Titel:
Verhinderung der Weiterverbreitung von Saat- und Erntegut
Normenketten:
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
SaatgutVO § 18
ZuVLFG Art. 15 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Auf Art. 15 Abs. 1 S. 1 ZuVLFG können auch Maßnahmen gestützt werden, die die Weiterverbreitung von Erntegut verhindern sollen, das von wegen Verstößen gegen das Saatgutverkehrsrecht nicht mehr anerkanntem, minderwertigen Saatgut abstammt. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Saatgutverkehrsrecht, Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, Interessenabwägung, Hinweispflicht, Informationspflicht den Anbauern gegenüber, Widerruf einer Saatgutanerkennung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 09.01.2024 – 13a CS 23.1414
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28035
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die im Widerrufsbescheid über ihre Saatgutanerkennungen für Winterspelzweizen angeordnete sofort vollziehbare Pflicht zur Information der jeweiligen Erwerber des Saatgutes und einer dementsprechenden Mitteilungspflicht hierüber gegenüber dem Antragsgegner.
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Die Antragstellerin ist ein auf dem Gebiet der Vermehrung und Vermarktung von Dinkelsaatgut sowie dem daraus resultierenden Erntegut tätiges Unternehmen. Bei Dinkel handelt es sich um eine Urform des Weizens, welcher bei der Aussaat im Herbst als Winterspelzweizen bezeichnet wird. Der Vermarktung von Dinkelkonsumware sind zwei Vegetationsperioden vorgelagert. Im Rahmen der ersten Vegetationsperiode findet das Vermehren von Dinkelsaatgut statt. Hierbei verkauft die Antragstellerin Basis-Saatgut an sogenannte Vermehrerbetriebe. Diese erzeugen und verkaufen wiederrum Vertragserntegut nach der Feldanerkennung nach dem Saatgutverkehrsrecht im folgenden Jahr. Dieses Saatgut, welches in Partien der Feldanerkennung geliefert wird, kauft die Antragstellerin und stellt Partien zur Beschaffenheitsprüfung dem Antragsgegner zur Verfügung, welcher je nach Partie eine Anerkennung der jeweiligen Partie vornimmt. Das Saatgut in Form von Partien (maximal 3000 kg) wird im Labor untersucht und den jeweils anerkannten Partien eine individuelle Anerkennungsnummer zugewiesen. Dieses Z-Saatgut ist für die Abgabe an Landwirte, sogenannte Anbauer, bestimmt. In der zweiten Vegetationsperiode bauen diese im September/Oktober das Z-Saatgut an und ernten im darauffolgenden Jahr die Konsumware. Zwischen der Antragstellerin und den Anbauern bestehen sogenannte „Anbauverträge“, wonach eine Andienungspflicht für die Anbauer im Hinblick auf das Erntegut besteht sowie ein Mindestpreis, der seitens der Antragstellerin zu zahlen ist, vereinbart wird. Die geerntete Ware vermarkten die Anbauer an die Antragstellerin und werden je nach Marktverlauf zusätzlich zum vereinbarten Mindestpreis bezahlt.
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Mit 33 Bescheiden von August bis September 2022 (aufgeführt in Ziffer 1 des Widerrufsbescheids) anerkannte der Antragsgegner jeweils eine Partie von Saatgut, welche die Höchstmenge einer Partie im Sinne der Anlage 4 der Saatgutverordnung nicht überschreiten darf.
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Am 15. September 2022 fand eine Vor-Ort-Kontrolle auf dem Betrieb der Antragstellerin statt. Auf dem Gelände der Antragstellerin befanden sich 108 unverschlossene, nicht mit Etiketten versehene Großbehältnisse mit Saatgut. Die einzelnen Großbehältnissen waren durch Aufsprühen von Buchstaben hinsichtlich der jeweiligen Sorte gekennzeichnet. Auf Nachfrage wurde dem Antragsgegner durch den Lagerleiter der Antragstellerin bestätigt, dass die Behältnisse sämtlich Saatgut beinhalteten. Im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle wurden von den Großbehältnissen 27 amtliche Proben entnommen. Eine anschließende Laboruntersuchung der Proben ergab, dass die gesetzlichen Anforderungen lediglich bei einer von 27 Proben erfüllt waren.
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Mit Bescheid vom 27. September 2022 untersagte der Antragsgegner der Antragstellerin das Inverkehrbringen sowie jede Form der Abgabe von Dinkel-Saatgut und ordnete die Vorlage von Liefer- und Wiegescheinen sämtlicher Saatgut-Rohware-Eingänge sowie der Abgabe von Saatgut ab dem 1. Juli 2022 an.
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Der Bescheid wurde am 30. September 2022 dahingehend abgeändert, dass der Antragstellerin das Inverkehrbringen und die Abgabe von zugekauftem, verschlossenem sowie ordnungsgemäß gekennzeichnetem Dinkel-Saatgut von anderen Handelsfirmen gestattet wurde.
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Nach Prüfung der vorgelegten Betriebsunterlagen wurde die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. April 2023 hinsichtlich der fehlenden Erfassung des Saatgutes in Bezug auf die jeweiligen Anerkennungspartien im Rahmen der Anlieferung des Saatgutes auf dem Aufbereitungsbetrieb angehört. Die Antragstellerin nahm mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Juni 2023 hierzu Stellung.
