Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 19.06.2023 – 7 U 3195/22
Titel:

Strenge Anforderungen an den Ausschluss eines Partners bei gekündigtem Gesellschaftsvertrag

Normenkette:
BGB § 314 Abs. 1 S. 2, § 626 Abs. 1
Leitsatz:
Für den Fall, dass ein Partnerschaftsgesellschaftsvertrag wirksam ordentlich gekündigt ist und die Gesellschaft deshalb nur noch wenige Monate besteht, sind strenge Maßstäbe an eine Ausschließung eines Gesellschafters anzulegen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Partnerschaftsgesellschaft, Ausschließung, Gesellschafterbeschluss, ordentliche Kündigung, wichtiger Grund, Zumutbarkeit
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 29.04.2022 – 10 O 7629/21
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 11.10.2023 – 7 U 3195/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28241

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.04.2022, Az. 10 O 7629/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 13.07.2023.

Entscheidungsgründe

1
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
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Die Würdigung durch das Landgericht ist frei von Rechtsfehlern (§ 513 Abs. 1, § 546 ZPO). Unter zutreffender Würdigung des Parteivortrags, der Gesamtumstände sowie der vorgelegten Unterlagen hat das Gericht in ersten Instanz zu Recht die Klage auf Feststellung, dass der Beklagte durch Beschluss vom 23.10.2019 aus der gemeinsamen Partnerschaftsgesellschaft ausgeschlossen worden sei, abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. Die Angriffe gegen das erstinstanzliche Urteil verfangen nicht. Im Einzelnen ist auszuführen:
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1. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass der Ausschließungsbeschluss formell ordnungsgemäß gefasst wurde. Der Einwand des Beklagten in zweiter Instanz, die Mitgesellschafterin H. hätte sich nicht vertreten lassen dürfen, greift nicht durch, da der Gesellschaftsvertrag eine Vertretungsmöglichkeit durch Mitgesellschafter vorsieht (Ziff. VI.4. des Sozietätsvertrags, Anlage K 1) und die dort geforderte schriftliche Vollmacht zur Vertretung in der Gesellschafterversammlung vom 23.10.2019 erteilt worden war; die Vollmacht erfasste nach ihrem Wortlaut nicht nur den Abschluss einer Ausscheidens- und Abfindungsvereinbarung, sondern auch die Vertretung in der Gesellschafterversammlung vom 23.10.2019 (vgl. Anlage K 23), auf deren Tagesordnung infolge der Vertagung der Gesellschafterversammlung vom 16.10.2019 (vgl. Anlage K 20, S. 1 iVm Anlage K 18, TOP 5) die Ausschließung stand.
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2. Fehl gehen die Kläger, wenn sie meinen, der Beklagte habe die Berufung auf die Unwirksamkeit der Ausschließung verwirkt.
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Gegen die – zutreffenden – Ausführungen des Landgerichts zum klassischen Verwirkungstatbestand (BGH, Urteil vom 07.06.1999 – II ZR 278/98, juris-Rn. 4f., 7f.) wenden sich die Kläger nicht. Die Ausführungen sind auch nicht zu beanstanden. Im Ausgangspunkt gilt, dass rechtswidrige Beschlüsse einer Partnerschaftsgesellschaft per se unwirksam sind, ohne dass es einer gerichtlichen Feststellung bedarf. Der Beklagte hat sich von Anfang an, erstmals bereits per Mail seines anwaltlichen Vertreters vom 06.11.2019 (Anlage K 25), also nur zwei Wochen nach dem Beschluss, gegen diesen gewandt; innerhalb einer Frist von weniger als 5 Monaten (zu einer Frist von 6 Monaten vgl. BGH, Urteil vom 28.01.1991 – II ZR 20/90, juris Rn. 6), nämlich am 17.03.2020 (Anlage B 47), hat er die Nichtigkeit überdies in einem gerichtlichen Verfahren (nämlich im registergerichtlichen Verfahren über die Eintragung seines Ausscheidens aus der Partnerschaft) geltend gemacht. Vor diesem Hintergrund fehlt es sowohl am Zeit- als auch am Umstandsmoment des Verwirkungstatbestands; ein schutzwürdiges Vertrauen der Kläger auf den Bestand des gefassten Beschlusses zur Ausschließung des Beklagten ist nicht begründet worden.
