Titel:
Naturschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnung
Normenketten:
BNatSchG § 17 Abs. 8
BayNatSchG Art. 3 Abs. 3
Leitsätze:
1. Grünland iSv Art. 3 Abs. 3 S. 1 BayNatSchG sind Flächen, die mindestens fünf Jahre überwiegend mit Gräsern bestanden sind und landwirtschaftlich genutzt werden. Der Begriff "Grünland" ist rein naturschutzrechtlich zu interpretieren und unabhängig von agrarförderrechtlichen Begriffsbestimmungen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für Wiederherstellungsanordnungen, die auf die Vornahme einer bestimmten Handlung gerichtet sind, ist anerkannt, dass es grundsätzlich auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der (letzten) Behördenentscheidung ankommt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Grünlandumbruch, Erhaltungsverpflichtung, Moorstandort, Standort mit hohem Grundwasserstand, Begründungspflicht, Naturschutzrechtlicher Grünlandbegriff
Fundstellen:
NuR 2024, 142
BeckRS 2023, 28020
LSK 2023, 28020
Tenor
I. Der Bescheid des Landratsamts ... vom 4. November 2022 (Az. ...) wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung, eine in einen Acker umgewandelte landwirtschaftliche Fläche wieder einzusäen und in Dauergrünland umzuwandeln.
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Der Kläger ist Landwirt und seit dem Jahr 2018 Pächter des Grundstücks Fl.Nr. ..., Gemarkung, das von ihm in ökologischer Landwirtschaft bewirtschaftet wird. Das Grundstück war in den Jahren 2013 bis 2017 mit der Nutzungsart „Wiesen einschließlich Streuobstwiesen“ codiert. Das Grundstück ist in der Moorbodenkarte von Bayern in die Moorbodenkategorie „vorherrschend Anmoorgley und Moorgley, gering verbreitet Gley über Niedermoor, humusreicher Gley und Nassgley, teilweise degradiert“ kartiert.
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Nachdem die Untere Naturschutzbehörde am 18. Januar 2019 festgestellt hatte, dass das Flurstück Fl.Nr., Gemarkung ... in eine Ackerfläche umgewandelt worden war, teilte sie mit Schreiben vom 21. Februar 2019 dem Kläger mit, dass eine Umwandlung von Dauergrünland nicht zulässig sei, und forderte ihn auf, die Ackerfläche bis zum 15. April 2019 wieder in Dauergrünland umzuwandeln. Das Grundstück sei in der Moorbodenkarte Bayern kartiert. Das Wasserwirtschaftsamt habe mitgeteilt, dass zwei ca. 500 m nördlich liegende Grundstücke im wassersensiblen Bereich lägen. Es sei daher davon auszugehen, dass dies auch für das Grundstück des Klägers gelte. Gemäß Art. 3 Abs. 3 Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG) sei Grünland auf Standorten mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten zu erhalten. Für den Fall, dass der Kläger der Aufforderung nicht nachkommt, wurde der Erlass einer förmlichen Anordnung zur Wiederherstellung von Grünland angekündigt.
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Infolge der Aufforderung durch die Untere Naturschutzbehörde wandte sich der Kläger an das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,, und bat um fachliche Einschätzung. In Absprache mit dem Amt beauftragte der Kläger das Labor A. .... GmbH mit der Entnahme von Bodenproben und deren Auswertung (vgl. Prüfbericht vom 4. Juni 2019, Bl. 20 der Behördenakte) und nahm auf dem Flurstück an verschiedenen Stellen und zu verschiedenen Zeiten im Jahr Bodenschürfungen vor (vgl. Bl. 22-25 und 33-36 der Behördenakte; Bl. 29-30 der Gerichtsakte).
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Gegenüber der unteren Naturschutzbehörde nahm der Kläger mit Schreiben vom 18. März 2019 und 8. August 2019 Stellung und führt aus, dass er weder vom Verpächter noch vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf ein Umbruchverbot hingewiesen worden sei. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass das Grundstück im wassersensiblen Bereich liege. Die Grünlandumwandlung sei fachgerecht erfolgt. Es liege keine Gefährdung des Grundwassers vor. Der Umbruch sei dem Landwirtschaftsamt ... mitgeteilt worden. Bei ökologischer Landwirtschaft bestehe kein Nachteil für die Fläche. Im Zeitpunkt des Umbruchs (Januar 2018) hätten ökologisch bewirtschaftende Betriebe einen Grünlandumbruch nicht anzeigen müssen, solange sie sich an geltendes Fachrecht hielten. Der Grundwasserstand liege bei 1,65 m unter Geländeoberkante. Es handle sich somit nicht um einen Standort mit hohem Grundwasserstand. Es läge auch kein Moorgebiet vor. Der Kläger übersandte der Unteren Naturschutzbehörde Bilder und Dokumente über von ihm vorgenommene Bodenuntersuchungen zum Grundwasserstand, Bodenproben und Daten der Grundwassermessstelle G. ....