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Mit Bescheid vom 26. Juni 2023 widerrief der Antragsgegner die Anerkennungsbescheide über den Winterspelzweizen mit Wirkung für die Zukunft (Ziffer 1), gab der Antragstellerin auf, ab dem Zustellungstag die betreffende Ware nicht mehr als Saatgut in den Verkehr zu bringen (Ziffer 2), der Antragstellerin wurde die Pflicht auferlegt, die Erwerber des betreffenden Saatgutes bis spätestens 15. Juli 2023 über den Widerruf der Anerkennungsbescheide in Kenntnis zu setzen und dem Antragsgegner eine entsprechende Mitteilung bis 20. Juli 2023 hierüber zu machen sowie diese darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Ware nicht um anerkanntes Saatgut handelte und vorhandene Ware nicht mehr als Saatgut in den Verkehr gebracht werden darf (Ziffer 3). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 wurde angeordnet (Ziffer 4). Für den Fall der Nichtbeachtung der Ziffer 1 bis 3 wurden Zwangsgelder angedroht (Ziffer 5).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle festgestellt worden sei, dass das gelagerte Saatgut den jeweiligen Anerkennungsbescheiden in Form von Partien nicht zugeordnet werden könne. Dem Betrieb sei es in systematischer Hinsicht unmöglich, eine Zuordnung zwischen dem abzugebenden Saatgut zu den jeweiligen Anerkennungsnummern vorzunehmen. Aus diesem Grund wäre der Antragsgegner berechtigt gewesen, den Anerkennungsbescheid nicht zu erlassen. Die Anerkennungsnummern mit den Partie-Nummern seien notwendig, um die Nachverfolgbarkeit zu gewährleisten. Hierdurch liege ein Verstoß gegen § 21 SaatG vor. Die Pflicht zur Information der jeweiligen Abnehmer sowie des Antragsgegners stütze sich auf Art. 15 des Gesetzes über Zuständigkeiten und den Vollzug von Rechtsvorschriften im Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Die zuständige Behörde könne bei Verstößen gegen das Saatgutverkehrsgesetz für den Einzelfall Maßnahmen zur Verhütung, Unterbindung oder Beseitigung von durch solche Verstöße verursachten Zustände treffen. Insbesondere könne die Behörde bestimmen, dass das entsprechende Saatgut nicht oder lediglich in einer bestimmten Weise verwendet oder in den Verkehr gebracht werden dürfe oder aus dem Markt herauszunehmen sei. Die Anordnungen seien nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen worden. Es könne nur so sichergestellt werden, dass eine Unterbindung des Inverkehrbringens nicht anerkennungsfähiger Saat erfolge und ein dementsprechender Hinweis an die Erwerber gehe. Zudem seien die Anordnungen auch verhältnismäßig.
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Die sofortige Vollziehung liege im öffentlichen Interesse. Die Abnehmer könnten anderenfalls nicht mehr rechtzeitig reagieren.
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Gegen den Bescheid ließ die Antragstellerin am 11. Juli 2023 Klage erheben und beantragen, den Bescheid aufzuheben (Au 8 K 23.1082). Über die Klage ist noch nicht entschieden.
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Zugleich hat die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11. Juli 2023 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26. Juni 2023 (Az.: ...) hinsichtlich Ziffer 3 und hinsichtlich Ziffer 4 des Bescheids des Antragsgegners vom 26. Juni 2023, Az.:, soweit diese Ziffer 3 betrifft, wiederherzustellen.
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Im Wege der Zwischenverfügung beantragt die Antragstellerin zudem,
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die aufschiebende Wirkung der mit Schriftsatz vom 11. Juli 2023 erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 26. Juni 2023, Az.:, vorläufig, bis zu einer Entscheidung über den im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO gestellten Antrag, hinsichtlich Ziffer 3 und hinsichtlich Ziffer 4 des Bescheids des Antragsgegners vom 26. Juni 2023, Az.:, soweit diese Ziffer 3 betrifft, wiederherzustellen.
