Titel:
Vielzahl von Tierkörpern verendeter Tiere auf einer Hofstelle rechtfertigt Einzelfallanordnung zur Beseitigung
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayKG Art. 2, Art. 6 Abs. 1 S. 1, Art. 10 Abs. 1 Nr. 2, Art. 16 Abs. 5
TierNebG § 3, § 7, § 12 Abs. 2 S. 1
Tierische NebenprodukteVO Art. 9 lit. f
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
Leitsätze:
1. Gibt es im Ausgangsbescheid die Anordnung einer sofortigen Vollziehung auf der Grundlage des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, dann kann diese nicht Gegenstand des Klageverfahrens sein und gerichtlicher Rechtschutz ausschließlich nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO gesucht werden. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer auf § 12 TierNebG gestützten Verpflichtung, binnen vier Wochen nach Zustellung eines Bescheids alle in einem Kühlhaus befindlichen Kälber- und Schafkadaver sowie weitere im Kühlhaus befindliche tierische Nebenprodukte der Kategorie 3 sach- und fachgerecht bei einer Tierkörperbeseitigungsanstalt zu entsorgen bzw. entsorgen zu lassen, handelt es sich um eine kostenpflichtige Amtshandlung iSd Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayKG. (Rn. 30 – 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu den Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären und daher nach Art. 16 Abs. 5 BayKG ausgeschlossen sind, zählen insbes. solche Kosten in Folge rechtswidrigen Verwaltungshandelns. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. Allein schon die Tatsache des Vorhandenseins einer Vielzahl von Tierkörpern verendeter Tiere auf einer Hofstelle lässt eine Einzelfallanordnung zur Beseitigung auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 TierNebG zu. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Isolierte Anfechtungsklage gegen eine Kostenentscheidung, Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsakts, Kostenhöhe, Beseitigungsanordnung, ernstliche Zweifel, Ersatzvornahme, isolierte Anfechtungsklage, Gebührenfestsetzung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28019
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage zuletzt gegen die ihm im Bescheid des Landratsamts ... vom 20. August 2021 (Gz.: ...) auferlegte Pflicht zur Zahlung von Bescheidskosten in Höhe von 52,80 EUR.
2
Der Kläger ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs mit (ehemaliger) Tierhaltung in ... … (Landkreis ...). Mindestens seit dem Jahr 2010 gab es bei tierschutzrechtlichen Kontrollen immer wieder Beanstandungen. Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 25. Oktober 2021 wurde dem Kläger das Halten und Betreuen von Rindern, Pferden und Schafen untersagt. Weiter wurde der Kläger verpflichtet, bis zum 30. November 2021 alle Tiere seiner Haltung zu verkaufen oder anderweitig abzugeben bzw. im Falle der nicht rechtzeitigen Erfüllung die Wegnahme der Tiere zu dulden. Der vom Kläger gegen das Tierhaltungsverbot eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von ... vom 21. Juli 2022 zurückgewiesen. Die hiergegen zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhobene Klage (Az. Au 1 K 22.1737) wurde mit Urteil vom 17. Januar 2023 abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; der Kläger stellte einen Antrag auf Zulassung der Berufung, über den noch nicht entschieden wurde.
3
Am 4. November 2015 wurde von der zuständigen Veterinärverwaltung des Landratsamts ... und der Polizeiinspektion ... eine Kontrolle des damaligen Tierhaltungsbetriebes des Klägers vorgenommen. Der Kläger erklärte hierbei, dass er mehrere verendete Tiere (Kälber und Schafe) in seinem Kühlhaus aufbewahren würde. Als Grund führte der Kläger eine beabsichtigte „Beweissicherung“ an. Der Kläger wurde auf die unverzügliche Meldepflicht von verendeten Rindern und Schafen bei der Tierkörperbeseitigungsanstalt ... GmbH hingewiesen.
4
Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 23. November 2015 wurde der Kläger erstmalig aufgefordert, binnen einer Woche nach Zustellung des Bescheids alle in seinem Kühlhaus befindlichen Kälber- und Schafskadaver bei der Tierkörperbeseitigungsanstalt ... GmbH zur Abholung anzumelden. Das hiergegen zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhobene Klageverfahren (Az. Au 1 K 15.1771, Au 1 K 15.1772) wurde nach Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen eingestellt.