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Mit Stellungnahme vom 25. Oktober 2019 führt das Wasserwirtschaftsamt ... (...) nochmals aus, dass das streitgegenständliche Grundstück in der Gebietskulisse „wassersensibler Bereich“ und darüber hinaus im Gebietstyp „rote Gebiete“ der Ausführungsverordnung Düngeverordnung (AVDüV) liege, da der Grundwasserkörper gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) in schlechtem Zustand sei. Bei einer Umwandlung sei mit hohen Nitratauswaschungen zu rechnen. Der Abstand zum Grundwasser betrage keine zwei Meter. Für das Grundstück sei von oberflächennahem Grundwasser auszugehen. Mit der Umwandlung bestehe aus wasserwirtschaftlicher Sicht kein Einverständnis.
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Mit Schreiben vom 28. Juli 2020 gab das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... in Absprache mit dem Fachzentrum Agrarökologie gegenüber dem Kläger zur Umwandlung von Dauergrünland auf der Fl.Nr. ... die erbetenen Fachinformationen. Es wird ausgeführt, dass es vor Inkrafttreten des „Versöhnungsgesetzes“ am 1. Januar 2019 für ökologisch wirtschaftende Betriebe nicht notwendig gewesen sei, eine Genehmigung für eine Dauergrünland-Umwandlung zu beantragen. Eine Umwandlung sei jedoch nur unter Einhaltung des Fachrechts zulässig. Die Kriterien, ob eine Umwandlung rechtlich zulässig ist, seien in Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG genannt. Die Bestimmung, ob eine Umwandlung zulässig sei, richte sich nach der Arbeitshilfe Grünlanderhalt des Bayerischen Landesamts für Umwelt und der Bayerischen Landesanstalt für Agrarökologie, die weiterhin uneingeschränkt gültig sei. Für das Grundstück bestehe keine Erosionsgefahr und es befinde sich in keinem Überschwemmungsgebiet. Das Grundstück liege am Rand der Gebietskulisse Moorbodenkarte, es handle sich jedoch definitionsgemäß nicht um einen Moorstandort, da der Boden einen Humusgehalt von weniger als 30% ausweise. Auch liege kein Standort mit hohem Grundwasserstand vor, so dass nach Einschätzung des Landwirtschaftsamts keine der in Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG genannten Kriterien auf das streitgegenständliche Grundstück zutreffen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 28. Juli 2020 (Bl. 47 der Behördenakte) verwiesen.
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Mit Schreiben vom 26. August 2022 forderte der Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf die bisherigen Schreiben erneut auf, das Grundstück bis zum 31. Oktober 2022 einzusäen und in Dauergrünland umzuwandeln, andernfalls werde eine kostenpflichtige Anordnung ergehen. Das Schreiben gelte als Anhörung gemäß Art. 28 BayVwVfG.
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Mit Bescheid vom 4. November 2022 wurde der Kläger verpflichtet, die unzulässig in Acker umgewandelte Fläche auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... bis spätestens 15. Mai 2023 wieder einzusäen und in Dauergrünland umzuwandeln (Nr. 1 des Bescheids). Der geplante Zeitpunkt der Wiedereinsaat ist eine Woche im Voraus schriftlich bei der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts ... unter Angabe des Aktenzeichens anzuzeigen (Nr. 2). Für den Fall, dass der Kläger die in Nr. 1 festgelegten Pflichten nicht bis spätesten 15. Mai 2023 erfüllt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR zur Zahlung fällig (Nr. 3). Zur Begründung wird ausgeführt, das Wasserwirtschaftsamt ... habe das Einverständnis zur Umwandlung von Dauergrünland aus wasserwirtschaftlichen Gründen verweigert. Da die Umwandlung sowohl aus naturschutzrechtlichen als auch aus wasserwirtschaftlichen Gründen nicht genehmigt werden könne, sei der Kläger aufgefordert worden, die streitgegenständliche Fläche einzusäen und wieder in Dauergrünland umzuwandeln. Aufgrund der Grundwasserverhältnisse sei die Umwandlung auf dem streitgegenständlichen Flurstück nicht genehmigungsfähig. Die Anordnung stütze sich auf § 17 Abs. 8 Satz 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Danach solle die zuständige Behörde die Wiederherstellung des früheren Zustands anordnen, soweit nicht auf andere Weise ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden könne. Im vorliegenden Fall sei eine nicht genehmigte Umwandlung von Dauergrünland auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... vorgenommen worden. Diese Maßnahme stelle einen unzulässigen Eingriff im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. Die Rückumwandlung sei daher zur Wiederherstellung des früheren Zustands nach pflichtgemäßem Ermessen anzuordnen. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Das Zwangsgeld orientiere sich an dem wirtschaftlichen Interesse das der Verpflichtete am Unterlassen der Verpflichtung hat. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 8. November 2022 zugestellt.
