Titel:
Versagung der Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels für einen tunesischen Staatsangehörigen, der seit ca. 25 Jahren in Deutschland lebt, überwiegend auf der Grundlage von Fiktionsbescheinigungen
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5
AufenthG § 8 Abs. 1, Abs. 2, § 25 Abs. 4 S. 2, Abs. 5, § 31, § 81 Abs. 4
EMRK Art. 8 Abs. 1
Leitsätze:
1. § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG ist eine eigenständige Regelung, die unabhängig von § 25 Abs. 4 S. 1 AufenthG anzuwenden ist. Sie erlaubt auch bei Vorliegen von Fiktionsbescheinigungen die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem längerfristigen Aufenthalt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Anwendung der allgemeinen Härtefallklausel des § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG ist zu beachten, dass die speziellen Härtefallregelungen des AufenthG nicht unterlaufen werden dürfen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine außergewöhnliche Härte iSd § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG liegt nicht in wirtschaftlichen Nachteilen, die ein Ausländer bei seiner Rückkehr in sein Heimatland hinzunehmen hat. Gleiches gilt für den in seinem Heimatland bestehenden niedrigeren Lebensstandard. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Recht auf Privatleben, Aufenthaltstitel, Fiktionsbescheinigung, langjähriger Aufenthalt, Umstände des Einzelfalles, außergewöhnliche Härte, Einverständnis des Gastlandes, fehlende Verwurzelung, wirtschaftliche Integration, Zumutbarkeit der Rückkehr in Heimatland, rechtliche Hindernisse
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 13.04.2022 – AN 5 K 19.01929
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2789
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
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Der am ... März 1972 geborene Kläger, ein tunesischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. April 2022, durch das seine Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27. September 2019 abgewiesen worden ist. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte die Erteilung und Verlängerung eines Aufenthaltstitels abgelehnt (Nr. I), den Kläger unter Verweis auf die vollziehbare Ausreisepflicht aufgefordert, das Bundesgebiet bis spätestens 27. Oktober 2019 zu verlassen (Nr. II), ihm für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung insbesondere nach Tunesien angedroht (Nr. III) und für den Fall der Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Dauer von drei Jahren angeordnet (Nr. IV).
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Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Die geltend gemachten Zulassungsgründe, deren Beurteilung sich grundsätzlich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts richtet (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), sodass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7), liegen nicht vor.
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1. Die Berufung des Klägers ist nicht aufgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerseite im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein. Jedoch schlagen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9).
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Der Werdegang des Klägers stellt sich (soweit ersichtlich und zusammengefasst) wie folgt dar:
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Ersichtlich am 20. Oktober 1994 (also mit 22 Jahren) reiste der Kläger erstmals in das Bundesgebiet ein (gem. seinen Angaben Aufenthaltszweck „Besuch“, erlernter Beruf „Bäcker“). Ersichtlich verließ der Kläger sodann die Bundesrepublik im November 1994, um am 14. Februar 1997 erneut einzureisen zu dem Zweck, eine am ... Februar 1956 geborene deutsche Staatsangehörige (Mutter von drei Kindern aus früheren Beziehungen) zu heiraten. Die Eheschließung fand am 13. Juni 1997 statt (Scheidung 25. November 2004). Die damalige Ehefrau des Klägers erklärte unter dem 8. Mai 1998 mit Anwaltsschreiben, sie habe sich endgültig zur Trennung entschieden. Unter anderem habe der Kläger die Küchentür unter erheblichem Alkoholeinfluss eingetreten, er habe versucht die Ehefrau zu schlagen, er habe sie beleidigt, er habe sie bezichtigt, mit anderen Männern sexuelle Kontakte zu unterhalten. Die Rechtsanwältin der damaligen Ehefrau des Klägers erklärte, der Kläger beabsichtige bis ca. 15. Mai 1998 bei einem Freund zu wohnen, dann nach Tunesien zurückzukehren. Die Beklagte stellte daraufhin unter dem 12. Mai 1998 fest, der Kläger lebe seit 5. Mai 1998 getrennt, habe kein eigenständiges Aufenthaltsrecht, eine Aufenthaltserlaubnis werde nicht verlängert. Die damalige Ehefrau erklärte daraufhin gegenüber der Beklagten unter dem 29. Juni 1998, sie komme nicht mehr für den Unterhalt des Klägers auf, da dieser sich beim Sozialamt gemeldet habe, schon in der Ehe Sozialhilfe bezogen habe und Geld ihrer (der Ehefrau) Kinder unterschlagen habe. Am 17. August 1998 stellte die Beklagte dann den Wegzug des Klägers ins Ausland fest. Am 9. November 1998 beantragte der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis mit der Angabe, er bestreite seinen Lebensunterhalt aus Zeitarbeit als Helfer oder Bäcker. Unter demselben Datum erklärten der Kläger und seine damalige Ehefrau, sie seien wieder zusammen, führten wieder gemeinsam eine Ehe. Am 20. September 1999 erklärte der Kläger in einem Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung gegenüber der Beklagten, er habe eine unbefristete Arbeitserlaubnis als Buchbinderhelfer. Vorgelegt wurde eine Bestätigung einer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassungsfirma. Am 8. Mai 2000 erklärte die damalige Ehefrau des Klägers gegenüber der Beklagten, der Kläger halte sich bei ihr seit 15 Wochen nicht mehr auf. Sein Aufenthalt sei ihr nicht bekannt. Sie wolle sich von ihrem Mann trennen. Er mache Schulden und zahle ihr keinen Unterhalt. Eine Bürgschaft werde sie für ihn nicht mehr übernehmen. Sie beende hiermit die Bürgschaft. Sie werde die Scheidung beantragen. Sie wisse, dass „mein Heirate nur um die Aufenthaltserlaubnis zu bekommen“. Unter dem 25. September 2001 ermittelte die Beklagte, dass der Kläger Vater eines am ... März 2001 geborenen Kindes mit deutscher Staatsangehörigkeit sein könne. Weitere Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass der Kläger bezüglich dieses Kindes (ein Sohn mit Namen N.) seiner Unterhaltsverpflichtung trotz mehrfacher Aufforderung nicht nachgekommen sei. Es bestehe derzeit ein Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.155,00 DM. Zudem sei der laufende Unterhalt zum 1. eines jeden Monats in Höhe von 231,00 DM fällig. Nach Mitteilung der Mutter (Frau Da.) habe der Kläger letztmals im Juni 2001 Unterhaltszahlungen geleistet. Der Kläger habe die Vaterschaft anerkannt. Die Mutter des Kindes erklärte unter dem 13. November 2001 gegenüber der Beklagten, der letzte Besuch des Klägers habe am 30. September 2001 stattgefunden, zuvor (kurze) Besuche, er habe sich am 17. Juli bei ihr abgemeldet. Nach Ermittlungen der Beklagten stellte diese fest, dass der Umgang mit dem Kind nicht funktioniere, dies werde von der Kindsmutter mit der Unzuverlässigkeit des Klägers begründet, vom Kläger hingegen mit der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Kindsmutter (Ermittlungen Jugendamt). Die Beklagte stellte unter dem 21. November 2001 fest, dass sowohl die Kindsmutter als auch das Kind laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezögen, der Kläger keinen Kindsunterhalt zahle. Am 6. Mai 2002 beantragte der Kläger eine Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung. Er lebe seit drei Jahren getrennt von seiner Ehefrau. Zweck des weiteren Aufenthalts: „Arbeiten und wegen mein Kind solange wie möglich“. Auf Frage, aus welchen Mitteln der Lebensunterhalt bestritten werde: „Arbeitslosengeld“. Am 29. Mai 2002 erklärte die Kindsmutter gegenüber der Beklagten, es bestehe kein Kontakt zwischen dem Kläger und dem Kind. Er übe keine Sorge aus, es gebe keine Besuche (auch keinen Unterhalt, keine Unterstützung, keine Geschenke für das Kind). Nicht einmal zum Geburtstag des Kindes habe er sich gemeldet oder etwas geschenkt. Es bestehe keine Verbindung noch irgendwie ein anderes Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Kind. Unter dem 25. Juni 2002 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger kein Sorgerecht für das Kind habe. Unter dem 25. Juni 2002 stellte der Allgemeine Sozialdienst der Beklagten u. a. fest, die Kindsmutter habe mitgeteilt, sie sei mit der Erziehung des Kindes auf sich allein gestellt, auch eine wirtschaftliche Unterstützung sei nicht gegeben, der Kläger komme seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nach. Der Kläger habe hingegen mitgeteilt, er ziehe es vor, den Kontakt zur Kindsmutter zu vermeiden, da diese ihn mit Vorwürfen bezüglich seiner Unterhaltspflicht, seiner Erziehungsverantwortung und allem, was er sonst nicht schaffe, überschütte. Obwohl das Interesse an seinem Kind durchaus gegeben sei und er die Mutter und das Kind liebe, werde es ihm seiner Meinung nach durch das Auftreten der Mutter unmöglich gemacht, das Kind regelmäßig zu sehen. Der unterzeichnende Sozialpädagoge schlug vor, der Kläger und die Kindsmutter sollten eine Beratungsstelle aufsuchen. Auch für die Folgezeit ergaben die Ermittlungen der Beklagten, dass Unterhalt nicht gezahlt werde. Der Rückstand für den Zeitraum 1. Januar 2002 bis 31. Mai 2002 betrage 1.263,65 EUR. Einem Aktenvermerk der Beklagten vom 26. Juni 2002 (Blatt 115 der Ausländerakten) ist zu entnehmen, dass einem Antrag des Klägers vom 6. Mai 2002 auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis aufgrund der Unterhaltsrückstände und des daraus begründeten Ausweisungsgrundes gem. § 46 Nr. 6 AuslG nicht entsprochen werden könne. Dem Kläger sei im Rahmen einer Vorladung zu eröffnen, dass er nur mit einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis rechnen könne, wenn er gemeinsam mit der Kindsmutter eine Beratungsstelle aufsuche, um eine aktive Vater-Kind-Beziehung aufzubauen. Der Zeitraum solle