5
Bei einer weiteren Kontrolle des Veterinäramtes des Landratsamts ... wurde am 7. Dezember 2016 festgestellt, dass der Kläger mehr als 20 verendete Schafe und mehrere verendete Kälber in seiner Gefrierkammer aufbewahrte. Daraufhin wurde das im Bescheid vom 23. November 2015 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR fällig gestellt und dem Kläger ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 600,00 EUR angedroht. Der gegen die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von ... vom 19. Dezember 2017 zurückgewiesen. Das zur Weiterverfolgung des Begehrens des Klägers zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhobene Klageverfahren (Az. Au 1 K 18.78) wurde am 4. Mai 2018 nach erklärter Klagerücknahme des Klägers eingestellt.
6
Bei einer weiteren Kontrolle der Tierhaltung am 16. Mai 2017 erklärte der Kläger, dass sich in seinem Kühlhaus derzeit mehr als 60 verendete Schafe und 12 in diesem Jahr verendete Kälber befinden würden.
7
Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 12. September 2017 wurde der Kläger aufgefordert, bis zum 12. Oktober 2017 alle in seinem Kühlhaus befindlichen Kälber- und Schafskadaver sowie weitere im Kühlhaus befindliche tierische Nebenprodukte der Kategorie 3 (z.B. ehemalige Lebensmittel) an die Tierkörperbeseitigungsanstalt ... GmbH herauszugeben und der Tierkörperbeseitigungsanstalt zu überlassen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach.
8
Bei weiteren Kontrollen des Veterinäramtes des Landratsamts ... am 22. November 2018, am 5. November 2020 und am 4. Februar 2021 wurde erneut festgestellt, dass sich die maßgeblichen tierischen Nebenprodukte immer noch im Kühlhaus der klägerischen Landwirtschaft befanden.
9
Mit Bescheid des Landratsamts ... vom 20. August 2021 (Gz. ...) wurde der Kläger verpflichtet, binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheids alle in seinem Kühlhaus befindlichen Kälber- und Schafskadaver sowie die weiteren im Kühlhaus befindlichen Nebenprodukte der Kategorie 3 (z.B. ehemalige Lebensmittel) sach- und fachgerecht bei der Tierkörperbeseitigungsanstalt ... GmbH, ... ... zu entsorgen bzw. entsorgen zu lassen (Ziffer I des Bescheids). In Ziffer II. des Bescheids wurde dem Kläger für den Fall der Nichtbefolgung der unter Ziffer I. angeordneten Maßnahme die Ersatzvornahme angedroht und die Kosten für die Ersatzvornahme in Höhe von ca. 3.000,00 EUR veranschlagt. In Ziffer III. des Bescheids wurde die Entsorgungsanordnung gegenüber dem Kläger für sofort vollziehbar erklärt. Nach Ziffer IV. des Bescheids hat der Kläger die Kosten des Bescheids zu tragen. Für den Bescheid wurde eine Gebühr in Höhe von 50,00 EUR erhoben. Auslagen (Zustellungsurkunde) wurden in Höhe von 2,80 EUR geltend gemacht.
10
Zur Begründung der Entscheidung führt das Landratsamt aus, dass sich die Ziffer I. des Bescheides auf § 12 des Tierische NebenprodukteBeseitigungsgesetzes (TierNebG) stütze. Demnach könne die zuständige Behörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Einhaltung der Vorschriften der in § 1 TierNebG genannten unmittelbar geltenden Rechtsakte, dieses Gesetzes sowie der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen erforderlich sind (§ 12 Abs. 2 Satz 1 TierNebG). Dabei seien auch die §§ 7 und 8 TierNebG zu berücksichtigen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TierNebG hat der Besitzer der zuständigen Behörde, in deren Einzugsbereich die in § 3 Abs. 1 Satz 1 bezeichneten tierische Nebenprodukte oder Folgeprodukte anfielen, unverzüglich zu melden, wenn diese angefallen sind. Bei den Kadavern der Kälber und Schafe des Klägers handle es sich um tierische Nebenprodukte der Kategorie 2 nach Art. 9 Buchst. f lit.i VO (EG) Nr. 1069/2009. Ehemalige Lebensmittel seien Erzeugnisse tierischen Ursprungs oder Lebensmittel, die Produkte tierischen Ursprungs enthielten, die nicht mehr zum menschlichen Verzehr aus kommerziellen Gründen oder aufgrund von Herstellungs- und Verpackungsmängel oder Mängeln, von denen keine Gefahr für die Gesundheit von Mensch oder Tier ausgehe, bestimmt sind und somit Material der Kategorie 3 seien. Damit sei zu berücksichtigen, dass es sich bei Gemischen von Material der Kategorie 2 mit Material der Kategorie 3 um Material der Kategorie 2 handle (Art. 9 Buchst. g) VO (EG) Nr. 1069/2009). Für den Fall, dass sich im Kühlhaus des Klägers noch ehemalige Lebensmittel befänden, würden diese durch die gemeinsame Lagerung mit den Kälber- und Schafskadavern zu Material der Kategorie 2. Die Kälber- und Schafskadaver sowie weitere tierische Nebenprodukte hätten vom Kläger bei entsprechendem Anfall unverzüglich bei der Tierkörperbeseitigungsanstalt ... GmbH zur Abholung angemeldet werden müssen und hätten nicht in seinem Kühlhaus aufbewahrt werden dürfen. Da das Landratsamt ... die Pflicht zur Abholung von Material der Kategorie 2 der Tierkörperbeseitigungsanstalt ... GmbH übertragen habe, sei der Kläger verpflichtet, die in seinem Kühlhaus befindlichen Kadaver der Tierkörperbeseitigungsanstalt ... GmbH zu überlassen. Gemäß § 8 Abs. 3 TierNebG habe der Besitzer bei der Abholung die in § 3 Satz 1 TierNebG bezeichneten tierischen Nebenprodukte und Folgeprodukte sowie die in § 3 Abs. 1 Satz 5 TierNebG bezeichneten verendeten Tiere herauszugeben. Die Anordnung zur sach- und fachgerechten Entsorgung der im Kühlhaus des Klägers befindlichen Kadaver sei geeignet und erforderlich, um die Entsorgung der nicht für den menschlichen Verzehr bestimmten tierischen Nebenprodukte sicherzustellen und dadurch eine rechtswidrige Aufbewahrung der Nebenprodukte zu verhindern. Durch die unzulässige Aufbewahrung der tierischen Nebenprodukte bestehe die Gefahr einer unsachgemäßen Verwendung, wodurch Seuchen ausbrechen könnten und dadurch Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier bestünden. Weniger eingreifende Maßnahmen, die einen gleichwertigen Erfolg versprechen würden, seien nicht ersichtlich. Die Androhung der Ersatzvornahme unter Ziffer II. des Bescheids beruhe auf Art. 29, 30, 32 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Demnach können die Vollstreckungsbehörden die Handlung auf Kosten des Pflichtigen vornehmen lassen, wenn die Pflicht zu einer Handlung, die auch ein anderer vornehmen könne, nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt werde (Art. 32 Satz 1 VwZVG). Zudem seien die Ersatzvornahmen nur zulässig, wenn ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten lasse (Art. 32 Satz 2 VwZVG). Aufgrund der bisher langjährig unterlassenen Entsorgung der im Kühlhaus des Klägers befindlichen tierischen Nebenprodukte sei von einer Zwangsgeldandrohung abgesehen worden, da eine solche keinen Erfolg verspreche. Nach Schätzung des Landratsamts beliefen sich die Kosten für die Räumung des Kühlhauses des Klägers und die Entsorgung der tierischen Nebenprodukte auf ca. 3.000,00 EUR. Das Recht auf Nachforderung bleibe unberührt, wenn die Ersatzvornahme einen höheren Kostenaufwand verursache (Art. 36 Abs. 4 Satz 3 VwZVG). Die sofortige Vollziehung unter Ziffer III. des Bescheids beruhe auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Zur Kostenentscheidung ist ausgeführt, dass diese auf Art. 1 und 2 des Kostengesetzes (KG) beruhe. Die Höhe der Gebühr bemesse sich nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG i.V.m. Tarif-Nr. 7.IX.14/1.1 des Kostenverzeichnisses (KVz). Der Ersatz der Auslagen beruhe auf Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
11
Auf die weiteren Ausführungen im Bescheid des Landratsamts ... vom 20. August 2021 wird ergänzend verwiesen.
12
Ein vom Kläger gestellter Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung wurde mit Schreiben des Landratsamts ... vom 28. September 2021 abgelehnt.
13
Am 2. August 2022 wurde das Kühlhaus der klägerischen Landwirtschaft geräumt und insgesamt 47 Tierkadaver aus dem Kühlraum zur Tierkörperbeseitigungsanstalt ... GmbH gebracht.
14
Der vom Kläger gegen den Bescheid des Landratsamt ... vom 20. August 2021 erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von ... vom 13. September 2022 als unbegründet zurückgewiesen. Der angegriffene Bescheid des Landratsamts ... sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.
15
Auf die weiteren Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 13. September 2022 wird ergänzend verwiesen.
16
Mit der mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2022 zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
18
festzustellen, dass die Bescheidskosten in Höhe von 52,80 EUR vom Kläger rechtswidrig erhoben wurden.
19
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Bescheid des Landratsamts ... vom 20. August 2021 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von ... vom 13. September 2022 rechtswidrig seien, da ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit bestünden. Deshalb sei auch die Kostenerhebung zu Unrecht erfolgt. Der Kläger vertrete die Auffassung, dass nicht nur er mit der existenziellen Bedrohung in Folge von Impfschäden zu kämpfen habe. Vielmehr sei eine Vielzahl anderer Landwirte mit den Auswirkungen der Impfschäden für Mensch und Tier betroffen. Aus diesem Grund habe der Kläger die Tiere in der Tierpathologie zur Sektion angemeldet. Der Kläger sei der Auffassung, dass durch die Abholung der Tierkadaver Beweismittel vernichtet würden, welche zu wissenschaftlichen Zwecken benötigt würden. Die Ursache der Erkrankung der Nutztiere sei bis zum heutigen Tag nicht geklärt. Durch die behördliche angeordnete Blauzungenimpfung im Jahr 2008 sei eine Infektion bei sämtlichen Tieren im Bestand des Klägers aufgetreten, die zum Zusammenbruch der gesamten Herde geführt hätte. Die Kausalität zwischen Impfung und Schäden an Mensch und Tier zeige der zeitliche Zusammenhang, sodass die Impfung eindeutig als Auslöser für die Erkrankung ausgemacht werden könne.
20
Auf den weiteren Vortrag im Klagebegründungsschriftsatz vom 7. Dezember 2022 wird ergänzend verwiesen.
21
Das Landratsamt ... beantragt für den Beklagten,
22
die Klage zurückzuweisen.
23
Zur Begründung wurde auf den Bescheid des Landratsamts ... vom 20. August 2021 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von ... vom 13. September 2022 verwiesen. Weiter wurde ausgeführt, dass der vorbezeichnete Bescheid des Landratsamts ... bereits am 2. August 2022 vollzogen worden sei.
24
Am 25. September 2023 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26
Die erhobene Klage mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2023 zuletzt gestellten Antrag, festzustellen, dass die Kosten im Ausgangsbescheid des Landratsamts ... vom 20. August 2021 (52,80 EUR) vom Kläger zu Unrecht erhoben worden sind, ist als (isolierte) Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zwar zulässig, aber unbegründet. Die Kostenentscheidung im Ausgangsbescheid des Landratsamts ... vom 20. August 2021 (Gz.: ...) ist rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27
Gemäß Art. 12 Abs. 3 Kostengesetz (KG) kann die Kostenentscheidung zusammen mit dem Verwaltungsakt oder selbständig nach Maßgabe der Vorschriften über die Verwaltungsgerichtsbarkeit angefochten werden. Die insoweit vom Kläger zuletzt erhobene Feststellungsklage in Bezug auf die getroffene Kostenentscheidung war daher als Anfechtungsklage i.S.d. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO auszulegen. Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, weist das Gericht darauf hin, dass die im Ausgangsbescheid getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung auf der Grundlage des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht Gegenstand des Klageverfahrens ist, da insoweit ausschließlich gerichtlicher Rechtschutz nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu suchen ist. Einen Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat der Kläger gegen die sofortige Vollziehung nicht gestellt. Die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung (§ 80 Abs. 4 VwGO) mit Schreiben des Landratsamts Ostallgäu vom 28. September 2021 unterliegt daher keiner gerichtlichen Überprüfung im streitgegenständlichen Klageverfahren.
28
1. Die Kostenforderung im Bescheid des Landratsamts ... vom 20. August 2021 ist zurecht erfolgt. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 Kostengesetz (KG). Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG erheben die Behörden des Staates für Tätigkeiten, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornehmen (Amtshandlungen), Kosten (Gebühren und Auslagen) nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kostengesetzes. Nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst, im Übrigen diejenige Person, in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wird. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG bemisst sich die Höhe der Gebühren nach dem Kostenverzeichnis (KVz) (vgl. Art. 5 KG).
29
Rechtsgrundlage der Festsetzung von Auslagen in Höhe von 2,80 EUR ist Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG. Danach werden Entgelte für Telekommunikationsdienstleistungen sowie Entgelte für Postzustellungsaufträge und Einschreibe- und Nachnameverfahren als Auslagen der an der Amtshandlung beteiligten Behörden und Stellen erhoben.
30
a) Der Gebührentatbestand nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG i.V.m. Nr. 7.IX.14/1.1 KVz ist erfüllt, da es sich bei der auf § 12 TierNebG gestützten Verpflichtung des Klägers, binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheids alle in seinem Kühlhaus befindlichen Kälber- und Schafkadaver sowie weitere im Kühlhaus befindliche tierische Nebenprodukte der Kategorie 3 sach- und fachgerecht bei der Tierkörperbeseitigungsanstalt ... GmbH zu entsorgen bzw. entsorgen zu lassen um eine kostenpflichtige Amtshandlung i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG handelt.
31
Der Kläger ist nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG Kostenschuldner, da er die Amtshandlung (Art. 1 Abs. 1 KG) des Beklagten, den Erlass eines Bescheides zur Durchsetzung der Beseitigungsanordnung der auf der Hofstelle des Klägers verwahrten Tierkörper, veranlasst hat.
32
Die Höhe der festgesetzten Gebühr von 50,00 EUR liegt im untersten Bereich des in Nr. 7.IV.14/1.1 KVz für die Überwachung zugelassener Betriebe nach Art. 9 der Verordnung (EU) Nr. 2017/25 i.V.m. § 12 Abs. 1 TierNebG eröffneten Gebührenrahmens von 50 bis 5.000 EUR. Da die Gebühr auf den untersten zulässigen Wert im Kostenverzeichnis festgesetzt wurde, berücksichtigt sie den mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwand und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten gem. Art. 6 Abs. 2 KG.
33
Die Höhe der festgesetzten Auslagen von 2,80 EUR für die erforderlich werdende Postzustellungsurkunde folgt aus Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
34
Es besteht auch keine Kostenfreiheit bezüglich des Erlasses des Bescheides vom 20. August 2021. Es ist keiner der in Art. 3 Abs. 1 KG aufgeführten Fälle der sachlichen Kostenfreiheit einschlägig.
35
b) Die Kostenerhebung ist auch nicht nach Art. 16 Abs. 5 KG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift werden Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären, nicht erhoben. Solche Kosten sind insbesondere Kosten in Folge rechtswidrigen Verwaltungshandelns. Da die Ziffern I. und II. des Ausgangsbescheids des Landratsamts ... vom 20. August 2021 bis zu ihrer Erledigung durch Vornahme der Ersatzvornahme am 2. August 2022 rechtmäßig waren, ist die Erhebung von Kosten für den Bescheid zulässig.