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Wie sich der Beklagte im Vorfeld des Beschlusses zu einer einvernehmlichen Trennung positioniert hat, ist irrelevant. Die hier allein streitgegenständliche Ausschließung ist im Verhältnis zu einer einvernehmlichen Trennung ein – in der Regel sogar ehrenrühriges – aliud und mit dieser nicht zu vergleichen.
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Der Umstand, dass der Beklagte nach dem Vortrag der Klageseite die Kanzleiräumlichkeiten bereits vor der Beschlussfassung freiwillig räumte, nimmt ihm nicht das Recht, sich gegen seinen „Rauswurf“ – nichts anderes ist die Ausschließung – zu wehren. Dies gilt erst recht, wenn zum Zeitpunkt der Räumung eine einvernehmliche Einigung noch im Raum stand.
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3. In der Sache fehlt es an einem hinreichend wichtigen Grund für den Ausschluss.
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3.1. Maßstab ist, ob den Klägern die Fortsetzung der Partnerschaft unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen aller Vertragspartner bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht mehr zuzumuten ist (vgl. § 314 Abs. 1 Satz 2, § 626 Abs. 1 BGB). Vorliegend müssen sich die Kläger daran festhalten lassen, dass sie selbst im Mai 2019 die ordentliche Kündigung zum Ende des Jahres erklärt haben; die Motive für dieses Vorgehen sind irrelevant, ebenso ihre bloße und nicht geschützte Hoffnung (“nuda spes“), der Beklagte werde seinerseits die Sozietät verlassen. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob der Beklagte zuvor die Absicht bekundet hatte, er werde die Partnerschaft verlassen. Eine Kündigung hatte er bis dahin nicht ausgesprochen. Mit der Kündigung der Kläger haben sich im Übrigen die Rahmenbedingungen nachhaltig geändert, so dass der Beklagte einen echten Sachgrund hatte, nunmehr von einer eigenen Kündigung abzusehen.
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Maßstab ist demnach, ob den Klägern ein Festhalten an der Partnerschaft für weitere (gerundet) zwei Monate (23.10.2019 bis 31.12.2019) zuzumuten ist. Hieran sind angesichts des geringen inmitten stehenden Zeitraums strenge Maßstäbe anzulegen.
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3.2. Hinzu kommt, dass ein Verhalten des Beklagten, das die Kläger zum Anlass genommen haben, den Sozietätsvertrag „nur“ ordentlich zu kündigen, nicht nunmehr einen Ausschluss des Beklagten aus der Sozietät rechtfertigen kann.
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Die Kläger müssen sich zudem folgende eigene Wertung vorhalten lassen: Sie stehen auf dem Standpunkt, ihre am 15.05.2019 erklärte ordentliche Kündigung sei aus formellen Gründen (nämlich weil sie diese zwar dem Beklagten, sich aber nicht wechselseitig erklärt hatten) zunächst noch nicht wirksam geworden. Sie führen im Schriftsatz vom 04.10.2021, S. 9, Bl. 85 d.A. mit Blick auf das Verhalten des Beklagten einschließlich des Schreibens seines Prozessbevollmächtigten vom 22.07.2019 (B27) aus: „Vor dem Hintergrund dieses undurchschaubaren, rational kaum mehr zu erklärenden Verhaltens des Beklagten waren die Kläger nahezu ratlos, wie sie sich selbst verhalten sollten. Denn sämtliche Bemühungen um eine einvernehmliche Regelung vereitelte der Beklagte. Da die Kläger jedoch weiter jeglichen längeren Konflikt oder gar ein Rechtsstreit mit dem Beklagten vermeiden wollten, entschieden sie sich kurzerhand dafür, die Sozietät selbst zum 31.12.2019 zu verlassen (Anlage B 28). Gleichzeitig erlangten die Kläger Kenntnis von den erheblichen Pflichtverletzungen des Beklagten (vergleiche unten II). Auch auf die Ankündigung der Kläger mit Schreiben vom 26.07.2019 (Anlage B 28), die Sozietät zum 31.12. 2019 von sich aus zu verlassen, reagierte der Beklagte jedoch mit einer erneuten Pflichtverletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht“. Es folgt der Vorwurf der Mitteilung des Ausscheidens der Kläger an die Untermieter.
