Titel:
Unterbrechung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens
Normenketten:
ZPO § 240
InsO § 35 Abs. 1
Leitsätze:
1. Zwar ist - abweichend vom zivilprozessualen Zwangsvollstreckungsrecht - für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht davon auszugehen, dass Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen generell nicht von § 240 ZPO erfasst werden. Jedoch ist auch die verwaltungsgerichtliche Überprüfung behördlichen Vollstreckungshandelns im Hinblick auf die Frage der Unterbrechung nach § 240 ZPO iVm § 173 S. 1 VwGO im Zusammenhang mit den zur Überprüfung gestellten behördlichen Vollstreckungsmaßnahmen zu betrachten. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die ordnungsrechtliche Unterlassungspflicht ist grundsätzlich nicht in Geld bewertbar und gehört daher auch nicht zur Insolvenzmasse, auf die sich § 240 ZPO bezieht. Etwas anderes kann nur nur dann gelten, wenn die Verfügung wirtschaftlich wesentliche Elemente der Geschäftstätigkeit des Schuldners und damit Vermögenswerte betrifft, aus denen er seine Gläubiger zu befriedigen hat. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine Unterbrechung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, das die Vollstreckung einer ordnungsrechtlichen Unterlassungverfügung (Unterlassung des Einleitens von Kunststoffgranulat in die kommunale Entwässerungseinrichtung) zum Gegenstand hat, durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin, Unterbrechung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Insolvenzmasse, ordnungsrechtliche Unterlassungspflicht, Vollstreckung, Zwangsgeld
Fundstellen:
ZInsO 2024, 1661
BeckRS 2023, 28180
Tenor
Das Verfahren ist nicht unterbrochen.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die (wiederholte) Fälligstellung eines Zwangsgeldes und die erneute Androhung eines weiteren Zwangsgeldes durch die Beklagte mit Schreiben/Bescheid vom 8. November 2022. Die Beklagte vollstreckt damit eine Verfügung vom 3. August 2020, mit der sie die Klägerin verpflichtet hatte, die Einleitung von Kunststoffgranulaten bzw. mit Kunststoffgranulaten versetztem Abwasser an den Einleitstellen ihres Betriebsgeländes „…“ und „…“ in die städtische Entwässerungseinrichtung zu unterlassen.
2
Bereits mit Schreiben vom 5. November 2020 wurde das zusammen mit der Grundverfügung für den Fall der Nichtbefolgung angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR in Höhe von 5.000,00 EUR fällig gestellt und (im selben Schreiben) mit Bescheid ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR für den Fall der Nichtbefolgung angedroht. Dieses Zwangsgeld stellte die Beklagte mit Schreiben vom 8. November 2022 in Höhe von 7.500,00 EUR fällig und drohte erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR an.
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Hiergegen wurde am 8. Dezember 2022 – „zunächst nur fristwahrend“ – Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erhoben und mitgeteilt, die Klägerin habe Insolvenz angemeldet.
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Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 1. Februar 2023 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung am 1. Februar 2023 um 12:00 Uhr eröffnet. Es wurde Eigenverwaltung angeordnet und ein Sachwalter bestellt.
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Die Klägerin ist der Ansicht, das streitgegenständliche Zwangsgeld sei als Insolvenzforderung zu behandeln, das anhängige Verwaltungsgerichtsverfahren sei gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen.
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Es möge zutreffen, dass bei unvertretbaren Handlungen die Zwangsvollstreckung durch ein Insolvenzverfahren grundsätzlich nicht nach § 240 ZPO unterbrochen werde. Dies könne allerdings nur für Fälle gelten, in denen der Schuldner die zu vollstreckende Handlung vornehmen könne, ohne dass die Insolvenzmasse betroffen sei. Um vollständig auszuschließen, dass Kunststoffgranulat auf die öffentliche Straße gelange, müssten technisch/baulich äußerst aufwendige und damit höchst kostenträchtige Maßnahmen ergriffen werden. Insoweit sei die Behauptung der Beklagtenvertreter, die Zwangsvollstreckung betreffe nicht die Insolvenzmasse, falsch.
7
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
festzustellen, dass das Verfahren unterbrochen ist.
8
Die Bevollmächtigten der Beklagten beantragen,
festzustellen, dass das Verfahren durch die Insolvenz der Klägerin nicht unterbrochen wurde.
