Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 21.09.2023 – Au 9 K 23.625
Titel:

Fälligstellung eines Zwangsgelds, allgemeine Feststellungsklage, bestandskräftige abfallrechtliche Beseitigungsanordnung

Normenketten:
VwGO § 43 Abs. 1
VwZVG Art. 19
VwZVG Art. 31
Schlagworte:
Fälligstellung eines Zwangsgelds, allgemeine Feststellungsklage, bestandskräftige abfallrechtliche Beseitigungsanordnung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28021

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage im Verfahren Au 9 K 23.625 gegen die Fälligstellung von zwei Zwangsgeldern in Höhe von 350,00 EUR bzw. 250,00 EUR.
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Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid des Landratsamts ... vom 6. Mai 2022 wurde der Kläger verpflichtet, die auf dem Grundstück Fl.Nr., Gemarkung ... (...str., ... ...) gelagerten Abfälle binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheids bzw. hilfsweise im Falle einer Klage binnen einen Monats nach Unanfechtbarkeit zu beseitigen und dem Landratsamt ... die ordnungsgemäße Entsorgung der genannten Abfälle durch Vorlage von Entsorgungsnachweisen oder ähnlichen Nachweisen zu belegen (Nr. 1. und 2. des Bescheids). Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung gegen die in den Nrn. 1 und 2 des Bescheids genannten Verpflichtungen wurde dem Kläger in den Nrn. 3 und 4 des Bescheids jeweils ein Zwangsgeld i.H.v. 250,00 EUR bzw. i.H.v. 150,00 EUR zur Zahlung angedroht.
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Im Bescheid ist u.a. ausgeführt, dass als eingetragene Grundstückseigentümerin Frau M. D. ermittelt worden sei. Deren Tochter (Ma. D.) wurde erstmalig mit Schreiben vom 12. September 2019 zur Entsorgung befragt. Hierbei stellte sich heraus, dass der Kläger für die Ablagerungen auf dem Grundstück verantwortlich sei. Dieser sammle Abfälle aus Containern und Mülltonnen von Supermärkten und verbringe diese auf das Grundstück. Der Kläger würde immer wieder erneut Abfälle zum Grundstück verbringen.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamts ... vom 6. Mai 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Nachdem auf den bestandskräftigen Bescheid vom 6. Mai 2022 keine Reaktion des Klägers erfolgte und auch keine Entsorgungsnachweise vorgelegt wurden, wurden die dem Kläger angedrohten Zwangsgelder in einer Gesamthöhe von 400,00 EUR mit Schreiben vom 22. September 2022 fällig gestellt.
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Mit weiterem Bescheid des Landratsamts ... vom 22. September 2022 wurden dem Kläger darüber hinaus für die fortdauernde Unterlassung der Abfallbeseitigung und der Vorlage der Entsorgungsnachweise Zwangsgelder in Höhe von 350,00 EUR bzw. in Höhe von 250,00 EUR zur Zahlung angedroht.
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Auf den weiteren Bescheid des Landratsamts ... vom 22. September 2022 wird ergänzend verwiesen.
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Nachdem wiederum keine Abfallbeseitigung bzw. Vorlage von Entsorgungsnachweisen Seitens des Klägers erfolgte, wurden gegenüber dem Kläger mit Schreiben des Landratsamts ... vom 30. März 2023 die dem Kläger angedrohten Zwangsgelder in einer Gesamthöhe von 600,00 EUR fällig gestellt.
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Der Kläger hat gegen die mit Schreiben vom 30. März 2023 vorgenommene Fälligstellung der Zwangsgelder in einer Gesamthöhe von 600,00 EUR am 28. April 2023 zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg Klage erhoben und beantragt,
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Das mit Schreiben vom 30. März 2023 des Landratsamts ... fällig gestellte Zwangsgeld ist nicht fällig geworden.
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Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger unter dem 19. Mai 2023 erklärt, dass die von ihm verursachten Abfälle fach- und fristgerecht beseitigt worden seien. Der übrige Teil der Abfälle stamme nicht von ihm.
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Das Landratsamt ... ist für den Beklagten der Klage mit Schriftsatz vom 1. Juni 2023 entgegengetreten und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
14
Die Klage sei unbegründet, da sich die Fälligstellung rechtmäßig erweise. Der Ausgangsbescheid zur Abfallbeseitigung und zur Vorlage von Entsorgungsnachweisen sei vom Kläger nicht angefochten worden und bestandskräftig. Die erstmalige Fälligstellung im Schreiben vom 22. September 2022 mit erneuter Zwangsgeldandrohung sei ebenfalls bestandskräftig geworden. Auf der Grundlage des bestandskräftigen Grundverwaltungsakts vom 6. Mai 2022 sei der Kläger für die Entsorgung der gesamten Abfälle verantwortlich. Die erneute Zwangsgeldandrohung finde ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31 und 36 VwZVG. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 19 ff. und 29 ff. VwZVG lägen vor. Der Grundverwaltungsakt sei aufgrund der eingetretenen Bestandskraft vollstreckbar gewesen. Der Kläger sei seiner Handlungsverpflichtung nicht fristgerecht nachgekommen. Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG könnten Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung des Klägers erfüllt sei. Nach der Begründung des Klägers in den Klageverfahren befinde sich immer noch Abfall auf dem Grundstück, für dessen Beseitigung der Kläger aufgrund der Bestandskraft verpflichtet sei. Die Frage, ob der Kläger als Verantwortlicher aller Abfälle rechtmäßig in Anspruch genommen worden sei, sei deshalb irrelevant. Alle auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindlichen Abfälle, die im Ausgangsbescheid vom 6. Mai 2022 genannt würden, seien vom Kläger zu entsorgen.
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Auf den weiteren Vortrag im Klageerwiderungsschriftsatz vom 1. Juni 2023 wird ergänzend verwiesen.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 19. Juli 2023 wurden die Verfahren dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
17
Am 21. September 2023 fand die mündliche Verhandlung in den Verwaltungsstreitsachen statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Der Einzelrichter konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass der Kläger an der mündlichen Verhandlung vom 21. September 2023 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass auch beim Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung vom 11. September 2023 form- und fristgerecht geladen worden.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Die Klage ist zulässig.
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Statthafte Klageart ist die Feststellungsklage. Die Zwangsgeldforderung ist ein aus dem durch die Zwangsgeldandrohung begründeten Rechtsverhältnis zwischen der Behörde als Vollstreckungsgläubiger und dem Kläger als Vollstreckungsschuldner abgeleiteter Anspruch. Bei der Mitteilung der Fälligkeit eines angedrohten Zwangsgelds handelt es sich nicht um einen mittels vorrangiger Anfechtungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) angreifbaren Verwaltungsakt, sondern um die Mitteilung eines Bedingungseintritts. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (BayVwZVG) liegt bereits in der Androhung eines bestimmten Zwangsgelds ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 BayVwZVG vollstreckbarer, aber aufschiebend bedingter Leistungsbescheid. Wird die sich aus dem Grundbescheid ergebende Pflicht daher nicht innerhalb der Handlungsfrist des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG erfüllt, wird die Zwangsgeldforderung gemäß Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG kraft Gesetzes zur Zahlung fällig. Gegen die Mitteilung dieses Bedingungseintritts, also die Fälligkeitsmitteilung, kann sich ein Betroffener mit einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO zur Wehr setzen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 12 ZB 22.2541 – juris Rn. 16 m.w.N.).
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Das erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers nach § 43 Abs. 1 VwGO liegt darin, dass die Behörde mit der Mitteilung der Fälligstellung zu erkennen gibt, dass sie das Zwangsgeld beitreiben möchte, sich also des Bestehens der Zwangsgeldforderung „berühmt“, sodass der Kläger nun einer öffentlich-rechtlichen Geldforderung ausgesetzt ist (vgl. Becker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: Februar 2023, Art. 76 Rn. 484).
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Alleiniger Prüfungsinhalt einer gegen die Mitteilung der Fälligstellung eines Zwangsgelds gerichteten Feststellungsklage ist die Frage, ob
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- die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 VwZVG vorliegen, insbesondere muss ein wirksamer Grundverwaltungsakt gegeben sein (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12, s. hierzu unter II.2.), und
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- die Voraussetzungen der Fälligkeit nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG vorliegen, also ob die Verpflichtung rechtzeitig und vollständig erfüllt wurde (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12; VG Ansbach, U.v. 7.3.2022 – AN 3 K 21.01172 – juris Rn. 37 m.w.N., s. hierzu unter II.3. und II.4.).
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Auf die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts kommt es dagegen nicht an (BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5/08 – juris Rn. 12 m.w.N.). Denn nach Art. 38 Abs. 3 VwZVG sind förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels, zu welcher die Fälligstellung eines Zwangsgelds gehört (BayVerfGH, U.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 48), nur insoweit zulässig, als die Anwendung eine selbstständige Rechtsverletzung darstellt (VG Ansbach, U.v. 7.3.2022 – AN 3 K 21.01172 – juris Rn. 30). Damit sind Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der der Fälligstellung zugrundeliegenden Grundverwaltungsakte – hier der Beseitigungsanordnung, Vorlageverpflichtung von Entsorgungsnachweisen und der Androhung des Zwangsgelds – ausgeschlossen (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12 ff.). Allein eine etwaige Nichtigkeit der Beseitigungsanordnung, Vorlageverpflichtung oder der Zwangsgeldandrohung, nicht aber deren Rechtswidrigkeit, kann mithin zum Erfolg der Klage in der Sache führen.
29
Die der Mitteilung über die Fälligstellung des Zwangsgelds zugrundeliegenden Grundverwaltungsakte (Beseitigungs- bzw. Vorlageverpflichtung aus dem Bescheid des Landratsamts ... vom 6. Mai 2022) sind wirksam. Dieser Bescheid wurde dem Kläger auch ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde am 11. Mai 2022 bekanntgegeben. Gründe für eine Nichtigkeit (Art. 44 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) sind nicht ersichtlich. Gleiches gilt für die Androhung der fällig gestellten Zwangsgelder im bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 22. September 2022.
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Auch war die der Fälligstellung vorausgegangene Zwangsgeldandrohung inhaltlich hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), da zwischen den einzelnen Verpflichtungen des Klägers (Beseitigungs- und Vorlagepflicht) bei der Androhung und der jeweiligen Höhe der Zwangsgelder differenziert wurde.
31
Die der Fälligstellung zugrundeliegende Zwangsgeldandrohung im Bescheid des Landratsamts ... vom 22. September 2022 ist als Leistungsbescheid auch nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG vollstreckbar, da der Kläger sowohl die Beseitigungs- und Vorlageanordnung im Bescheid vom 6. Mai 2022 als auch die erneute Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 22. September 2022 nicht angefochten hat, sodass diese jeweils bestandskräftig wurden. Auch ist die Zwangsgeldandrohung selbst bereits nach Art. 21a Abs. 1 Satz 1 VwZVG sofort vollziehbar (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG).
32
Der Kläger ist ausgehend von seinem eigenen Vortrag der bestandskräftig gewordenen Verpflichtung aus dem Ausgangsbescheid des Landratsamts ... vom 6. Mai 2022 bislang nicht nachgekommen. Im gerichtlichen Verfahren hat der Kläger lediglich geltend gemacht, dass er mittlerweile den von ihm selbst stammenden Abfall auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... beseitigt habe. Dieser Einwand des Klägers geht jedoch ins Leere, da der Kläger bestandskräftig aus dem Ausgangsbescheid dazu verpflichtet ist, sämtliche auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... gelagerten Abfälle zu beseitigen und die ordnungsgemäße Entsorgung der genannten Nachabfälle durch Vorlage von Entsorgungsnachweisen oder ähnlichen Nachweisen zu belegen. Auch die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 18. September 2023 vorgelegten Lichtbilder der durchgeführten Ortseinsicht vom 27. Juli 2023 belegen hinreichend, dass der Kläger seinen Pflichten aus dem bestandskräftig gewordenen Ausgangsbescheid des Landratsamt ... vom 6. Mai 2022 bislang nicht nachgekommen ist, was die Fälligstellung von Zwangsgeldern i.H.v. 350,00 EUR bzw. von 250,00 EUR aus dem ebenfalls bestandskräftig gewordenen Bescheid des Beklagten vom 22. September 2022 rechtfertigt.
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Einwände gegen die Höhe des Zwangsgelds nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG hat der Kläger bereits nicht erhoben.
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3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).