Titel:
Kein Anspruch auf Corona-Überbrückungshilfe nach Betriebsaufgabe
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20, Art. 28
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1, S. 2
Leitsätze:
1. Förderrichtlinien stellen zwar keine Rechtsnormen dar, begründen aber als Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 und Art. 28 GG) Außenwirkung in der Gestalt, die sie durch die ständige Verwaltungspraxis gefunden haben. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Förderung eines Betriebs mit einer Überbrückungshilfe nach dessen Betriebsaufgabe würde eine Zweckverfehlung darstellen und muss daher unterbleiben. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Überbrückungshilfe II;, Gastronomie;, Antragstellung vor dem 31. Dezember 2020;, Versagung wegen Betriebsaufgabe ab dem 1. Januar 2021;, Antragsberechtigung, Corona, Förderrichtlinien, Überbrückungshilfe II, Vertrauensschutz, Versagung, Gastronomie, Betriebsaufgabe, Zweckverfehlung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28001
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt eine Billigkeitsleistung des Bundes als Corona-Überbrückungshilfe nach der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 2 (Überbrückungshilfe II) – Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 23. November 2020 – im Umfang von 2.611,44 Euro.
2
Der Kläger betrieb nach eigenen Angaben eine Gaststätte bis zum 31. Dezember 2020, die er wegen einer Betriebsaufgabe ab dem 1. Januar 2021 schloss. Am 17. Dezember 2020 beantragte er eine Förderung in Höhe von 2.611,44 Euro.
3
Auf Nachfrage der Beklagten vom 31. Dezember 2020 zur auf der Homepage der Gaststätte angekündigten Betriebsaufgabe zum 31. Dezember 2020 bestätigte dies sein Steuerberater als prüfender Dritter. Auf Hinweis zu den FAQ, dass Zuschüsse zurückzuzahlen sind, wenn der Betrieb vor dem 31. Dezember 2020 eingestellt werde und eine Auszahlung an Unternehmen, die ihren Betrieb eingestellt hätten, ausgeschlossen sei, ließ er entgegnen, er habe sein Unternehmen nicht vor, sondern am 31. Dezember 2020 geschlossen. Die Förderung diene der bis dahin durch die Corona-Krise entstandenen Fixkosten, so dass er einen Förderanspruch habe. Hätte er den Antrag früher gestellt oder die Beklagte früher bewilligt und ausgezahlt, hätte er auch die Förderung zu erhalten.
4
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 20. Januar 2021 lehnte die Beklagte den Antrag ab.
Gemäß Nr. 3.5 Satz 1 der Richtlinie für die Überbrückungshilfe II sei diese zurückzuzahlen, wenn der Antragsteller seine Geschäftstätigkeit vor dem 31. Dezember 2020 dauerhaft einstelle. Gemäß Nr. 3.5 Satz 2 dürfe die Bewilligungsstelle keine Überbrückungshilfe auszahlen, wenn sie Kenntnis davon habe, dass der Antragsteller seinen Geschäftsbetrieb dauerhaft eingestellt oder die Insolvenz angemeldet habe. Dies gelte nach Nr. 3.5 Satz 4 auch, wenn ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit zwar nach dem 31. Dezember 2020, jedoch vor Auszahlung der Zuschüsse dauerhaft einstelle. Dies sei der Fall, da der Kläger seinen Geschäftsbetrieb ab dem 1. Januar 2021 dauerhaft eingestellt habe. Eine Förderung dürfe daher nicht mehr ausgezahlt werden. Die Ablehnung des Antrags entspreche daher der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag insoweit abzulehnen, denn Art. 7 BayHO (Bayer. Haushaltsordnung) verpflichte zur sorgfältigen Beachtung des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel.
5
Am 15. Februar 2021 ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
6
den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 20. Januar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die beantragte Überbrückungshilfe in Höhe von 2.611,44 Euro zu gewähren, hilfsweise dem Kläger einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
7
Zur Begründung ließ der Kläger sein Vorbringen aus dem Antragsverfahren vertiefen und betonen, die Hilfe diene der Deckung der Fixkosten bis zur Geschäftsaufgabe und sei daher ungeachtet eines Rechtsanspruchs jedenfalls wegen einer Ermessensreduzierung auf Null und des Gleichbehandlungsgebots zu gewähren.
8
Die Beklagte trat der Klage entgegen und beantragt,
9
Die Klage wird abgewiesen.
10
Sie verwies auf die Bescheidsbegründung und erläuterte, der Kläger sei nicht antragsberechtigt. Die Förderung solle die Existenz von Unternehmen sichern, was nicht mehr erreichbar sei, wenn das Unternehmen vor der Förderung aufgegeben worden sei. Antragsteller würden insoweit gleichbehandelt, wenn sie den Betrieb einstellten.