9
Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen einer Unterbrechung lägen nicht vor, da das Verfahren nicht die Insolvenzmasse betreffe. Ansprüche auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung, Duldung oder Unterlassung blieben einschließlich einer hierauf gestützten einstweiligen Verfügung gegen den Schuldner durchsetzbar, da sie keine Insolvenzforderungen seien. Sie würden daher auch vom Verbot des § 89 Abs. 1 InsO nicht erfasst und könnten auch trotz Insolvenz weiterhin gegen den Schuldner vollstreckt werden. Ein Zwangsvollstreckungsverfahren werde nach herrschender Meinung von § 240 ZPO nicht erfasst. Was für das zivilprozessuale Zwangsvollstreckungsverfahren gelte, müsse in gleicher Weise bzw. erst recht für das Verwaltungsvollstreckungsverfahren gelten.
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Streitgegenständlich sei lediglich die vollstreckungsrechtliche Durchsetzung des Ausgangsbescheids vom 3. August 2020 bezogen auf den Zeitpunkt 8. November 2022. Es sei unerheblich, ob und wie die Klägerin jetzt, also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in der Lage sei, die im Ausgangsbescheid angeordneten Maßnahmen zu erfüllen. Da im Insolvenzverfahren Eigenverwaltung angeordnet sei, sei die Klägerin im Übrigen auch weiterhin selbst in der Lage, ihre Verantwortung für die Beseitigung der Granulatverunreinigungen wahrzunehmen. Die durch den streitgegenständlichen Bescheid erfolgte Fälligstellung von Zwangsgeld sowie die erneute Festsetzung weiteren Zwangsgelds an sich betreffe jedenfalls die Insolvenzmasse der Klägerin nicht. Eine Vollstreckung des Zwangsgeldes, die möglicherweise die Frage berühre, ob dadurch die Insolvenzmasse betroffen sein könne, sei indes nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in diesem wie in den Verfahren AN 1 S 20.02597 und AN 1 K 20.02598 sowie auf die über die mündliche Verhandlung gefertigte Niederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob durch das über das Vermögen der Klägerin eröffnete Insolvenzverfahren das hiesige Verfahren nach § 173 VwGO i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen ist, war durch Zwischenurteil nach § 173 VwGO i.V.m. §§ 240, 303 ZPO zu entscheiden (BGH, U.v. 11.2.2010 – VII ZR 225/07 – juris Rn. 6; vgl. auch BGH, B.v. 17.12.2008 – XII ZB 125/06 – juris Rn. 13 ff.).
13
Das Verfahren ist nicht nach § 173 VwGO i.V.m. § 240 ZPO durch das über das Vermögen der Klägerin eröffnete Insolvenzverfahren unterbrochen.
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Die Vorschriften der §§ 239 ff. ZPO sind auf Grund der Verweisung in § 173 Satz 1 VwGO im Verwaltungsprozess entsprechend anwendbar (BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 8.3.2018 – 12 C 17.2574 – juris Rn. 8; BGH, B.v. 18.11.2014 – EnVR 59/13 – juris Rn. 6 speziell zum energiewirtschaftlichen Verfahren; Rudisile in Schoch/Schneider, VerwR, § 94 VwGO Rn. 105).
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Nach § 240 Satz 1 ZPO wird ein anhängiges Verfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei unterbrochen, sofern es die Insolvenzmasse betrifft. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Das vorliegende Verfahren betrifft die Insolvenzmasse nicht im Sinne der Vorschrift.
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Streitgegenstand ist hier eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung, wobei im Rahmen dieser Zwischenentscheidung noch offenbleiben kann, ob sich die Klage nur gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes im Bescheid der Beklagten vom 8. November 2022 oder auch gegen die Fälligstellung des mit Bescheid vom 5. November 2020 angedrohten Zwangsgeldes durch Schreiben ebenfalls vom 8. November 2022 richtet.