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Am 17. November 2022 erhob der Kläger über seinen Bevollmächtigten Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg und beantragt,
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Der Bescheid des Landratsamts ... vom 4. November 2022, zugestellt am 8. November 2022,
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Zur Begründung wird ausgeführt, der Kläger habe nach Anpachtung der streitgegenständlichen Fläche diese bereits im Januar 2018 umgebrochen und in Ackerland umgewandelt. Da der Kläger Biolandwirt sei, habe es seinerzeit keine Verpflichtung gegeben, diese Maßnahme anzuzeigen oder genehmigen zu lassen. Der vorgenommene Umbruch sei nicht unzulässig. Die Behauptung der Behörde, es sei von einem Standort mit hohem Grundwasserstand auszugehen, sei nicht zutreffend. Aus der Bodenqualität des Grundstücks ließen sich keinerlei Rückschlüsse auf den Grundwasserstand ziehen. Ein hoher Grundwasserstand ergebe sich auch nicht aus den Ausführungen des Wasserwirtschaftsamts. Die dort gezogenen Rückschlüsse von den Verhältnissen an der Messstelle G. ... auf die Verhältnisse am Grundstück des Klägers seien unzulässig, da diese Messstelle ca. 5,4 km Luftlinie entfernt sei. Der Kläger selbst habe Untersuchungen zum Grundwasserstand durchgeführt und der Behörde vorgelegt. Der Vortrag des Klägers werde im Übrigen auch durch die Stellungnahme des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,, gestützt. Dieses habe als für die Bodenqualität zuständige Fachbehörde ausgeführt, dass es sich bei der betreffenden Fläche definitionsgemäß nicht um einen Moorstandort handele. Demzufolge könnte allenfalls ein hoher Grundwasserstand das Umwandlungsverbot begründen. Ein solcher liege jedoch gerade nicht vor.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wird ausgeführt, entgegen der Auffassung des Klägers habe das Wasserwirtschaftsamt ... die Grundwassermessstelle ... nicht zur Beurteilung der Grundwassersituation herangezogen, da diese nach Auffassung des Wasserwirtschaftsamts zu weit vom klagegegenständlichen Grundstück entfernt sei. Vielmehr habe der Kläger selbst die Grundwassermessstelle ... zur Untermauerung seiner Auffassung vorgelegt. Das Wasserwirtschaftsamt habe darauf hingewiesen, dass bei Betrachtung der Grundwassersituation auch bei dieser Messstelle ein zeitweiliger Anstieg auf deutlich unter 2 m unter Gelände zu verzeichnen sei, weshalb von oberflächennahem Grundwasser auszugehen sei. Den Ausführungen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... könne nicht gefolgt werden. Es handle sich um Mutmaßungen und teils widersprüchliche Aussagen. Entgegen der Auffassung des Amtes sei für die Beurteilung der Zulässigkeit der Umwandlung von Dauergrünland nicht ein hoher Grundwasserstand, sondern der sogenannte mittlere Grundwasserhochstand relevant. Zu diesem treffe das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,, jedoch keine Aussage. Allein die Tatsache, dass das streitgegenständliche Grundstück innerhalb der Gebietskulisse „wassersensibler Bereich“ liege, lasse vermuten, dass wasserwirtschaftliche Belange betroffen sein können. Dies bedinge die Beteiligung des Wasserwirtschaftsamts ... als insoweit zuständige Fachbehörde und der zuständigen Unteren Naturschutzbehörde. Die Schlussfolgerung im Schreiben des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,, könne nicht nachvollzogen werden, da die insoweit zuständigen Fachbehörden zu einer anderen fachlichen Beurteilung der Situation gelangt seien. Im Zeitpunkt der Umwandlung auf dem klägerischen Grundstück sei Art. 3 Abs. 4 BayNatSchG noch nicht in Kraft getreten. Somit beurteile sich die Situation nach Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG. Nach dieser Vorschrift solle auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten Grünland erhalten bleiben. Diese Erhaltungsverpflichtung sei eine konkrete und unmittelbare gesetzliche Verpflichtung aller, die jene Flächen bewirtschaften. Mit der Bezugnahme auf § 17 Abs. 8 BNatSchG in Art. 3 Abs. 3 Satz 3 BayNatSchG gebe der Gesetzgeber zu erkennen, dass er die Sollverpflichtung als Regelverpflichtung zur Erhaltung des Grünlands vorbehaltlich einer Ausnahme im Einzelfall verstehe. Da eine Anordnung von Maßnahmen nach § 15 BNatSchG ausscheide und nicht erkennbar sei, wie auf andere Weise im Sinne des § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG ein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden könne, lägen die Voraussetzungen für die Anordnung vor. Die Notwendigkeit der Gewährung einer Befreiung nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG scheide aus, da kein überwiegendes öffentliches Interesse zur Umwandlung von Dauergrünland vorläge. Private Nutzungsinteressen seien von dieser Vorschrift nicht erfasst. Eine unzumutbare Belastung liege nicht vor. Belastungen und Härten infolge des Verbots der Umwandlung von Dauergrünland würden vom Gesetzgeber in aller Regel in Kauf genommen und als zumutbar erachtet. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stelle die Beseitigung von Grünland einen Eingriff im Sinne von § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. Da es sich somit beim klagegegenständlichen Grundstück nach Feststellung der insoweit zuständigen Fachbehörden um eine umweltsensible Fläche im Sinne des Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG handle, ein nicht genehmigter Eingriff in Natur und Landschaft i.S.v. § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG vorliege und bei Würdigung aller bekannten Umstände keine Ausnahmetatbestände ersichtlich seien, sei die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands anzuordnen gewesen.