11
Die Beteiligten verzichteten mit Schreiben vom 11. Juli 2023 und vom 25. Juli 2023 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
12
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13
Die Klage, über welche auf Grund des allseitigen Verzichts der Beteiligten ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), erweist sich als zulässig, aber unbegründet.
14
I. Die Klage ist zulässig.
15
1. Die Klage ist statthaft als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO in Form der Versagungsgegenklage, hilfsweise Verbescheidungsklage gegen den ablehnenden Verwaltungsakt der Beklagten vom 20. Januar 2021.
16
2. Der Kläger ist klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, weil ein Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. der tatsächlichen Vergabepraxis auf willkürfreie Verbescheidung nicht von vornherein ausgeschlossen ist.
17
3. Die Klagefrist nach § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gewahrt. Gegen den Bescheid vom 20. Januar 2021 hat der Kläger am 15. Februar 2021 und damit jedenfalls vor Ablauf der einmonatigen Klagefrist Klage erhoben.
18
II. Die Klage ist unbegründet, weil die Versagung im Bescheid vom 20. Januar 2021 nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 VwGO), da insoweit kein Anspruch auf Gewährung oder Neuverbescheidung besteht.
19
1. Die Rechtmäßigkeit der Versagung im Bescheid vom 20. Januar 2021 richtet sich allein nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis. Maßgeblich dafür sind insbesondere die Richtlinien für die Gewährung von Hilfen sowie die FAQ (dazu VG Würzburg, U.v. 24.10.2022 – W 8 K 21.1263 – juris Rn. 28 ff. m.w.N.).
20
a) Die Förderrichtlinien stellen zwar keine Rechtsnormen dar, begründen aber als Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 und Art. 28 GG) Außenwirkung in der Gestalt, die sie durch die ständige Verwaltungspraxis gefunden haben (BayVGH, B.v. 3.5.2021 – 6 ZB 21.301 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6).
21
b) Die Beklagte hat zu Ihrer Förderpraxis entsprechend ihrer internen Vorgaben plausibel ausgeführt, dass Unternehmen nur antragsberechtigt sind, wenn sie nicht nach Nr. 3.5 Satz 1 der Richtlinie für die Überbrückungshilfe II die Förderung nicht gleichzeitig wieder zurückzuzahlen müssten, weil die Geschäftstätigkeit vor dem 31. Dezember 2020 dauerhaft eingestellt sei. Nach Nr. 3.5 Satz 2 dürfe die Bewilligungsstelle keine Überbrückungshilfe auszahlen, wenn sie Kenntnis davon habe, dass der Antragsteller seinen Geschäftsbetrieb dauerhaft eingestellt oder die Insolvenz angemeldet habe. Dies gelte nach Nr. 3.5 Satz 4 auch, wenn ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit zwar nach dem 31. Dezember 2020, jedoch vor Auszahlung der Zuschüsse dauerhaft einstelle, wie hier der Kläger ab dem 1. Januar 2021. Selbst eine gewährte Förderung dürfe nicht mehr ausgezahlt werden. Es entspreche daher der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag insoweit abzulehnen, denn Art. 7 BayHO (Bayer. Haushaltsordnung) verpflichte zur sorgfältigen Beachtung des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel. Auf diese richtlinienkonforme und ermessensgerechte Begründung verweist das Verwaltungsgericht (§ 117 Abs. 5 VwGO).
22
c) Ergänzend bedeutete eine Förderung im vorliegenden Fall von vornherein eine Zweckverfehlung und musste auch deswegen unterbleiben.
23
Nach Nr. 1 Satz 5 der Richtlinie für die Überbrückungshilfe II soll diese eine Liquiditätshilfe in Form der teilweisen Übernahme von betrieblichen Fixkosten sein und so zur Existenzsicherung der geförderten Unternehmen beitragen. Beides ist kumulativ Zweck der Förderung. Die dem Kläger entstandenen Fixkosten im Nachhinein zu fördern, obwohl sein Betrieb bereits nicht mehr existiert, verfehlte also den Zweck der Existenzsicherung. Hier ist das Kriterium der Betriebsfortführung ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal zwischen förderungswürdigen und nicht mehr zu fördernden Betrieben mit Blick auf Art. 3 GG.
24
2. Schließlich steht einem Anspruch des Klägers auch der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen, wenn er eine Förderung verlangt, die er sofort zurückzahlen müsste (dolo facit, qui agit, quod statim redditurus est).
25
Die beklagtenseitig angeführten Gründe sind daher sachgerecht und vertretbar, ein Überschreiten der Willkürgrenze ist nicht ersichtlich.
26
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.