17
Maßnahmen der Zwangsvollstreckung werden von § 240 ZPO nicht erfasst. Für das zivilprozessuale Zwangsvollstreckungsrecht ist dies einhellige Meinung der Zivilgerichte (BGH, B.v. 28.3.2007 – VII ZB 25/08 – juris Rn. 10 ff. m.w.N.; OLG Brandenburg, B.v. 13.7.2022 – 7 W 45/22 – juris Rn. 5; KG, B.v. 17.12.1999 – 5 W 5591/99 – juris Rn. 7 m.w.N.). Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass die §§ 88 ff. InsO abschließende Sonderregeln für die Behandlung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in der Insolvenz darstellen. Kern dieser Regelungen ist das Verbot jeglicher Einzelvollstreckung von Insolvenzverbindlichkeiten während der Dauer des Insolvenzverfahrens (§ 89 Abs. 1 InsO). Auch Masseverbindlichkeiten dürfen grundsätzlich befristet nicht im Wege der Einzelvollstreckung durchgesetzt werden (§ 90 Abs. 1 InsO). Zwar ist das zivilprozessuale Zwangsvollstreckungsrecht nur eingeschränkt auf die hiesige prozessuale Konstellation übertragbar, in der ein behördliches Zwangsvollstreckungsverfahren zur gerichtlichen Überprüfung gestellt wird. Denn das zivilprozessuale Zwangsvollstreckungsrecht zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass wesentliche Vollstreckungsmaßnahmen (auf Antrag des Gläubigers) durch das Vollstreckungsgericht vorgenommen werden. Im Verwaltungsvollstreckungsrecht dagegen ist die Behörde selbst zur Vornahme wesentlicher Maßnahmen zur Vollstreckung ihrer Verwaltungsakte befugt, während das Verwaltungsgericht - wie auch sonst im Verwaltungsrecht – zur Überprüfung dieses Verwaltungshandelns berufen ist. Dennoch ist auch die verwaltungsgerichtliche Überprüfung behördlichen Vollstreckungshandelns, auch wenn hierfür keine besonderen gerichtlichen Verfahrensarten erforderlich sind (aus zivilprozessualer Perspektive findet ein Erkenntnisverfahren statt), im Hinblick auf die Frage der Unterbrechung nach § 240 ZPO im Zusammenhang mit den zur Überprüfung gestellten behördlichen Vollstreckungsmaßnahmen zu betrachten. Dies ergibt sich aus der Systematik und dem Ziel des Insolvenzrechts sowie des Verwaltungsvollstreckungsrechts.
18
Dabei ist zunächst festzuhalten, dass das Insolvenzrecht nach § 1 Satz 1 InsO darauf abzielt, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Dafür wird die Insolvenzmasse, also nach § 35 Abs. 1 InsO das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, herangezogen. Allerdings bezieht sich die durch das Insolvenzrecht geregelte Gesamtvollstreckung, wie sich auch aus dem Begriff der Insolvenzmasse ergibt, nur auf Forderungen, die Vermögensansprüche sind (s. § 38 InsO). Ansprüche, die nicht auf eine Geldleistung zielen oder auch nicht in Geld umrechenbar sind (vgl. § 45 InsO), können nicht zur Tabelle angemeldet werden und können auch nicht durch das Insolvenzverfahren (quotengerecht) befriedigt werden. Sie sind im Insolvenzverfahren mit den dortigen Mitteln der Gesamtvollstreckung nicht vollstreckbar (OLG Naumburg, B.v. 19.9.2007 – 3 WF 284/07 – juris Rn. 3 zur Vollstreckung eines zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs). Folgerichtig sieht das Insolvenzrecht, insbesondere in den §§ 88 ff. InsO, für Ansprüche, die nicht Vermögensansprüche sind, kein Verbot der Einzelvollstreckung vor (vgl. KG, B.v. 17.12.1999 – 5 W 5591/99 – juris Rn. 8 zur Vollstreckung eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs). Daher erfordert das Insolvenzrecht auch keine Unterbrechung eines Verfahrens, das eine solche insolvenzrechtlich nicht verbotene Einzelvollstreckungsmaßnahme betrifft.