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Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2023 wies der Bevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass der Wasserstand des am Grundstück vorbeifließenden Bachlaufs seit Pachtbeginn immer sehr niedrig gewesen sei und weiterhin zurückgehe. Dies wäre wohl kaum möglich, wenn der Grundwasserstand tatsächlich so hoch wäre, wie vom Beklagten gemutmaßt werde. Die Umwandlung des Ackers in Dauergrünland würde für den Kläger eine unzumutbare Belastung darstellen, da er nach den Vorgaben des Biolandverbandes ca. 48 ha Fläche (34,8 ha Ackerland, 14 ha Grünland) ökologisch bewirtschafte. Die vom streitgegenständlichen Bescheid betroffenen 6 ha Ackerfläche seien bereits im Jahr 2018 umgebrochen worden. Bei Umwandlung in Dauergrünland würde sich der Ertrag des Klägers um ca. 18% vermindern. Die Pachtkosten für die Fläche würden 600,00 EUR pro Jahr betragen. Die Grünflächen des Klägers seien zu fast 100% im Vertragsnaturschutzprogramm. Weiterhin wird darauf verwiesen, dass der Kläger am 18. März 2020 mit einem Bagger auf seinem Grundstück in ca. 200 m Entfernung zum Bach eine Probegrabung durchgeführt habe. Bis zu einer Grabtiefe von ca. 2,5 m sei kein Grundwasser aufgetreten.
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Am 18. September 2023 fand die mündliche Verhandlung statt. In der Verhandlung wurde das zuständige Wasserwirtschaftsamt informatorisch angehört und der Landwirtschaftsrat, der das Schreiben vom 28. Juli 2020 des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,, verfasst hatte als Sachverständiger einvernommen. Bezüglich des Hergangs der Sitzung und die jeweiligen Aussagen wird auf das Protokoll verwiesen.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts ... vom 4. November 2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Wiederherstellung von Dauergrünland auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ... gestützt auf § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG i.V.m. Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG liegen nicht vor.
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a) Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Der Kläger wurde vor Erlass der Anordnung ordnungsgemäß nach Art. 28 BayVwVfG angehört. Der Bescheid ist auch ausreichend begründet (Art. 39 BayVwVfG). Der Beklagte führt zwar bezüglich der Anordnung zur Wiederherstellung von Dauergrünland lediglich aus, dass die vom Kläger vorgenommene Umwandlung in eine Ackerfläche einen unzulässigen Eingriff im Sinn von § 14 Abs. 1 BNatSchG darstelle, so dass nach § 17 Abs. 8 Satz 2 BNatSchG die Wiederherstellung des früheren Zustands anzuordnen sei. Ausführungen zur Erhaltungsverpflichtung nach Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG enthält der Bescheid nicht. Für die Einhaltung des Begründungserfordernisses ist aber ausreichend, wenn der Bescheid die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe enthält, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Zudem ist die zusätzliche Angabe der Rechtsgrundlage nicht erforderlich, wie auch die Angabe einer unrichtigen Rechtsgrundlage nicht zu einem Verstoß gegen die Begründungspflicht führt (Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Bd. 1, Art. 39 BayVwVfG Rn. 11). Aus der Sachverhaltsschilderung und den rechtlichen Ausführungen im Bescheid ist erkennbar, dass der Beklagte die Wiederherstellungsanordnung damit begründet, dass der Kläger aufgrund der Erhaltungsverpflichtung aus Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG nicht zum Grünlandumbruch berechtigt und die Behörde zum Einschreiten nach § 17 Abs. 8 BNatSchG im Wege einer Wiederherstellungsanordnung ermächtigt war.
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b) Der Bescheid ist jedoch materiell rechtswidrig, da die Voraussetzungen für ein naturschutzrechtliches Einschreiten wegen eines Verstoßes gegen das Verbot des Grünlandumbruchs nicht vorliegen. Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung, der informatorischen Anhörung der Vertreter des zuständigen Wasserwirtschaftsamts ... und der Einvernahme des zuständigen Landwirtschaftsrats des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,, kommt die Kammer zu der Überzeugung, dass das vom Kläger umgebrochene landwirtschaftliche Grundstück keines der in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG genannten Kriterien erfüllt und somit nicht zu einem nach dieser Vorschrift geschützten Standort zählt.