sechs Monate nicht überschreiten. Unter dem 31. Juli 2002 nahm der Kläger den Antrag auf unbefristete Aufenthaltserlaubnis zurück und beantragte eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Unter dem 23. Oktober 2002 kündigte die Arbeitnehmerüberlassungsfirma das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 6. November 2002, da dessen Aufenthaltsgenehmigung an diesem Tag ende. Gemäß den Ermittlungen der Beklagten (im Hinblick auf die gesetzte 6-Monats-Frist) stellte diese unter dem 12. November 2002 fest, dass der Kläger (trotz Aufforderungen) keine Unterhaltszahlungen leistet. Der Behördenakte (Blatt 130) ist die Einzahlung von 100,00 EUR an die Beklagte unter dem 18. November 2002 zu entnehmen. Weitere 100,00 EUR (Blatt 133 der Ausländerakte) wurden ersichtlich am 16. Dezember 2002 geleistet. Das Jugendamt äußerte sich auch nach Ablauf der 6-Monats-Frist in der Folgezeit trotz vielfacher Anfragen des Ausländeramtes nicht zu einer Vater-Kind-Beziehung betreffend Kläger und Sohn. Am 28. November 2002 nahm die Polizei den Kläger aufgrund von Alkoholgenuss in Gewahrsam und fand in seinem Rucksack zwei kleine Brocken Haschisch (in Folie verpackt). Der Kläger gab gem. polizeilicher Vernehmung an, dass das Haschisch ihm gehöre und ihm von einer namentlich unbekannten Person geschenkt worden sei. Mehr wolle er zur Sache nicht sagen. Wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz erfolgte eine Vorlage an die Staatsanwaltschaft. Im Rahmen der Vernehmung gab der Kläger an, er habe die Schulbildung „Grund-/Hauptschule“ und verdiene als Drucker ca. 800,00 EUR bis 900,00 EUR netto. Den Namen des Kumpels, von dem er das Haschisch geschenkt bekommen habe, kenne er nicht. In einem Schreiben ohne Datum erklärte der Sozialdienst der Beklagten als Antwort auf ein Schreiben des Ausländeramtes vom 23. Januar 2003 gegenüber diesem, die Kindsmutter habe berichtet, dass sich der Kläger seit dem letzten gemeinsamen Gespräch im Juni 2002 nicht mehr gemeldet habe. Er zahle weder Unterhalt für sein Kind noch nehme er ein Umgangsrecht wahr. Er zeige kein Interesse am Aufbau einer Vater-Kind-Beziehung. Dies sei laut Kindsmutter trotz vielfältiger Bemühungen von Ihrer Seite schon immer so gewesen. Unter dem 18. März 2003 stellte die Beklagte fest, dass sowohl die Kindsmutter als auch der Sohn nach wie vor Sozialhilfe zum Lebensunterhalt bezögen. Unter dem 28. März 2003 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung verbunden mit Ausreiseaufforderung/Abschiebungsandrohung an. Unter dem 30. Mai 2003 erklärte der Kläger, er wolle die deutsche Staatsangehörige H. (nach eigener Scheidung und Scheidung der Frau H. von den bisherigen Eheleuten) heiraten. Unter dem 27. Mai 2003 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, u. a., er verfüge über kein Einkommen, er beziehe weder Einkünfte vom Arbeitsamt, noch vom Sozialamt, deshalb könne er auch keinen Unterhalt (an die Kindsmutter Da. und den gemeinsamen Sohn) leisten. Er sei arbeitssuchend, seine Lebensgefährtin H. berufstätig. Nach Aufnahme einer Arbeit werde die Unterhaltszahlung natürlich regelmäßig durch ihn vorgenommen werden. Am 12. Juni 2003 legte der Kläger der Beklagten einen Arbeitsvertrag mit einer Zeitarbeitsfirma vom 6. Juni 2003 betreffend eine Tätigkeit als „Helfer“ vor. Unter dem 3. Juni 2003 bestätigte die Kindsmutter Da. der Beklagten erneut, dass der Kläger sich niemals bemüht habe und auch keinen Kontakt geschweige denn ein Verhältnis zu dem Kind habe oder haben wollte. Er habe kein einziges Mal angerufen und nach dem Sohn gefragt oder habe ihn sehen wollen. Es sei gelogen, dass er den Sohn sehen wolle und sie es nicht erlaube. „Keinerlei Kontakt auch an Geburtstagen oder Weihnachten“. Unter dem 19. Juli 2003 wandte sich die Beklagte an den Rechtsanwalt des Klägers mit der Bitte um Vorlage von Unterlagen zum Zwecke, über den weiteren Aufenthalt des Mandanten entscheiden zu können. Es werde geprüft, ob eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden könne. Gemäß eingeholter Auskunft aus dem Zentralregister wurde der Kläger durch das Amtsgericht N. unter dem 31. Oktober 2001, rechtskräftig seit 21. November 2001 (Strafbefehl) wegen Leistungserschleichung in drei Fällen zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 50,00 DM verurteilt. Unter dem 7. August 2003 wurde der Kläger betreffend eine „befristete Aufenthaltserlaubnis“ durch die Beklagte sicherheitsrechtlich befragt. Mit Verfügung vom 27. Januar 2003 sah die Staatsanwaltschaft N.-F. wegen des von der Polizei übermittelten Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz von der Verfolgung gem. § 31a Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz ab (offenbar nur zum gelegentlichen Eigenverbrauch vorgesehen; keine Anhaltspunkte für eine Fremdgefährdung; Schuld als gering anzusehen; öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe nicht). Unter dem 5. August 2003 bestätigte die Zeitarbeitsfirma des Klägers, dass dieser sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befinde, durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen ca. 600,00 EUR, Probezeitende am 10. Dezember 2003. Einer Bezügeabrechnung vom 4. Juli 2003 ist ein Nettobezug von 420,89 EUR, für Juli 2003 von 436,85 EUR zu entnehmen. Unter dem 12. März 2004 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, er gehe derzeit keiner Erwerbstätigkeit nach. Er sei arbeitssuchend. Unter dem 14. Mai 2004 erklärte das Sozialamt der Beklagten dem Ausländeramt der Beklagten, seit 1. Mai 2004 bezögen Frau Da. und ihr Sohn keine laufende Sozialhilfe mehr. Unter dem 3. Juni 2004 hörte die Beklagte den Kläger erneut zur beabsichtigten Ablehnung der Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung sowie zu einer Ausreiseaufforderung/Abschiebungsandrohung an. Dieser ließ daraufhin unter dem 8. Juni 2004 erklären, die Eheschließung mit Frau H. solle stattfinden, sobald die Scheidung des Klägers, welche nunmehr bereits beinahe vier Jahre in Bearbeitung sei, vollzogen sei. Unabhängig davon stehe der Kläger seit 25. Mai 2004 in einem Beschäftigungsverhältnis (Vorlage eines Arbeitsvertrages mit einer Zeitarbeitsfirma; Angabe einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden bei einem Bruttostundenlohn von 6,01 EUR). Nach Ermittlungen der Beklagten zog der Kläger sodann ab 1. Juni 2005 ins Ausland weg. Unter dem 7. September 2005 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, er wolle nach seiner Scheidung Frau De. heiraten. Angegeben wurde eine Adresse in N. Unter dem 3. Mai 2006 übermittelte die Polizei der Beklagten einen strafrechtlichen Vorgang (Diebstahl eines Handys) vom 12. März 2006, Beschuldigter der Kläger, Bestohlene Frau L. Dieser erklärte bei seiner Beschuldigtenvernehmung, er lebe derzeit vom Einkommen seiner Freundin. Er sei zurzeit auf Arbeitssuche. Er habe das Handy nicht gestohlen. In der vorgelegten Akte befindet sich sodann ein Arbeitsvertrag betreffend den Kläger mit einer Leiharbeitsfirma vom Mai 2006, für eine Tätigkeit als Reinigungskraft. Die Firma bestätigte am 6. Juli 2006 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen für Mai 2006 von 546,78 EUR. Unter dem 7. Juni 2006 wurde der Kläger durch das Amtsgericht N. rechtskräftig seit 13. Juli 2006 wegen des Handydiebstahls zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen von je 20,00 EUR verurteilt. Einem Aktenvermerk der Beklagten ist zu entnehmen, dass der Kläger sodann ab 2. Februar 2007 bei einer anderen Zeitarbeitsfirma beschäftigt wurde (Tätigkeit als Hilfsarbeiter, behauptetes monatliches Nettoeinkommen ca. 800,00 EUR). Am 29. August 2007 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, er könne keine Nachweise über Unterhaltszahlungen betreffend den Sohn vorlegen. Unter dem 15. November 2007 erklärte daraufhin die Beklagte gegenüber dem Kläger u. a., sollte er nunmehr bis Ende November 2007 nicht nachweisen, dass er den Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig nachgekommen sei bzw. die Eheschließung mit einer wie behauptet deutschen Staatsangehörigen erfolgt sei, müsse sein Aufenthalt im Bundesgebiet beendet werden. Er habe mehr als ausreichend Gelegenheit gehabt, seine Angelegenheiten zu regeln und den Aufenthalt dadurch zu sichern. Unter dem 19. November 2007 benannte die Zeitarbeitsfirma des Klägers ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen für diesen in Höhe von ca. 900,00 EUR für eine Tätigkeit als Helfer seit dem 2. Juli 2007. Unter dem 6. Dezember 2007 kündigte diese Zeitarbeitsfirma sodann das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 15. Januar 2008. In den Ausländerakten befindet sich ein weiterer Arbeitsvertrag mit einer wiederum anderen Zeitarbeitsfirma betreffend den Kläger, vorgelegt am 22. Februar 2008, die Unterschrift des Klägers fehlt. Diese Firma bestätigte am 15. Mai 2008 für eine Tätigkeit als Helfer ab 21. Februar 2008 ein monatliches Nettoeinkommen von 875,45 EUR. Unter dem 18. September 2008 wurde ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.000,00 EUR bestätigt. Unter dem 31. Oktober 2008 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, er würde schon gerne Umgang mit dem Sohn haben, dies verhindere die Mutter. Er wolle versuchen, den bisher sicherlich auch von seiner Seite vernachlässigten Umgang mit seinem Sohn wiederherzustellen bzw. zu vertiefen, wisse jedoch nicht, ob seitens der Mutter nicht weiterhin versucht werde, dies zu verhindern. Unter dem 13. März 2009 stellte die Beklagte (Aktenvermerk) fest, Frau Da. und der Kläger hätten sich geeinigt, dass seitens der Mutter des Kindes der Umgang wieder gestattet werde und jetzt regelmäßig erfolgen solle. Auf Anfrage der Beklagten verneinte Frau Da. sodann unter dem 28. Mai 2009 einen Umgang des Klägers mit dem Sohn, zwei vereinbarte Termine habe er abgesagt, seitdem „nix, nix, nix“. Sie denke, dass er das Theater (Vater (Erzeuger)-Sohn-Beziehung) nur benutze, um sein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Er habe 1.000 Chancen gehabt, wenn er es gewollt hätte. Er habe für seinen Sohn noch nie was getan, Interesse gezeigt oder seine Versprechen gehalten. Am 22. Mai 2009 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, er habe im letzten halben Jahr keinen Kontakt zu seinem Sohn gehabt, er zahle regelmäßig Unterhalt für diesen. Unter dem 14. Juli 2009 übermittelte die Staatsanwaltschaft N.