoraussetzungen, zu denen nach § 6 Abs. 3 S. 1 FZV die Übereinstimmungsbescheinigung gehört, vorliegen und dass außerdem keine ihn einschränkenden Maßnahmen nach § 5 Abs. 1 FZV mit Rücksicht auf unzulässige Abschalteinrichtungen erfolgen können. Auch ohne Kenntnisnahme der vom Fahrzeughersteller ausgegebenen Übereinstimmungsbescheinigung geht der Käufer typischerweise davon aus, dass der Hersteller für das erworbene Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung ausgegeben hat und dass diese die gesetzlich vorgesehene Übereinstimmung mit allen maßgebenden Rechtsakten richtig ausweist (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 56).
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b) Darüber hinaus hat der Kläger, vom Senat als Partei vernommen, nachvollziehbar bekundet, das streitgegenständliche Fahrzeug nicht gekauft zu haben, hätte er gewusst, dass es von der Diesel-Problematik betroffen war oder hätte es auch nur Zweifel daran gegeben. Der Kläger räumte obendrein ein, dass ihm die Thematik bekannt gewesen sei. Deswegen habe er sich vor dem Kauf sogar in Gesprächen mit anderen Fahrzeughaltern erkundigt, ob die 3 I-TDI-Motoren betroffen gewesen seien. Es habe immer geheißen, diese seien frei von der Manipulation.
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Der Senat schenkt dem Kläger darin Glauben, dass er von einem Kauf des Fahrzeugs Abstand genommen hätte, wäre ihm dessen individuelle Betroffenheit mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung bekannt gewesen. Der Kläger hat einen erheblichen Betrag von 66.754,49 € brutto investiert und diesen zum größten Teil finanziert. Es erscheint dem Senat plausibel, dass es ihm darauf ankam, ein Fahrzeug zu erhalten, dem nicht das Risiko einer Betriebsbeschränkung und mehr anhaftete.
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Die von der Beklagten ins Feld geführten Gesichtspunkte gegen die Anwendbarkeit des oben genannten Erfahrungssatzes können daher dahingestellt bleiben. Der Senat hat sich aufgrund der persönlichen Vernehmung des Klägers als Partei die Überzeugung von der Kausalität zwischen dem Pflichtenverstoß der Beklagten und dem Schaden des Klägers gebildet.
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5. Der Schutz der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV erstreckt sich aber nicht auf das Interesse des Klägers, nicht an dem Kaufvertrag über das Fahrzeug festgehalten zu werden. Vielmehr hat ihm die Beklagte lediglich einen sog. Differenzschaden in Höhe von 5.609,62 € zu erstatten.
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a) Das Unionsrecht verlangt nicht, den Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Diese Rechtsprechung trägt dem unterschiedlichen Unwertgehalt einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung einerseits und einer schuldhaften Schutzgesetzverletzung andererseits Rechnung. Die §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV i.V.m. Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 schützen (lediglich) das Vertrauen des Käufers auf die Übereinstimmung des Fahrzeugs mit allen maßgebenden Rechtsakten beim Fahrzeugkauf (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 19 ff.; BGH, Urteil vom 20.07.2023, III ZR 267/20, ZIP 2023, 1903, juris Rdnr. 20).
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b) Dem Kläger ist ein Vermögensschaden entstanden, der auf der Verringerung des objektiven Werts des von ihm erworbenen Fahrzeugs infolge der Ausrüstung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung beruht.
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aa) Das Bestehen eines Schadens ist nach Maßgabe der Differenzhypothese zu ermitteln, also nach Maßgabe eines Vergleichs der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit der Vermögenslage, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Ein Vermögensschaden des Käufers im Sinne der Differenzhypothese liegt vor, wenn der Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit der Vermögenslage ohne das haftungsbegründende Ereignis ein rechnerisches Minus ergibt bzw. der objektive Wert des erworbenen Fahrzeugs hinter dem Kaufpreis zurückbleibt. Der Geschädigte wird durch Gewährung des Differenzschadens wegen der Enttäuschung des Käufervertrauens so behandelt, als wäre es ihm in Kenntnis der wahren Sachlage und der damit verbundenen Risiken gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden liegt daher in dem Betrag, um den er den Kaufgegenstand mit Rücksicht auf die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken zu teuer erworben hat. Insofern unterscheidet sich der Anspruch auf Ersatz eines Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV nicht von dem unter den Voraussetzungen der §§ 826, 31 BGB zu gewährenden „kleinen“ Schadensersatz (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 40).