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Unabhängig davon, ob die ordentliche Kündigung bei zutreffender Bewertung nicht bereits zuvor wirksam war, geben die Kläger zu erkennen, dass die Umstände, die ihnen am 26.07.2019 bekannt waren, für sie keinen Anlass für eine Ausschließung des Beklagten bildeten.
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Schließlich müssen sich die Kläger daran festhalten lassen, dass sie die in der Abmahnung benannten Umstände nicht zum Anlass genommen haben, den Beklagten auszuschließen. Richtig ist, dass sie im Abmahnschreiben ergänzend verlangten, dass der Beklagte zusätzliche Erklärungen abgibt, und dass sie sich für den Fall, dass dies unterbleibt, alle Rechte vorbehielten. Dies ändert aber nichts daran – und zwar unabhängig davon, ob, wie das Landgericht meint, die in der Abmahnung genannten Vorwürfe „verbraucht“ sind –, dass sie mit der Abmahnung selbst zum Ausdruck gebracht haben, dass die ihnen damals bekannten Umstände für sich genommen nicht ohne weiteres genügen, den Beklagten auszuschließen.
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3.3. Gemessen an den unter 3.1 aufgeführten Kriterien, erst recht unter Berücksichtigung der unter Ziff. 3.2 genannten Aspekte, ergibt sich, dass die vorgeworfenen Pflichtverletzungen weder einzeln noch in einer Gesamtschau einen hinreichend wichtigen Grund tragen, der einen Ausschluss des Beklagten aus der bereits gekündigten Sozietät rechtfertigt. Im Einzelnen ist auszuführen:
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3.3.1. Der Umstand, dass der Beklagte angeblich seine Mitarbeit in der Kanzlei schon seit 2018 eingestellt habe, war Anlass für die ordentliche Kündigung der Kläger und kann den Ausschluss nicht begründen. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Vortrag in tatsächlicher Hinsicht eine hinreichende Stütze in den vorgelegten Zahlen findet (was durchaus zweifelhaft erscheint).
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3.3.2. Auf Verstöße gegen bloße Unterrichtungspflichten – etwa vor Eingehung der Kooperation mit den Herren B. und Be. – kann der Ausschluss bei einer Restlaufzeit des Vertragsverhältnisses von weniger als zwei Monaten nicht gestützt werden. Auch die unterbliebene Reaktion auf die Abmahnung stellt nicht per se einen hinreichenden Grund für eine Ausschließung dar, sondern würde einen solchen nur dann bilden, wenn die Fortsetzung der dort vorgeworfenen Pflichtverletzungen oder der Verdacht der Fortsetzung der Pflichtverletzung einen wichtigen Grund für den Ausschluss des Beklagten darstellt. Daran fehlt es, wie im Folgenden gezeigt wird.
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3.3.3. Die Existenz der von den Klägern als solche bezeichneten Schattenmandaten im Bereich Nachlasspflegschaft war Gegenstand der Abmahnung und ist als solche damit nicht geeignet, den Ausschluss zu begründen. Dieser Umstand war im Übrigen schon bei Bestätigung der ordentlichen Kündigung am 26.07.2019 bekannt, wie sich aus dem Aktenvermerk des Klägers zu 1) vom 24.07.2019 ergibt; er wurde damals nicht zum Anlass für eine Abmahnung genommen.
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Dafür dass über die drei aus der Akte ersichtlichen, in die elektronische Aktenverwaltung der Sozietät nicht eingepflegten Nachlasspflegschaften solche Pflegschaften oder sonstige Mandate an der Kanzlei vorbei geführt wurden – was der Beklagte bestreitet und auch schon vorgerichtlich, wenn auch nur pauschal, bestritten hat –, erst recht dafür dass er solche nach der Abmahnung und vor dem Ausschluss neu begründet hat, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Dasselbe gilt für den geäußerten Verdacht, der Beklagte habe Einnahmen an der Sozietät vorbei erzielt. Für zwei der nicht elektronisch erfassten Nachlasspflegschaften hat der Beklagte ausweislich der Anlagen B 42 und B 43 (jeweils S. 3) zur Überzeugung des Senats ohnehin keine Vergütung erhalten, erst recht nicht in der Phase bis zu seinem Ausschluss.
