Titel:
Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung in einem asylrechtlichen Verfahren
Normenketten:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1
AufenthG § 60 Abs. 4, Abs. 7
Leitsatz:
Die Frage, ob aufgrund der schlechten humanitären Bedingungen im Zielstaat der Abschiebung eine Gefahrenlage vorliegt die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK führen kann, lässt sich schon nicht abstrakt und losgelöst vom Einzelfall beantworten, weshalb die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung bei derartigen Fragen grundsätzlich ausscheidet (Anschluss an BVerwG BeckRS 2018, 20119). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschiebungsverbot, humanitäre Situation, unmenschliche und erniedrigende Behandlung, Zielstaat, grundsätzliche Bedeutung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 24.05.2023 – M 27 K 22.31024
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27944
Tenor
I. Die Anträge des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 24. Mai 2023 – M 27 K 22.31024 – werden abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Der Kläger ist jordanischer Staatsangehöriger und begehrt unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. April 2022 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Seine Klage hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 24. Mai 2023 abgewiesen. Mit seinen beiden von unterschiedlichen Bevollmächtigten erhobenen Anträgen auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg. Es liegen weder die im ersten Zulassungsantrag geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) noch ein mit dem zweiten Zulassungsantrag geltend gemachter Verfahrensfehler (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) vor.
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1. Die Rechtssache hat nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
5
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2023 – 15 ZB 23.30325 – juris Rn. 5). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
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Die Frage, „ob aufgrund der schlechten humanitären Bedingungen in Jordanien eine Gefahrenlage zu begründen ist, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK führen kann“, lässt sich schon nicht abstrakt und losgelöst vom Einzelfall beantworten. Vielmehr bedarf es der Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten des Sachverhalts (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 9 ff, 11; BayVGH, B.v. 14.12.2022 – 15 ZB 22.31271 – juris Rn. 4).
7
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auf die Begründung des angefochtenen Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. April 2022 Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG) und dessen Gründe zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht. In der Begründung dieses Bescheids wird ausführlich auf die (grundsätzlich schlechten) humanitären Verhältnisse in Jordanien eingegangen. Es seien aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger als volljähriger, junger, gesunder, sehr gut ausgebildeter und erwerbsfähiger Mann ohne Unterhaltslasten, der zudem mit familiärer Unterstützung rechnen könne, nicht in der Lage sein werde, sich eine existenzsichernde Grundlage zu schaffen (Bundesamts-Bescheid v. 12.4.2022, S. 9). Dem setzt die Zulassungsbegründung nichts Substantielles entgegen.
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Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier unter Bezugnahme auf den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 12. April 2022 gem. § 77 Abs. 3 AsylG – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, ist erforderlich, dass das Zulassungsvorbringen zumindest einen überprüfbaren Hinweis auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- oder Erkenntnisquellen enthält, die den Schluss zulassen, dass die aufgeworfene Frage einer unterschiedlichen Würdigung zugänglich ist und damit einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2022 – 15 ZB 22.30343 – juris Rn. 11). Der im Zulassungsvorbringen allgemein geschilderte schlechte wirtschaftliche Zustand Jordaniens entspricht dem im Bundesamts-Bescheid vom 12. April 2022 und der gerichtlichen Entscheidung vom 24. Mai 2023 zugrunde gelegten Erkenntnisstand und ist nicht geeignet, einen Klärungsbedarf im Berufungsverfahren aufzuzeigen.
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2. Es liegt auch kein Verfahrensmangel in Form des vom Kläger geltend gemachten Begründungsmangels gem. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO vor, weil das Verwaltungsgericht nicht auf den selbständigen Hilfsantrag des Klägers auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes eingegangen sei.
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Nach § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO müssen im Urteil die Gründe schriftlich niedergelegt werden, die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblich waren. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung vor diesem Hintergrund nur dann, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermitteln, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend waren, und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur der Fall, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart verworren oder unverständlich darstellen, dass sie unbrauchbar sind (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2013 – 1 B 8.13 – juris Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, B.v. 17.9.2021 – 9 ZB 21.31337 – juris Rn. 10).
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Einen derartigen Begründungsmangel zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG habe und von der einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, da es den Darstellungen und der Begründung des Bundesamts-Bescheids vom 12. April 2022 gefolgt ist (UA S. 5). Weitere Ausführungen erfolgten lediglich ergänzend. Dies entspricht § 77 Abs. 3 AsylG und ist nicht zu beanstanden; der vom Kläger behauptete Begründungsmangel liegt danach nicht vor.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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Mit der Ablehnung der Zulassungsanträge wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).