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Festgemacht hat der Bundesgerichtshof diese Wertdifferenz daran, dass die zweckentsprechende Nutzung eines Fahrzeugs, das dem Gebrauch als Fortbewegungsmittel im Straßenverkehr diene, durch drohende Maßnahmen bis hin zu einer Betriebsbeschränkung oder infolge unzulässiger Abschalteinrichtungen in Frage stehe. Die damit einhergehende, zeitlich nicht absehbare Unsicherheit, das erworbene Kraftfahrzeug jederzeit seinem Zweck entsprechend nutzen zu dürfen, setze den objektiven Wert des Kaufgegenstands im maßgeblichen Zeitpunkt der Vertrauensinvestition des Käufers bei Abschluss des Kaufvertrags herab, weil schon in der Gebrauchsmöglichkeit als solcher ein geldwerter Vorteil liege (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 41; BGH, Urteil vom 20.07.2023, III ZR 267/20, ZIP 2023, 1903, juris Rdnr. 31).
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bb) Die Einwendungen der Beklagten im Hinblick auf die Anwendungsintention, die technische Natur und die fehlende Eingriffstiefe der Restreichweitenregelung greifen nicht durch. Das Fahrzeug des Klägers war wie andere von der nachträglichen Nebenbestimmung des Kraftfahrtbundesamts vom 04.06.2018 betroffenen Fahrzeuge von einer Stilllegung bedroht. Diese Gefahr war bereits im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses angelegt, der für die Schadensentstehung maßgeblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 42). Gemäß § 25 Abs. 3 EG-FGV kann das Kraftfahrtbundesamt die Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen oder zurücknehmen, insbesondere wenn festgestellt wird, dass Fahrzeuge mit einer Übereinstimmungsbescheinigung oder selbstständige technische Einheiten oder Bauteile mit einer vorgeschriebenen Kennzeichnung nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen (Nr. 1), dass von Fahrzeugen, selbstständigen technischen Einheiten oder Bauteilen ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht (Nr. 2), dass der Hersteller nicht über ein wirksames System der Überwachung der Übereinstimmung der Produktion verfügt oder dieses System nicht in der vorgesehenen Weise anwendet (Nr. 3) oder dass der Inhaber der Typgenehmigung gegen die mit der Typgenehmigung verbundenen Auflagen verstößt (Nr. 4). Genau auf diese Rechtsfolge hat das Kraftfahrtbundesamt im Rückrufbescheid unmissverständlich hingewiesen. Daran anschließend hätte die Zulassungsbehörde nach § 5 Abs. 1 FZV dem Kläger als Halter oder Eigentümer eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeuges auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen können.
47
Da sich der Schaden nach der uneingeschränkten Nutzbarkeit des Fahrzeugs im Straßenverkehr für den Käufer wie auch für Dritte definiert, der Geldwert zukommt, reicht die Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 S. 1 der VO (EG) Nr. 715/2007, Ziffern 2.16, 5.1.2.1 der UNECE-Regelung Nr. 83 aus, um den objektiven Wert des betroffenen Fahrzeugs im Vergleich zu einem Fahrzeug der gleichen Baureihe und Motorisierung ohne unzulässige Abschalteinrichtung zu mindern.
48
c) Bezüglich der Schätzung des Differenzschadens in den Fällen des Vertrauens eines Käufers auf die Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung bei Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs hat der Bundesgerichtshof Vorgaben des Unionsrechts (EuGH, Urteil vom 21.03.2023, C-100/21) für die Anwendung des nationalen Rechts sowohl in Bezug auf die Untergrenze als auch auf die Obergrenze des nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV zu gewährenden Schadensersatzes gesehen, die das Schätzungsermessen innerhalb einer Bandbreite zwischen 5 % und 15 % des gezahlten Kaufpreises rechtlich begrenzen. Maßgebliche Faktoren für die Bestimmung des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses sind unter anderem die mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen, der Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf die Einzelfallumstände, das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie der Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, juris Rdnr. 73 ff.; BGH, Urteil vom 20.07.2023, III ZR 267/20, ZIP 2023, 1903, juris Rdnr. 34).
49
Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, eine Schätzung nach § 287 ZPO sei als vorweggenommene Beweiswürdigung grundsätzlich unzulässig, nicht. Nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, wenn unter den Parteien streitig ist, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe. Im vorliegenden Fall ist über die Frage des „Ob“ gar nicht auf Grundlage dieser Vorschrift zu befinden. Da bereits in der jederzeitigen Gebrauchsmöglichkeit eines Fahrzeugs ein geldwerter Vorteil liegt, und diese permanente Verfügbarkeit aufgrund der Ausrüstung des Motors mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung mit Unsicherheiten behaftet ist, ist allein dadurch der Schaden bereits eingetreten. § 287 Abs. 1 ZPO kommt daher in Fällen wie vorliegend nur noch für die Frage der Höhe zur Anwendung. Dabei bleibt es den Parteien unbenommen, Anknüpfungstatsachen für die Bemessung vorzubringen. Mit dem Korridor von 5 % bis 15 % hat der Bundesgerichtshof die Grundsätze der Effektivität auf der einen und der Verhältnismäßigkeit auf der anderen Seite berücksichtigt, die ihm aus Rechtsgründen auferlegt waren (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, juris Rdnr. 79). Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist daher nicht schon deswegen unschlüssig, weil er zu den Faktoren der Schadensschätzung nur zurückhaltend vorgetragen hat.