19
Auch das Ziel, die Insolvenzmasse zu schützen, was Sinn und Zweck des § 240 ZPO ist, erfordert nichts Anderes. Das Insolvenzrecht ist – insbesondere durch die genannten Verbote der Einzelvollstreckung, aber auch das (vorbehaltlich der Sonderregeln für Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung in den §§ 270 ff. InsO) Verfügungsverbot des Insolvenzschuldners in § 80 InsO – darauf bedacht, die Ansprüche der Gläubiger im Wege der Gesamtvollstreckung gemeinsam – und damit regelmäßig entsprechend einer Quote – zu befriedigen. Daher darf die haftende Insolvenzmasse nicht außerhalb des Insolvenzverfahrens geschmälert werden. Dieses Ziel wird auch durch § 240 ZPO verfolgt, nach dem Verfahren, die diese Insolvenzmasse betreffen, (zunächst) unterbrochen werden. Für die dort vorausgesetzte Betroffenheit der Insolvenzmasse reicht schon eine mittelbare Betroffenheit (BVerwG, B.v. 7.6.2018 – 6 B 1/18 – juris Rn. 12: „in rechtlicher oder wenigstens wirtschaftlicher Beziehung steht“; BVerwG, U.v. 13.12.2006 – 6 C 17/06 – juris Rn. 20; BGH, B.v. 16.5.2019 – V ZR 295/16 – juris Rn. 5; BGH, B.v. 18.11.2014 – EnVR 59/13 – juris Rn. 9). Doch ist selbst eine solche nicht gegeben, wenn der Anspruch sich als Nichtvermögensanspruch – gewissermaßen an der Insolvenzmasse vorbei – weiterhin, d.h. auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, gegen den Insolvenzschuldner, etwa als höchstpersönlichen Anspruch oder auch nach Weiterführung des Betriebs durch einen etwaigen Insolvenzverwalter gegen diesen als neuen Betreiber richtet. Richtet sich der Anspruch nicht gegen die Insolvenzmasse (sei es als Insolvenz- oder Masseverbindlichkeit), sieht das Insolvenzverfahren keinerlei Mittel zur Durchsetzung der Pflicht vor, so dass auch eine Vollstreckung außerhalb des Insolvenzverfahrens weiterhin möglich ist (für die Vollstreckung einer Gewerbeuntersagung mit dem Mittel der Zwangshaft ist dies ständige Rechtsprechung, siehe etwa BayVGH, B.v. 8.3.2018 – 12 C 17.2574 – juris Rn. 7; vgl. auch BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6/14 – juris Rn. 25).
20
Damit kommt es auch für die Frage der Unterbrechung eines Verfahrens, dessen Gegenstand eine Vollstreckungsmaßnahme ist, maßgeblich auf den zu vollstreckenden Anspruch an.
21
Die hier zu vollstreckende Pflicht ist weder eine Insolvenzverbindlichkeit noch eine Masseverbindlichkeit im Sinne der Insolvenzordnung, sondern stellt sich als eine insolvenzrechtlich neutrale Pflicht dar. Vollstreckt werden soll hier eine bestandskräftige Unterlassungsverfügung der Beklagten vom 3. August 2020. Diese ordnungsrechtliche Unterlassungspflicht, die die Beklagte der Klägerin aufgegeben hat, ist nicht in Geld bewertbar und damit auch nicht zur Insolvenztabelle anmeldbar (vgl. BGH, B.v. 16.5.2019 – V ZR 295/16 – juris Rn. 8 f.; KG, B.v. 17.12.1999 – 5 W 5591/99 – juris Rn. 8 m.w.N.). Zum einen sind Unterlassungsansprüche grundsätzlich keine Insolvenzforderungen, die in Geld berechnet werden könnten (vgl. Eichel in Jaeger, InsO, § 38, Rn. 82). Gleiches gilt für öffentlich-rechtliche Ordnungspflichten: Die Eröffnung des Verfahrens ändert nichts an den Pflichten nach dem allgemeinen und besonderen Polizei- und Ordnungsrecht, auch wenn diese gegebenenfalls auf den Insolvenzverwalter übergehen können (Lüke in KPB, InsO, § 80 InsO, Rn. 79 ff.). Zwar können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch ordnungsrechtliche Verwaltungsakte die Insolvenzmasse betreffen, wenn etwa die ordnungsrechtliche Untersagungsverfügung wirtschaftlich wesentliche Elemente der Geschäftstätigkeit des Schuldners und damit Vermögenswerte betrifft, aus denen er seine Gläubiger zu befriedigen hat (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2006 – 6 C 17/06 – juris Rn. 20). Dies ist hier aber gerade nicht der Fall, weil die Untersagungsverfügung der Beklagten gerade nicht das Geschäftsmodell oder den Betrieb der Klägerin an sich (ganz oder teilweise) in Frage stellt wie dies bei dem ordnungsrechtlich untersagten Spielgerät im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall war. Vielmehr zielt die hier von der Beklagten vollstreckte Untersagungsverfügung lediglich auf Begleitbedingungen des Betriebs der Klägerin, nicht gegen ihre gewerbliche Betätigung als solche (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2006 – 6 C 17/06 – juris Rn. 21) ab. Daran ändert auch der von der Klägerin angeführte finanzielle Aufwand, den sie nach ihrer Ansicht wohl betreiben müsste, um der Untersagungsverfügung vollständig nachkommen zu können. Die bestandskräftige Untersagungsverfügung gehört mit zu den rechtlichen Rahmenbedingungen, die die Klägerin unabhängig von einem Insolvenzverfahren einzuhalten hat. Anders gesagt: Ein ordnungswidriger Zustand darf auch dann nicht aufrechterhalten werden, wenn der Betrieb, von dem die Gefahr ausgeht, an sich Teil einer Insolvenzmasse ist, entsprechende Ordnungsverfügungen sind dann auch während eines laufenden Insolvenzverfahrens vollstreckbar (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.1998 – 7 C 38/97 – juris Rn. 11; Henckel in Jaeger, InsO, § 38, Rn. 26; s. auch, zur gewissermaßen umgekehrten Konstellation, zur fortgesetzten Verantwortlichkeit eines Insolvenzverwalters nach Betriebsweiterführung und anschließender Freigabe VGH BW, B.v. 17.4.2012 – 10 S 3127/11 – juris Rn.7 ff.).