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Zur Begründung wurde im Antragsschriftsatz und im ergänzenden Schriftsatz vom 27. Juli 2023 im Wesentlichen ausgeführt, dass der Widerrufsbescheid rechtswidrig sei. Insbesondere fehle es der Ziffer 3 des Bescheids an der erforderlichen Bestimmtheit, weshalb diese nicht vollzugsfähig sei. Zudem mangle es bereits an einer entsprechenden Rechtsgrundlage hinsichtlich eines Informierens der jeweiligen Abnehmer. Art. 15 Abs. 1 ZuVLFG setze eine umfassende Ermittlung des jeweiligen Einzelfalls voraus, welche nicht erfolgt sei, weshalb eine Eröffnung von dessen Anwendungsbereich nicht vorliege. Zudem ermögliche Art. 15 ZuVLFG keine Allgemeinverfügungen, welche losgelöst vom jeweiligen Einzelfall einen Geschäftsbetrieb vollständig in Frage stellen würde. Die Vorschrift ermögliche nicht, dass eine Information mit einem noch in gerichtlicher Klärung befindlichen Sachverhalt an Geschäftspartner erfolgen solle, sowie keine gesetzeswahrenden Auswirkungen auf deren jeweilige Tätigkeit habe. Sie könne lediglich einer konkreten Gefahrenabwehr dienen. Darüber hinaus habe der Antragsgegner sein Ermessen nicht ausgeübt, vielmehr liege ein vollständiger Ermessensausfall vor. Jedenfalls liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor. Die Verpflichtung hinsichtlich eines Informationsschreibens verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Antragstellerin habe das Recht, sich nicht selbst öffentlich zu belasten. Insbesondere solle eine Information über „nicht anerkanntes“ Saatgut erfolgen, obwohl die Entscheidung über die Aberkennung nicht bestandskräftig sei sowie dies für das Saatgut zum Zeitpunkt der Abgabe nicht vorgelegen habe. Das notwendige Informieren der jeweiligen Abnehmer verstoße gegen das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Nicht zuletzt handle es sich diesbezüglich auch um einen Abwägungsfehler. Das betreffende Saatgut sei bereits ausgebracht worden und werde bald geerntet. Ein Informieren der Abnehmer könne aus diesem Grund eine Verbreitung des betreffenden Saatguts nicht verhindern. Im Rahmen der Abwägung stehe dies dem laufenden Geschäftsbetrieb der Antragstellerin mitsamt den hieran geknüpften Arbeitsplätzen entgegen. Im Übrigen handle es sich um ein geschlossenes Anbausystem, da die jeweiligen Anbauer im Rahmen des Anbauvertrages mitteilen müssten, auf welcher Fläche sie für die Antragstellerin anbauen werden würden, und die Anbauer für die daraus resultierende Ware eine entsprechende Andienungspflicht gegenüber der Antragstellerin hätten. Im Gegenzug bestehe eine Pflicht der Antragstellerin, die erzeugte Ware abzunehmen, und eine Garantie, einen entsprechenden Mindestpreis zu zahlen. Eine Bestellung von Saatgut gehe automatisch mit einem zu schließenden Anbauvertrag einher. In diesem werde zudem festgehalten, dass sich der Anbauer verpflichte, auf der gesamten angegebenen Fläche ausschließlich Z-Saatgut der Antragstellerin auszusäen. Im Übrigen sei das betreffende Saatgut bereits vollständig verbraucht worden. Restbestände seien weder in den Betriebstätten der Antragstellerin noch bei den Anbauern vorhanden, da Letztere das Saatgut ausgesät hätten, um eine Ernte zu ermöglichen. Zudem dürfe die hieraus erzeugte Ware nur an die Antragstellerin verkauft werden. Es sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin lediglich in der Größenordnung Z-Saatgut erzeuge, wie es für die Menge an Anbauern erforderlich sei. Es bestehe eine gesetzliche Untersagung einer Weitergabe des Saatguts an Dritte nach dem SortG bzw. der Verordnung (EG) Nr. 2100/1994. Hierfür bedürfe es Vertriebslizenzen, welche die Vertragsanbauer nicht besitzen würden. Daher könne keine Abgabe von Saatgut an Dritte erfolgen oder erfolgt sein. Zudem solle eine Information an alle Abnehmer erfolgen, obwohl eine Vor-Ort-Kontrolle lediglich in einer einzigen Betriebsstätte erfolgt sei.
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Im Hinblick auf die beantragte Zwischenverfügung wurde vorgebracht, dass andernfalls irreversible Zustände für den Betrieb der Antragstellerin geschaffen werden würden.
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Mit Schreiben vom 12. Juli 2023 teilte der Antragsgegner mit, dass von Vollstreckungsmaßnahmen bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgesehen werde.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag zulässig, aber unbegründet sei. Das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung der Ziffer 3 des Bescheids vom 26. Juni 2023 überwiege das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Ziffer 3 des Bescheids, wonach eine Information an die Erwerber des betroffenen Saatguts erfolgen solle, sei rechtmäßig. Es liege ein Inverkehrbringen nach § 2 Nr. 12 SaatG sowohl im Falle der Abgabe des Saatgutes an die Vertragsanbauer als auch die mögliche Abgabe des Saatgutes oder Restbeständen durch die Vertragsanbauer an Dritte vor. Das Informieren der Abnehmer diene der Verhinderung von weiterem Inverkehrbringen von nicht mehr anerkanntem Saatgut und die Anbauer darüber zu informieren, dass es sich bei dem bereits Angebautem nicht um Saatgut handle. Ein mögliches Inverkehrbringen könne nicht ausgeschlossen werden. Die Ausnahmeregelung des § 2 Nr. 12 b) bb) SaatG, wonach der Inverkehrbringer die Verfügungsgewalt über das Saatgut behalte, liege im Verhältnis der Antragstellerin zu ihren Anbauern nicht vor. Die Anbauer der Antragstellerin würden weder unselbständig noch weisungsgebunden arbeiten. Zwar bestehe für die Anbauer nach dem Vertragsverhältnis mit der Antragstellerin die Verpflichtung zur Andienung des Ernteguts, jedoch hätten diese die vollständige Verfügungsgewalt inne. Aufgrund der kaufvertraglichen Übertragungen würde ein Ablehnen eines Inverkehrbringens des Saatgutes dem Schutzzweck des Saatgutverkehrsgesetzes zuwiderlaufen.