50
d) Der Senat legt seiner Entscheidung einen Differenzschaden in Höhe von 10 % des Kaufpreises zugrunde. Unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Bemessungskriterien wird diese Schätzung im Wesentlichen von der aktiven Restreichweitenerkennung bestimmt. In dem für die Schadensentstehung allein maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2023, III ZR 267/20, ZIP 2023, 1903, juris Rdnr. 33) beinhaltete die Motorsteuerungssoftware diese unzulässige Abschalteinrichtung. Der Bescheid des Kraftfahrtbundesamts mit den Nebenbestimmungen und der Beseitigungsaufforderung belegt, dass damals zwar ein Risiko einer möglichen Betriebsbeschränkung oder -untersagung aufgrund der Funktion bestand. Allerdings war mit Blick auf den weiteren tatsächlichen Verlauf eine unverzügliche Stilllegung des Fahrzeugs keineswegs wahrscheinlich. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass das Kraftfahrtbundesamt in jedem Falle der Beklagten zunächst die Möglichkeit eingeräumt hätte, die Manipulation der Abgasbehandlung zu beseitigen. Aus dem gegenständlichen Geschehen schlussfolgert der Senat ferner, dass die Beklagte einer solchen Aufforderung regelgerecht nachgekommen wäre. Des Weiteren bewegen sich sowohl der Pflichtenverstoß der Beklagten durch Implementierung der Strategie E als auch der Grad ihrer Fahrlässigkeit im durchschnittlichen Bereich. An dieser Stelle finden die Erläuterungen des Kraftfahrtbundesamts im Rückrufbescheid zur unklaren Rechtslage Berücksichtigung, ebenso dessen Feststellung, dass die Beklagte beim streitgegenständlichen Fahrzeugtyp das Emissionskontrollsystem in weit geringerem Umfang abgeschaltet hat als bei dem Typ VW Touareg.
51
Das Thermofenster – sein Vorliegen unterstellt – würde zu keinem höheren Differenzschaden führen. Freilich stellt ein solches eine Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 dar und würde nicht unter die in Art. 5 Abs. 2 Ziff. a) VO (EG) Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme fallen, wenn diese Einrichtung zur Schonung von Anbauteilen wie AGR-Ventil, AGR-Kühler und Dieselpartikelfilter beiträgt und nicht nachgewiesen ist, dass das Thermofenster ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines dieser Bauteile verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden, also Risiken, die so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen. Eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet ist, wäre jedenfalls nicht von der Ausnahme des Art. 5 Abs. 2 Ziff. a) VO (EG) Nr. 715/2007 erfasst (EuGH, Urteil vom 14.07.2022, C-128/20, NJW 2022, 2605, juris Rdnr. 47, 70). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können daher im Falle der Verwendung eines Thermofensters in der Motorsteuerungssoftware behördliche Maßnahmen nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden (BGH, Urteil vom 06.02.2023, VI a ZR 419/21, NJW-RR 2023, 802, juris Rdnr. 13). Ein derartiges Risiko bestand allerdings im hier allein ausschlaggebenden Zeitpunkt des schadensbegründenden Vertragsschlusses im Mai 2017 nicht. So hat das Kraftfahrtbundesamt noch am 17.10.2022 den Rückruf für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp aufgrund der AdBlue-Restreichweitenregelung erläutert und zugleich festgestellt: „Weiter teile ich mit, dass zum Zeitpunkt der Genehmigung entsprechend dem Stand der Technik jedes Fahrzeug mit Dieselmotor und AGR aus technisch notwendigen Gründen über eine temperaturbedingte AGR-Regelung (sog. ‚Thermofenster‘) verfügte. Diese führt in der Regel zu einer Reduktion der AGR-Raten bei niedrigen Umgebungs-Ansaugluft-, oder Ladelufttemperaturen. Für das betroffene Fahrzeug wurde mit Bezug auf die temperaturbezogene AGR-Regelung – auch unter Berücksichtigung der EuGH-Urteile vom 14. Juli 2022 zur Zulässigkeit von Thermofenstern (C-128/20, C-134-20, C-145/20) – keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt.“ (Anlage BE6). Der Auskunft des KBA ist zu entnehmen, dass sie zu einem Fahrzeug erging, für das eine Typgenehmigung vor dem 16.05.2016 erteilt wurde, wie es auch für das streitgegenständliche Fahrzeug mit Erstzulassung am 29.06.2016 der Fall gewesen sein dürfte. Die Gefahr eines Rückrufs oder weitergehend sogar einer Stilllegung wegen eines Thermofensters bestand daher bei Kaufvertragsabschluss nicht. Das Thermofenster bleibt deswegen bei der Schätzung des Differenzschadens außen vor.
52
e) Entgegen der Ansicht des Klägers berechnet sich der Differenzschaden nicht aus dem Brutto-Kaufpreis, sondern aus dem Nettobetrag in Höhe von 56.096,21 €.