-F. der Beklagten einen Strafbefehlsantrag gegen den Kläger (Beruf: arbeitslos) betreffend den Diebstahl eines Mobilfunktelefons am 4. April 2009 in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 15,00 EUR. Der Strafbefehl des Amtsgerichts F. vom 15. Juni 2009 wurde am 3. Juli 2009 rechtskräftig. In der vorgelegten Behördenakte befindet sich eine Bezügeabrechnung für Dezember 2009 betreffend den Kläger, Netto-Auszahlungsbetrag 378,07 EUR ausgehend von einem Bruttobetrag von 1.179,45 EUR. Für November 2009 betrug der Auszahlungsbetrag 230,12 EUR (Nettoverdienst 1.005,12 EUR, „Abschlag“ 775,00 EUR). Unter dem 7. Februar 2010 bestätigte die Zeitarbeitsfirma einen Stundenlohn von 7,38 EUR bei einer monatlichen Arbeitszeit von 151,67 Stunden betreffend eine Tätigkeit als Helfer. Vorgelegt wurde eine Abrechnung für Februar 2010, Nettoverdienst 921,91 EUR, Auszahlungsbetrag 481,91 EUR. In der Akte befindet sich ein Dauerauftrag des Klägers an das Jugendamt, Ausführung erstmalig am 20. April 2010, Höhe 120,00 EUR, Unterhalt. Eine Unterschrift trägt der Dauerauftrag nicht. Ein weiterer Dauerauftrag nennt als erstmaliges Ausführungsdatum den 20. Mai 2009. Unter dem 21. April 2010 bestätigte Frau Da., dass der Kläger zu ihr Kontakt aufgenommen habe, am 27. März 2010 seinen Sohn (9 Jahre) gesehen habe, der Kontakt bleibe bestehen, solange er ihn nicht wieder einfach abbreche. Am 22. April 2010 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zur Niederschrift, er habe nun wieder regelmäßig Kontakt zu seinem Sohn. Er sehe seinen Sohn ca. alle drei Wochen. Seinen Unterhaltsverpflichtungen komme er – seitdem er wieder Arbeit habe – auch regelmäßig nach. Einem Aktenvermerk der Beklagten vom 26. Mai 2010 ist zu entnehmen, dass Frau Da. angerufen habe. Der Kontakt zwischen Vater und Sohn sei zwischenzeitlich wieder „eingeschlafen“. Der Kläger habe sich seit ca. vier Wochen weder bei ihr noch bei seinem Sohn gemeldet. Frau Da. vermute weiterhin, dass der Kläger sich – wenn überhaupt – nur solange bemühe, Kontakt zu halten, bis er einen gesicherten Aufenthalt habe. Gemäß Aktenvermerk der Beklagten vom 16. Juli 2010 erklärte der Kläger, ihm sei Ende Juli 2010 gekündigt worden. Es finde unregelmäßig Kontakt zu seinem Sohn statt. Er bemühe sich um eine Einigung. In der Behördenakte befindet sich ein Arbeitsvertrag des Klägers mit einer wiederum anderen Zeitarbeitsfirma (befristetes Arbeitsverhältnis vom 20.9.2010 bis 15.10.2010 als Helfer). Gemäß Aktenvermerk der Beklagten vom 10. Januar 2011 habe die Beklagte über einen 2002 gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für den Kläger bislang nicht abschließend entschieden. Eine tatsächliche Aufenthaltsbeendigung sei wohl nicht (mehr) möglich. Dies würde nicht dem Wohl des Kindes entsprechen und wäre mit Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK nicht vereinbar. Dieser Aktenvermerk wurde dem Kläger nicht bekannt gemacht. Unter dem 4. April 2011 bestätigte eine Zeitarbeitsfirma (für die der Kläger bereits früher tätig war), dass der Kläger seit dem 22. März 2011 bei ihr in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehe. Unter dem 26. März „2001“ (gemeint 2011) beantragte der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis „wegen meines deutschen Kindes“. Unter dem 30. Januar 2012 forderte die Beklagte den Kläger auf, wegen der von ihm als Aufenthaltsgrund geltend gemachten schützenswerten Eltern-Kind-Beziehung zu seinem am ... März 2001 geborenen Sohn Nachweise zu erbringen. Eine Frist wurde nicht gesetzt. Unter dem 20. Februar 2012 beantragte der Kläger die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 81 Abs. 1 AufenthG. Unter dem 16. Februar 2012 bestätigte ein Personaldienstleister, dass der Kläger bei einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 1.110,01 EUR bei ihm als Buchbinderhelfer seit 4. August 2011 beschäftigt sei. Das Jugendamt der Beklagten erklärte gegenüber dem Kläger zur Vorlage beim Ausländeramt unter dem 21. Februar 2012, dass der Kindsvater seiner Unterhaltsverpflichtung nicht regelmäßig nachkomme. Gemäß beigelegter Rückstandsberechnung betrage der Rückstand 23.563,02 EUR. Unter dem 28. März 2012 schlug die Beklagte in einem Aktenvermerk die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an den Kläger vor, führte aber gleichzeitig aus, die Bemühungen des Klägers, den Umgang mit seinem Kind zu verfestigen und zu verstärken würden nicht als ausreichend und beständig erscheinen, dass eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden könne. Dieser Vermerk wurde dem Kläger nicht bekanntgegeben. In der Behördenakte folgt sodann ein Bearbeitungsblatt im Hinblick auf weitere nötige Ermittlungen. Unter dem 3. Mai 2012 forderte die Beklagte sodann den Kläger auf, Nachweise über die Erfüllung seiner Unterhaltspflichten zu erbringen. In der Behördenakte befindet sich weiter eine Verdienstabrechnung betreffend den Kläger für Januar 2012 von einem Personaldienstleister, Nettobezug 884,79 EUR, Auszahlungsbetrag 386,08 EUR (nach Abzug eines Abschlags für einbehaltenen Vorschuss). Für Februar beträgt der Auszahlungsbetrag 413,48 EUR, für März 342,52 EUR. Unter dem 10. Mai 2012 erklärte das Jugendamt der Beklagten gegenüber dem Kläger (zur Vorlage beim Ausländeramt), er komme seiner Unterhaltsverpflichtung nicht regelmäßig nach. Die letzte Zahlung sei im Dezember 2010 eingegangen. In der Behördenakte befinden sich vom Kläger nicht unterschriebene Daueraufträge an das Jugendamt über einen monatlichen Betrag von 120,00 EUR vom 26. Juni 2012 sowie vom 16. August 2012. Eine Verdienstabrechnung eines Personaldienstleisters für Juni 2012 benennt einen Auszahlungsbetrag an den Kläger von 460,00 EUR, für Mai 2012 von 160,00 EUR. Unter dem 2. Juli 2012 kündigte der Personaldienstleister das „Mini-Jobarbeitsverhältnis“ mit dem Kläger zum 9. Juli 2012 innerhalb der Probezeit. Der vorgelegten Behördenakte ist zu entnehmen, dass dem Kläger am 4. April 2011 eine bis 3. April 2012 gültige Aufenthaltserlaubnis gem. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 2 AufenthG erteilt wurde, sodann verlängert ab 20. November 2012 gültig bis 19. November 2013. Einem Aktenvermerk vom 17. April 2014 ist zu entnehmen, der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis sei zurückgenommen worden. Eine schützenswerte Vater-Kind-Beziehung sei nicht ersichtlich. Es werde vorgeschlagen, die mögliche Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aufgrund des deutschen Kindes abzulehnen, da auch kein anderer Aufenthaltszweck ersichtlich sei. Am 9. Mail 2014 beantragte der Kläger die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 81 Abs. 1 AufenthG. Der Aufenthaltszweck habe sich nicht geändert. Unter dem 13. Mai 2014 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Ablehnung des Antrags auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis und zur beabsichtigten Ausreiseaufforderung/Abschiebungsandrohung an. Ihm sei im Zeitraum April 2011 bis April 2012, verlängert von November 2012 bis November 2013 eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Alleiniger Aufenthaltszweck sei die Vaterschaft zu dem im Jahr 2001 geborenen Kind gewesen. Der Umgang mit diesem Kind sei in den vergangenen Jahren nicht problemlos gewesen. Eine Stellungnahme des Jugendamtes vom 29. November 2013 komme zu dem Schluss, dass zwischen dem Kläger und dem Sohn offensichtlich keine nennenswerten Kontakte bestünden und wenn doch, diese sich eher negativ gestalten würden. Auch habe der Kläger offensichtlich auf die Entwicklung des Sohnes wenig bis keinen Einfluss. Im Übrigen habe er noch Unterhaltsrückstände von über 25.000,00 EUR (Stand November 2013). Nachdem somit eine schützenswerte Vater-Kind-Beziehung erkennbar nicht vorliege, könne der Aufenthalt im Bundesgebiet, da dies der alleinige weitere Aufenthaltszweck gewesen sei, nicht weiter hingenommen werden. Es sei dem Kläger, obwohl er über Jahre hinweg die Möglichkeit dazu gehabt habe, nicht gelungen, mit dem Sohn in regelmäßigem Kontakt zu stehen und sich um diesen auch zu kümmern. Der Kläger ließ daraufhin unter dem 14. Juli 2014 gegenüber der Beklagten erklären, er habe eine enge Beziehung zu seinem Sohn. Er sei seit bereits 17 Jahren im Bundesgebiet. Er arbeite seit vielen Jahren und verdiene so seinen Lebensunterhalt selbst. Darüber hinaus sei er mit der deutschen Staatsangehörigen De. verlobt. Die Eheschließung solle sobald als möglich erfolgen. Mit Frau De. lebe der Kläger bereits seit vielen Jahren zusammen. Eine Aufenthaltsbeendigung stelle sowohl für den Kläger sowie für Frau De. eine unzumutbare und unmenschliche Härte dar. Nachdem das Ausländeramt der Beklagten diese Schreiben zum Anlass genommen hatte, erneut eine Stellungnahme des Jugendamtes zum Umgang des Klägers mit seinem Sohn einzuholen, erklärte dieses, Frau Da. und ihr Sohn seien im September 2014 nach Norddeutschland verzogen. Der angefragte Fachdienst Soziale Dienste des Kreises O. (in Schleswig-Holstein) erklärte sodann unter dem 30. Oktober 2014, es habe ein Gespräch mit Frau Da. und dem Sohn stattgefunden. Die familiäre Situation und die Verbindung miteinander scheine sich nicht wesentlich verändert zu haben seit dem Bericht des Jugendamtes der Beklagten vom 29. November 2013. Kontakte würden nicht regelmäßig wahrgenommen und eine aktive Beteiligung des Vaters an der Erziehung lasse sich aus den Schilderungen nicht ableiten. In den vorgelegten Behördenakten ist ein weiterer Dauerauftrag des Klägers an das Jugendamt vom 15. April 2015 (Höhe 120,00 EUR) zu entnehmen. Der Behördenakte ist weiter eine Bestätigung einer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung vom 8. Oktober 2015 an den Kläger zu entnehmen, dass dieser seit dem 29. Oktober 2014 unbefristet dort als Buchbinderhelfer tätig sei. Auf weitere Anfrage erklärte der Fachdienst Soziale Dienste des Kreises O. unter dem 15. Februar 2016 gegenüber der Beklagten, seit der Berichterstattung vom 30. Oktober 2014 habe sich die Lebenssituation von Mutter und Sohn wie auch das Verhältnis von Vater und Sohn nicht wesentlich verändert. Die vor knapp 1 ½ Jahren getroffenen Aussagen hätten weiter Bestand. Unter dem 18. Februar 2016 hörte die Beklagte den Kläger wiederum zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags auf Erteilung/Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis vom 9. Mail 2014 sowie zur beabsichtigten Ausreiseaufforderung/Abschiebungsandrohung an. Es könne nach wie vor nicht von einer schützenswerten Vater-Kind-Beziehung ausgegangen werden. Unter dem 22. April 2016 erklärten der Kläger und Frau De. bei einer Vorsprache vor der Beklagten, sie wollten die Ehe schließen. Unter dem 27. September 2016 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage eines Nachweises über einen Eheschließungstermin bis spätestens 11. Oktober 2016 auf, andernfalls erfolge Antragsablehnung sowie Ausreiseaufforderung/Abschiebungsandrohung. In der Folgezeit ließ der Kläger mitteilen, eine Eheschließung sei noch nicht möglich, da es Probleme mit gerichtlichen Unterlagen aus Tunesien gebe. Unter dem 23. Oktober 2017 erklärte Frau De. sodann bei einer Vorsprache gegenüber der Beklagten, der Kläger wohne bereits seit 2 ½ Monaten nicht bei ihr. Nachdem er im August 2017 im Urlaub in Tunesien gewesen sei, sei er nicht mehr zu ihr zurückgekehrt. Wo er sich derzeit aufhalte, sei ihr nicht bekannt. Vermutlich habe er in den letzten Wochen bei Freunden bzw. Geschäftskollegen geschlafen. In einem Brief vom 24. Oktober 2017 erklärten der Kläger und Frau De. sodann gegenüber der Beklagten, der Kläger wohne weiterhin mit Frau De. zusammen. Er sei zwei Wochen in Tunesien bei Mutter und Bruder gewesen. Dann sei er immer zu Hause gewesen. Die Beklagte stellte daraufhin unterschiedliche Meldeadressen für den Kläger und Frau De. fest. Unter dem 29. Dezember 2017 fragte die Beklagte den Kläger an, ob die von ihm geltend gemachte Absicht, Frau De. zu heiraten weiterhin bestehe. Bei einer Vorsprache bei der Beklagten erklärten der Kläger und Frau De. sodann am 19. Januar 2018, die gemeinsame Wohnung sei aufgrund einer offenen Forderung am 8. Dezember 2017 zwangsgeräumt worden. Frau De. habe sich deswegen in der JVA N. befunden. Das Sozialamt habe Frau De. nunmehr in einer Pension untergebracht. Der Kläger sei bei einem Bekannten untergekommen. Sie würden jetzt wieder versuchen, eine gemeinsame Wohnung zu finden. Sie seien weiterhin zusammen und beabsichtigten die Eheschließung. Diese scheitere im Moment einzig und allein an der Geburtsurkunde von Frau De. und an der Geburtsurkunde des Klägers. Dem Aktenvermerk ist weiter zu entnehmen, dass der Kläger darüber informiert wurde, bei weiteren Verzögerungen mit der Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung rechnen zu müssen. Nachweise vom Standesamt und noch fehlende Unterlagen seien bis spätestens 2. Februar 2018 bei der Ausländerbehörde vorzulegen. In der Behördenakte befindet sich ein Arbeitsvertrag einer Personalmanagementfirma mit dem Kläger vom 16. Januar 2018. Unter dem 2. Februar 2018 hörte die Beklagte den Kläger wiederum zur beabsichtigten Ablehnung des am 9. Mai 2014 gestellten Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sowie zur beabsichtigten Ausreiseaufforderung/Abschiebungsandrohung an. Unter dem 14. Februar 2018 ließ der Kläger erklärten, er und Frau De. wollten weiterhin heiraten. Der Kläger habe einen Anspruch auf Einbürgerung. Hingewiesen werde zudem auf Art. 8 EMRK. Dieser schütze das Privatleben des Klägers. Unter dem 12. April 2018 sprachen der Kläger und Frau De. erneut bei der Beklagten vor. Ein Eheschließungstermin stehe noch nicht fest. Unter dem 1. Juni 2018 sprachen der Kläger und Frau De. wiederum bei der Beklagten vor. Der Kläger erklärte, er müsse zur Besorgung von Unterlagen, die das Standesamt verlange, nach Tunesien fahren. Bei einer weiteren Vorsprache erklärte der Kläger am 18. Januar 2019 gegenüber der Beklagten, er sei bislang nicht in Tunesien gewesen, da ihm dafür das Geld gefehlt habe. Er sei von seiner bisherigen Firma gekündigt worden. Frau De. habe sich seit Mitte November im Gefängnis (Ersatzfreiheitsstrafe) befunden. Dem Aktenvermerk ist zu entnehmen, dass die Beklagte dem Kläger erklärte, sollte bis Ablauf der derzeit erteilten Fiktionsbescheinigung keine Eheschließung erfolgt sein bzw. zumindest ein Termin dafür feststehen, seien aufenthaltsbeendende Maßnahmen unumgänglich. Der vorgelegten Behördenakte ist eine Fiktionsbescheinigung gültig bis 18. April 2019 zu entnehmen. Sodann wurde eine Fiktionsbescheinigung bis 18. Juli 2019 erteilt. Es folgte eine Fiktionsbescheinigung gültig bis 9. Oktober 2019. Der Behördenakte ist ein Arbeitsvertrag vom 23. April 2019 mit einer GmbH als Reinigungskraft zu entnehmen (Befristung bis 22.10.2019). Der Behördenakte ist weiterhin ein Tatblatt der Polizei betreffend eine Beschuldigung gegen den Kläger wegen Diebstahls von/aus einem Automaten, Tatzeit 5. Juli 2016, zu entnehmen. Dieses Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft N.-F. unter dem 25. Oktober 2016 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Den Entscheidungsgründen des klageabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts ist u. a. zu entnehmen, der Kläger habe (unstreitig) keinen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen gem. § 28 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 31 Abs. 4 S. 2 AufenthG sowie § 28 Abs. 3 S. 2 AufenthG. Die Ehe des Klägers mit der deutschen Staatsangehörigen sei schon nicht drei (bzw. zwei) Jahre im Bundesgebiet gelebt worden. Ebenso wenig lebe der Kläger mit seinem – ohnehin mittlerweile volljährigen – Sohn in familiärer Lebensgemeinschaft. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auch im Hinblick auf § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG zu Recht abgelehnt. Nach § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG könne eine Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Eine außergewöhnliche Härte könne erst bei einer besonderen Ausnahmesituation als gegeben angesehen werden, die der Gesetzgeber nicht voraussehen und nicht regeln konnte. Zu berücksichtigen sei, dass die Annahme einer außergewöhnlichen Härte ausscheide, wenn sich die Beendigung eines Aufenthalts als Folge einer vom Gesetzgeber geregelten Normallage ergebe, auch wenn die Rechtsfolge im Einzelfall als hart erscheinen möge. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Kläger vorgetragenen Umstände, u. a. die lange Aufenthaltsdauer, der im Bundesgebiet lebende Sohn und die Beherrschung der deutschen Sprache selbst in Summe, auch unter der gebotenen Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG sowie der Regelung des Art. 8 EMRK und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht geeignet seien, um eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 S. 2 AufenthG zu begründen. Zwar halte sich der Kläger bereits seit 1997 im Bundesgebiet auf und sei bis zum 19. November 2013 ununterbrochen im Besitz eines Aufenthaltstitels gewesen, nachdem die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG vom 4. April 2011 dazu geführt habe, dass der Kläger aufgrund der Fiktion des § 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG so gestellt werde, als hätte er vom Ablauf seiner bisherigen Aufenthaltserlaubnis bis zur Neuerteilung durchgängig eine Aufenthaltserlaubnis inne gehabt. Auch habe sich die Kammer in der mündlichen Verhandlung von den nicht zu beanstandenden Deutschkenntnissen des Klägers überzeugen können. Eine gelungene wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet sei allerdings nicht erfolgt. Zwar verfüge der Kläger über eine Ausbildung zum Bäcker, habe aber seit seiner Einreise in Deutschland nach Aktenlage bei mindestens 12 verschiedenen Zeitarbeits- bzw. Dienstleistungsunternehmen unqualifizierte Beschäftigungen als Reinigungskraft, Gebäudereiniger, Buchbinder (Helfer), Anlernkraft oder (gewerblicher) Helfer ausgeübt. Der ausgezahlte (Brutto-) Stundenlohn habe sich dabei von 6,00 EUR bis zuletzt 10,75 EUR bewegt. Die Angaben der Arbeitgeber zum Monatslohn des Klägers hätten sich im Bereich von 600,00 EUR netto bis zu 1.200,00 EUR netto bewegt, wobei die Angaben der Arbeitgeber im Vergleich zum tatsächlichen Nettomonatslohn zum Teil abweichen würden. Aus dem in der Auskunft der Rentenversicherung (vorgelegt von der Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter dem 21.3.2022) enthaltenen Sozialversicherungsverlauf des Klägers bis zum 31. Dezember 2021 gehe insbesondere hervor, dass dieser seit seiner Einreise 1997 überwiegend Beitragszeiten mit Pflichtbeiträgen vorweisen könne, er hierbei aber zumindest zum Teil auf Sozialleistungen angewiesen gewesen sei bzw. keiner Beschäftigung nachgegangen sei (insbesondere in den Zeiträumen vom Dezember 2001 bis 16.9.2002, 24.3.2006 bis 17.5.2006, 15.1.2009 bis 2.8.2009, 22.12.2010 bis 13.3.2011, 1.5.2011 bis 3.8.2011, 13.3.2012 bis 28.8.2012, 1.1.2013 bis 6.11.2017, 4.2.2020 bis 12.7.2020), was laut Aussage des Klägers in der mündlichen Verhandlung darauf zurückzuführen sei, dass seine damalige Lebensgefährtin, die im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt worden sei, nicht gearbeitet habe. Darüber hinaus ergebe sich aus einer Bestätigung des Jugendamtes vom 21. November 2013, dass der monatliche Nettoverdienst unter dem Selbstbehalt in Höhe von 1.000,00 EUR liege und der aktuelle Unterhaltsrückstand 25.123,02 EUR betrage. Nach eigenen Angaben habe der Kläger zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zwar nur noch 1.900,00 EUR Unterhaltsschulden, da er monatlich 120,00 EUR zur Tilgung der Schulden zahle. Die genannten Umstände ergäben in ihrer Gesamtheit jedoch, dass der Kläger zwar den überwiegenden Teil seiner Aufenthaltszeit im Bundesgebiet gearbeitet habe, aufgrund einer fehlenden einschlägigen Qualifikation und einer damit verbundenen schlechten Bezahlung sowie wechselnden Arbeitsverhältnissen seinen eigenen Lebensunterhalt sowie die Bedarfe seines unterhaltsberechtigten Sohnes und der mit ihm jeweils zusammenlebenden Lebensgefährtin nicht durchgängig habe sichern