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Es bestehe nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über Zuständigkeiten und den Vollzug von Rechtsvorschriften im Bereich der Land- und Forstwirtschaft (ZuVLFG) eine Zuständigkeit des Antragsgegners hinsichtlich der Überwachung des Einhaltens der Regelungen des Saatgutverkehrsgesetzes.
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Die in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids angeordnete Informationsverpflichtung stütze sich auf Art. 15 Abs. 1 ZuVLFG. Es handle sich um eine beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung möglicher Anordnungen, um Verstöße gegen landwirtschaftliche Regelungen, wie auch denen des Saatgutverkehrsgesetzes, zu verhüten, zu unterbinden oder die durch solche Verstöße verursachten Zustände zu beseitigen. Die in Ziffer 3 des Bescheids getroffene Anordnung sei vom Regelungsgehalt des Art. 15 Abs. 1 ZuVLFG gedeckt. Es finde sich keine abweichende Regelung im Saatgutrecht, insbesondere sei auch § 18 der Saatgutverordnung nicht einschlägig. Die Regelung des § 18 der Saatgutverordnung zeige, dass ein Informieren von Saatgutabnehmern dem Recht über das Saatgut nicht fremd sei. Ein Informieren der Abnehmer des Saatguts verhüte gegebenenfalls bevorstehende Verstöße gegen saatgutrechtliche Regelungen. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SaatG dürfe ein Inverkehrbringen von Saatgut zu gewerblichen Zwecken erfolgen, wenn es anerkanntes Saatgut sei. Keiner der Beteiligten habe Kenntnis darüber, ob bei den Abnehmern noch nicht ausgesätes Saatgut vorhanden sei. Auch die seitens der Antragstellerin vorgelegten Anbauverträge würden zu keiner abweichenden Beurteilung führen. Es sei durch diese nicht ausgeschlossen, dass Z-Saatgut noch bei den jeweiligen Abnehmern vorhanden sei, welches diese noch aussäen oder abgeben könnten. Mit der in den Anbauverträgen enthaltenen Regelung, wonach auf den Dinkelflächen ausschließlich Z-Saatgut der Antragstellerin verwendet werden dürfe, sei nicht gesagt, dass es sich bei dem verwendeten Saatgut tatsächlich um das den Widerruf der Anerkennungsbescheide zugrundeliegendem Saatgut handle.
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Es bestehe ein überwiegendes Interesse der jeweiligen Abnehmer des betreffenden Saatguts an der Kenntnis vom Widerruf. Die Abnehmer hätten für das Saatgut entsprechende Preise zu zahlen, die Aberkennung führe zu einer Minderung. Zudem sei durch die Kontrolle im September 2022 ermittelt worden, dass eine erhebliche Anzahl der entnommenen Proben nicht den gesetzlichen Anforderungen entspreche mit der Folge, dass der Aufwuchs auf den Feldstücken ebenfalls nicht den Reinheitsvorgaben entspreche. Bei Anlieferung des Erntegutes bestehe für die Abnehmer daher die Gefahr, dass diese eine wesentlich niedrigere Vergütung erhielten. Lediglich durch die Kenntnis vom Widerruf der Anerkennungen würden die jeweiligen Abnehmer in die Lage versetzt werden, etwaigen diesen möglicherweise zustehenden privatrechtlichen Forderungen mit Beweissicherungsmöglichkeiten zu sichern.
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Die Anordnung sei nach pflichtgemäßer Ermessenausübung erfolgt, ein Ermessenausfall habe nicht vorgelegen. Der Antragsgegner habe die mit der Anordnung der Ziffer 3 des Bescheids verbundenen, betrieblichen Risiken erkannt. Das Interesse am Verhüten weiterer Verstöße und das Informieren der Abnehmer sei jedoch höherem Gewicht als dem Interesse der Antragstellerin beigemessen worden. Insbesondere sei nicht Bestandteil der Anordnung der Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids die Gründe mitzuteilen, weshalb der Widerruf der Anerkennung erfolgt sei. Zudem könne die Antragstellerin im Rahmen der Weitergabe der Information darauf hinweisen, dass der Widerruf der Anerkennung noch nicht in Bestandskraft erwachsen sei und seitens der Antragstellerin nicht akzeptiert werden würde.
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Die Anordnung sei verhältnismäßig. Es liege ein legitimer Zweck vor, da lediglich anerkanntes Saatgut in den Verkehr gebracht werden dürfe. Zudem liege kein Verstoß gegen den Nemo-Tenetur-Grundsatz vor, welcher insbesondere im Strafrecht gelte.
