Titel:
Erfolglose Klage gegen erneute Zwangsgeldandrohung
Normenkette:
BayVwZVG Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, Art. 29 Abs. 1, Art. 30, Art. 38 Abs. 1 S. 3
Leitsätze:
1. Eine isolierte Androhung erneuter Zwangsgelder kann bei einem bestandskräftigen Grundverwaltungsakt nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine erneute Zwangsgeldandrohung ist nicht erforderlich, dass das zuvor angedrohte Zwangsmittel erfolglos angewendet worden ist. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anfechtungsklage, bestandskräftige abfallrechtliche Beseitigungsanordnung, erneute Androhung von Zwangsgeld, Zwangsgeldandrohung, Zwangsgeld, Androhung, Zwangsvollstreckung, Bestandskraft, Grundverwaltungsakt, Vollstreckungsvoraussetzungen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28237
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Aufhebung von zwei erneuten Zwangsgeldandrohungen in Höhe von 700,00 EUR bzw. 350,00 EUR.
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Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid des Landratsamts ... vom 6. Mai 2022 wurde der Kläger verpflichtet, die auf dem Grundstück Fl.Nr., Gemarkung ... (...str., ... ...) gelagerten Abfälle binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheids bzw. hilfsweise im Falle einer Klage binnen einen Monats nach Unanfechtbarkeit zu beseitigen und dem Landratsamt ... die ordnungsgemäße Entsorgung der genannten Abfälle durch Vorlage von Entsorgungsnachweisen oder ähnlichen Nachweisen zu belegen (Nr. 1. und 2. des Bescheids). Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung gegen die in den Nrn. 1 und 2 des Bescheids genannten Verpflichtungen wurde dem Kläger in den Nrn. 3 und 4 des Bescheids jeweils ein Zwangsgeld i.H.v. 250,00 EUR bzw. i.H.v. 150,00 EUR zur Zahlung angedroht.
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Im Bescheid ist u.a. ausgeführt, dass als eingetragene Grundstückseigentümerin Frau M. D. ermittelt worden sei. Deren Tochter (M. D.) wurde erstmalig mit Schreiben vom 12. September 2019 zur Entsorgung befragt. Hierbei stellte sich heraus, dass der Kläger für die Ablagerungen auf dem Grundstück verantwortlich sei. Dieser sammle Abfälle aus Containern und Mülltonnen von Supermärkten und verbringe diese auf das Grundstück. Der Kläger würde immer wieder erneut Abfälle zum Grundstück verbringen.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamts ... vom 6. Mai 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Nachdem auf den bestandskräftigen Bescheid vom 6. Mai 2022 keine Reaktion des Klägers erfolgte und auch keine Entsorgungsnachweise vorgelegt wurden, wurden die dem Kläger angedrohten Zwangsgelder in einer Gesamthöhe von 400,00 EUR mit Schreiben vom 22. September 2022 fällig gestellt.
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Mit weiterem Bescheid des Landratsamts ... vom 22. September 2022 wurden dem Kläger darüber hinaus für die fortdauernde Unterlassung der Abfallbeseitigung und der Vorlage der Entsorgungsnachweise Zwangsgelder in Höhe von 350,00 EUR bzw. in Höhe von 250,00 EUR zur Zahlung angedroht.
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Auf den weiteren Bescheid des Landratsamts ... vom 22. September 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Nachdem wiederum keine Abfallbeseitigung bzw. Vorlage von Entsorgungsnachweisen Seitens des Klägers erfolgte, wurden gegenüber dem Kläger mit Schreiben des Landratsamts ... vom 30. März 2023 die dem Kläger angedrohten Zwangsgelder in einer Gesamthöhe von 600,00 EUR fällig gestellt.
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Mit weiterem Bescheid des Landratsamts ... vom 30. März 2023 wurden dem Kläger für die fortdauernde Unterlassung der Abfallbeseitigung und Vorlage von Entsorgungsnachweisen erneute Zwangsgelder i.H.v. 700,00 EUR bzw. 350,00 EUR zur Zahlung angedroht.