können. Bei Würdigung aller genannten Umstände sei die Kammer daher der Auffassung, dass der Kläger sich im Bundesgebiet nicht hinreichend wirtschaftlich integriert habe. Eine unzumutbare Härte im Fall des Klägers sei auch im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG nicht gegeben. Im vorliegenden Fall sei die einzige bekannte familiäre Bezugsperson des Klägers im Bundesgebiet dessen mittlerweile volljähriger, in Berlin lebender Sohn. Der Kontakt zu diesem beschränke sich nach Aussage des Klägers im Wesentlichen auf Handykontakte, sodass die überwiegend fernkommunikative Art des Kontaktes zu seinem Sohn – soweit von einem solchen auszugehen sei – schon nicht die zwingende Anwesenheit des Klägers in Deutschland erfordere. Insbesondere sei daher bei Berücksichtigung aller maßgeblichen Integrationsfaktoren, insbesondere wirtschaftlicher, familiärer und sozialer Art, eine Verwurzelung, die das Verlassen des Bundesgebiets schlechthin unzumutbar erscheinen lasse, nicht gegeben. Zudem sei nicht davon auszugehen, dass eine Rückkehr des Klägers in sein Heimatland unzumutbar sei. Der Kläger habe 25 Jahre seines Lebens in Tunesien verbracht, spreche tunesisch, habe dort wohl die Schule besucht und eine Ausbildung zum Bäcker absolviert. Zudem habe er den Kontakt in sein Heimatland aufgrund von Urlauben nie abreißen lassen, aktenmäßig dokumentiert seien insoweit zwei Urlaube im September 2008 sowie im August 2017. Die Kammer sei der Überzeugung, dass der Kläger sich wieder in seinem Heimatland werde integrieren können. Überdies habe der Kläger auch kein berechtigtes Vertrauen in den Fortbestand seines Aufenthaltsrechts. Nach Ablauf der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG am 10. November 2013 habe die Beklagte den Kläger in einem Zeitraum von etwa 6 Jahren bis zum Erlass des Ablehnungsbescheides insgesamt dreimal zu der beabsichtigten Antragsablehnung angehört (mit Schreiben vom 16.6.2014, 8.2.2016 und 2.2.2018). Auch habe sie ihn mehrfach – letztmalig am 18. Januar 2019 – darauf hingewiesen, dass bei Nichterfolgen der Eheschließung seine Aufenthaltsbeendigung beabsichtigt sei. Die Beklagte habe hiermit gerade kein schützenswertes Vertrauen hinsichtlich einer (voraussetzungslosen) Bleibeperspektive geschaffen, sondern dessen weiteren Verbleib alleine von der Erfüllung aufenthaltsrechtlicher Voraussetzungen (Umgang des Klägers mit seinem deutschen Sohn, Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen) abhängig gemacht. Der Kläger habe die Erreichung der geforderten Voraussetzungen selbst in der Hand gehabt, sodass deren Nichterfüllung allein ihm anzulasten sei. Es habe sich mit der streitgegenständlichen Maßnahme insoweit gerade dasjenige Risiko der von der Beklagten mehrfach in Aussicht gestellten aufenthaltsbeendenden Entscheidung verwirklicht. Die Annahme einer außergewöhnlichen Härte scheide vorliegend auch deswegen aus, weil sich die Beendigung des Aufenthalts des Klägers als Folge einer vom Gesetzgeber geregelten Normallage ergebe. Insoweit habe die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der Kläger nach der Trennung von seiner deutschen Ehefrau und spätestens mit der Volljährigkeit seines Sohnes in der typischen Situation eines Ausländers befinde, der auf Basis seines rechtmäßigen Aufenthalts aus familiären Gründen kein dauerhaftes Bleiberecht erreicht habe. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die den Kläger erteilten Aufenthaltserlaubnisse durch ihren familiären Aufenthaltszweck zeitlich begrenzt gewesen seien und jenseits der hier nicht einschlägigen Verlängerungsvorschriften ein „sich selbst tragender“ rechtmäßiger Aufenthalt grundsätzlich ausgeschlossen sei. Überdies sei auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Erfüllung der Passpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht erfüllt. Der Kläger habe zuletzt auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG. Vorliegend sei das behördliche Ermessen der Norm nicht eröffnet, da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Soweit die Ausreise des Klägers aufgrund seiner Passlosigkeit tatsächlich unmöglich sein sollte, habe er bislang nicht die erforderlichen zumutbaren Anforderungen zur Beseitigung dieses Ausreisehindernisses belegt. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sei insoweit nach § 25 Abs. 5 S. 3 und S. 4 AufenthG ausgeschlossen. Der Kläger sei auch nicht unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK aus rechtlichen Gründen (unverschuldet) an seiner Ausreise gehindert. Sei die Titelversagung rechtmäßig, begegneten auch die Annexmaßnahmen keinen rechtlichen Bedenken.
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Zur Begründung seines Zulassungsantrags trägt der Kläger vor, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Zudem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Der 50 Jahre alte Kläger lebe seit 1997 in Deutschland. Er habe somit sein halbes Leben auch in Deutschland verbracht. Er sei hier gut integriert, insbesondere spreche er gut deutsch. Das Urteil stütze sich im Wesentlichen darauf, dass der Kläger wirtschaftlich in Deutschland nicht Fuß gefasst habe. Dem sei zu widersprechen. Der Kläger bestreite seinen – einfachen – Lebensunterhalt im Grunde stets selbst. Er habe nur vorübergehend Arbeitslosengeld II bezogen, aber im Grunde nicht für sich. Seine damalige Lebensgefährtin, Frau De. habe Arbeitslosengeld II bezogen, da er mit dieser zusammengelebt habe, habe er mit ihr eine Bedarfsgemeinschaft gebildet. Sein Einkommen hätte zwar für ihn ausgereicht, aber nicht für diese Bedarfsgemeinschaft bzw. die weiteren Kosten seiner Lebensgefährtin. Er selbst hätte nur für sich kein Arbeitslosengeld II beziehen müssen. Aufgrund seines geringen Einkommens habe der Kläger den Unterhalt für seinen Sohn nicht entrichten können, sodass bis 2013 ca. 25.000,00 EUR an Unterhaltsschulden aufgelaufen gewesen seien. Trotz seines geringen Einkommens habe er diese Unterhaltsschulden derzeit bereits bis auf ca. 1.800,00 EUR abgetragen, insoweit zahle er weiter 100,00 EUR monatlich, sodass diese Verbindlichkeiten in absehbarer Zeit, in ca. 1 ½ Jahren bezahlt sein werden. Der Kläger habe zwar zutreffend stets wenig verdient, aber es habe für ihn schlichtweg gereicht. Auch habe er sich nun um eine weitere Arbeit bzw. eine Arbeitsstelle mit höherem Verdienst erfolgreich bemüht. Ab 15. Juni 2022 könne er bei seinem Arbeitgeber im Drei-Schicht-Betrieb arbeiten und werde ca. 1.700,00 EUR monatlich netto verdienen. Er könne somit seinen Lebensunterhalt weiterhin selbst bestreiten. Es sei eine gelungene wirtschaftliche Integration erfolgt. Er kämpfe seit bald 10 Jahren mit der Beklagten um seine Aufenthaltserlaubnis. Diese sei zuletzt bis November 2013 befristet gewesen. Seitdem habe die Beklagte es dem Kläger ermöglicht, in Deutschland zu leben und zu arbeiten, auch wenn sie ihn wiederholt zu einer beabsichtigten Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis angehört habe. Tatsächlich sei bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides ein Aufenthalt weiterhin erlaubt gewesen. Der Kläger habe daher darauf vertraut, auch weiterhin hier leben zu können, zumal er auch 16 Jahre lang über eine Aufenthaltserlaubnis verfügt gehabt habe. Es stelle für ihn eine unzumutbare Härte dar, wenn er jetzt nach Tunesien zurückkehren müsse. Denn in Tunesien habe er keine Freunde und Bekannten mehr. Bis auf seine Mutter lebe dort auch keine Familie mehr, zu der der Kläger eine Bindung habe. Lediglich die Mutter des Klägers lebe dort, allerdings sei diese alt und krank, sie lebe in einem Altenheim. Der Kläger stehe daher in Tunesien schlichtweg vor dem Nichts. In Deutschland sei er fest integriert, er habe eine Arbeitsstelle und seit Jahren eine feste Lebensgefährtin. Eine Rückkehr treffe den Kläger weit mehr und härter als andere Ausländer. Denn selten würden Ausländer zum Verlassen von Deutschland gezwungen, die solange ordentlich in Deutschland gelebt hätten. Hier könne auch nicht argumentiert werden, dass der Kläger ebenfalls sein halbes Leben in Tunesien verbracht habe. Es mache einen erheblichen Unterschied, dass der Kläger als Kind und Jugendlicher in Tunesien gelebt habe, aber als Erwachsener im Grunde nur in Deutschland (selbst wenn er 2008 und 2017 Urlaube in Tunesien verbracht habe). Als erwachsener Mann könne er sich nicht mehr so einfach umstellen wie vor 25 Jahren, auch werde er in Tunesien kaum mehr eine Arbeit finden, mit der er seinen Lebensunterhalt werde bestreiten können. Er sei so lange von Tunesien weg, dass er sich in das dortige Leben nicht mehr werde eingewöhnen können. Zutreffend habe der Kläger derzeit keinen Pass. Die tunesische Botschaft werde ihm sofort einen neuen Pass erteilen, sobald er zumindest eine Fiktionsbescheinigung von der Beklagten erhalte. Die derzeitigen Papiere sehe die Botschaft nicht als ausreichend an. Es könne nicht angehen, dass die Beklagte die für eine Passausstellung erforderlichen Papiere nicht erteile und sich dann darauf berufe, die Erteilung eines Aufenthaltstitels scheitere an einem fehlenden Pass. Folgende Punkte sprächen für den Kläger: Er sei mit einer deutschen Frau verheiratet gewesen, er habe einen deutschen Sohn, er habe seinen Lebensunterhalt stets selbst bestritten, er spreche fließend Deutsch, er habe keine Vorstrafen und keine Drogenvergangenheit, er habe eine feste Lebensgefährtin, er habe einen festen Wohnsitz, er habe einen festen Arbeitsplatz (eine Probezeit sei beendet). Auch habe der Kläger das Recht auf Achtung seines Lebens in Deutschland. Das Verwaltungsgericht habe den Status des Klägers als faktischer Inländer nicht ausreichend geprüft und bedacht. Aufgrund der positiven Entwicklung des Klägers verletze dessen „Ausweisung“ Art. 8 EMRK. In diesem Zusammenhang seien insbesondere der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet, seine fehlende kulturelle und familiäre Bindung zu Tunesien, weiter seine hier gegebenen festen Bindungen (Arbeit, Partnerin und Kind) zu sehen. Es sei auch in Zukunft von einer positiven Entwicklung des Klägers auszugehen. Die „Ausweisung“ des Klägers sei zu seinem Bleibeinteresse unverhältnismäßig.