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Die in Ziffer 3 des Bescheids getroffene Anordnung sei eine zulässige Beschränkung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, weshalb im Falle eines Annehmens eines eröffneten Schutzbereichs, ein Eingriff gerechtfertigt sei. Einen aus Sicht der Antragstellerin befürchteten Schaden in den Geschäftsbeziehungen könne durch eine entsprechende Formulierung der Information eingedämmt werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren Au 8 K 23.1082, und der beigezogenen Behördenakte des Antragsgegners Bezug genommen.
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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach §§ 80 Abs. 5, Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO durch das Verwaltungsgericht vorzunehmende eigenständige Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem öffentlichen Vollzugsinteresse fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung dürfte die Klage der Antragstellerin in dem zur Entscheidung des Gerichts gestellten Umfang (Ziffer 3 und 4 des Bescheids) voraussichtlich ohne Erfolg bleiben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die summarische Prüfung ergibt einen offenen Ausgang des Hauptsachverfahrens. Gründe, gleichwohl im Interesse der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung ihrer erhobenen Klage wiederherzustellen, sind nicht ersichtlich.
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a) Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO niedergelegten Kriterien zu treffen. Aufgrund des Antrags ist im Rahmen einer Interessensabwägung zu prüfen, ob das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das Interesse des Antragsgegners an einer sofortigen Vollziehung überwiegt. Wesentliches Element im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Erweist sich der Rechtsbehelf als offensichtlich erfolglos, so wird das Interesse der Antragstellerin an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage schwächer zu gewichten sein, als das gegenläufige Interesse des Antragsgegners. Umgekehrt wird eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage grundsätzlich nicht in Frage kommen, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich aussichtslos darstellt. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht eindeutig zu beurteilen, sondern nur tendenziell abschätzbar, so darf dies bei der Gewichtung der widerstreitenden Interessen – dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin einerseits und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin andererseits – nicht außer Acht gelassen werden. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. zum Ganzen BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 65 ff. m.w.N.).
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b) Im Rahmen der summarischen Prüfung erweist sich die Anordnung des Sofortvollzugs im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO als formell rechtmäßig.
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Ob die vorgetragene Begründung des Antragsgegners das besondere Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO trägt, ist für die Frage der formellen Rechtmäßigkeit des Sofortvollzugs grundsätzlich unerheblich. Vielmehr bedarf es einer Prüfung, ob sich die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO als ausreichend erweist. Ist dies nicht der Fall, hat das Gericht ohne weitere Sachprüfung die Vollziehungsanordnung aufzuheben (Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 98). An die im Bescheid gegebene Begründung für die sofortige Vollziehung sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen, soweit darin der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung für die Behörde erkennbar wird (Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 54 ff.).
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Die in den Gründen des Bescheids enthaltene Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Es handelt sich um keine formelhafte Begründung. Vielmehr werden auf den konkreten Einzelfall bezogene Äußerungen getroffen. Die Begründung des Sofortvollzugs zeigt das Bewusstsein des Antragsgegners über den Ausnahmecharakter der Vorschrift. Aus der Begründung ergeben sich die aus Sicht des Antragsgegners tragenden Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs. Zudem ist erkennbar, dass sich der Antragsgegner mit den Folgen einer ansonsten grundsätzlich aufschiebenden Wirkung einer Klage – zumindest knapp – auseinandergesetzt hat.
35
c) Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist nach summarischer Prüfung der Kammer als offen anzusehen.
36
(1) Die Möglichkeit des Auferlegens einer Informationspflicht gegenüber den jeweiligen Erwerbern über den Widerruf der Saatgutanerkennungen sowie die daran anschließende Mitteilungspflicht an den Antragsgegner hierüber ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 des Gesetzes über die Zuständigkeiten und den Vollzug von Rechtsvorschriften im Bereich der Land- und Forstwirtschaft (ZuVLFG). Hiernach können die jeweiligen Vollzugsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen treffen, um Verstöße gegen landwirtschaftliche Vorschriften zu verhüten oder zu unterbinden oder die durch solche Verstöße verursachten Zustände zu beseitigen. Gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 2 ZuVLFG fallen hierunter die Vorschriften über das Saatgutverkehrsgesetz (SaatG). Die Zuständigkeit des Antragsgegners ergibt sich aus Art. 14 Abs. 1 Nr. 2, 15 Abs. 1 ZuVLFG.
37
Art. 15 Abs. 1 Satz 3 und 4 ZuVLFG enthält eine nicht abschließende Aufzählung an möglichen Anordnungen im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 ZuVLFG. Aufgrund der lediglich exemplarischen Aufzählung ist nicht ausgeschlossen, dass die angeordnete Informationspflicht unter die Generalklausel des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 ZuVLFG subsumiert werden kann.
38
Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 a) i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 12 SaatG liegt im Falle eines Inverkehrbringens von nicht anerkanntem Saatgut eine Ordnungswidrigkeit vor. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin geht das Gericht nach summarischer Prüfung davon aus, dass es zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass durch die Verpflichtung zur Information über den erfolgten sofort vollziehbaren Widerruf der Anerkennung des Saatguts ein mögliches weiteres Inverkehrbringen des – nicht mehr anerkannten – Saatgutes und damit Verstöße gegen saatgutrechtliche Vorschriften verhüten kann.