36
aa) Rechtsgrundlage für Ziffer I. des Bescheids ist § 12 Abs. 2 Satz 1 TierNebG. Diese Vorschrift beinhaltet eine Befugnis zum Erlass von Einzelfallanordnungen zur Einhaltung der Pflichten nach § 1 TierNebG. Danach kann die zuständige Behörde im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Einhaltung der Vorschriften der in § 1 TierNebG genannten unmittelbar geltenden Rechtsakte, dieses Gesetzes sowie der aufgrund dieses Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen erforderlich sind. Für den Kläger bestand aufgrund der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 TierNebG eine Beseitigungspflicht für die auf seiner landwirtschaftlichen Hofstelle angefallenen verendeten Tiere. Nach dieser Regelung sind tierische Nebenprodukte der Kategorie 2 im Sinne des Art. 9 der VO (EG)Nr. 1069/2009, ausgenommenen Gülle, Guano, Magen- und Darminhalt, Milch, Milcherzeugnisse, Kolostrum, Eier sowie Eiprodukte abzuholen, zu sammeln, zu kennzeichnen, zu befördern, zu lagern, zu behandeln, zu verarbeiten, zu verwenden oder zu beseitigen. Die zuständige Behörde hat hierbei die Voraussetzungen für die Abholung, Sammlung, Kennzeichnung, Beförderung, Lagerung, Behandlung, Verarbeitung, Verwendung und Beseitigung zu schaffen. Bei den auf der Hofstelle des Klägers verendeten Tieren handelt es sich um tierische Nebenprodukte der Kategorie 2 nach Art. 9 Buchst. f lit. i VO (EG) Nr. 1069/2009. Danach sind tierische Nebenprodukte andere Tierkörper und Teile von Tieren als die in Art. 8 oder Art. 10 der VO (EG) Nr. 1069/2009 genannten, die auf anderem Wege zu Tode kamen als durch Schlachtung oder Tötung zum menschlichen Verzehr, einschließlich Tieren, die zum Zweck der Seuchenbekämpfung getötet werden. Damit liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer Einzelfallanordnung gestützt auf die Vorschrift des § 12 Abs. 2 TierNebG vor. Diese konnte auch auf andere im Kühlhaus befindliche Lebensmittel erstreckt werden, da insoweit Material der Kategorie 3 gem. Art. 9 Buchst. g VO (EG) Nr. 1069/2009 vorliegt. Die Absicht des Klägers, die verendeten Tierkörper zu Beweiszwecken für vermutete Impfschäden auf der Hofstelle weiterhin zu verwahren, steht der vom Beklagten ausgesprochenen Beseitigungsanordnung nicht entgegen. Allein die Tatsache des Vorhandenseins einer Vielzahl von Tierkörpern verendeter Tiere auf der Hofstelle des Klägers lässt eine Einzelfallanordnung zur Beseitigung auf der Grundlage des § 12 Abs. 2 TierNebG zu. Demgegenüber ist die vom Kläger geäußerte Absicht der weiteren Verwahrung der Tierkörper aus seuchenpolizeilicher Hinsicht nicht schützenswert.
37
bb) Auch die in Ziffer II. des Bescheids ausgesprochene Androhung der Ersatzvornahme für den Fall der Untätigkeit des Klägers begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Art. 32 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen waren bis zur Durchführung der Ersatzvornahme am 2. August 2022 gegeben. Mit Ziffer I. des Ausgangsbescheids vom 20. August 2021 lag ein vollstreckungsfähiger Grundverwaltungsakt vor, der aufgrund der in Ziffer III. erfolgten Erklärung der sofortigen Vollziehbarkeit (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG wirksam und vollstreckbar war. Auch die Voraussetzungen des Art. 32 VwZVG waren gegeben. Mit dem Beklagten ist das Gericht der Auffassung, dass aufgrund des bisherigen Verhaltens des Klägers ein Zwangsgeld keinen Erfolg erwarten ließ. Die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme wurden gem. Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG im Bescheid vorläufig veranschlagt.
38
Da sich der Ausgangsbescheid des Landratsamts ... vom 20. August 2021 in dessen Ziffern I. und II. als rechtmäßig erweist, bestehen gegen die Kostenforderung in Ziffer IV. des Bescheids keine Bedenken, zumal diese Kostenfestsetzung den einschlägigen Bestimmungen des KG folgt.
39
c) Soweit sich die Klage erweiternd auch gegen die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid der Regierung von ... vom 13. September 2022 richten sollte (Gebühr in Höhe von 75,00 EUR) so bliebe die Klage auch insoweit ohne Erfolg, da auch diese Kostenerhebung in rechtmäßiger Weise erfolgt ist. Ob und unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe eine Gebühr für das Widerspruchsverfahren entsteht oder Auslagen der Widerspruchsbehörde zu ersetzen sind, regelt nicht Art. 80 Bayerisches Verwaltungsverfahrensrecht (BayVwVfG), sondern das jeweilige Verwaltungskostenrecht (OVG LSA, B.v. 27.9.2021 – 1 O 75/21 – juris Rn. 19). Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 KG beträgt die Gebühr im Rechtsbehelfsverfahren das Eineinhalbfache der vollen Amtshandlungsgebühr, so dass auch insoweit die Gebührenhöhe von 75,00 EUR zu Recht vom Kläger erhoben wurde. Sachlich war die Zurückweisung des Widerspruchs aus den genannten Gründen geboten (vgl. Art. 16 Abs. 5 KG).
40
2. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
41
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.