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Am 25. Juli 2022 legte der Kläger eine Bestätigung des Kreises O. vom 13. Juni 2022 vor. Daraus ist zu entnehmen, dass der Unterhaltsrückstand für seinen Sohn aktuell insgesamt 1.540,00 EUR betrage. Gedankt werde für die monatlichen Einzahlungen in Höhe von 50,00 EUR. Beigebracht wurde zudem ein Schreiben einer Zeitarbeitsfirma vom 24. Juni 2022, nach der der Kläger über ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.500,00 EUR pro Monat verfüge.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklung nicht.
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a) Soweit sich der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts wendet, die Voraussetzungen für eine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG lägen nicht vor, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung:
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Gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde.
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§ 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ist eine eigenständige Regelung, die unabhängig von Abs. 4 Satz 1 anzuwenden ist. Sie erlaubt auch beim Vorliegen von Fiktionsbescheinigungen (deren rechtmäßige Erteilung hier jeweils unstreitig ist) die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zu einem längerfristigen Aufenthalt (Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2021 § 25 AufenthG Rn. 79, 81). Bei der Prüfung, ob „besondere Umstände des Einzelfalls“ vorliegen, ist auf die individuell/persönliche Situation des Ausländers abzustellen. Umstände, die ihn zwar individuell betreffen, aber aus der Situation der Vergleichsgruppe nicht herausheben, sind keine solchen des Einzelfalls und deshalb für die Prüfung des Abs. 4 Satz 2 unerheblich. Die Umstände des Einzelfalls sind dann besonders, wenn sich der Ausländer in einer exzeptionellen Sondersituation befindet, die sich deutlich von derjenigen anderer Ausländer unterscheidet, sodass ihn die Aufenthaltsbeendigung deutlich härter treffen würde als andere Ausländer seiner Staatsangehörigkeit in einer vergleichbaren Situation. Dies könnte beispielsweise angenommen werden, wenn den Ausländer im Falle der Ausreise ein außergewöhnlich schweres Schicksal trifft, das sich von gewöhnlichen Schwierigkeiten unterscheidet, denen andere Ausländer im Falle der Ausreise ausgesetzt wären (Kluth/Heusch a.a.O. m.w.N. zur Rechtsprechung, vgl. auch AufenthG AVwV Nr. 25.4.2.4.1 sowie Nr. 25.4.2.3). Das Tatbestandsmerkmal „außergewöhnliche Härte“ deutet darauf hin, dass die Vorschrift grundsätzlich nur für Notsituationen vorbehalten ist, die der Gesetzgeber nicht voraussehen und nicht regeln konnte. Eine außergewöhnliche Härte kann dann angenommen werden, wenn die Aufenthaltsbeendigung als regelmäßige Folge des Ablaufs bisheriger Aufenthaltstitel schlechthin unvertretbar wäre und hierin konkret – individuelle Belange des Ausländers in erheblicher Weise beeinträchtigt würden. Eine außergewöhnliche Härte kann erst bei einer exzeptionellen Ausnahmesituation als gegeben angesehen werden. Die Beendigung des Aufenthalts in Deutschland müsste für den Ausländer mit Nachteilen verbunden sein, die ihn deutlich härter treffen als andere Ausländer in einer vergleichbaren Situation; sie muss für den Ausländer bei dieser Vergleichsbetrachtung unzumutbar sein. Dagegen scheidet die Annahme einer außergewöhnlichen Härte aus, wenn sich die Beendigung eines Aufenthalts als Folge einer vom Gesetzgeber geregelten Normallage ergibt, auch wenn die Rechtsfolge im Einzelfall als hart erscheinen mag. § 25 Abs. 4 Satz 2 darf nicht zur Umgehung der vom Gesetzgeber geregelten allgemeinen Grundsätze über die Erteilung und Beendigung eines Aufenthaltsrechts herangezogen werden. Bei Anwendung der allgemeinen Härtefallklausel des § 25 Abs. 4 Satz 2 ist mithin zu beachten, dass die speziellen Härtefallregelungen des AufenthG nicht unterlaufen werden dürfen (Kluth/Heusch a.a.O. Rn. 85 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung sowie unter Hinweis auf AufenthG AVwV Nr. 25.4.2.4.1, Nr. 25.4.2.4.2 und Nr. 25.4.2.4.3; Röcker in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 25 AufenthG Rn. 70 ff.) In Betracht kommen kann eine außergewöhnliche Härte nach den konkreten Umständen des Einzelfalls bei der Betreuungsbedürftigkeit eines im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen. Dagegen sind die Voraussetzungen, unter denen nach Beendigung einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem oder einer deutschen Staatsangehörigen für den ausländischen Ehegatten ein vom Bestand der Ehe unabhängiges Ausländerrecht entsteht, vom Gesetzgeber in § 31 AufenthG erschöpfend geregelt worden. Durch diese abschließende Regelung hat der Gesetzgeber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass das Vertrauen von Ausländern, nach der Beendigung oder Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bleiben zu können, grundsätzlich dann nicht schutzwürdig ist, wenn sie die in § 31 genannten Voraussetzungen nicht erfüllen. Diese eindeutige Festlegung des Gesetzgebers kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass außerhalb der gesetzlichen Voraussetzungen des § 31, der zudem eine eigene Härteklausel vorsieht, bei einem Ausländer nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft mit einer oder einem deutschen Staatsangehörigen eine außergewöhnliche Härte angenommen wird (Röcker a.a.O. Rn. 75 m.w.N. zur Rechtsprechung). Bei der Beurteilung, ob die Beendigung des Aufenthalts eines in Deutschland aufgewachsenen (der Kläger ist dieses allerdings nicht) Ausländers eine außergewöhnliche Härte darstellt, kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, inwieweit der Ausländer in Deutschland verwurzelt ist. Das Ausmaß der Verwurzelung bzw. die für den Ausländer mit einer „Entwurzelung“ verbundenen Folgen sind unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Artikel 2 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 1 GG sowie der Regelung des Artikel 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen (BVerwG, U.v. 27.1.2009 – 1 C 40.07 – juris; Röcker a.a.O. Rn. 73). Das Recht auf Privatleben umfasst, auch soweit es keinen familiären Bezug hat, die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen – angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen – bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (BVerwG, U.v. 27.1.2009 a.a.O.; Röcker a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Annahme einer außergewöhnlichen Härte aufgrund von Verwurzelung restriktiv zu handhaben (vgl. auch AufenthG AVwV Nr. 25.4.2.4.1). Bei der Abwägung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, wobei nicht nur die Dauer des Aufenthalts in Deutschland, sondern auch die Legitimität des Aufenthalts zu würdigen ist (BVerwG U.v. 27.1.2009 a.a.O., Röcker a.a.O. Rn. 74).
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Davon ausgehend ist festzuhalten:
16
Der Kläger kann nicht nach Artikel 8 Abs. 1 EMRK den Schutz seines Privatlebens im Bundesgebiet beanspruchen.
17
Gemäß Artikel 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung nicht nur ihres Privatlebens, sondern auch ihres Familienlebens.
18
Der 50-jährige Kläger, der in Deutschland nicht (mehr) verheiratet ist und einen volljährigen Sohn hat, verfügt hier nicht über ein Familienleben von Gewicht. Der Schutzbereich des Familienlebens ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) grundsätzlich auf den Bereich der eigentlichen Kernfamilie (Eltern und minderjährige Kinder) beschränkt. Beziehungen zwischen erwachsenen Familienmitgliedern genießen nur dann den Schutz des Familienlebens, wenn zusätzliche Abhängigkeitsmerkmale vorliegen, die über die normale emotionale Bindung hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 9.10.2003 – Slivenko-Lettland, Nr. 48321/99 – EuGRZ 2006, 560; BVerwG U.v. 29.7.1993 – 1 C 25.93 – juris Rn. 49). Dies ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
19
Die Verlängerung der in der Vergangenheit (im Wege von Fiktionsbescheinigungen) erteilten Aufenthaltserlaubnis ist auch nicht wegen eines schutzwürdigen Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK geboten.
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Der EGMR führt aus, man müsse akzeptieren, dass die Gesamtheit der sozialen Bindungen zwischen den niedergelassenen Einwanderern und der Gemeinschaft, in der sie leben, fester Bestandteil des „Privatlebens“ im Sinne des Art. 8 EMRK ist (EGMR, U.v. 18.10.2006 – Üner/Königreich der Niederlande, Nr. 46410/99 – juris), sodass der Schutz des Privatlebens den Schutz vor Aufenthaltsbeendigung umfasst. In seinem Urteil vom 24. November 2009 (Omojudi/Vereinigtes Königreich, Nr. 182/08 – InfAuslR 2010, 178 ff) hat der EGMR das Privatleben als „die Gesamtheit der sozialen Bindungen zwischen Migranten, die sich seit langem im Aufnahmeland aufhalten, einerseits und der Aufnahmegesellschaft andererseits“ bezeichnet.
21
Auch dem ökonomischen Erfolg der Erwerbstätigkeit kann Bedeutung für das Bestehen hinreichend fester Bindungen zum Aufnahmestaat und damit für die Bejahung eines Privatlebens im Bundesgebiet zukommen (berücksichtigt z.B. von EGMR, U.v. 28.6.2007 <Kaya>, Nr. 31753/02 – juris Ziff. 64; vgl. auch Art. 8 Abs. 2 EMRK, der auf „das wirtschaftliche Wohl eines Landes“ als Abwägungsgesichtspunkt verweist).
22
Eine danach den Schutz des Privatlebens auslösende Verbindung mit der Bundesrepublik Deutschland als Aufenthaltsstaat kommt grundsätzlich für solche Ausländer in Betracht, die aufgrund eines Hineinwachsens in die hiesigen Verhältnisse bei gleichzeitiger Entfremdung von ihrem Heimatland so eng mit der Bundesrepublik Deutschland verbunden sind, dass sie gewissermaßen deutschen Staatsangehörigen gleichzustellen sind, während sie mit ihrem Heimatland im Wesentlichen nur noch das formale Band ihrer Staatsangehörigkeit verbindet (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.1998 – 1 C 8.96 – NVwZ 1999, 303; VGH Baden-Württemberg, U.v. 13.12.2010 – 11 S 2359.10 – juris).