22
Alles andere widerspräche nicht nur dem Gebot effektiver Gefahrenabwehr, sondern auch der Zielsetzung des Verwaltungsvollstreckungsrechts, materielles Recht „schleunig“ durchzusetzen (vgl. zum zivilprozessualen Vollstreckungsrecht OLG Neustadt, B.v. 28.11.1964 – 2 W 98/64 – NJW 1965, 591).
23
Damit ist freilich noch nicht gesagt, ob gegebenenfalls durch das Einrücken eines Insolvenzverwalters – auf materieller Ebene – Veränderungen eintreten, die eine ergangene Verfügung in Frage stellen (vgl. etwa HessVGH, B.v. 29.3.2018 – 8 B 118/17 – juris Rn. 19 ff.), wobei hier ohnehin von einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung auszugehen ist, auf das § 80 InsO gerade keine Anwendung findet.
24
Etwas Anderes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass das Zwangsgeld isoliert betrachtet Massebezug hat. Die aus der Zwangsvollstreckung resultierende Forderung der Beklagten gegen die Klägerin auf Bezahlung des Zwangsgeldes selbst ist wohl eine Insolvenzforderung und unterliegt dem Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO. Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer aus der ausdrücklichen Regelung des § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InsO (anders für etwaige Kosten einer Ersatzvornahme, die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – allerdings nach Fortführung des Betriebs und durch den Konkursverwalter – Masseverbindlichkeiten sind, BVerwG, U.v. 22.10.1998 – 7 C 38/97 – juris Rn. 15). Allerdings ist, worauf auch die Beklagte bereits hingewiesen hat, die Beitreibung des Zwangsgeldes nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (vgl. zur Differenzierung auch VGH BW, B.v. 17.4.2012 – 10 S 3127/11 – juris Rn. 9). Gegenstand des Verfahrens ist, wie eingangs ausgeführt, die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes bzw. gegebenenfalls die Fälligstellung eines bereits zuvor bestandskräftig angedrohten Zwangsgeldes.
25
Diese Maßnahmen dienen der Durchsetzung der insolvenzrechtlich neutralen Unterlassungsverfügung und könnten nicht im Rahmen eines Insolvenzverfahrens ergehen, so dass sie neben dem Insolvenzverfahren möglich sind und weiter folglich ein Streitverfahren darüber nicht durch das Insolvenzverfahren unterbrochen wird. Dies gilt umso mehr, als ein Interesse an der zügigen Fortführung des Verfahrens besteht, auch wenn selbst gerichtlich bestätigt fällig gewordene Zwangsgelder während der Dauer des Insolvenzverfahrens nicht beigetrieben werden können. Jedenfalls soll das zügig durchzuführende Zwangsvollstreckungsverfahren keine zusätzlichen Verzögerungen erfahren, wenn das Insolvenzverfahren beendet oder aufgehoben wird. Im Hinblick darauf soll „schleunig“ geklärt werden, ob die Zwangsgeldforderung fällig geworden ist bzw. ein neues Zwangsgeld oder auch ein anderes Zwangsmittel angedroht werden durfte.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (vgl. BGH, B.v. 8.6.2004 – IX ZR 281/03 – juris Rn. 4 ff. m.w.N.; BGH, B.v. 17.12.2008 – XII ZB 125/06 – juris Rn. 19 f. m.w.N.).