39
Zwar hat sich die Antragstellerin dahingehend eingelassen, dass es sich um einen geschlossenen Kreislauf aufgrund der grundsätzlich verwendeten Anbauverträge handelt und aus diesem Grund ein weiteres Inverkehrbringen ausgeschlossen sei. Aus den vorgelegten beispielhaften Anbauverträgen ergibt sich eine Andienungspflicht des jeweiligen Erwerbers des Saatguts sowie einen festgehaltenen garantierten Mindestpreis für die betreffende Ernte im darauffolgenden Jahr, zu welchem Zeitpunkt dieser ausbezahlt wird und dass eine freiwillige Nachzahlung im Falle eines positiven Marktverlaufes sowie eine Treueprämie bei mehrjährigem Vertragsanbau gezahlt werden könne. Zudem ergibt sich aus den Beispielverträgen, dass der betreffende Erwerber des Saatguts auch ausschließlich Z-Saatgut von der Antragstellerin auf der betreffenden Fläche aussät.
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Indes besteht zwar vertraglich eine Andienungspflicht für die jeweiligen Anbauer. Vertraglich vereinbart ist im Gegenzug jedoch nicht zwingend eine Abnahmepflicht der Antragstellerin. Zwar liegt eine ausdrückliche Vereinbarung über einen Mindestpreis für die angelieferte Ware vor. Zudem wurde seitens der Antragstellerin eidesstattlich versichert, dass auch eine Abnahmepflicht für das Erntegut bestehe. Jedoch enthalten die vorgelegten Anbauverträge auch diesbezügliche Anforderungen an die gelieferte Ware, sodass – unabhängig vom angelieferten Gut – nicht zwingend von einer Abnahmepflicht der Antragstellerin ausgegangen werden muss.
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Mangels genauer Kenntnis über die Größenordnung des abgegebenen widerrufenen Saatguts an die Anbauer, die Frage, ob zwingend das Saatgut hierfür vollständig verbraucht worden ist und die Antragstellerin keine Garantie in die jeweils vorgelegten Verträge, sondern auch in diesen Anforderungen an die Ware stellt, kann nach summarischer Prüfung nicht sicher von einem geschlossenen Kreislauf zwischen der Antragstellerin und den Anbauern ausgegangen werden.
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Aus diesem Grund ist ein mögliches weiteres Inverkehrbringen von nicht mehr anerkanntem Saatgut nicht gänzlich ausgeschlossen.
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Der Einwand der Antragstellerin, wonach die Anordnung nicht auf den Einzelfall bezogen ergangen ist, trägt nicht. Vielmehr wurde der Bescheid und damit die streitgegenständliche Ziffer 3 des Bescheides nicht nur aufgrund der einmalig erfolgten Vor-Ort-Kontrolle im September letzten Jahres erlassen. Darüber hinaus hat der Antragsgegner seit diesem Zeitpunkt die eingereichten Unterlagen der Antragstellerin überprüft. In Folge wurde seitens des Antragsgegners festgestellt, dass aufgrund der Ausgestaltung des Betriebes – welcher für alle Betriebstätten derselbe sein dürfte – eine nicht ordnungsgemäße Zuordnung von Anerkennungsnummern und abzugebendem Saatgut möglich sei. Dies bestätigt auch der bereits erlassene Bescheid hinsichtlich einer lediglich eingeschränkten Gestattung des Inverkehrbringens von Saatgut in Form von zugekauftem, verschlossenem und ordnungsgemäß gekennzeichnetem Saatgut anderer Handelsfirmen.
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(2) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin fehlt es der Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids nicht an der erforderlichen Bestimmtheit. Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG bedarf ein Verwaltungsakt einer hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit. Voraussetzung ist, dass das geforderte Verhalten für den Adressaten erkennbar ist (Schröder in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 3. EL August 2022, § 37 Rn. 36). Die mit dem Antrag auf vorläufigen Rechtschutz angegriffene Ziffer 3 des Bescheids des Antragsgegners genügt diesen Anforderungen, insbesondere handelt es sich um keine Regelung mit widersprüchlichem Inhalt. Vielmehr zeigt sich in der gewählten Formulierung des Antragsgegners, wonach eine Information an die jeweiligen Erwerber des betreffenden Saatguts erfolgen soll, soweit die Antragstellerin selbst nicht mehr im Besitz des Saatguts ist, dass allen Beteiligten, die mit dem betreffenden Saatgut in Berührung gekommen sind, über den Widerruf in Kenntnis gesetzt werden sollen. Zwar verwendet der Antragsgegner in der streitgegenständlichen Ziffer 3 die Formulierung, wonach eine Information dahingehend erfolgen soll, dass es sich bei der abgegebenen Ware nicht um anerkanntes Saatgut gehandelt hat, mithin die Vergangenheitsform. Indes macht dies die verwendete Formulierung im Hinblick auf den Widerruf der Anerkennung des Saatguts für die Zukunft nicht unbestimmt im Sinne von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Ob nun noch Saatgut bei der Antragstellerin, der Adressatin der Regelung, oder aufgrund der vorgenommenen Abgabe noch bei anderen Erwerbern vorhanden ist, entzieht sich der Kenntnis des Antragsgegners, weshalb im Hinblick auf den ergangenen Widerruf der Anerkennungen in Ziffer 1 des Bescheides der Antragstellerin eine Informationsverpflichtung diesbezüglich auferlegt worden ist.