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In Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG ist geregelt, dass auf erosionsgefährdeten Hängen, in Überschwemmungsgebieten, auf Standorten mit hohem Grundwasserstand sowie auf Moorstandorten Grünland erhalten bleiben soll. Trotz der Ausgestaltung als „Soll-Vorschrift“ ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung die konkrete und unmittelbare Verpflichtung, bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung Grünland zu erhalten (Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, BayNatSchG, Art. 3 Rn. 19). Was unter den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG genannten Standorten zu verstehen ist, wird in der Gesetzesbegründung zu dem wortgleichen Art. 2b BayNatSchG a.F. erläutert (LT-Drs. 15/3477, S. 30; Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, BayNatSchG, Art. 3 Rn. 18). Danach sind unter Grünland Flächen zu verstehen, die mindestens fünf Jahre überwiegend mit Gräsern bestanden sind und landwirtschaftlich genutzt werden. Ackerflächen, die im Rahmen staatlicher Förderprogramme zeitlich befristet als Grünland genutzt werden, unterliegen nicht der Regelung zur Grünlanderhaltung. Der Begriff „Grünland“ ist rein naturschutzrechtlich zu interpretieren und unabhängig von agrarförderrechtlichen Begriffsbestimmungen (Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt /Mühlbauer, BayNatSchG, Art. 3 Rn. 34). Zu den Standorten mit hohem Grundwasserstand zählen nach der Gesetzesbegründung insbesondere Flächen, deren mittlerer Grundwasserhochstand in der Regel nicht tiefer als 40 cm unter der Geländeoberfläche liegt. Als Moorstandorte sind Standorte anzusehen, die eine unter Einfluss von Grund-, Hang- oder Niederschlagswasser entstandene Auflage aus Torfen und Mudden mit einer Mächtigkeit von mehr als 30 cm und einem Gehalt an organischer Substanz von mindestens 30% aufweisen.
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aa) Bei dem streitgegenständlichen Grundstück handelte es sich vor der Umwandlung in eine Ackerfläche um Dauergrünland im Sinn von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG, da es in den letzten fünf Jahren vor dem Umbruch (2013 bis 2017) die Codierung 451 (Wiesen einschließlich Streuobstwiesen) aufwies. Es fällt somit in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG und wurde unstrittig in Ackerfläche umgebrochen.
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bb) Das Grundstück unterliegt jedoch nicht der aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG folgenden Erhaltungsverpflichtung, da es zur Überzeugung des Gerichts kein geschützter Standort im Sinne dieser Vorschrift ist. Die Voraussetzungen für ein naturschutzrechtliches Einschreiten nach § 17 Abs. 8 BNatSchG liegen somit nicht vor.
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(1) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Grundstück weder das Kriterium „erosionsgefährdeter Hang“ erfüllt noch in einem Überschwemmungsgebiet liegt. In Betracht kommen somit lediglich der in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG genannte „Standort mit hohem Grundwasserstand“ sowie ein „Moorstandort“.
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(2) Da die bereits zitierte Gesetzesbegründung zum Bayerischen Naturschutzgesetz lediglich grobe Anhaltspunkte für die Einstufung der nach Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG schützenswerten Gebiete gibt, haben das Bayerische Landesamt für Umwelt und die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft in Abstimmung mit dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (heute: Umwelt und Verbraucherschutz) die Arbeitshilfe „Grünlanderhalt nach Art. 3 BayNatSchG“ vom 4. Juli 2013 erstellt, die für Stellungnahmen der Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und als Leitfaden für die Unteren Naturschutzbehörden weiterhin maßgeblich ist. Mit gemeinsamem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit vom 30. Juli 2013 (L1-8602-1/15 (StMELF) 64d-U8683.10-2011/2-38 (StMUG)) wird darauf hingewiesen, dass die Unteren Naturschutzbehörden im Rahmen der Prüfung, ob Grünland in einem konkreten Fall erhalten werden muss, die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten um eine fachliche Stellungnahme bitten können. Im Rahmen dieser fachlichen Stellungnahme wird um Beachtung und Verwendung der Arbeitshilfe Grünlanderhalt gebeten. Die zuständigen Ministerien schreiben somit den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bei der Beurteilung von erhaltenswertem Dauergrünland eine besondere Fach- und Sachkompetenz zu. Ein Beteiligung der jeweils zuständigen Wasserwirtschaftsämter wird demgegenüber nicht angeregt.
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Mangels anderweitiger rechtlicher Grundlagen ist auch im gerichtlichen Verfahren bei der Beurteilung, ob eine Fläche dem Verbot des Grünlandumbruchs unterliegt, auf die in der Arbeitshilfe Grünlanderhalt dargestellten Kriterien abzustellen. Diese sind für die hier maßgeblichen Klassifizierungen als „Standort mit hohem Grundwasserstand“ unter 1.5 der Arbeitshilfe sowie für „Moorstandort“ unter 1.6. der Arbeitshilfe aufgeführt.