23
Allerdings ist ein langfristiger Aufenthalt im Gastland allein grundsätzlich noch kein den Schutzbereich eröffnendes Kriterium. Der EGMR geht – daran erinnernd, dass die Konvention nicht das Recht eines Ausländers zusichert, in einen bestimmten Staat einzureisen oder sich dort aufzuhalten oder nicht ausgewiesen zu werden – in seinen Entscheidungen „Ghiban“ (16.9.2004 – Nr. 11103/03 – juris, NVwZ 2005, 1046) und „Dragan“ (7.10.2004 – Nr. 33743/03 – juris, NVwZ 2005, 1043) grundsätzlich davon aus, dass der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK ohne das Einverständnis des Gastlandes mit dem Aufenthalt nicht eröffnet ist. Dementsprechend hat es der EGMR in seiner Entscheidung „Nnyanzi“ (U.v. 8.4.2008 – Nr. 21878/06 – ZAR 2010, 189) nicht für notwendig erachtet festzustellen, ob der fast zehnjährige Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu hinreichenden Bindungen im Vereinigten Königreich im Sinne des Art. 8 EMRK geführt hat. Jedenfalls sei die Beschwerdeführerin keine niedergelassene Migrantin und habe kein Bleiberecht in dem Vertragsstaat erhalten. Ihr Aufenthalt im Vereinigten Königreich sei während der gesamten Zeit unsicher gewesen. Es sei nicht hinreichend erwiesen, dass durch eine Abschiebung ihre Rechte nach Art. 8 EMRK verletzt würden. Allerdings kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 8 EMRK ein begründetes Vertrauen auf den Fortbestand des Aufenthalts im Bundesgebiet nicht nur dann in Betracht, wenn ein Aufenthaltsrecht ausdrücklich zuerkannt worden ist, sondern auch dann, wenn sich die Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts nach den Umständen aufdrängt. Im Falle der Beschwerdeführerin in der Entscheidung „da Silva und Hoogkammer“ (U.v. 31.1.2006 – Nr. 50435/99 – InfAuslR 2006, 298) hat der Gerichtshof hinreichende Anhaltspunkte für einen derartigen Vertrauensschutzanspruch aufgrund Art. 8 EMRK festgestellt, weil sie in den Niederlanden mit einem niederländischen Staatsangehörigen zusammengelebt und sich erst nach mehreren Jahren von ihm getrennt hat, und weil sie Mutter eines Kindes geworden ist, das die niederländische Staatsangehörigkeit besitzt, den überwiegenden Teil der Woche bei ihr lebt und zu ihr eine sehr enge Beziehung hat. Auch hat der Gerichtshof betont, dass die Beschwerdeführerin nach dem niederländischen Fremdenrecht einen rechtmäßigen Aufenthalt hätte erreichen können. Die Beschwerdeführerin in der Entscheidung „Mendizabal“ (U.v. 17.1.2006, Nr. 51431/99 – InfAuslR 2006, 297), eine spanische EU-Bürgerin, hatte in den 14 Jahren gewöhnlichen Aufenthalts in Frankreich anstelle der mehrjährigen Aufenthaltsgenehmigung, die ihr zugestanden hätte, lediglich Bestätigungen (insgesamt 68) über die Stellung von Aufenthaltserlaubnisanträgen erhalten. Die Beschwerdeführerin in der Entscheidung „Osman“ (U.v. 14.6.2011, Nr. 38058/09 – www.echr.coe.int, NVwZ 2012, 947) machte nach dem Erreichen ihrer Volljährigkeit ein Aufenthaltsrecht in Dänemark geltend, das sie 9 Jahre lang – bis zum Alter von 16 Jahren – innegehabt, dann aber durch eine vom Vater veranlasste Umzugsreise (zur Großmutter väterlicherseits in Kenia) verloren hatte, die die Beschwerdeführerin und ihre ebenfalls (neben dem Vater) sorgeberechtigte Mutter für eine bloße Besuchsreise gehalten hatten. Die Entscheidungen „Mostaquim“ (U.v. 18.2.1991 – Nr. 31/1989/191/291 – InfAuslR 1991, 149), „Beldjoudi“ (U.v. 26.3.1992 – Nr. 55-1990/246/317 – InfAuslR 1993, 86), „Lamguindaz“ (Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 13.10.1992 – Nr. 16152/92 – InfAuslR 1995, 133), „Mehemi“ (U.v. 26.9.1997 – Nr. 85/1996/704-896 – InfAuslR 1997, 430) und „Sisojeva I“ (U.v. 16.6.2005 – Nr. 60654/00 – InfAuslR 2005, 349) sind ebenfalls zu behördlichen Maßnahmen betreffend ein Aufenthaltsrecht nahelegende Sachverhalte ergangen oder – wie die Entscheidung „Maslov I“ (U.v. 22.3.2007 – Nr. 1638/03 – InfAuslR 2007, 221) – zu einer behördlichen Maßnahme betreffend ein ausdrücklich zuerkanntes Aufenthaltsrecht.
24
Auch das Bundesverwaltungsgericht führt aus, eine nach Art. 8 Abs. 1 EMRK schützenswerte Verwurzelung eines Ausländers komme grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (BVerwG, U.v. 30.4.2009 – 1 C 3.08, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18.09, B.v. 1.3.2011 – 1 B 2.11 – jeweils juris, ebenso BayVGH, U.v. 23.11.2010 – 10 B 09.731, U.v. 21.12.2011 – 10 B 11.182 – jeweils juris, a. A. VGH Baden-Württemberg, U.v. 13.12.2010 – 11 S 2359.10 m.w.N. zum Streitstand – juris).
25
Der Kläger ist im Bundesgebiet nicht fest verwurzelt, denn er hat kaum sichtbare Integrationserfolge erzielt (aa)). Eine Rückkehr nach Tunesien ist ihm zumutbar (bb)). Auch hat die Ausländerbehörde ihm durch ihr Verhalten keine durchgreifenden Hoffnungen auf einen Daueraufenthalt gemacht hat (cc)).
26
aa) Der Kläger ist im Bundesgebiet nicht fest verwurzelt. Er ist in Tunesien aufgewachsen, er hat dort die Schule besucht und den Beruf des Bäckers erlernt. Er ist im Alter von 25 Jahren nach Deutschland eingereist (sein Alter bei der Einreise hat daher für die Frage der Verwurzelung im Bundesgebiet nur geringes Gewicht) zum Zwecke der Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen. Unstreitig hat er durch diese Ehe (in der sich, wie dargelegt, alsbald Schwierigkeiten ergaben) kein gesetzlich geregeltes Aufenthaltsrecht erlangt. Sein durch die Erteilung von Fiktionsbescheinigungen sodann über eine Vielzahl von Jahren erlaubter Aufenthalt im Bundesgebiet (aufgrund des Umstandes, dass die Beklagte über viele Jahre keine Entscheidung über eine Titelerteilung traf) war (wie dargelegt) dadurch begründet, dass er mehrere (jeweils gescheiterte) Beziehungen zu den deutschen Staatsangehörigen unterhielt und sich für die Beklagte die Frage einer Eheschließung mit diesen Personen stellte. Insoweit führte der jeweils ernsthafte Heiratsabsichten beteuernde Kläger (wie dargelegt) vielfach Verzögerungsgründe auf, die die Beklagte immer wieder wohlwollend begleitete, ohne dass es aber jemals zu einer der beabsichtigten Eheschließungen kam. Der zweite Grund für die immer wieder erteilten Fiktionsbescheinigungen lag für die Beklagte darin, dass dieser Vater eines im Jahr 2001 geborenen deutschen Sohnes ist, was die Beklagte dazu veranlasste, die Prüfung einer schützenswerten Vater-Kind-Beziehung über Jahre zusätzlich in den Mittelpunkt zu stellen. Letztlich ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine derartige schützenswerte Beziehung. Der Kläger hat sich während der Minderjährigkeit seines Sohnes gerade nicht um diesen gesorgt (auch nicht finanziell), er hat sich um eine ernsthafte und kontinuierliche sorgende Beziehung zu seinem Sohn weder bemüht noch eine solche gepflegt. Der Sohn ist mittlerweile volljährig und wohnt auch räumlich vom Kläger weit getrennt. Nichts ist dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass (nunmehr) insoweit Umstände vorliegen, die bei der Prüfung einer Verwurzelung des Klägers insoweit entscheidungserheblich sein könnten. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der Aufenthalt des Klägers überwiegend vom (misslungenen) Streben nach Erfüllung der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geprägt war. Soweit der Kläger im Zulassungsvorbringen eine ersichtlich neue Beziehung zu einer „festen“ Partnerin unbekannter Staatsangehörigkeit (die Beziehung zu Frau De., die der Kläger heiraten wollte, ist ersichtlich gescheitert) behauptet, ist nichts dargelegt, was insoweit für seine Verwurzelung im Bundesgebiet sprechen könnte. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls die langjährige Dauer des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet von geringem Gewicht ist.