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Der Senat teilt auch nicht die Ansicht, der Beklagte habe es bei Nachlasspflegschaften auf bewusste Verdeckung angelegt. Der Umstand, dass der Beklagte die Übernahme von Nachlasspflegschaften anstrebte, war in der Kanzlei bekannt (vgl. den eigenen Aktenvermerk des Klägers zu 1 in Anlage K 12). Immerhin vier Nachlasspflegschaften waren elektronisch erfasst. Auch für die Kooperation mit Herren B.wurde ein Aktenzeichen vergeben (Anlage B 34; aus dem dort ersichtlichen Scancode ist überdies – ohne dass es darauf ankäme – zu schließen, dass das Datenstammblatt elektronisch erfasst ist); die Zahlung von Herrn B. erfolgte aufgrund einer Rechnungstellung unter dem Betreff „Kooperation (Nachlasspflegschaften)“ (Anlage B 35) und ist auf dem Kanzleikonto verbucht. Bezüglich der Nachlasspflegschaften wurde eine körperliche Akte angelegt (vgl. Anlage B 39ff.). Der in den Nachlasssachen geführte Schriftverkehr (Anlage K 3ff.) lässt nicht erkennen, dass der Beklagte Vorsorge getroffen hätte, dass Schriftverkehr nur ihn persönlich erreicht. Er hat außerdem vorgetragen (worauf es tragend ebenfalls nicht mehr ankommt), dass der E-Mail-Verkehr über den E-Mail-Account der Kanzlei abgewickelt werde. Das „vorsorgliche“ – und damit ohne Prüfung erfolgte – Bestreiten dieser Behauptung durch die Kläger ist unzulässig.
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Insgesamt liegt zwar die Annahme nahe, dass die Aktenführung durch den Beklagten nicht korrekt war. Diesem Pflichtverstoß kommt aber kein hinreichendes Gewicht für einen Ausschluss zu.
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3.3.4. Die Zusammenarbeit mit den Herren B. und Be. rechtfertigt den Ausschluss nicht.
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Wie oben ausgeführt, kann sich – unterstellt, die Eingehung ohne hinreichende Rücksprache mit allen Partnern war nach dem Sozietätsvertrag pflichtwidrig (etwa weil ein Dauerschuldverhältnis begründet werden sollte) – ein Ausschlussgrund nicht daraus ableiten, dass der Beklagte die Kooperation ohne Information der übrigen Partner mit diesen Herren eingegangen ist. Relevant könnte allenfalls eine pflichtwidrige Fortsetzung der Zusammenarbeit über den Zeitpunkt der Abmahnung hinaus – ob das passiert ist, ist nicht bekannt – bzw. die Weigerung des Beklagten sein, sich zu einem Unterlassen zu verpflichten (und damit für sich in Anspruch zu nehmen, die Herren jederzeit wieder zu beauftragen). Auch diese Aspekte begründen jedoch keinen wichtigen Grund, der den Ausschluss des Beklagten rechtfertigt.
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Die Einbeziehung Dritter in die Mandatsbearbeitung ist nicht per se standeswidrig, wie sich aus § 43e BRAO ergibt. Die formellen Voraussetzungen will der Beklagte dabei eingehalten haben; sie waren jedenfalls nicht Gegenstand der Abmahnung, so dass ein Ausschluss allein wegen eines formellen Verstoßes nicht ausreichend wäre.
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Dass die Kooperationspartner jedenfalls in einzelnen Fällen Schriftsatzentwürfe fertigten, mag ungewöhnlich sein, ändert aber nichts daran, dass der Beklagte diese Entwürfe – nach eigener, nicht widerlegter und auch nicht widerlegbarer Einlassung – vor Unterzeichnung prüfte und damit die juristische Verantwortung übernahm. Im Übrigen ist die Darstellung des Beklagten im Schriftsatz vom 15.12.2021, S. 6f., Bl. 124f. d.A. plausibel, dass die Einbindung der Kooperationspartner – ähnlich wie bei der Tätigkeit von Insolvenzverwaltern – nicht primär juristischen Tätigkeiten diente, sondern vor allem den Beklagten dabei entlasten sollte, Nachlässe abzuwickeln, etwa Wohnungen aufzulösen, Desinfektionsfirmen zu beauftragen und ggf. Nachlassgegenstände zu verwerten.
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Die Erbenermittlung ist – je nach angeordnetem Aufgabenkreis – Teil der Aufgabe des Nachlasspflegers (vgl. Weidlich in Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 1960 Rn. 10) und daher nicht pflichtwidrig. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die vermehrte Übernahme von Nachlasspflegschaften bekannt war (vgl. Anlage K 12), erst recht bei Bestätigung der Kündigung am 26.07.2019 (Anlage B 28) und dass eine Einstellung von Nachpflegschaften auch im Rahmen der Abmahnung nicht verlangt wurde.
