Titel:
Pfändungs- und Überweisungsverfügung, Passivlegitimation, Vollstreckungsanordnung
Normenketten:
VwGO § 84
BayVwZVG Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 26
Schlagworte:
Pfändungs- und Überweisungsverfügung, Passivlegitimation, Vollstreckungsanordnung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28007
Tenor
I. Die gegen den Kläger gerichtete Zwangsvollstreckung aus der Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Beklagten vom 27. Februar 2023 ist einzustellen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Beklagten vom 27. Februar 2023. Die Beklagte ist Mitglied einer Verwaltungsgemeinschaft. Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Gemeindegebiet der Beklagten.
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Mit Bescheid vom 16. März 2022 forderte die Verwaltungsgemeinschaft den Kläger auf, die an seinem Gebäude angebrachten Plakate im Gemeindegebiet sofort zu beseitigen (Ziffer 1), ordnete diesbezüglich die sofortige Vollziehung an, stellte ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR zur Zahlung fällig, sofern die Verpflichtung nach Ziffer 1 nicht bis zum 8. April 2022 erfüllt werde (Ziffer 3) und legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens, eine Gebühr sowie Auslagen auf (Ziffer 4 und 5). Der Bescheid wurde dem Kläger am 21. März 2022 zugestellt.
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Am 20. Dezember 2022 übersandte die Verwaltungsgemeinschaft als Behörde der Beklagten dem Kläger eine Mahnung in Höhe von insgesamt 2.247,75 EUR zu, welche dem Kläger per Amtsboten, mit nochmaliger Übersendung des Bescheides, am 21. Dezember 2022 zugestellt wurde. Am 20. Januar 2023 erklärte der zunächst angefragte Drittschuldner, dass er nicht Arbeitgeber des Klägers sei. Gegen eine insoweit ergangene Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 9. Januar 2023, die Gegenstand im Klageverfahren Au 8 K 23.58 ist, fand die Einstellung der Zwangsvollstreckung statt.
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Mit Bescheid vom 27. Februar 2023 erließ die Verwaltungsgemeinschaft eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung über einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.247,75 EUR. Die für den Kläger bestimmte Ausfertigung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung wurde am 28. Februar 2023 nach erfolgter Zustellung an den Drittschuldner zur Post gegeben. In dieser wurde verfügt, dass der Kläger der Beklagten den angemahnten Betrag schulde. Aus diesem Grund werde die dem Kläger zustehenden Forderungen gegen seinen Arbeitgeber, den Drittschuldner, gepfändet. Der Drittschuldner dürfe nicht mehr an den Kläger zahlen. Die gepfändete Forderung werde der Beklagten zur Einziehung übertragen.
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Der zutreffende Arbeitgeber des Klägers gab am 17. März 2023 in seiner Drittschuldnererklärung an, dass er die Forderung als in voller Höhe begründet anerkenne.
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Gegen den Bescheid vom 27. Februar 2023 erhob der Kläger Klage und trägt im Wesentlichen vor, dass die bislang erfolgten Teilpfändungen seines monatlichen Gehaltes unrechtmäßig erfolgt seien.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Zwangsvollstreckung aus der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 27. Februar 2023 einzustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, dass die Klage bereits mangels Schriftformerfordernis nach § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzulässig sei. Zudem sei die Klage unbegründet, da die Beklagte nicht passivlegitimiert sei, vielmehr sei die Klage gegen die Verwaltungsgemeinschaft zu richten gewesen. Darüber hinaus würden die Vollstreckungsvoraussetzungen für die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vorliegen, weshalb diese rechtmäßig sei.
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Mit Schreiben vom 15. Mai 2023 hat das Gericht die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheides angehört. Die Beklagte hat hierzu ihr Einverständnis mit Schreiben vom 15. Mai 2023 erklärt. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 22. Mai 2023 die mündliche Verhandlung, um Zeugen und Beweismittel anführen zu können.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auch der des Verfahrens Au 8 K 23.58, sowie die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Entscheidung konnte im vorliegenden Fall durch Gerichtsbescheid ergehen, da die entscheidungserheblichen Rechtsfragen keine besonderen Schwierigkeiten aufweisen und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zu diesem Vorgehen gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO mit Schreiben vom 15. Mai 2023 angehört. Eine ausdrückliche Zustimmung beider Beteiligter ist nicht erforderlich.