53
Der Kläger hat in der Berufungsinstanz unstreitig gestellt, dass er ein Einzelunternehmer ist, der zum Vorsteuerabzug berechtigt war, und dass er von dieser Berechtigung Gebrauch gemacht hat.
54
Angefallene Umsatzsteuer ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung nicht ersatzfähig, soweit sie der Geschädigte als Vorsteuer abziehen kann. Den in der Abzugsmöglichkeit liegenden Vorteil muss sich der Geschädigte auf seinen Schaden anrechnen lassen; ob er von dieser Möglichkeit tatsächlich Gebrauch gemacht hat, ist unerheblich (BGH, Beschluss vom 25.07.2022, VI a ZR 622/21, VRS 143, 82, juris Rdnr. 9; BGH, Urteil vom 24.07.2023, VI a ZR 752/22, juris Rdnr. 19).
55
Anders als die unter Ziffer 6. nachfolgenden Positionen Nutzungsvorteil, Restwert und Software-Update steht der Vorteilsausgleich in Form der Umsatzsteuer nicht unter dem Vorbehalt, sich nur dann und insoweit schadensmindernd auszuwirken, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigt. Es ist zu differenzieren: Sind Vorteile unmittelbare Folge des haftungsbegründenden Ereignisses, handelt es sich also um Vorteile, die zwangsläufig – sozusagen spiegelbildlich – mit den negativen Folgen der Pflichtverletzung zusammenhängen, sind sie Teil des Gesamtvermögensvergleichs und unmittelbar in die Schadensberechnung einzubeziehen. Demgegenüber können Vorteile, die sich nicht unmittelbar aus dem schädigenden Ereignis ergeben, sondern auf einen zusätzlich, vielleicht gar zeitlich versetzt hinzutretenden Umstand zurückzuführen sind, nur im Wege der auf dem Gedanken von Treu und Glauben beruhenden Vorteilsausgleichung berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 24.07.2023, VI a ZR 752/22, juris Rdnr. 14). Die nach § 15 Abs. 1 UStG abzugsfähige Vorsteuer fällt in die erste Vorteilskategorie, da ihre Grundlage mit dem schadensbegründenden Ereignis gelegt wird.
56
6. Nutzungsvorteil, Restwert und Software-Update sind hingegen nicht vorteilsausgleichend zu berücksichtigen, weil sie in der Summe den Kaufpreis abzüglich des Differenzschadens nicht übersteigen.
57
a) Der Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV unterliegt der Vorteilsausgleichung (BGH, Urteil vom 24.07.2023, VI a ZR 752/22, juris Rdnr. 12).
58
Es können daher nach den im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten, auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruhenden Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten diejenigen Vorteile anzurechnen sein, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Allerdings sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. bei denen dem Geschädigten die Anrechnung zumutbar ist und die den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (BGH, Urteil vom 24.01.2022, VI a ZR 100/21, NJW-RR 2022, 1033, juris Rdnr. 17 f.; BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 575/20, MDR 2021, 1261, juris Rdnr. 28; BGH, Urteil vom 06.07.2021, VI ZR 40/20, NJW 2021, 3041, juris Rdnr. 23).
59
Die Voraussetzungen für eine schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände hat der Fahrzeughersteller darzulegen und zu beweisen (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 80). Maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz (BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594, juris Rdnr. 29; BGH, Urteil vom 24.01.2022, VI a ZR 100/21, NJW-RR 2022, 1033, juris Rdnr. 23). Die Bemessung der Höhe der anzurechnenden Vorteile ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters (BGH, Urteil vom 24.07.2023, VI a ZR 752/22, juris Rdnr. 12).
60
b) Der Nutzungsvorteil aus dem Gebrauch des Fahrzeugs beträgt 22.790,63 €.
61
aa) Der Senat schätzt den Nutzungsvorteil gemäß § 287 ZPO grundsätzlich unter Zugrundelegung der linearen Formel „Kaufpreis multipliziert mit der seit Erwerb gefahrenen Strecke geteilt durch die erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt“ (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796, juris Rdnr. 12; BGH, Urteil vom 24.01.2022, VI a ZR 100/21, NJW-RR 2022, 1033, juris Rdnr. 24; BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 575/20, MDR 2021, 1261, juris Rdnr. 33).
62
bb) Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers muss aber auch hier ihren Niederschlag finden.
63
Es steht im Ermessen des Tatrichters, ob er bei der Bemessung der Nutzungsvorteile vom Brutto- oder vom Nettokaufpreis ausgeht, wenn ein Geschädigter vorsteuerabzugsberechtigt ist (BGH, Urteil vom 24.07.2023, VI a ZR 752/22, juris Rdnr. 20).
64
Zwar hat der Bundesgerichtshof für den Fall der Rückabwicklung eines Kaufvertrages nach vollzogener Wandelung für die Schätzung der nach § 347 S. 2 BGB a.F. (jetzt § 346 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB) herauszugebenden Nutzungen entschieden, dass auch dann vom Bruttokaufpreis auszugehen sei, wenn der Käufer vorsteuerabzugsberechtigt sei. In dem Kaufpreis verkörpere sich der Wert der Kaufsache und in Verbindung mit der Lebensdauer der Kaufsache zugleich die Obergrenze der Gebrauchsmöglichkeit. Solle die Bewertung des Gebrauchsnutzens vom Kaufpreis und von der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer abhängig gemacht werden, so entspreche die Anknüpfung an den Bruttopreis dem Interesse der Vertragsbeteiligten. Es komme nicht allein darauf an, dass der vorsteuerabzugsberechtigte Käufer letztlich nur mit dem Nettokaufpreisteil belastet sei, wenn der Vertrag durchgeführt werde. Im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander habe der Käufer den Bruttokaufpreis zu entrichten. Er fordere ihn bei der Wandelung auch in vollem Umfang zurück. Etwaige Rückerstattungen des Finanzamts seien unerheblich. Wäre nicht der Bruttopreis Bewertungsmaßstab, würde der Verkäufer eine verhältnismäßig geringere Nutzungsvergütung erhalten, als sie dem Wert des von ihm zurückzuerstattenden Kaufpreises entspräche (BGH, Urteil vom 26.06.1991, VIII ZR 198/90, NJW 1991, 2484, juris Rdnr. 9 ff.; BGH, Urteil vom 09.04.2014, VIII ZR 215/13, NJW 2014, 2435, juris Rdnr. 11 f.).
65
Diese Argumentation des Bundesgerichtshofs greift jedoch nicht im Falle des deliktischen Schadensersatzanspruchs. Die Nutzungsentschädigung intendiert hier nicht einen Wertausgleich; vielmehr soll eine Überkompensation des Geschädigten vermieden werden. Maßgeblich sind folglich stets nur die gezogenen Nutzungen. Der Wert dieser Nutzungen wird geschätzt, indem die tatsächlichen Aufwendungen für den Erwerb des Fahrzeugs zugrunde gelegt werden und nicht etwa – einheitlich für alle Erwerber – der Bruttolistenpreis. Daher ist vorliegend nur der Nettokaufpreis in Ansatz zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 23.03.2021, VI ZR 3/20, NJW-RR 2021, 1534, juris Rdnr. 10, 11).
66
cc) Für den streitgegenständlichen Audi A6 3.0 V6 TDI Quattro Avant mit 200 kW Leistung geht der Senat unter Würdigung aller Umstände von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km aus, die solche Fahrzeuge mit hinreichender Wahrscheinlichkeit i.S.d. § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO erreichen werden (vgl. zum Schätzungsermessen BGH, Urteil vom 23.03.2021, VI ZR 3/20, NJW-RR 2021, 1534, juris Rdnr. 11; BGH, Urteil vom 27.07.2021, VI ZR 480/19, VersR 2022, 115, juris Rdnr. 23 ff.; BGH, Urteil vom 24.01.2022, VI a ZR 100/21, NJW-RR 2022, 1033, juris Rdnr. 23). Für ein Fahrzeug hervorgehobener Qualität, die sich im Preis widerspiegelt, darf angesichts der Erstzulassung im Juni 2016 von einer höheren Haltbarkeit ausgegangen werden, als das bei älteren Fahrzeugen der Fall ist.
67
Die Erholung eines Sachverständigengutachtens ist entbehrlich. Der Bundesgerichtshof hat Laufleistungen zwischen 200.000 km und 300.000 km für angemessen erachtet. Dass es vereinzelt Fahrzeuge gibt, die eine geringere oder höhere Laufleistung aufweisen, ändert daran nichts. Die Rechtsprechung stellt bei der Beurteilung der voraussichtlichen Gesamtlaufleistung nicht auf die minimal oder maximal von einzelnen Fahrzeugen des fraglichen Typs erreichte Laufleistung ab, sondern darauf, mit welcher Laufleistung in der Regel zu rechnen ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, juris Rdnr. 82; BGH, Urteil vom 27.04.2021, VI ZR 812/20, NJW-RR 2021, 1388, juris Rdnr. 15 ff.; BGH, Urteil vom 18.05.2021, VI ZR 720/20, NJW-RR 2021, 1386, juris Rdnr. 13; BGH, Beschluss vom 21.07.2021, VII ZR 56/21, juris Rdnr. 1). Der Senat bewegt sich mit seiner Bemessung innerhalb der Bandbreite der von anderen Gerichten jeweils vorgenommenen Schätzung der Gesamtlaufleistung, und zwar nicht am unteren Rand (vgl. Übersicht bei Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Auflage 2020, Rdnr. 3574).
68
Ausgehend von den Parametern 56.096,21€ (Netto-Kaufpreis), 12.453 km (Kilometerstand bei Erwerb), 108.963 km (Kilometerstand bei Veräußerung), 250.000 km (Gesamtlaufleistung) ergibt sich für die Nutzungsentschädigung ein Betrag in Höhe von 22.790,63 €.
69
c) Als Restwert legt der Senat den Veräußerungserlös in Höhe von 18.505,88 € netto zugrunde.
70
Grundsätzlich steht der (Rest-)Wert des Fahrzeugs in einem inneren Zusammenhang mit dem Schaden (BGH, Urteil vom 24.01.2022, VI a ZR 100/21, NJW-RR 2022, 1033, juris Rdnr. 18). Hat der Geschädigte das Fahrzeug weiterverkauft, tritt der erzielte marktgerechte Verkaufserlös an die Stelle des anzurechnenden Vorteils aus dem Fahrzeugerwerb (BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 575/20, MDR 2021, 1261, juris Rdnr. 30; BGH, Urteil vom 20.07.2021, VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594, juris Rdnr. 29).
71
d) Für das Software-Update in Bezug auf die aktive Restreichweitenerkennung nimmt der Senat zugunsten der Beklagten den Maximalwert in Höhe des kompletten Differenzschadens von 5.609,62 € an.
72
aa) Eine etwaige Aufwertung des Fahrzeugs durch ein Software-Update als nachträgliche Maßnahme der Beklagten ist im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Eine solche, mit einer Schadensminderung verbundene Verbesserung des Fahrzeugs setzt allerdings voraus, dass das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 42, 80; BGH, Urteil vom 20.07.2023, III ZR 267/20, ZIP 2023, 1903, juris Rdnr. 33; BGH, Urteil vom 06.07.2021, VI ZR 40/20, NJW 2021, 3041, juris Rdnr. 24; BGH, Urteil vom 24.01.2022, VI a ZR 100/21, NJW-RR 2022, 1033, juris Rdnr. 18).
73
bb) Das Kraftfahrtbundesamt teilte am 12.11.2018 für die von der einschlägigen Rückrufaktion betroffenen Fahrzeuge mit, es habe die durch die Beklagte zur Verfügung gestellte Software analysiert und die Dokumentationen der Emissionsstrategie geprüft. Unzulässige Abschalteinrichtungen seien nicht festgestellt worden. Die offengelegten vorhandenen Abschalteinrichtungen würden als zulässig eingestuft. Die Änderungen der Applikation hätten auf die Schadstoffemissionen und die Dauerhaltbarkeit von emissionsmindernden Einrichtungen, auf die Kraftstoffverbrauchswerte und die CO2-Emissionen, auf die Motorleistung und das maximale Drehmoment sowie auf die Geräuschemissionen keinen Einfluss. Zugleich gab das Kraftfahrtbundesamt die Umrüstung der Fahrzeuge frei.
74
Unstreitig wurde auf das Fahrzeug des Klägers am 02.01.2019 die neue Software aufgespielt. Eine weiterbestehende Gefahr von Betriebsbeschränkungen mit Blick auf die Strategie E (Restreichweitenregelung) ist somit nicht mehr erkennbar.
75
e) Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs sind jedoch erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen. Die Vorteilausgleichung kann der Gewährung eines Schadensersatzes aus § 823 Abs. 2 BGB sogar gänzlich entgegenstehen, wenn der Differenzschaden vollständig ausgeglichen ist (BGH, Urteil vom 26.06.2023, VI a ZR 335/21, NJW 2023, 2259, juris Rdnr. 80; BGH, Urteil vom 24.01.2022, VI a ZR 100/21, NJW-RR 2022, 1033, juris Rdnr. 22).
76
Die gleichen Konditionen müssen für das Software-Update gelten, das wie die Nutzungen und der Restwert ein dem Schadensfall zeitlich nachgelagerter Vorteil ist.
77
Die Ausführungen des Oberlandesgerichts Zweibrücken im Beschluss vom 12.07.2023 (7 U 127/22, juris Rdnr. 16) verkennen die vom Bundesgerichtshof aufgestellte Vorgabe, wonach die (nur) mittelbar auf dem schädigenden Ereignis beruhenden Vorteile sich erst dann schadensmindernd auswirken sollen, wenn und soweit sie den um den Differenzschaden verringerten Kaufpreis übersteigen. Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat ausschließlich darauf abgestellt, dass eine Gefahr von Betriebsbeschränkungen aufgrund des in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt entwickelten Software-Updates nicht erkennbar und deswegen auch ein weiterbestehender Differenzschaden nicht ersichtlich sei. Der Vermögensschaden ist allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits mit dem Vertragsschluss eingetreten und entfällt nicht für sich genommen durch ein nachträgliches Software-Update. Dieses Plus ist allein beim Vorteilsausgleich heranzuziehen, da es wie der Nutzungsersatz und der Restwert eine Position ist, die dem Kläger aus der Benutzung des Fahrzeugs zugute kommt und ihn gegenüber der Beklagten als Schädigerin nicht besser stellen soll.