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(3) Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin liegt kein Ermessensausfall vor. Von einem Nichtgebrauch des eingeräumten Ermessens ist auszugehen, wenn keinerlei diesbezüglichen Erwägungen angestellt worden sind (Geis in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 40 VwVfG Rn. 94). Als Anhaltspunkt für einen Ermessensausfall wird herangezogen, dass die Begründung die Aspekte der Abwägung nicht erkennen lässt (Geis in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 40 Rn. 97). Indessen liegt im vorliegenden Fall eine eher kürzere Darstellung der tragenden Ermessenserwägungen vor. Dennoch hat der Antragsgegner bei Erlass der streitgegenständlichen Regelung zum einen erkannt, dass es sich um eine Ermessensvorschrift handelt. Zum anderen hat dieser – zwar in knapper Form – die tragenden Erwägungen kenntlich gemacht und mitgeteilt, dass durch das Informieren der jeweiligen Abnehmer ein weiteres Inverkehrbringen des Saatgutes unterbunden wird, die Erwerber entsprechend informiert werden und dies dem Interesse der Antragstellerin an der Anerkennung des betreffenden Saatgutes vorgehe, um eine Verbreitung zu verhindern.
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Seitens der Antragstellerin wurde angeführt, dass aus ihrer Sicht auf viele weitere Erwägungen nicht eingegangen worden sei. Jedoch soll die Ausübung des eingeräumten Ermessens nach § 40 VwVfG dem Zweck der Norm entsprechen, welche den Ermessensspielraum eröffnet hat (Müller in Huck/Müller, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Auflage 2020, § 40 Rn. 12). Sinn und Zweck des Art. 15 ZuVLFG ist unter anderem die Überwachung und Kontrolle der saatgutrechtlichen Anforderungen im Sinne des Saatgutverkehrsgesetzes. Im Zuge dessen wird vor Inverkehrbringen von Saatgut ein Anerkennungsverfahren nach § 4 SaatG durchgeführt. Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Widerrufs einer Anerkennung und den daraus resultierenden Folgen für den gesamten Kreislauf im Rahmen des zweiten Periodenzeitraums hat der Antragsgegner zutreffend sein Ermessen dahingehend ausgeübt, dass tragender Gesichtspunkt der getroffenen Regelung ist, ein weiteres Inverkehrbringen von nicht anerkanntem Saatgut zu verhindern bzw. zu unterbinden.
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(4) Nach summarischer Prüfung ist aus Sicht des Gerichts auch von einer verhältnismäßigen Regelung auszugehen. Mit der Auferlegung einer Informationspflicht hat der Antragsgegner das legitime Ziel verfolgt, ein Inverkehrbringen von nicht anerkanntem Saatgut zu verhindern bzw. zu verhüten. Die Informationspflicht ist auch geeignet, da – mangels Kenntnis der Anbauer – die Gefahr eines Inverkehrbringens von – nicht mehr anerkanntem – Saatgut – auch unter Berücksichtigung der vorgelegen beispielhaften Anbauverträge – besteht. Allen Beteiligten wird hierdurch die Gefahr der Begehung einer Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 60 Abs. 1 Nr. 1 a) i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SaatG deutlich gemacht. Im Übrigen dürfte die Auferlegung der Informationspflicht auch dem Grundsatz der Erforderlichkeit genügen, da es von allen gleich geeigneten Mitteln das Mildeste darstellt. Wie sich insbesondere aus § 18 Saatgutverordnung (SaatgutV) ergibt, wonach Informationspflichten im Falle einer Rücknahme der Anerkennungen bestehen, sind dem Bereich des Saatgutrechts Informationspflichten nicht fremd. Die Vorschrift – im Falle einer Rücknahme der Anerkennung – macht deutlich, dass andernfalls der Antragsteller seiner Anerkennungsstelle Namen und Anschrift derjenigen mitteilen muss, die in den Besitz des Saatguts gekommen sind sowie diese wiederrum ihre Erwerber des Saatguts. Im Falle der Rücknahme unterrichtet die Anerkennungsstelle selbst die weiteren betreffenden Anerkennungsstellen. In Form eines milderen Mittels hat sich der Antragsgegner mit der Regelung der Ziffer 3 dafür entschieden, der Antragstellerin zunächst selbst die Möglichkeit zu geben, die jeweiligen Anbauer zu informieren. Hierdurch besteht für die Antragstellerin durch die Wahl ihrer Formulierung mindestens die Möglichkeit darauf Einfluss zu nehmen, wie der Widerruf der Anerkennung des Saatgutes aufgefasst wird. So kann die Antragstellerin – worauf der Antragsgegner hinweist – die Abnehmer auch darüber informieren, dass es sich noch um keinen bestandskräftigen Verwaltungsakt handelt und hiergegen im Klageverfahren vorgegangen wird. Darüber hinaus steht es der Antragstellerin frei, einen möglichen betrieblichen Schaden in Form von Schadensersatzansprüchen durch etwaige Zusicherungen abzumindern oder zu umgehen.