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Die Klage ist zulässig und begründet, die angefochtene Pfändungs- und Überweisungsverfügung verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die Klage ist zulässig erhoben. Die Klageerhebung entspricht den Anforderungen des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nach § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist die Klage schriftlich zu erheben. Diese Anforderungen sind jedenfalls erfüllt, sofern die Klage seitens des Klägers eigenhändig unterschrieben wurde (BVerwG, U.v. 6.12.1988 – 9 C 40/87 – juris Rn. 6). Der Kläger hat die per Telefax bei Gericht erhobene Klage – neben einem Stempelabdruck – eigenhändig unterschrieben.
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2. Die Klage ist auch begründet, da die angefochtene Pfändungs- und Überweisungsverfügung rechtswidrig ist.
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a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klage gegen die richtige Beklagte gerichtet worden. Der Kläger hat die Klage zutreffend gegen die Gemeinde und nicht gegen die Verwaltungsgemeinschaft erhoben (vgl. VG Augsburg, GB v. 19.4.2006 – Au 6 K 05.826 – juris Rn. 23).
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Nach Art. 26 BayVwZVG i.V.m. §§ 828 ff. ZPO erfolgt der Erlass einer Pfändungs- und Überweisungsverfügung im eigenen Wirkungskreis der Gemeinde im Sinne des Art. 7 Abs. 1 BayGO. In der Mahnung vom 20. Dezember 2022 an den Kläger befindet sich in der linken oberen Ecke des Schreibens der Zusatz, dass die Verwaltungsgemeinschaft „als Behörde der Gemeinde“ aufgetreten ist. Auch aus der streitgegenständlichen Pfändungs- und Überweisungsverfügung selbst ist ersichtlich, dass der Kläger der Gemeinde die nachstehende öffentliche Forderung schuldet. Aus diesem Grund wurde die gepfändete Forderung der Gemeinde zur Einziehung übertragen. Es ist daher deutlich erkennbar, dass Veranlasser der Pfändungs- und Überweisungsverfügung und damit richtige Beklagte die Gemeinde selbst ist. Die Verwaltungsgemeinschaft ist dabei lediglich als Behörde der Gemeinde im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 VGemO aufgetreten.
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b) Die Vollstreckungsvoraussetzungen liegen nicht vor, es fehlt an der erforderlichen Vollstreckungsanordnung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 26 Abs. 1, Abs. 5 VwZVG.
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Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG wird die Vollstreckung dadurch angeordnet, dass in den Fällen der Art. 26 und 27 VwZVG auf eine Ausfertigung des Leistungsbescheids oder eines Ausstandsverzeichnisses die Klausel „Diese Ausfertigung ist vollstreckbar“ gesetzt wird. Sinn und Zweck der Notwendigkeit einer Vollstreckungsanordnung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG ist, dass die Anordnungsbehörde oder die für sie zuständige Zahlstelle die Verantwortung kundtut, dass die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind, weshalb ohne eine solche die Pfändung rechtswidrig ist (vgl. VG Augsburg, B.v. 11.3.2004 – Au 2 E 03.2143 – juris Rn. 2). Trotz der Aufforderung zur Vorlage der vollständigen Behördenakte wurde seitens der Beklagten weder eine Ausfertigung mit einer entsprechenden Klausel noch ein Ausstandsverzeichnis vorgelegt, weshalb bereits aus diesem Grund eine Rechtswidrigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorliegt (vgl. VG Würzburg, B.v. 14.7.2022 – W 3 S 22.1073 – juris Rn. 48; VG Augsburg, B.v. 17.2.2004 – Au 5 S 03.2123 – juris Rn. 19). Es steht der Beklagten jedoch frei, auf eine nachträgliche Ausfertigung eine entsprechende Vollstreckungsklausel anzubringen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.