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Zur Begründung der Entscheidung ist ausgeführt, dass die abfallrechtlichen Anordnungen gegenüber dem Kläger unanfechtbar seien. Die Androhung der Zwangsgelder stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und Art. 36 Abs. 6 Satz 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG), weil die vorangegangene Androhung der Zwangsgelder erneut erfolglos geblieben sei. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG könnten Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt sei. Das Landratsamt ... sei nicht gehalten, die erneute Androhung von Zwangsgeldern bis zur Beitreibung der bereits fällig gewordenen Zwangsgelder zurückzustellen. Da die Androhung von Zwangsgeldern einen Leistungsbescheid im Sinne des Art. 23 Abs. 1 VwZVG enthalte, könnten die Zwangsgelder im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden, wenn die Zwangsgeldforderung fällig werde, ohne dass es hierfür eines neuen Verwaltungsakts bedürfe. Die Anordnung entspreche auch einer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Sie entspreche insbesondere auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da der Kläger seiner Beseitigungs- und Entsorgungspflicht bisher nicht nachgekommen sei. Die Höhe der Zwangsgelder sei angemessen, da diese dem Wert der geforderten Verpflichtungen entsprechen würden und geeignet seien, den Adressaten zur Erfüllung seiner Verpflichtung anzuhalten. Die Fristen zur Erfüllung der geforderten Maßnahmen (zwei Wochen ab Zugang des Bescheides) seien dem Kläger zumutbar. Bei der Fristsetzung sei der erforderliche Zeitaufwand zur Abfallbeseitigung berücksichtigt worden.
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Auf den weiteren Inhalt des Schreibens bzw. des Bescheides des Landratsamtes ... vom 30. März 2023 wird ergänzend verwiesen.
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Der Kläger am 28. April 2023 Klage zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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Der Bescheid des Landratsamts ... vom 30. März 2023 mit dem Az.: ... wird aufgehoben.
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Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger unter dem 19. Mai 2023 erklärt, dass die von ihm verursachten Abfälle fach- und fristgerecht beseitigt worden seien. Der übrige Teil der Abfälle stamme nicht von ihm.
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Das Landratsamt ... ist für den Beklagten den Klagen mit Schriftsatz vom 1. Juni 2023 entgegengetreten und beantragt,
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Die Klage sei unbegründet, da sich der mit der Klage angegriffene Bescheid als rechtmäßig erweise. Der Ausgangsbescheid zur Abfallbeseitigung und zur Vorlage von Entsorgungsnachweisen sei vom Kläger nicht angefochten worden und bestandskräftig. Die erstmalige Fälligstellung im Schreiben vom 22. September 2022 mit erneuter Zwangsgeldandrohung sei ebenfalls bestandskräftig geworden. Auf der Grundlage des bestandskräftigen Grundverwaltungsakts vom 6. Mai 2022 sei der Kläger für die Entsorgung der gesamten Abfälle verantwortlich. Die erneute Zwangsgeldandrohung finde ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 und 36 VwZVG. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 19 ff. und 29 ff. VwZVG lägen vor. Der Grundverwaltungsakt sei aufgrund der eingetretenen Bestandskraft vollstreckbar gewesen. Der Kläger sei seiner Handlungsverpflichtung nicht fristgerecht nachgekommen. Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG könnten Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung des Klägers erfüllt sei. Nach der Begründung des Klägers in den Klageverfahren befinde sich immer noch Abfall auf dem Grundstück, für dessen Beseitigung der Kläger aufgrund der Bestandskraft verpflichtet sei. Die Frage, ob der Kläger als Verantwortlicher aller Abfälle rechtmäßig in Anspruch genommen worden sei, sei deshalb irrelevant. Alle auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindlichen Abfälle, die im Ausgangsbescheid vom 6. Mai 2022 genannt würden, seien vom Kläger zu entsorgen.
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Auf den weiteren Vortrag im Klageerwiderungsschriftsatz vom 1. Juni 2023 wird ergänzend verwiesen.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. Juli 2023 wurden die Verfahren dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Am 21. September 2023 fand die mündliche Verhandlung in den Verwaltungsstreitsachen statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung über die Klage verhandeln und entscheiden, weil der ordnungsgemäß und fristgerecht geladene Kläger hierauf in der Ladung hingewiesen wurde (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
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2. Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid vom 30. März 2023 ist rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24
a) Die mit Bescheid des Beklagten vom 30. März 2023 erlassene isolierte Maßnahme der Zwangsvollstreckung (Androhung erneuter Zwangsgelder) kann, da der zugrundeliegende Grundverwaltungsakt vom 6. Mai 2022 bestandskräftig und damit unanfechtbar geworden ist, nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird, Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2023 – 1 CS 22.2511 – juris Rn. 11; BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf 50-VI-05 – juris Rn. 46). Die Rechtmäßigkeit der der Zwangsvollstreckung zugrundeliegenden, bestandskräftigen abfallrechtlichen Beseitigungsanordnung vom 6. Mai 2022 kann daher nicht erneut zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden.
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b) Eine Rechtsverletzung durch die isolierte Zwangsmittelandrohung liegt nicht vor.
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aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 18 ff. VwZVG sind gegeben. Mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 6. Mai 2022 liegt ein wirksamer und gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vollstreckbarer Grundverwaltungsakt vor. Nichtigkeitsgründe (Art. 44 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG), die gemäß Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG zur Unwirksamkeit des Grundverwaltungsakts führen würden, sind nicht ersichtlich.
27
bb) Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß Art. 29 ff. VwZVG der erneuten Androhung von Zwangsgeldern liegen vor.
28
Die zu vollstreckenden Handlungen, die abfallrechtliche Beseitigung und die Vorlage der entsprechenden Entsorgungsnachweise, sind vom Kläger geforderte Handlungen i.S.d. Art. 29 Abs. 1 VwZVG, für die bei Nichterfüllung ein Zwangsgeld gemäß Art. 31 VwZVG angedroht werden kann.
29
Die erneute Androhung eines Zwangsmittels ist ebenfalls zulässig, denn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels Zwangsgeld im unanfechtbar gewordenen Bescheid des Landratsamts ... vom 22. September 2022 ist erfolglos geblieben. Der Kläger ist der ihm gegenüber erlassenen Beseitigungs- und Vorlageanordnung vom 6. Mai 2022 bzw. 22. September 2022 nicht innerhalb der in den Bescheiden gesetzten Fristen nachgekommen. Der im Klageverfahren vom Kläger geltend gemachte Einwand, er habe den von ihm selbst auf das Grundstück verbrachten Abfall fristgerecht beseitigt, geht fehl, da der Kläger ausweislich des bestandskräftig gewordenen Ausgangsbescheids vom 6. Mai 2022 zur Beseitigung sämtlicher auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... gelagerten Abfälle und zur Vorlage entsprechenden Entsorgungsnachweise verpflichtet wurde. Nicht erforderlich ist weiter, dass das dem Kläger zuvor angedrohte Zwangsmittel (die Beitreibung der angedrohten Zwangsgelder aus dem Bescheid vom 22. September 2022) erfolglos angewendet worden ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2006 – 4 CS 05.3041 – juris).
30
Weiter weist das Gericht darauf hin, dass es nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG gestattet ist, Zwangsmittel so lange und so oft anzuwenden, bis die Verpflichtung des Pflichtigen erfüllt ist.
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Der Beklagte hat ferner die erneuten Zwangsgelder, die inhaltlich hinreichend bestimmt sind (vgl. Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz -BayVwVfG) unter Bestimmung einer erneuten Frist schriftlich angedroht und dem Kläger als Pflichtigen die Androhung förmlich zugestellt (Art. 36 Abs. 3, Abs. 1, Abs. 7 VwZVG).
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Gerichtlich gemäß § 114 VwGO nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensfehler sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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c) Auch im Übrigen begegnet der mit der Klage angegriffene Bescheid keinen rechtlichen Bedenken.
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3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).