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An dieser Bewertung ändert der behauptete Reputationsverlust durch die Beschäftigung des Herrn B. nichts, der ausweislich eines Artikels des Magazins Sp. 1997 (!) im Verdacht stand, Untreuedelikte begangen zu haben. Es ist schon nicht beweiskräftig dargetan, dass sich Herr B. tatsächlich einer Straftat schuldig gemacht hat. Im Übrigen gilt, dass die bloße Fortsetzung (nicht eine primär rufschädigende Begründung) der Kooperation bis Jahresende 2019 entgegen dem Verlangen der Partner nicht hinreichend gewichtig ist, den Ausschluss zu begründen. Zwar mag einiges für die Auffassung sprechen, dass Sozietätspartner aus Gründen der Reputation die Zusammenarbeit mit „bemakelten“ Personen während der gemeinsamen Partnerschaft nicht dulden müssen; umgekehrt ist die Zusammenarbeit mit Personen, gegen die sich mehr als 20 Jahre alte Vorwürfe richten, ohne weiteres vertretbar, erst recht wenn der Kooperationspartner von anderen Rechtsanwälten „übernommen“ werden, wie vorliegend. Dem Vorwurf einer unterstellt pflichtwidrigen Fortsetzung dieser Kooperation (bzw. der Verweigerung der Erklärung der Einstellung der Kooperation) für weitere zwei Monate – dann endete die Beteiligung der Kläger – fehlt daher das nötige Gewicht für einen Ausschluss des Beklagten.
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Ergänzend sei angemerkt: Die Kläger verlangten im Abmahnschreiben nicht etwa nur eine Unterbrechung der Kooperation mit den Herren B. und Be. bis zum Jahresende, sondern deren Einstellung. Damit aber gehen sie in ihrer Forderung über das hinaus, was ihnen maximal hätte zustehen können.
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3.3.5. Auch die Mitnahme von Akten, die vom Beklagten bearbeitet wurden, begründet keinen für einen Ausschluss hinreichenden Pflichtverstoß. Bei der Bewertung kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es die Kläger waren, die aufgrund ihrer ordentlichen Kündigung zum Jahresende aus der Sozietät ausscheiden würden. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Kläger im Falle des Ausschlusses dem Beklagten eine Fortführung der Mandate ohne Abfindung an die Sozietät ermöglichten (Beschluss unter TOP 7 der Gesellschafterversammlung vom 23.10.2019, Anlage K 23). Die Kläger geben im Übrigen selbst zu verstehen, dass sie den Vorwurf für nicht hinreichend gravierend ansahen, wenn sie ausführen, sie hätten das Beiseiteschaffen der Akten auf sich beruhen lassen können (Berufungsbegründung, S. 23, Bl. 216 d.A.).
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3.3.6. Nicht vorwerfen können sie dem Beklagten, dass er das Ausscheiden der Kläger den Untermietern bekannt gemacht hat und dass diese das Untermietverhältnis daraufhin beendeten. Es ist Rechtsfolge der Kündigung der Kläger, dass sie aus der Sozietät ausscheiden, die Gesellschaftsanteile dem Beklagten anwachsen und dass (Unter-)Mietverhältnisse somit vom Beklagten als einzig verbleibendem Gesellschafter allein fortgeführt werden. Er war daher gezwungen, Kontakt aufzunehmen. Die Verweigerung der Zustimmung hierzu ist ihrerseits treuwidrig. Im Übrigen ergibt sich aus der Anlage K 41, dass der Untermieter A. monierte, dass er erst auf seine Mail hin informiert wurde, der Beklagte gerade nicht proaktiv auf ihn zugekommen ist.
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3.3.7. Den zutreffenden Rechtsmaßstab zugrunde gelegt, erkennen im Grunde die Kläger sogar selbst an, dass die geltend gemachten Ausschlussgründe nicht tragen. Denn sie führen im Schriftsatz vom 10.02.2023, S. 9, Bl. 273 d.A., mit Blick auf das fortgesetzte pflichtwidrige Verhalten des Beklagten aus: „Wäre der Beklagte selbst zum 31.12.2019 durch ordentliche Kündigung ausgeschieden, hätte dieser Ausscheidenszeitpunkt gegebenenfalls abgewartet werden können.“ Damit sagen sie im Grunde selbst, dass ein Zuwarten bis zum 31.12.2019 möglich war; für die Zumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit bis zum 31.12.2019 ist aber – anders als die Kläger meinen – unerheblich, ob die Kläger oder der Beklagte die ordentliche Kündigung erklären.
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3.4. Offen lassen kann der Senat, ob der Ausschluss des Beklagten schon daran scheitert, dass sich die Kläger für ein Verlassen der Gesellschaft entschieden haben. Selbst unterstellt, die weitere Zusammenarbeit mit dem Beklagten für nur zwei Monate wäre tatsächlich – wie nicht – unzumutbar, hätte es ihnen nämlich freigestanden, ihrerseits die fristlose außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu erklären (vgl. Sozietätsvertrag, Anlage K1, Ziff. XII., dort Spiegelstrich 2) und auf diese Weise die Zusammenarbeit sofort zu beenden. Vor diesem Hintergrund mag man bezweifeln, ob es tatsächlich ein schutzwürdiges Bedürfnis dafür gibt, die eigene, freiwillig (sogar in Kenntnis wesentlicher Vorwürfe an den Beklagten) getroffene Entscheidung, die Gesellschaft selbst zu verlassen, zu revidieren, um nunmehr stattdessen den Beklagten aus der Sozietät zu drängen.
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3.5. Soweit die Berufungsbegründung neue Tatsachen anführt, betreffen sie Umstände, die zum Zeitpunkt des Ausschlusses des Beklagten noch nicht vorlagen. Solche Umstände können den Ausschluss nicht rechtfertigen, da der wichtige Grund zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegen muss.
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Der Senat regt an, die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückzunehmen, im Fall der Rechtsmittelrücknahme ermäßigen sich die zweitinstanziellen Gerichtsgebühren um die Hälfte.
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Der Senat erlaubt sich die Anmerkung, dass er – gerade für den Fall, dass die Frage des Ausschlusses im Sinne des Beklagten entschieden werden sollte – den Parteien eine einvernehmliche Regelung der Trennung der Parteien und deren Rechtsfolgen dringlich anrät, da sich anderenfalls die Bereinigung der Rechtsfolgen der fehlerhaft vollzogenen Trennung als möglicherweise nur sehr schwer handhabbar, jedenfalls aber konfliktträchtig erweisen dürfte. Angesichts der offenbar bereits vollzogenen faktischen Trennung und Fortführung einer Sozietät durch die Kläger erscheint es dem Senat im Rahmen eines Vergleichs sachgerecht zu regeln, dass der Beklagte aus der alten Partnerschaft entweder zum 23.10.2019 oder jedenfalls zum Ende 2019 ausscheidet. Denn dass die Zusammenarbeit spätestens Ende 2019 enden würde – und zwar jedenfalls deshalb, weil die Kläger ordentlich gekündigt hatten –, war zwischen den Parteien unstreitig und sollte daher auch den Ausgangspunkt einer vergleichsweisen Regelung bilden. Ob sich bei streng rechtlicher Betrachtung eine Fortsetzung der Partnerschaft unter Einschluss aller Parteien ergäbe, wie es offenbar der Beklagte meint, ist nicht ohne Zweifel, denn die Kläger gingen bei Fassung des Beschlusses zur Aufhebung ihrer (ordentlichen) Kündigungserklärungen von der Wirksamkeit des Ausschlusses des Beklagten aus und wollten sicher nicht die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem Beklagten beschließen. Im schlimmsten Fall droht ein völliges Wirrnis der alten und neuen Rechtsverhältnisse (etwa in Bezug auf Mandate oder Mietverhältnisse). Ein solches „Kuddelmuddel“ kann eigentlich nicht im (auch ökonomisch) wohlverstandenen Interesse der Parteien liegen. Eine Einigung muss aber außerhalb des hiesigen Verfahrens durch die Parteien selbst getroffen werden. Eine solche Einigung müssen sämtliche Parteien freilich auch wollen. Das setzt voraus, dass die Parteien vorhandenen Groll über Vergangenes hinter sich lassen und in die Zukunft blicken. Ein Bestreben, Maximalforderungen durchzusetzen, oder eine fehlende Konzentration auf die wirklich regelungsbedürftigen Aspekte ist dabei wenig zielführend.