78
Die Vorteile übersteigen nach folgender Berechnung den verringerten Kaufpreis nicht:
Tatsächlicher Wert des Fahrzeugs bei Kauf:
|
Kaufpreis netto
|
56.096,21 €
|
- Differenzschaden
|
5.609,62 € (10 %)
|
=
|
50.486,59 €
|
Vorteilsausgleich:
|
|
+ Restwert/Verkaufserlös netto
|
18.505,88 €
|
+ Nutzungsvorteil
|
22.790,63 €
|
+ Software-Update
|
5.609,62 €
|
=
|
46.906,13 €
|
79
f) Die Absetzung für Abnutzung des Fahrzeugs als Wirtschaftsgut im Betrieb des Klägers ist im Rahmen des Vorteilsausgleichs nicht zu berücksichtigen. § 7 EStG, der die AfA regelt, hat den Zweck, den Werteverzehr eines Wirtschaftsguts durch eine periodengerechte Aufwandsverteilung zu berücksichtigen (BFH, Urteil vom 27.06.1978, VIII R 12/72, NJW 1979, 288, juris Rdnr. 14).
80
Grundsätzlich muss sich der Käufer eines Fahrzeugs für gefahrene Wegstrecken einen Ausgleich in Form einer Nutzungsentschädigung entgegenrechnen lassen. Diese gezogenen Nutzungen sind ein Spiegel des wirtschaftlichen Werteverzehrs. Denn mit Ende der durchschnittlichen Lebensdauer eines Fahrzeugs egalisiert der Vorteilsausgleich den Schadensersatzanspruch. Der Nutzungsersatz hat insoweit mittelbar die Funktion, den Werteverzehr schadensersatzrechtlich einzupflegen. Würde die AfA zusätzlich als schadensersatzmindernde Position einbezogen, würde der Werteverzehr des Fahrzeugs beim Schadensersatz doppelt berücksichtigt und berechnet (vgl. Wenzel, Dieselskandal: Großer Schadensersatz und Ertragsteuerrecht (Teil 2), PStR 2023, 226/230).
81
7. Das verbriefte Rückgaberecht, von dem der Kläger Gebrauch gemacht hat, schließt die Annahme eines Schadens nicht aus. Es ermöglichte ihm, das Fahrzeug bei Fälligkeit der Schlussrate zu einem bereits bei Vertragsschluss festgesetzten Kaufpreis an den Händler zurückzugeben. Der Schaden selbst lag jedoch bereits im Abschluss des Kaufvertrages, der für den Kläger trotz des verbrieften Rückgaberechts nachteilig war. Durch die Möglichkeit, das Fahrzeug bei Fälligkeit der Schlussrate an den Händler zurückzugeben, wurde ihm lediglich das Vermarktungs- und Restwertrisiko genommen. Er hatte aber das Risiko der Betriebsuntersagung zu tragen, das wegen der Implementierung der unzulässigen Abschalteinrichtung bestand (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 08.06.2021, 17 U 1162/19, MDR 2021, 1005, juris Rdnr. 68). Mit dem verbrieften Rückgaberecht macht der Käufer eines Fahrzeugs den ungewollten Kaufvertrages nicht zu einem gewollten. Darüber hinaus richtet es sich gegen einen Dritten und ist dem Schadensersatzanspruch nicht gleichwertig (vgl. BGH, Urteil vom 11.04.2022, VI a ZR 135/21, VRS 142, 130, juris Rdnr. 8).
82
Im Ergebnis kann der Kläger von der Beklagten einen Betrag in Höhe von 5.609,62 € als Differenzschaden verlangen.
83
Ein Anspruch auf Freistellung des Klägers von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung besteht nicht.
84
1. Es fehlt bereits am Nachweis, dass der Kläger seine Prozessbevollmächtigten zunächst nur mit der außergerichtlichen Wahrnehmung seiner Rechte beauftragt hat.
85
Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung im Innenverhältnis des Mandanten zum Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 S. 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (BGH, Urteil vom 24.02.2022, VII ZR 320/21, NJW-RR 2022, 707, juris Rdnr. 24; BGH, Urteil vom 22.06.2021, VI ZR 353/20, NJW-RR 2021, 1070, juris Rdnr. 7).
86
Der Kläger hat erstinstanzlich umfangreiche Ausführungen lediglich zur Höhe der beantragten 2,0 Geschäftsgebühr gemacht. Die Beklagte hat erstinstanzlich mit Nichtwissen bestritten, dass der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten ein auf die außergerichtliche Tätigkeit beschränktes Mandat erteilt habe. Dieses Bestreiten hat die Beklagte in der Berufungsinstanz erneut aufgegriffen. Der Kläger ist hierauf nicht mehr eingegangen. Ein Beweisangebot ist nicht unterbreitet.