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(3) Bei dem streitgegenständlichen Grundstück handelt es sich nicht um einen Standort mit hohem Grundwasserstand im Sinn von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG. Das Gericht schließt sich der im Schreiben vom 28. Juli 2020 zusammengefassten Bewertung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten an. Diese Bewertung hat der in der mündlichen Verhandlung hierzu als Sachverständiger befragte Landwirtschaftsrat nachvollziehbar und überzeugend erläutert. Er hat dargestellt, wie er die einzelnen in der Arbeitshilfe Grünlanderhalt unter 1.5 vorgesehenen Arbeitsschritte abgeprüft hat und zur Einzelfallbewertung der streitgegenständlichen Fläche die Vornahme der nach der Arbeitshilfe vorgesehenen Bodenaufgrabungen angeregt hat, die der Kläger auch durchgeführt hat. Er sei deswegen mit dem Kläger ca. 1 bis 2 Jahre in Kontakt gewesen. In Übereinstimmung mit den Angaben des Wasserwirtschaftsamts Kempten führte er weiter aus, dass im näheren Umkreis keine ausreichenden Grundwassermessstellen vorhanden sind, auf deren Daten zurückgegriffen werden könnte. In diesem Fall seien nach der Arbeitshilfe Bodenkarten als nächste Informationsebene heranzuziehen. Weil die Bodenkartierung jedoch nicht in jedem Fall punktgenau zutreffen müsse, könne als dritte Ebene eine Überprüfung im Gelände erforderlich sein. Dies erfolge durch Aufgaben eines Bodenprofils und der Beurteilung der Hydromonographie. Da das Grundstück nach der Moorbodenkarte im Randbereich liege, habe er dem Kläger nahegelegt, eine Bodenschürfung vorzunehmen, um den Grundwasserstand beurteilen zu können. Er habe hierfür – entsprechend der Arbeitshilfe – das zeitige Frühjahr (Anfang März 2020) als maßgeblichen Zeitpunkt genannt. Bei der Grabtiefe von 1,60 m sei immer noch kein Grundwasser aufgeschlossen worden. Es seien zwar Eisenflecken erkennbar gewesen, die auf einen mittleren Grundwasserhochstand hinweisen könnten. Diese könnten jedoch auch aus früherer Zeit stammen, da – wovon auch die Vertreter des Wasserwirtschaftsamts ausgehen – die Grundwasserstände nicht unveränderlich seien und sich im Laufe der Zeit verändern könnten. Maßgeblich für die Beurteilung seien die Aufgrabungen vor Ort gewesen.
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Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen sind für das Gericht nachvollziehbar. Die Ausführungen des Wasserwirtschaftsamts ... sind demgegenüber nicht geeignet, diese fachlich fundierte Einschätzung zu entkräften. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Wasserwirtschaftsamt die Bewertung der Grundstückssituation aufgrund der vom Kläger vorgelegten Bilder über die von ihm durchgeführten Grabungen vornahm. Eine Beurteilung vor Ort erfolgte nicht. Zwar hat der Vertreter des Landwirtschaftsamts ebenfalls keine persönliche Ortseinsicht vorgenommen, doch stand er nach seinen Angaben mit dem Kläger in einem ca. 1 bis 2 Jahre dauernden fachlichen Austausch. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass die Aussagen des sachverständigen Landwirtschaftsrats auf fundierter Grundlage beruhen.
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Das Wasserwirtschaftsamt stellt für die Beurteilung des Grundstücks als Standort mit hohem Grundwasserstand im Wesentlichen auf den Bodentyp und die vorhandenen Eisenflecken ab. Dem gegenüber hat der befragte Landwirtschaftsrat die Prüffolge der Arbeitshilfe Grünlanderhalt in den einzelnen Stufen abgearbeitet und ist zu einem nachvollziehbaren anderen Ergebnis gekommen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im hier vorliegenden naturschutzrechtlichen Verfahren dem Wasserwirtschaftsamt gegenüber den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht die besondere Stellung eines amtlichen Sachverständigen zukommt, wie sie in wasserrechtlichen Verfahren üblicherweise angenommen wird (Art. 63 Abs. 3 BayWG). Dies belegen auch die Ausführungen in der Arbeitshilfe Grünlanderhalt und dem ministeriellen Schreiben vom 30. Juli 2013, die ausdrücklich die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als einzubeziehende Fachbehörden nennen. Der Beklagte hat sich daran jedoch nicht orientiert und bei der Beurteilung des Sachverhalts lediglich auf die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts abgestellt.