27
Zurecht gehen das Verwaltungsgericht und die Beklagte auch davon aus, dass eine gelungene wirtschaftliche Integration des Klägers im Bundesgebiet nicht erfolgt ist. Wie dargelegt hat der Kläger seit seiner Einreise in Deutschland nach Aktenlage bei verschiedenen Zeitarbeits- bzw. Dienstleistungsunternehmen unqualifizierte Beschäftigungen ausgeübt, wobei (wie dargelegt) sein Nettomonatslohn zum Teil deutlich unter 1.000,00 EUR lag. Nachvollziehbar weisen das Verwaltungsgericht und die Beklagte darauf hin, dass der Kläger aufsummiert für einen Zeitraum von ca. sieben Jahren während seines ca. 25-jährigen Aufenthalts staatliche Leistungen bezogen hat, mithin in einem nicht zu vernachlässigenden Zeitraum auf Sozialleistungen angewiesen war bzw. keiner Beschäftigung nachgegangen ist. Zu dem Vortrag der Beklagten, noch am 11. April 2022 habe eine Berechnung der Sicherung des Lebensunterhaltes unter isolierter Betrachtung des Klägers (also unabhängig von dem Einwand, er habe nur vorübergehend Arbeitslosengeld II bezogen, weil seine damalige Lebensgefährtin Arbeitslosengeld II bezogen habe und er mit dieser eine Bedarfsgemeinschaft gebildet habe) durch die Beklagte sowohl unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung des Klägers von 120,00 EUR als auch unter Außerachtlassung der Unterhaltsverpflichtung des Klägers, ergeben, dass der Lebensunterhalt des Klägers nicht gesichert sei, hat sich dieser nicht geäußert. Zu Recht weisen das Verwaltungsgericht und die Beklagte auch darauf hin, dass gegen eine wirtschaftliche Integration der Umstand spricht, dass dieser über Jahre die Unterhaltspflichten gegenüber seinem damals minderjährigen Sohn vernachlässigt hat (Unterhaltsschulden von ca. 25.000,00 EUR bis 2013). Soweit die fehlenden Unterhaltszahlungen ihren Grund nicht im jeweils geringen Einkommen des Klägers, sondern in dessen mangelnder Rechtstreue zu finden sein sollten, spricht auch dies gegen eine Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet. Keine entscheidungserhebliche Bedeutung kann dem Umstand zugemessen werden, dass der Kläger nunmehr eine Berufstätigkeit mit einem Nettoeinkommen von ca. 1.500,00 EUR (verbunden mit der vorhergehenden Behauptung, er habe eine Arbeitsstelle im Drei-Schichtbetrieb mit einem Nettoeinkommen von 1700 Euro gefunden) vorträgt. Dieser Umstand ändert nichts an dessen sich auch aus der geringen beruflichen Qualifikation ergebenden unsteten Beschäftigungsvita. Auch steht der Kläger (ggf. vorübergehend) ersichtlich unter dem Druck, beruflich tätig sein zu müssen, da die Anhaltspunkte für die Erteilung von Fiktionsbescheinigungen in der Vergangenheit (beabsichtigte Eheschließungen, minderjähriger Sohn) entfallen sind. Es erscheint in Anbetracht der bisherigen Verfahrensentwicklung schwerlich vorstellbar, dass der Kläger künftig über einen kurzfristigen Zeitraum hinaus kontinuierlich das ersichtlich derzeitig in einem fordernden Drei-Schichtbetrieb erzielte Einkommen erzielen wird. Auch der Umstand, dass ggf. aufgrund des nunmehr auf ihn lastenden Drucks der Kläger Unterhaltsrückstände weitgehend bereinigt hat, kann in Anbetracht seines bisherigen Werdegangs und Verhaltens nicht durchgreifend für seine Verwurzelung sprechen.
28
Soweit für die Qualität der Beziehungen zum Aufnahmestaat auch die Haltung gegenüber der Rechtsordnung wesentlich ist, ist neben den mangelnden Unterhaltszahlungen des Klägers (auf Kosten der öffentlichen Hand) darauf hinzuweisen, dass dieser (anders als behauptet) mehrfach (wie dargelegt) strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Die von ihm begangenen Eigentums-/Vermögensdelikte sprechen nicht nur für eine dem Kläger innewohnende kriminelle Energie, sondern ggf. auch für seine mangelhafte finanzielle Situation. Hinzukommt das aus der Behördenakte ersichtliche u.a. Gewaltdelinquenz aufweisende Verhalten des Klägers gegenüber seiner ehemaligen Ehefrau.
29
Sonstige zu berücksichtigende Beziehungen im Bundesgebiet, insbesondere ein irgend geartetes gesellschaftliches Engagement, hat der Kläger nicht vorgetragen.
30
bb) Dem Kläger ist es auch zumutbar, nach Tunesien zurückzukehren. Er ist dort aufgewachsen, hat in Tunesien seine Sozialisation erfahren, hat dort nach eigenen Angaben die Schulbildung „Grund-/Hauptschule“ absolviert, kam erst als Erwachsener im Alter von 25 Jahren (dauerhaft) nach Deutschland. Er hat in Tunesien den Beruf des Bäckers erlernt. Es ist ihm zumutbar, in diesen Beruf zurückzukehren oder sonstige (ggf. – wie er es auch im Bundesgebiet tat – mit geringer Qualifikation zu bewältigende) berufliche Tätigkeiten aufzunehmen. Festzuhalten ist insoweit, dass eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht in wirtschaftlichen Nachteilen liegt, die ein Ausländer bei seiner Rückkehr in sein Heimatland hinzunehmen hat. Gleiches gilt für den in seinem Heimatland bestehenden niedrigeren Lebensstandard, da § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht die Funktion hat, den Ausländer vor den Folgen wirtschaftlich schlechterer Lebensverhältnisse in seiner Heimat zu schützen, soweit jedenfalls dort die Sicherung des Existenzminimums grundsätzlich möglich ist (Röcker in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 25 Rn. 76 m.w.N. zur Rechtsprechung des Hessischen VGH). Da der Kläger im Bundesgebiet in geringqualifizierten Tätigkeiten tätig war und ist, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ihm eine Rückkehr in das Heimatland wirtschaftlich unzumutbar wäre. Auch hat er den Kontakt zu seinem Heimatland nicht abreißen lassen. Er hat dort mehrfach seinen Urlaub verbracht, seine Mutter wohnt dort. Zu seinem dort lebenden Bruder oder sonstigen Verwandten hat er sich nicht mehr geäußert.
31
Wie dargelegt sind mithin die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet sowie sein Alter bei der Einreise von geringem Gewicht.
32
cc) Der Schutzbereich des Rechts auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK ist nur dann eröffnet, wenn eine nach Art. 8 Abs. 1 EMRK schützenswerte Verwurzelung eines Ausländers auf der Grundlage eines begründeten Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht kommt. Vorliegend ist der lange Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet auch deshalb nur von geringem Gewicht, weil sich der Kläger hinsichtlich eines solchen Vertrauens nur auf schwache Anhaltspunkte berufen kann:
33
Es entsprach ausschließlich dem eigenen Willen des Klägers, im Aufnahmestaat auf Dauer zu verbleiben. Auch wenn der Kläger im Alter von 25 Jahren aus nachvollziehbarem Anlass (Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen) sein Heimatland verließ, konnte er zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, längerfristig oder gar auf Dauer im Bundesgebiet verbleiben zu können. Nach dem Scheitern seiner Ehe ist dem Kläger von der mit seinem Verfahren befassten Behörde (der Beklagten) zu keinem Zeitpunkt durchgreifend Hoffnung gemacht worden, er könne langfristig im Bundesgebiet verbleiben. Insbesondere musste dem Kläger bewusst sein (und war es ersichtlich auch), dass die jeweils erteilten Fiktionsbescheinigungen (vgl. § 81 Abs. 4 AufenthG) keinen Daueraufenthalt genehmigten, sondern allenfalls ein schwaches Vertrauen auf einen Fortbestand des Aufenthalts im Bundesgebiet begründeten. Dem Kläger ist es über Jahre hinweg nicht gelungen, die Voraussetzungen für eine längerfristige „reguläre“ Aufenthaltserlaubnis zu schaffen. Nur deshalb – Art. 6 GG in den Blick nehmend – erteilte die Beklagte jeweils Fiktionsbescheinigungen im Hinblick auf den sich wiederholenden Vortrag des Klägers, er wolle (verschiedene) deutsche Staatsangehörige heiraten, es bestehe eine schützenswerte Vater-Kind-Beziehung (bzw. eine solche sei im Aufbau). Dem Kläger musste (mangels anderer ihm gegenüber getätigten Äußerungen der Beklagten) bewusst sein, dass die Erteilung der jeweiligen Fiktionsbescheinigungen den insoweit getätigten Sachverhaltsermittlungen der Beklagten und deren Überlegungen über eine Einschätzung sich ergebender Entwicklungen geschuldet war. Nämliches gilt für die (aufgrund der fehlenden Personensorge schwerlich nachvollziehbare) Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis an den Kläger 2011/2012 (sodann verlängert bis 2013) wegen dessen „Vaterschaft“. Die jeweiligen (ersichtlich von Unsicherheit betreffend die Sachbehandlung geprägten) Handlungen der Beklagten waren zu keinem Zeitpunkt geeignet, ein mehr als schwaches Vertrauen des Klägers auf einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet zu begründen. Nämliches gilt für das Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 20. Juli 2003, in dem die Beklagte (lediglich) von einer „Prüfung“ der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sprach, sowie für von der Beklagten durchgeführte sicherheitsrechtliche Befragungen des Klägers. Soweit im Übrigen interne Aktenvermerke der Beklagten ggf. den Eindruck vermitteln könnten, diese habe ein Daueraufenthaltsrecht für den Kläger erwogen, sind derartige Überlegungen jedenfalls dem Kläger nicht bekannt gemacht worden. Auch weisen das Verwaltungsgericht und die Beklagte zutreffend darauf hin, dass der Kläger mehrfach zu einer beabsichtigten Antragsablehnung/Aufenthaltsbeendigung angehört wurde (so in den Jahren 2003, 2004, 2007, 2014, 2016, 2018 und 2019). Zu Recht führt das Verwaltungsgericht aus, der Kläger habe die Erreichung der geforderten Voraussetzungen selbst in der Hand gehabt, sodass deren Nichterfüllung allein ihm anzulasten sei. Es habe sich mit der streitgegenständlichen Maßnahme insoweit gerade dasjenige Risiko der von der Beklagten mehrfach in Aussicht gestellten aufenthaltsrechtlichen Entscheidung verwirklicht.
34
b) Auch der behauptete Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besteht nicht.
35
Gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG kann einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (Satz 1). Sie soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist (Satz 2), darf aber nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (Sätze 3 und 4).
36
Ernstliche Zweifel an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Ausreise des Klägers sei aus rechtlichen Gründen nicht unmöglich, bestehen nicht.
37
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 27. Juni 2006 (1 C 14.05 – juris) ausgeführt, eine freiwillige Ausreise sei im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen Gründen unmöglich, wenn ihr rechtliche Hindernisse entgegenstehen, welche die Ausreise ausschließen oder als unzumutbar erscheinen lassen. Derartige Hindernisse können sich sowohl aus inlandsbezogenen Abschiebungsverboten ergeben, zu denen u.a. auch diejenigen Verbote zählen, die aus Verfassungsrecht (etwa mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG) oder aus Völkervertragsrecht (etwa aus Art. 8 EMRK) in Bezug auf das Inland abzuleiten sind, als auch aus zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG.
38
Anders als der Kläger meint, ist seine Ausreise nicht aufgrund inlandsbezogener Abschiebungsverbote unmöglich. Denn er kann (hier streitentscheidend) nicht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK den Schutz seines Privatlebens im Bundesgebiet beanspruchen. Bezug genommen wird auf die getätigten Ausführungen zu § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG.
39
Soweit dem Zulassungsvorbringen des Klägers die Darlegung ernstlicher Zweifel an den „Annexentscheidungen“ des angegriffenen Bescheides entnommen werden könnte, liegen diese nicht vor. Bezug genommen wird auf die getätigten Ausführungen.
40
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) die der Kläger ihr zumisst.
41
Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, warum der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr vgl. z.B. BayVGH, B.v. 17.12.2015 – 10 ZB 15.1394 – juris Rn. 16 m.w.N.).
42
Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger diesen Anforderungen nicht genügt. Es fehlt an einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Darlegung des Zulassungsgrundes.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 3, Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung der Nr. 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
44
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig.