Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 01.08.2023 – Au 8 S 23.1160
Titel:

Widerruf der Berufserlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs

Normenketten:
BÄO § 3 Abs. 3, § 10
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 12
VwGO § 80 Abs. 5
BayVwVfG Art. 48, Art. 49
Leitsätze:
1. Die aus der Kenntnisprüfung gewonnen "Erkenntnisse" dürfen im Rahmen einer umfänglicheren Prüfung der Entscheidung über den Widerruf der ärztlichen Berufserlaubnis zugrunde gelegt werden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Erfüllung des Zwecks des Patientenschutzes ist der Antragsgegner nicht gehalten, Einschränkungen der Berufserlaubnis als mildere Mittel zu verfügen. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Widerruf der vorübergehenden Berufsausübungserlaubnis, mögliche Patientengefährdung, Nichtbestehen der Kenntnisprüfung, Anordnung der sofortigen Vollziehung, Widerruf, Ermessenserwägung, Berufserlaubnis, Patientengefährdung, Kenntnisprüfung, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28014

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
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Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen den sofortvollziehbaren Widerruf seiner Berufserlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs (Berufserlaubnis).
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Der Antragsteller hat in Serbien seine ärztliche Grundausbildung abgeschlossen und am 1. September 2021 die serbische Arztlizenz erhalten. Am 27. Dezember 2021 beantragte er bei dem Antragsgegner die Approbation als Arzt und erklärte dabei, dass er auf die Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung verzichte, und beantragte die Teilnahme an der sog. Kenntnisprüfung. Am 22. August 2022 bestand der Antragsteller die Fachsprachenprüfung bei der Bayerischen Landesärztekammer. Mit Bescheid vom 7. September 2022 wurde dem Antragsteller die Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs vom 19. September 2022 bis zum 18. September 2024 erteilt. Die Erlaubnis wurde beschränkt auf eine nicht selbständige und nicht leitende Tätigkeit in fachlich abhängiger Stellung. Vom 1. November 2022 bis zum 30. April 2023 arbeitete der Antragsteller als Assistenzarzt für Neurologie im Klinikum .... Vom 1. Mai 2023 an war er als Assistenzarzt in der Fachklinik, Abteilung für orthopädische Rehabilitation und Anschlussheilbehandlung, in Vollzeit tätig.
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Am 2. Mai 2023 fand an der ...-Universität-... die Kenntnisprüfung statt, die der Antragsteller nicht bestand. Aus der Niederschrift lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller in allen Bereichen eine eindeutig nicht ausreichende Leistung mit gravierenden Mängeln in allen Bereichen erbracht habe. Sprachlich liege eine grenzwertige Leistung (vor allem Verständnis) vor. Auf einem „Beiblatt bei nicht bestandener Kenntnisprüfung“ stellte die Prüfungskommission eine mögliche Patientengefährdung fest und empfahl die Einschränkung der ärztlichen Tätigkeit, nämlich Ausübung grundsätzlich nur in Anwesenheit und unter Aufsicht eines approbierten Arztes und keine Bereitschafts-, Notfall-, Wochenend- und Nachtdienste. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. Mai 2023 gab der Antragsgegner dem Antragsteller das Ergebnis der Kenntnisprüfung bekannt. Den Antrag auf Erteilung der Approbation nahm der Antragsteller am 29. Juni 2023 zurück.
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Mit Bescheid vom 5. Juli 2023 widerrief der Antragsgegner die Berufserlaubnis vom 7. September 2022 (Ziffer I) und ordnete die Einziehung an (Ziffer II Satz 1) Der Antragsteller wurde verpflichtet, die Erlaubnis sowie sämtliche damit zusammenhängenden Dokumente bis spätestens zum 21. Juli 2023 zu übermitteln (Ziffer II Satz 2). Der Sofortvollzug hins. Ziffer I wurde angeordnet (Ziffer III). Für die Anordnung in Ziffer II wurde ein Zwangsgeld angedroht (Ziffer IV).
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Die Erteilung der Berufserlaubnis könne widerrufen werden, da die zur Ausübung des Arztberufes notwendigen Kenntnisse nicht in ausreichendem Maße vorhanden seien und dadurch die Sicherheit der Patienten gefährdet werde. Nach ausführlicher Prüfung aller vorliegenden Informationen, auch unter Berücksichtigung der Niederschrift der absolvierten Kenntnisprüfung, und aufgrund der medizinisch-fachlichen Stellungnahme vom 4. Juli 2023 würden eindeutige Hinweise auf Patientengefährdung vorliegen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung sei die körperliche Unversehrtheit und das Leben der potenziellen Patienten höher zu bewerten als das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Ausübung des Berufs. Ein milderes, gleich wirksames Mittel sei nicht ersichtlich. Insbesondere eine Auflage in Form eines vollständigen Unterstellens unter jederzeitiger Aufsicht eines approbierten Arztes komme als milderes Mittel nicht in Betracht. Eine derartige Beschränkung sei in der gesetzlichen Regelung grundsätzlich nicht vorgesehen und aufgrund von Umsetzbarkeitszweifeln und Einschränkungen in der behördlichen Kontrolle zur Erfüllung des Patientenschutzes nicht gleichermaßen geeignet. Das öffentliche Sofortvollzugsinteresse ergebe sich aus der dringend zu schützenden Patientengesundheit, die aufgrund der festgestellten möglichen Patientengefährdung keinen zeitlichen Aufschub rechtfertige.
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Gegen den Widerruf seiner ärztlichen Berufserlaubnis ließ der Antragsteller Klage erheben (Au 8 K 23.1140) erheben, über die noch nicht entschieden ist, und beantragte des Weiteren,
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1. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 5. Juli 2023 wiederherzustellen und
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2. den Antragsgegner zu verpflichten, die Berufserlaubnisurkunde an den Antragsteller herauszugeben.
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Die Kenntnisprüfung hätte bereits nicht durchgeführt werden dürfen, da zwingend erst eine Gleichwertigkeitsprüfung hätte erfolgen müssen. Ein Verzicht auf diese sei nicht möglich. Somit dürften die Ergebnisse der nicht bestandenen Kenntnisprüfung dem Antragsteller nicht entgegengehalten werden. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2008 könnten die Ergebnisse einer vom Gesetz nicht vorgesehenen Prüfung den Berufszugang nicht versperren. Der in einem ähnlich gelagerten Fall ergangene Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2023 setze sich nicht hinreichend mit der Rechtsprechung des OVG Sachsen und des VG Braunschweig auseinander. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf die ordnungsgemäße Durchführung eines Berufsanerkennungsverfahrens. Ein negativer Ausgang hätte schwerwiegende Eingriffe in seine grundrechtlichen Sicherungen zur Folge. Er könne in Deutschland nicht mehr als Arzt arbeiten und müsse nach Serbien zurück. Der vollständige Widerruf sei vom eingeräumten Ermessen erfasst, jedoch unverhältnismäßig. Er sei zur Erreichung des legitimen Zwecks des Patientenschutzes nicht erforderlich. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel wäre gewesen, dem Antragsteller die Berufserlaubnis mit den von der Prüfungskommission empfohlenen Einschränkungen zu erteilen. Der Bescheid setze sich insoweit nicht mit den Empfehlungen der Prüfungskommission auseinander. Entgegen der Einschätzung des Antragsgegners bestünden keine Umsetzungszweifel und die Einschränkungen könnten behördlich kontrolliert werden. Dies habe der aktuelle Arbeitgeber des Antragstellers in dem Arbeitszeugnis vom 10. Juli 2023 klar geschrieben. Danach sei es möglich, den Antragsteller unter grundsätzlicher Anwesenheit und unter Aufsicht der dort tätigen Fachärzte einzusetzen. Es bestünde jederzeit die Möglichkeit des Eingreifens durch den die Aufsicht wahrnehmenden Facharzt. Dadurch könne eine Patientengefährdung ausgeschlossen werden. Die personelle Einteilung sei problemlos so möglich, dass der Antragsteller keine Bereitschaftsdienste und Nachtdienste leisten müsse. In anderen Bundesländern, wie beispielsweise Hessen, werde die Berufserlaubnis standardmäßig mit diesen Beschränkungen erteilt. Auch bei einer normalen Berufserlaubnis müsse den Krankenhäusern und den beaufsichtigenden Ärzten vertraut werden. Die interne Sachverständige des Antragsgegners sei bei der Kenntnisprüfung nicht anwesend gewesen. Der Antragsteller habe sich zu früh zur Kenntnisprüfung angemeldet. Eine Terminsverschiebung sei jedoch abgelehnt worden. Nur dann könne er praktische Erfahrungen sammeln, wenn er auch arbeiten dürfe. Der Antragsteller habe zuletzt in einer Rehabilitationsklinik gearbeitet. Notfälle seien dort selten und es würde nicht operiert. Es existiere auch keine Notaufnahme. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in einer Rehaklinik zu einer patientengefährdenden Sachlage komme, sei erheblich kleiner als in einem Akutkrankenhaus. Die Berufserlaubnis könne auch auf bestimmte Beschäftigungsstellen beschränkt werden. Die Berufserlaubnis habe der Antragsteller bereits zurückgegeben.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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Die Erkenntnisse aus der nicht bestandenen Kenntnisprüfung hätten verwertet werden dürfen. Die Entscheidung sei auch verhältnismäßig, da eine Einschränkung der Berufserlaubnis keine gleich effektive Gefahrenabwehr darstelle. Diese Einschätzung resultiere aus der eingeholten medizinisch-fachlichen Stellungnahme vom 4. Juli 2023, die auch auf die Feststellungen der Prüfer in der Niederschrift der nicht bestandenen Kenntnisprüfung Bezug nehme. Zusammengefasst würde festgestellt, dass die Kenntnisprüfung des Antragstellers eindeutig belegen würde, dass dieser über mangelnde grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in den Fächern innere Medizin, Chirurgie und Notfallmedizin verfüge, welche potenziell patientengefährdend einzustufen seien. Die ausführliche verobjektivierte medizinisch-fachliche Stellungnahme, die den gesamten bekannten Verwaltungsvorgang berücksichtigt habe, habe einen höheren Stellenwert als bloß die Ausführungen der Prüfer auf der Niederschrift, in der allerdings auch eine mögliche Patientengefährdung festgestellt worden sei. Die Kompetenz der einzelnen Prüfer werde nicht angezweifelt, jedoch fehle den Prüfern bei einer einzelnen Kenntnisprüfung und den dargelegten Ausführungen in der Niederschrift der gesamtheitliche Überblick. Zum anderen unterliege das Prüfprogramm einem verobjektivierten Maßstab, da der Sachverhalt durch die fachlichen medizinischen Experten aus einer objektiveren Perspektive unter Zugrundelegung der Definition des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen betrachtet werde. Danach würden verschiedene Abstufungen in der medizinisch-fachlichen Prüfung vorgenommen. Die letzte Stufe sei „Katastrophale Gesundheitsschäden, wenn schwere Schaden mit Dauerfolgen z.B. dauerhafte Pflegebedürftigkeit, Tod des Patienten = keine Berufserlaubnis“. Der Antragsteller habe katastrophale Gesundheitsschäden nicht erkannt, sodass er diesbezüglich kategorisiert und die Empfehlung ausgesprochen worden sei, die Berufserlaubnis zu widerrufen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass auch in einer Rehaklinik Notfälle vorkommen könnten. Daher stelle dies auch keine taugliche Berufserlaubniseinschränkung dar.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte, auch im Verfahren Au 8 K 23.1140, Bezug genommen.
II.
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Die Anträge bleiben ohne Erfolg.
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1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Aufhebung des Widerrufs der ärztlichen Berufserlaubnis) ist aufgrund der Sofortvollzugsanordnung in Ziffer 3 des Bescheids gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und zulässig, jedoch unbegründet.
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a) Nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht bei seiner Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das Interesse des Betroffenen, vom sofortigen Vollzug bis zur Entscheidung in der Hauptsache zunächst verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Hierbei hat das Gericht die Erfolgsaussichten der Klage im Rahmen einer summarischen Prüfung zu berücksichtigen. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. zum Vorstehenden BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369).
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b) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig, insbesondere sind die sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebende Begründungserfordernisse gewahrt.