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Dem Einwand der Antragstellerin, wonach die Informationspflicht ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG aufgrund des nemo-tenetur-Grundsatzes verstößt, kann nicht gefolgt werden. Die aus dem Strafrecht kommende Selbstbelastungsfreiheit zeigt sich auch im Bereich des Verwaltungsrechts in Form von normative Ausprägungen, indes lediglich in den Fällen, in denen sich jemand durch das Erfüllen einer gesetzlichen Mitwirkungs- oder Auskunftspflicht der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde (vgl. VGH BW, U.v. 24.2.2022 – 1 S 2283/20 – juris Rn. 66). Durch das Informieren der jeweiligen Abnehmer des Saatguts besteht keine solche Gefahr.
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Hingegen ist ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nach summarischer Prüfung wohl anzunehmen, da hierdurch laufende Vertragsbeziehungen betroffen sind (Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Auflage 2013, 4. Teil, S. 177). Jedoch wahrt die Regelung der Ziffer 3 dennoch die hierfür notwendige Angemessenheit. Seitens des Antragsgegners wurden die hierdurch möglicherweise verbundenen betrieblichen Risiken erkannt, jedoch aufgrund der Gefahr eines Inverkehrbringens von nicht mehr anerkanntem Saatgut und damit entgegen der saatgutrechtlichen Bestimmungen in Kauf genommen. Hinweispflichten – insbesondere im Bereich von Waren in Form von Lebensmitteln – erfolgen oftmals – öffentlich – zum Schutz von Leben und Gesundheit.
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d) Auch die unabhängig von den Erfolgsaussichten des Hauptsachverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung ergibt das Überwiegen des Vollzugsinteresses des Antragsgegners im Gegensatz zum Aussetzungsinteresse der Antragstellerin. Dem Schutz am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb steht dem Schutz der Allgemeinheit an der Verhinderung eines Inverkehrbringens von nicht mehr anerkanntem Saatgut entgegen. Die Regelungen des Saatgutverkehrsgesetzes (beispielsweise § 5 SaatG) lassen erkennen, dass Sinn und Zweck der Vorschriften die Förderung der Saatgutqualität sowie die Einhaltung festgelegter Standards sind. Im Zuge dieser Regelungen bedarf es der Überwachung desselben in Form eines funktionierenden Kontrollsystems. Ohne die Möglichkeit eines Implementierens der Regelungen durch den Antragsgegner gegenüber den in diesem Zusammenhang in Form der Anerkennungen zusammenarbeitenden Betrieben, würde ein Aufrechterhalten der geforderten Standards unmöglich gemacht werden. Ohne die auferlegte sofort vollziehbare Informationspflicht verbleibt es bei der Kenntnis der Antragstellerin, als diejenige, welche das Saatgut zunächst anerkennen ließ, von der Aberkennung und den daraus resultierenden Folgen, allen übrigen Erwerbern des betreffenden Saatgutes wird dies verwehrt. Ob es in diesem Zusammenhang auf die seitens des Antragsgegners vorgebrachten zivilrechtlichen Ansprüche ankommt, sei dahingestellt. Zuständig für An- und Aberkennungen und den daraus resultierenden Folgen ist der Antragsgegner. Im Sinne der Einhaltung der im Saatgutverkehrsgesetz festgesetzten Abläufe und Anforderungen muss es diesem möglich sein, im Falle von aus dessen Sicht festgestellten Mängeln das Saatgut betreffend, entsprechend Maßnahmen zu ergreifen, seine erteilte Anerkennung zu widerrufen und allen Beteiligten dementsprechend eine Information und Hinweispflicht zukommen zu lassen.
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Auch im Rahmen der Abwägung hinsichtlich der Folgen einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage und der Ablehnung eines solchen Antrags überwiegt das Vollzugsinteresse des Antragsgegners. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hätte zur Folge, dass diejenigen Erwerber des betreffenden Saatgutes ohne Kenntnis über den Widerruf die jeweilige Ernte der Antragstellerin anbieten und vorausgesetzt die Ernte entspricht den im Vertag genannten Anforderungen im Anschluss an die Vermarktung durch die Antragstellerin möglicherweise einen Preis für ihre abgelieferte Ware erhalten. Es verbleibt damit bei der Gefahr eines Inverkehrbringens von nicht anerkanntem Saatgut im Falle eines nicht geschlossenen Vertragskreislaufs. Wohingegen im Falle der Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Ziffer 3 des Bescheids, die Antragstellerin die ihr bereits bekannte Information an die weiteren Erwerber weitergeben muss – die Wahl der Formulierung in den Grenzen des in Ziffer 3 Genannten bleibt dabei dieser überlassen. In Folge sind alle Beteiligten in Kenntnis desselben Sachstandes, wodurch die Funktionsfähigkeit des im Saatgutverkehrsrecht ausgestalteten Systems zum Schutz und Wohl der Allgemeinheit aufrechterhalten bleibt.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Für das Eilverfahren war in Anwendung von Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Hälfte des Regelstreitwerts anzusetzen