87
Das außergerichtliche Anspruchsschreiben vom 17.09.2020 (Anlage K7) vermag nicht als Nachweis zu dienen. Die Klägervertreter zeigten hier allgemein die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Klägers an. Auch wenn sie ihre Forderung mit der Bemerkung beendeten, sollten sie bis zum genannten Zeitpunkt keine Rückmeldung von der Beklagten erhalten, würden sie dem Kläger die klageweise Durchsetzung der berechtigen Ansprüche zu empfehlen haben, ist damit noch kein Beweis für das zugrundeliegende Innenverhältnis des Klägers zu seinen Prozessbevollmächtigten erbracht.
88
2. Darüber hinaus fehlt es an einem hinreichenden Sachvortrag des Klägers zu den konkreten vorgerichtlichen Tätigkeiten seiner Prozessbevollmächtigten. Die pauschalen Ausführungen zur besonderen Schwierigkeit der Dieselabgasproblematik ersetzen kein Vorbringen zur anwaltlichen Tätigkeit im konkreten Einzelfall.
89
Der Zinsausspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
90
Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf § 91 Abs. 1 analog, § 92 Abs. 1 ZPO, für die Berufungsinstanz zusätzlich auf § 97 Abs. 1 ZPO. Dadurch, dass der Kläger die Klage und die Berufung zunächst mit einem höheren Streitwert verfolgt hat, hat er Kosten verursacht, die in dieser Höhe nicht entstanden wären, hätte er sogleich lediglich den Differenzschaden geltend gemacht. Aus dem hohen Streitwert sind nämlich neben den Gerichtskosten die Verfahrensgebühren wie auch die Terminsgebühren der Prozessbevollmächtigten angefallen. Andererseits obsiegt der Kläger mit seinem zuletzt gestellten Antrag weit überwiegend, nachdem er das ihm uneingeschränkt zustehende Recht des Wechsels der Schadensberechnung ausgeübt hat.
91
Die kostenrechtliche Behandlung dieser Fallgestaltung ist nicht eindeutig geregelt. Der Senat schließt diese Lücke durch entsprechende Anwendung der Rechtsprechung zur einseitigen Teilerledigterklärung (vgl. BGH, Beschluss vom 13.07.1988, VIII ZR 289/87, NJW-RR 1988, 1465, juris Rdnr. 4; BGH, Beschluss vom 09.05.1996, VII ZR 143/94, NJW-RR 1996, 1210, juris Rdnr. 5). Der dort zugrundeliegende prozessuale Vorgang ist mit der vorliegenden Situation vergleichbar. Zudem erscheint es nicht angemessen, die vom Kläger ausgelösten Mehrkosten überhaupt nicht zu berücksichtigen. Der Senat hat deshalb – für jede Instanz gesondert – die Mehrkosten, die auf den „erledigten“/„zurückgenommenen“ Teil entfallen, errechnet, zu den Kosten addiert, die der Kläger aufgrund seines Unterliegens in Bezug auf den reduzierten Klageantrag zu tragen hat, und diese in das Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Kosten gesetzt (vgl. OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 04.04.2022, 7 VV 10/22, NJW-RR 2022, 718, juris Rdnr. 5; Anders/Gehle/Gehle, ZPO, 81. Auflage 2023, § 92 Rdnr. 53 f.; Musielak/Voit/Flockenhaus, ZPO, 20. Auflage 2023, § 92 Rdnr. 4).
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711, 713 ZPO.
93
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung des Gebührenstreitwerts ist nach § 40 GKG der Zeitpunkt der Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, in der ersten Instanz also der Klageantrag, in der Berufungsinstanz die Einreichung der Berufungsanträge. Später eingetretene wertreduzierende Antragsänderungen (z.B. teilweise Berufungsrücknahme, teilweise Klagerücknahme, teilweise Erledigterklärung etc.) bleiben in Bezug auf den Gebührenstreitwert außer Betracht (OLG München, Beschluss vom 13.12.2016, 15 U 2407/16, NJW-RR 2017, 700, juris Rdnr. 16). Erstinstanzlich hatte der Kläger mit seiner Klage zunächst Zahlung in Höhe von 53.058,77 € (Brutto-Kaufpreis zuzüglich Finanzierungskosten abzüglich Nutzungsvorteil) Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs beantragt. Die weiter gestellten Anträge auf Feststellung, dass der Anspruch aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt und dass sich die Beklagte mit der Annahme der Zug um Zug-Leistung in Verzug befindet, erhöhen den Streitwert nicht. Vor dem Termin hatte der Kläger die Klage auf den unter Ziffer I. 2. genannten Antrag reduziert.
94
Dem Antrag der Beklagtenvertreter auf Gewährung einer Schriftsatzfrist musste nicht nachgekommen werden. Der Senat berücksichtigt das Software-Update schadensmindernd, allerdings nicht auf der Schadensebene, sondern im Rahmen des Vorteilsausgleichs, wie vom Bundesgerichtshof vorgegeben.