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c) Nach summarischer Prüfung ist der Widerruf der ärztlichen Berufserlaubnis Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG i.V.m. § 10 Abs. 2 Satz 2 der Bundesärzteordnung (BÄO) voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Voraussetzungen für einen Widerruf sind gegeben. Die Erteilung der Berufserlaubnis wurde gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 BÄO mit Bescheid vom 7. September 2022 nur widerruflich erteilt. Somit kann auch dahinstehen, ob die Erlaubniserteilung vom 7. September 2022 rechtswidrig und damit gemäß Art. 48 BayVwVfG zurück zu nehmen oder ursprünglich rechtmäßig und damit nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG aufgrund des Widerrufsvorbehalts zu widerrufen war.
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Der Antragsgegner hat voraussichtlich auch sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Er konnte insoweit die medizinisch-fachliche Stellungnahme vom 4. Juli 2023, der maßgeblich auch die Ergebnisse der durchgeführten Kenntnisprüfung zugrunde lagen, berücksichtigen und insoweit zu dem Ergebnis kommen, dass der Antragsteller die zur Ausübung des Arztberufes notwendigen Kenntnisse nicht im ausreichendem Maße aufweisen kann, wodurch die Sicherheit der Patienten gefährdet wird. Die beurteilende Ärztin kommt bei der abschließenden Bewertung zu dem Ergebnis, dass aus medizinischer Sicht wegen möglicher Patientengefährdung eine Erlaubnis nicht befürwortet werden kann (Bl. 227 der Behördenakte).
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Dabei durften auch die Erkenntnisse aus der nicht bestandenen Kenntnisprüfung verwertet werden. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob ein Verzicht des Antragstellers auf eine Gleichwertigkeitsprüfung möglich ist (verneinend VG Chemnitz, U.v. 12.5.2022 – 4 K 938/20 – UA des Antragstellers, gegen das die Berufung zugelassen wurde, SächsOVG, B.v. 27.2.2023 – 2 A 370/22 – juris; VG Weimar U.v. 16.2.2023 – 8 K 1446/20 We – UA des Antragstellers; VG Würzburg, B.v. 25.5.2000 – W 10 E 20.636 – BeckRS 2020, 11226). Denn unabhängig von der Frage, ob vorrangig eine Gleichwertigkeitsprüfung zwingend durchgeführt werden muss, bevor der Antragsteller auf eine Kenntnisprüfung verwiesen werden kann bzw. dieser freiwillig auf eine Gleichwertigkeitsprüfung verzichten kann, spricht nichts dagegen, die aus der Kenntnisprüfung gewonnen Erkenntnisse zu verwerten. Insoweit steht auch nicht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 3 C 33.07 – juris) entgegen. Im dortigen Verfahren ging es um die Erteilung einer Approbation. Das Bundesverwaltungsgericht führte am Ende seiner Entscheidung aus, dass nach einer festgestellten Gleichwertigkeit der Ausbildung die Ergebnisse einer vom Gesetz nicht vorgesehenen (Kenntnis-)prüfung dem Berufszugang nicht versperren könnten. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht vertrat in dem Beschluss vom 21. Juni 2010 (SächsOVG, B.v. 21.6.2010 – 4 B 526/09 – juris) im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens die Auffassung, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Hinblick auf Art. 12 GG auf den Widerruf einer Erlaubnis nach § 10 BÄO übertragbar sein müsse, da durch den Widerruf der Erlaubnis der Berufszugang ebenso versperrt werde. Auch wenn nach dieser Rechtsprechung eventuell das alleinige Abstellen auf das (formale) „Ergebnis“ des Nichtbestehens der Kenntnisprüfung nicht zulässig wäre, spricht jedoch nach Auffassung der Kammer nichts dagegen, die aus der Kenntnisprüfung gewonnen „Erkenntnisse“ im Rahmen einer umfänglicheren Prüfung der Entscheidung über den Widerruf der ärztlichen Berufserlaubnis zugrunde zu legen (so auch VG München, B.v. 9.2.2023 – M 27 SE 23.166 – BA vom Antragsteller). Der Antragsgegner bezog insoweit bei seiner Prüfung des Widerrufs die medizinisch-fachliche Stellungnahme des Sachgebiets „Rechtsfragen akademischer Heilberuf und Berufsaufsicht“ vom 4. Juli 2023 heran, die unter Einbeziehung weiterer Unterlagen, wie beispielsweise die Unterlagen des Studiums des Antragstellers in Serbien, auch die Erkenntnisse aus der nicht bestandenen Kenntnisprüfung ausführlich und nachvollziehbar bewertet hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die erheblichen fachlichen Defizite in allen Sachbereichen als potenziell patientengefährdend einzustufen sind.
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Insoweit sind auch die weiteren Ermessenserwägungen, dass die Belange des Patientenschutzes die Interessen des Antragstellers hinsichtlich seiner Berufsausübung oder auch seines weiteren Verbleibs in der Bundesrepublik Deutschland überwiegen, nicht zu beanstanden.
23
Des Weiteren ist es voraussichtlich nicht fehlerhaft, dass der Antragsgegner statt einem vollständigen Widerruf der Berufserlaubnis als mildere Mittel nicht weitere Einschränkungen der Berufserlaubnis verfügt hat. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 BÄO kann die Erlaubnis auf bestimmte Tätigkeiten und Beschäftigungsstellen beschränkt werden. Die Einschätzung des Antragsgegners, dass eine Auflage, wie von der Prüfungskommission vorgeschlagen, dass die Ausübung grundsätzlich nur in Anwesenheit und unter Aufsicht eines approbierten Arztes erfolgen soll (im Gegensatz zu der – im Beiblatt weiteren vorgegebenen, auswählbaren – Empfehlung der Ausübung „in den o.g. defizitären Bereichen nur in Anwesenheit und unter Aufsicht eines Arztes“), nicht gleich geeignet ist und damit als milderes Mittel nicht in Betracht kommt, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Unabhängig von der fachlichen Kompetenz der Prüfungskommission hat der Antragsgegner neben den beim Antragsteller vorliegenden Kenntnissen auch noch die rechtliche und tatsächliche Realisierbarkeit von Auflagen zu berücksichtigen. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner darauf verweist, dass eine derartige Beschränkung in § 10 Abs. 2 Satz 1 BÄO grundsätzlich nicht vorgesehen ist. Gleiches gilt für die Einschätzung des Antragsgegners, dass aufgrund von Umsetzbarkeitszweifeln und Einschränkungen in der behördlichen Kontrolle zur Erfüllung des Zwecks des Patientenschutzes die Auflage nicht gleichermaßen geeignet wäre (ebenso VG München, B.v. 9.2.2023 – M 27 SE 23.166 – BA des Antragstellers). Dies gilt vor allem auch deshalb, weil nach Einschätzung des Antragsgegners der Antragsteller katastrophale Gesundheitsschäden nicht erkannt hat, die zu schweren Schäden mit Dauerfolgen, z.B. Pflegebedürftigkeit und u.U. Tod des Patienten führen können. Auch das „Zwischenzeugnis“ des Arbeitgebers des Antragstellers vom 10. Juli 2023 (Bl. 147 der Gerichtsakte) führt insoweit nur aus, dass der Antragsteller „unter grundsätzlicher Anwesenheit und unter Aufsicht“ eingesetzt werden könne. Eine ständige Anwesenheit ist damit ebenfalls nicht gewährleistet.
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Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Einschätzung des Antragsgegners, dass eine Einschränkung auf eine bestimmte Beschäftigungsstelle nicht als milderes Mittel genauso geeignet wäre, da auch in einer Rehaklinik, in der der Antragsteller zuletzt beschäftigt war, Notfälle vorkommen können. Auch der Antragsteller hat ausgeführt, dass Notfälle selten seien, und damit aber offensichtlich doch vorkommen können. Im Hinblick auf die Schwere der eventuell dann eintretenden Schäden ist das Risiko nicht hinnehmbar.
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2. Auch eine reine Interessensabwägung, wenn man von einem offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens ausgehen wollte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Hinblick auf die drohende Gefahr für überragend wichtige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Patienten (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) hat das rein private Interesse des Antragstellers an der weiteren Ausübung des ärztlichen Berufes, um eventuell das Ergebnis einer im Approbationsverfahren möglicherweise vorzunehmenden Gleichwertigkeitsprüfung oder einer erneuten Kenntnisprüfung abzuwarten, im Rahmen der Abwägung zurückzustehen.
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3. Nachdem die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerruf nicht wiederherzustellen war, ist der Antragsgegner auch nicht zu verpflichten, die Berufserlaubnisurkunde an den Antragsteller wieder herauszugeben. Ein Anordnungsanspruch ist insoweit nicht erkennbar.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 16.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs.