Inhalt

VGH München, Beschluss v. 28.09.2023 – 1 CS 23.979
Titel:

Unzulässige Beschwerde wegen Verfehlens der Darlegungsanforderungen

Normenkette:
VwGO § 146 Abs. 4 S. 3, S. 4
Leitsätze:
1. Das erstinstanzliche Vorbringen zu wiederholen, ohne auf die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung einzugehen, genügt den aus § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO folgenden Darlegungsanforderungen grundsätzlich ebenso wenig wie pauschale oder formelhafte Rügen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde ist nach § 57 Abs. 2 VwGO iVm § 224 Abs. 2 ZPO nicht möglich. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässige Beschwerde, Fehlende Darlegung, Eilrechtsschutz, Beschwerde, Zulässigkeit, Darlegungsanforderungen, tragende Erwägungen, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes, pauschale Rüge, formelhafte Rüge, Wiederholung erstinstanzlichen Vortrages, Fristverlängerung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 08.05.2023 – M 11 S 23.67
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27900

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 875 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragstellerin wurde mit Bescheid des Landratsamts vom 2. Oktober 2019 die beantragte Baugenehmigung für die energetische Sanierung und den Ausbau des Dachgeschosses erteilt. Der in den Bauvorlagen dargestellte Stellplatz 1 wurde entgegen der Verpflichtung im Baugenehmigungsbescheid (Auflage 57) nicht hergestellt, sondern ein „Nebengebäude“ errichtet. Mit Bescheid vom 17. Juni 2021 drohte die Behörde der Antragstellerin für den Fall, dass sie der Verpflichtung nicht bis spätestens 30. September 2021 nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro an. Das Zwangsgeld wurde nach einer weiteren formlosen Aufforderung am 2. September 2022 fällig gestellt und ein erhöhtes Zwangsgeld in Höhe von 1.500 Euro angedroht. Dagegen wendet sich die Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren.
2
Den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. Mai 2023 ab. Der Antrag sei in Bezug auf die gerügte Fälligstellung des Zwangsgeldes bereits nicht statthaft. Der zulässige Antrag gegen die erneute Androhung eines Zwangsgeldes sei unbegründet. Ein vollstreckbarer Grundverwaltungsakt liege mit der bestandskräftigen Auflage des Baugenehmigungsbescheides vom 2. Oktober 2019 vor. Bei der Herstellung eines Stellplatzes handle es sich auch nicht um eine höchstpersönliche und nur von der Antragstellerin zu erbringende Leistung, sondern um eine vertretbare Handlung, die auch ein Dritter, insbesondere eine damit beauftragte Firma erbringen könne. Die rechtlichen Voraussetzungen für die weitere Zwangsgeldandrohung lägen vor, insbesondere verstoße diese angesichts der schweren psychischen Erkrankung der Antragstellerin nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Willkürverbot. Bei der vorgetragenen dramatischen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin bei Entfernung des Holzverschlages handle es sich um bislang völlig unbelegte Vermutungen der Betreuerin und des Bevollmächtigten der Antragstellerin. Es könne daher dahinstehen, ob der vorgetragene Krankheitszustand ein geeigneter Gesichtspunkt wäre, um von der vorliegenden Stellplatzauflage abzuweichen.
3
Am letzten Tag der Begründungsfrist für die fristgerecht eingelegte Beschwerde (gegen 22:00 Uhr) stellte der Bevollmächtigte der Antragstellerin einen Fristverlängerungsantrag und verwies zur Begründung des Fristverlängerungsantrages auf die Schilderung des Sachverhalts in seiner Klagebegründung sowie das dort vorgelegte medizinische Gutachten. Die Antragstellerin habe nach dem Tod ihrer Mutter eine schwerwiegende paranoide Psychose entwickelt und den Holzverschlag und den Holzzaun in ihrer panischen Angst, sich gegen das Eindringen von Terroristen in ihr Haus schützen zu müssen, errichtet. Es fehle für die Erfüllung der Auflage 57 zum Baugenehmigungsbescheid, die nur zu dem Zweck erlassen worden sei, den Bewohnern des Hauses mit mehreren Fahrzeugen Rechnung zu tragen, der notwendige legitime Zweck.
4
Der Antragsgegner macht geltend, dass mit der Beschwerde die Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO klar verfehlt würden, sodass diese zu verwerfen sei.
5
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
6
Die Beschwerde ist nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt.
7
Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Begründung der Beschwerde einem bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Sie muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb diese aus Sicht des Beschwerdeführers nicht tragfähig sind. Das erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Das erstinstanzliche Vorbringen zu wiederholen, ohne auf die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung einzugehen, reicht grundsätzlich ebenso wenig wie pauschale oder formelhafte Rügen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.11.2022 – 1 CS 22.2150 – juris Rn. 3; B.v. 14.12.2017 – 1 CS 17.2072 – juris Rn. 3; B.v. 17.7.2013 – 15 CS 13.800 – juris Rn. 10).
8
Diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz vom 26. Juni 2023 nicht. Dabei würdigt der Senat das Vorbringen zum Fristverlängerungsantrag als sachliches Vorbringen. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin wurde bereits am 27. Juni 2023 darauf hingewiesen, dass eine Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde nach § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 224 Abs. 2 ZPO nicht möglich ist; eine Reaktion darauf erfolgte nicht. Weder der Verweis auf den Vortrag in der Klagebegründung mit den vorgelegten Unterlagen noch die Kurzschilderung des Sachverhalts und der rechtlichen Argumentation aus dem Klagevortrag genügen den Darlegungsanforderungen. Eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts fehlt vollständig. Soweit weiterhin vorgetragen wird, dass die Antragstellerin den Holzverschlag in ihrer panischen Angst, sich gegen das Eindringen von Terroristen in ihr Haus schützen zu müssen, errichtet habe, steht dies im Übrigen in Widerspruch zu ihrem eigenen Vortrag (Schreiben an das Landratsamt vom 28.12.2020), wonach sie den Stellplatz temporär als Lagerplatz nutze, da ihre Lagerkapazitäten überschritten seien.
9
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
10
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).