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Für die Beurteilung, dass das streitgegenständliche Grundstück einem Umbruchsverbot unterliegt, verweist das Wasserwirtschaftsamt auch darauf, dass das Grundstück im wassersensiblen Bereich liege. Allerdings findet dieses Kriterium nach der Arbeitshilfe Grünlanderhalt nur im Zusammenhang mit den hier nicht einschlägigen Überschwemmungsgebieten Erwähnung und wird lediglich als Zusatzinformation ohne rechtliche Relevanz bezeichnet (s. S. 4 der Arbeitshilfe). Auch der Zustand des Grundwasserkörpers, der vom Wasserwirtschaftsamt als weiteres maßgebliches Kriterium angeführt wird, findet sich in der Arbeitshilfe Grünlanderhalt nicht. Hier wird lediglich auf Überschwemmungsgebiete und Grundstücke mit hohem Grundwasserstand abgestellt.
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(4) Das streitgegenständliche Grundstück erfüllt zur Überzeugung des Gerichts auch nicht das Kriterium eines Moorstandorts im Sinn von Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG. Nach der Arbeitshilfe Grünlanderhalt wird von einem Moorstandort gesprochen, wenn unter natürlichen Standortbedingungen die Torfmächtigkeit mehr als 30 cm beträgt, wobei sich die Torfmächtigkeit am Gehalt von organischer Substanz von mehr als 30% beurteilt.
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Aufgrund der in der Behördenakte und der Gerichtsakte enthaltenen Bilder über die vom Kläger nach fachlicher Auskunft des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgenommenen Grabungen ist erkennbar, dass die Humusschicht auf dem Grundstück nicht mehr als 30 cm beträgt. Dies wird auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellt. Die vom Wasserwirtschaftsamt ausgesprochene Vermutung, dass sich die Humusschicht aufgrund der Bewirtschaftung als Ackerfläche verringert hat und vor dem Umbruch höher gewesen sei, als auf den Grabungen erkennbar, ist lediglich Spekulation und nicht belegt. Das Gericht hält diesen Einwand auch nicht für berechtigt, da die maßgebliche Grabung bereits im ersten Jahr nach dem Umbruch erfolgte.
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Entgegen der Auffassung der Vertreter des Beklagten und des Wasserwirtschaftsamts hat der Sachverständige zur Überzeugung des Gerichts unter Bezugnahme auf die Werte des Prüfberichts des Instituts A. ... GmbH nachvollziehbar ausgeführt, dass die Torfmächtigkeit nicht mehr als 30% organischer Substanz beinhaltet. Die Auffassung der Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts, dass der im vom Kläger eingeholten Prüfbericht des Instituts A. ... GmbH ausgewiesene Prozentsatz organischer Substanz, der zwischen 14,7% und 15,5% angegeben wurde, nach den Vorgaben der bodenkundlichen Kartieranleitung KA5 noch mit dem Faktor 2 zu multiplizieren sei, überzeugt nicht. Hierfür gibt der Prüfbericht keine Hinweise. Das Gericht schließt sich vielmehr der Einschätzung des Klägers und dem hierzu befragten Sachverständigen an, dass bei einem Fachbüro zu erwarten ist, dass die maßgeblichen Analysen die relevanten Endwerte ausweisen. Zumindest wäre zu erwarten, dass in den angefügten ausführlichen Erklärungen zum Prüfbericht ein Hinweis auf eine notwendige Multiplikation zu finden wäre. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr sprechen die Angaben unter der Rubrik Bodenartenschlüssel, die die organische Substanz der unterschiedlichen Bodenarten mit dem jeweiligen Prozentsatz ausweisen, dafür, dass auch in der Analyse der Endwert organischer Substanz angegeben wurde. Angesichts der Tatsache, dass die Bodenproben den für einen Moorboden notwendigen Prozentsatz von 30% organische Substanz nicht erreichen, schließt sich das Gericht der Einschätzung des Sachverständigen an, dass es sich nicht um einen Moorbodenstandort im Sinne von Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG handelt.
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Der Umstand, dass das Grundstück in der Moorbodenkarte ausgewiesen ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich auch um einen Moorstandort im Sinn von Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG handelt. Insbesondere sind in der Moorbodenkarte auch Anmoore aufgenommen, die eine organische Masse von 15% bis 30% aufweisen, aber nicht das Kriterium eines Moorstandorts im Sinn von Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG (über 30% organische Substanz) erfüllen. Für die Bewertung als Moorstandort im Sinn von Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG ist nach der Arbeitshilfe Grünlanderhalt auf den Gehalt an organischer Masse von mehr als 30% und eine Torfmächtigkeit von 30 cm abzustellen. Diese Kriterien werden vorliegend jedoch gerade nicht erreicht.
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Der Bewertung des Sachverständigen steht die Bezugnahme unter 1.6.2 der Arbeitshilfe Grünlanderhalt auf die Moorbodenkarte nicht entgegen, da diese nur die Gebietskulisse darstellt, in der sich das Grundstück befindet. Die Qualifizierung des Grundstücks als anmooriger Boden rechtfertigt die Aufnahme des Grundstücks in die Moorbodenkarte, führt aber nicht zur Einstufung als Moorstandort im Sinn von Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG, da die Kriterien hierfür – wie bereits ausgeführt – nicht vorliegen.
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(5) Das Gericht kommt somit im Ergebnis zu der Auffassung, dass der Einschätzung des Vertreters des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu folgen ist, dass es sich bei dem vorliegenden landwirtschaftlichen Grundstück weder um einen Standort mit hohem Grundwasserstand noch um einen Moorstandort und somit nicht um einen nach Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG geschützten Standort handelt. Der vom Kläger vorgenommene Umbruch verstößt daher nicht gegen die naturschutzrechtlichen Vorgaben aus Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG.
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Die Voraussetzungen für eine Wiederherstellungsanordnung nach § 17 Abs. 8 BNatSchG i.V.m. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG sind somit bereits tatbestandlich nicht gegeben, so dass es auf die Frage, ob die weiteren Voraussetzungen der Anordnung zur Wiederherstellung vorliegen, nicht mehr entscheidungserheblich ankommt.
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2. Die Wiederherstellungsanordnung kann auch nicht auf § 17 Abs. 8 BNatSchG i.V.m. Art. 3 Abs. 4 BayNatSchG gestützt werden, da diese Regelung auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet.
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Nach Art. 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG ist es bei der landwirtschaftlichen Nutzung verboten, Dauergrünland und Dauergrünlandbrachen umzuwandeln. Dieses Verbot beruht auf dem Gesetzesentwurf des Volksbegehrens 2019 und trat mit Wirkung zum 1. August 2019 und somit unstreitig nach der Vornahme des Umbruchs (Januar 2018) in Kraft (LT-Drs. 18/1816).
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In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es für die Beurteilung der Begründetheit einer Klage keine allgemeine prozessuale Regel gibt, sondern dass auf die Sachund Rechtslage abzustellen ist, auf die es für die gerichtliche Entscheidung nach dem jeweiligen Streitgegenstand und dem jeweils anwendbaren materiellen Recht ankommt (BVerwG, B.v. 23.1.1989 – 4 B 132/88- juris Rn. 5; OVG Lüneburg, B.v. 2.2.2022 – 4 ME 231/21 – juris Rn. 10). Für Wiederherstellungsanordnungen, die auf die Vornahme einer bestimmten Handlung gerichtet sind, ist anerkannt, dass es grundsätzlich auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses der (letzten) Behördenentscheidung ankommt (BayVGH, U.v. 25.9.2021 – 14 B 10.1550 – juris Rn. 22). Im vorliegenden Fall ist allerdings zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Fläche im Zeitpunkt des Grünlandumbruchs noch nicht dem Verbot des Grünlandumbruchs unterlag, da zum einen das Grundstück nicht unter die Erhaltungsverpflichtung des Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG fiel und zum anderen der generelle Verbotstatbestand des Art. 3 Abs. 4 Nr. 1 BayNatSchG noch nicht geltende Rechtslage war und dem Kläger somit nicht entgegengehalten werden kann. Maßgeblich für die Berechtigung zum Umbruch war damals lediglich die Einhaltung des Fachrechts, hier der Voraussetzungen nach Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG. Aus Gründen des Verhältnismäßigkeitsprinzips kann es daher nicht zu Lasten des Klägers gehen, wenn sich die Rechtslage mittlerweile zu seinen Ungunsten verändert hat. Der Erlass einer Wiederherstellungsanordnung würde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen, wenn die Umwandlung von Dauergrünland in eine Ackerfläche zum Zeitpunkt der Vornahme rechtlich zulässig war.
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3. Die Wiederherstellungsanordnung kann auch nicht auf § 17 Abs. 8 i.V.m. mit § 14 Abs. 1 BNatSchG gestützt werden, da ein zulässiger Grünlandumbruch kein Eingriff im Sinn von § 14 BNatSchG ist. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob sich der Kläger auf die sogenannte Landwirtschaftsklausel nach Art. 6 Abs. 4 BayNatSchG berufen kann. Diese Vorschrift findet in Bayern abweichend von § 14 Abs. 2 BNatSchG Anwendung und ist hinsichtlich der sachlichen Anforderungen auf Art. 3 BayNatSchG abgestimmt (Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt, Naturschutzrecht in Bayern, Art. 3 Rn. 10). Zwar greift die sogenannte Landwirtschaftsklausel des Art. 6 Abs. 4 BayNatSchG nicht beim Übergang von der einen zur anderen Nutzungsart, so dass der Übergang von Dauergrünland zu Ackerland nicht unter die Klausel fällt (Engelhardt/Brenner/Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt, Naturschutzrecht in Bayern, Art. 6 Rn. 22). Da es sich aber vorliegend um einen zulässigen Grünlandumbruch handelt und somit kein Eingriff im Sinne von § 14 Abs. 1 BNatSchG vorliegt, kommt es auf die Frage, ob auf der Grundlage der Landwirtschaftsklausel eine Ausnahme vom Umbruchverbot in Anspruch genommen werden kann, nicht an.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Als im Verfahren unterlegen hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).