Titel:
Zur vorteilsgerechten Beitragspflicht für den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage eines Gewächshauses
Normenkette:
BayKAG Art. 5, Art. 13 Abs. 3
Leitsatz:
Für die Frage des beitragsrechtlich relevanten Vorteils kommt es nicht darauf an, ob der nutzungsbedingte tatsächliche Bedarf mit Wasser gedeckt wird, das nicht der öffentlichen Wasserversorgungsanlage, sondern einer betriebseigenen Regenwassersammelanlage entnommen wird. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Herstellungsbeitrag, Großflächige Gewächshäuser, Anschlussbedarf, Wasserversorgung, Gewächshaus, betriebseigene Regenwassersammelanlage, Vorteil, Stundung, Beitragspflicht
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 28.04.2022 – M 10 K 20.1334, M 10 K 20.1335
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2787
Tenor
I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten der Zulassungsverfahren.
III. Der Streitwert wird für das Verfahren 20 ZB 22.2367 auf 456.475,01 EUR und für das Verfahren 20 ZB 22.2415 auf 669.184,42 EUR festgesetzt.
Gründe
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Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie des Vorliegens eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegen nicht vor.
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1. Für den geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ist erforderlich, dass der Rechtsmittelführer aufzeigt, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Der Rechtsmittelführer muss sich mit dem angefochtenen Urteil und dessen entscheidungstragenden Annahmen substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 63 m.w.N.). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind auch begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 – 20 ZB 11.1146 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 – DVBl 2004, 838). Schlüssige Gegenargumente liegen in diesem Sinne dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Anhaltspunkte aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis nicht richtig ist (BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – und B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546).
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„Darlegen“ im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert jedoch mehr als einen nicht näher spezifizierten Hinweis auf das behauptete Vorliegen eines Zulassungsgrundes. Es bedeutet vielmehr „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist deshalb unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 59 und 63). Mit der Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens und der im Stil einer Berufungsbegründung vorgebrachten Kritik an dem angefochtenen Urteil wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der Darstellung der eigenen Rechtsauffassung.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung erwachsen aus den mit dem Zulassungsvorbringen dargelegten Gründen, die das erstinstanzliche Vorbringen der Klägerin lediglich wiederholen und vertiefen, nicht.
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Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) können Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme der gemeindlichen Einrichtungen einen besonderen Vorteil bietet. Bei bebauten Grundstücken im Außenbereich ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Beitragstatbestand insoweit einzuschränken, als nur dann eine Beitragspflicht entsteht, wenn mit der bestimmungsgemäßen Nutzung des Grundstücks ein Anschlussbedarf (hier bzgl. der Wasserversorgung) verbunden ist (BayVGH, U.v. 23.6.1998 – 23 B 96.4116 – juris Rn. 24 und Orientierungssätze 1 und 3; BayVGH, U.v. 19.8.2019 – 20 B 18.1346 – BeckRS 2019, 20331). Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Frage, ob ein Gebäude oder ein selbstständiger Gebäudeteil nach der Art seiner Nutzung einen Bedarf nach Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung oder Entwässerungsanlage auslöst, nach objektiven Gesichtspunkten typisierend zu entscheiden (BayVGH, B.v. 11.9.2001 – 23 ZB 01.401 – juris Rn. 4 m.w.N.; B.v. 11.11.2002 – 23 ZB 02.1417 – BeckRS 2002, 26693; BayVerfGH v. 30.9.2002 – Vf 81-VI-01 – juris). Maßgebend für die Frage, ob ein vorhandenes Gebäude nach seiner bestimmungsgemäßen Nutzung eines Wasseranschlusses bedarf, ist grundsätzlich die erteilte Baugenehmigung, die eine bestimmte Nutzung festschreibt (BayVGH, U.v. 22.10.1998 – 23 B 97.3505 – juris Rn. 43). Auf die konkret im Einzelfall praktizierte Betriebsweise kommt es nicht an (BayVGH, U.v. 10.3.1999 – 23 B 97.1221 – BeckRS 1999, 26656). Dass Gewächshäuser nach ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung einen Wasserbedarf haben, steht außer Zweifel. Gewächshäuser unterliegen daher mit ihrer kompletten überbauten Fläche der Beitragspflicht (BayVGH, U.v. 8.12.1997 – 23 B 95.17 und schon BayVGH U.v. 9.3.1990 – 23 B 88.2965 – BeckRS 1990, 8779).
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Das Zulassungsvorbringen zieht schon nicht in Zweifel, dass die an die Wasserversorgungsanlage tatsächlich angeschlossenen Grundstücke, auch soweit sie mit Gewächshäusern bebaut sind, einen Vorteil im Sinn des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG erfahren. Die Klägerin trägt selbst vor, dass die baurechtlich genehmigte Nutzung einen Wasser- und damit auch einen Anschlussbedarf an die öffentliche Wasserversorgungsanlage auslöst. Allein maßgebend für die Annahme eines beitragsrelevanten Vorteils ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, weil dadurch dem klägerischen Grundstück ein besonderer objektiver Vorteil vermittelt wird, der in der Art und Weise und dem Umfang der Zurverfügungstellung von Wasser aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage besteht. Dass die Klägerin den nutzungsbedingten tatsächlichen Bedarf zu Gieß- und Reinigungszwecken mit Wasser deckt, das nicht der Wasserversorgungsanlage des Beklagten, sondern einer betriebseigenen Regenwassersammelanlage entnommen wird, ist für die Frage, ob die Grundstücke einen beitragsrechtlich relevanten Vorteil haben, nicht relevant. Denn für die Annahme eines beitragsrechtlichen Vorteils ist nicht zu verlangen, dass der in den Gewächshäusern bestehende Wasserbedarf an Gieß- und Reinigungswasser – abhängig von der konkreten baulichen Nutzung – vollständig durch die Wasserversorgungsanlage gedeckt wird oder gedeckt werden kann. Eine Verpflichtung des Beklagten, der Betriebsgröße und dem verhältnismäßig geringen Wasserbedarf aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage satzungsrechtlich durch Bildung einer Beitragsabstufung Rechnung zu tragen, lässt sich dem KAG nicht entnehmen. Die Flächen der Gewächshäuser sind insgesamt durch die Wasserversorgungsanlage erschlossen und erfahren durch sie einen entsprechenden Vorteil. Selbst wenn das klägerische Grundstück ganz oder teilweise vom Anschluss- und Benutzungszwang hinsichtlich der öffentlichen Wasserversorgungsanlage befreit sein sollte, wird hierdurch der abstrakte Vorteil nicht berührt, weil die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung nach wie vor besteht und darauf jederzeit zurückgegriffen werden kann (st.Rspr. des Senats vgl. B.v. 19.6.2000 – 23 ZB 00.1275 – BeckRS 2000, 29213; B.v. 21.1.2003 – 23 ZB 02.2155 – BeckRS 2003, 31469; BayVGH vom 19.11.1991 Az. 23 CS 91.2693; vom 11.12.1981 Az. 23 B – 2000/79; vom 31.5.2000 Az. 23 B 99.3480).
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Der Gesetzgeber hat die Regelung in Art. 5 KAG in Kenntnis der vorteilsgerechten Beitragspflicht für Geschossflächen bei überdachten Pflanzenproduktionen getroffen. Den durch die Beitragspflicht für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke verursachten Härten kann im Einzelfall mit der Möglichkeit der Gewährung einer – vorliegend bereits beantragten – Stundung nach Art. 13 Abs. 3 Satz 1 KAG i.V.m. § 222 AO begegnet werden (zum Begriff der Notwendigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung vgl. auch Vollzugshinweise vom 25. Juli 2002 in Ecker/Schwenk, Abgabenrecht in Bayern, Finanzrecht II, 21.52). Seit der Änderung des Kommunalabgabengesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1993 sind nach Art. 13 Abs. 3 Satz 2 KAG diejenigen Grundstücke und Grundstücksteile, die nur mit landwirtschaftlich genutzten Gebäuden zur überdachten Pflanzenproduktion (Gewächshäuser u.ä.) bebaut sind, den unbebauten landwirtschaftlich genutzten Grundstücken im Hinblick auf die Stundungsmöglichkeiten gleichgestellt. Das Gesetz legt in diesen Fällen den Kommunen eine Stundung der Beiträge nahe (vgl. Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 26. Juli 1994 Nr. I B 4 – 1521.1-1 (AllMBl Nr. 18/1994 S. 655)).
8
2. Nachdem sich aus dem Beitragsmaßstab keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der BGS/WAS des Beklagten ergeben, bestehen auch die geltend gemachten rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht.
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3. In der Rechtsprechung des BayVGH ist geklärt, dass Gewächshäuser als Gebäude im Sinn des Art. 2 Abs. 1 BayBO selbst dann der Beitragspflicht unterliegen, wenn ausschließlich Gießwasser verwendet wird, das der öffentlichen Wasserversorgungsanlage nicht entnommen wird. Der Umstand der außergewöhnlichen Betriebsgröße vermag ebenso wenig eine andere Betrachtung zu rechtfertigen. Deshalb liegt auch die mit dem Zulassungsvorbringen geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht vor.
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4. Da es für den Rechtsstreit auf die Frage, ob sich der beitragsrechtliche Vorteil für die klägerischen Grundstücke nach dem produktionsbedingten Bedarf an Gießwasser nach Menge und Qualität aus der öffentlichen Wasserversorgungsanlage bemisst, nicht ankommt, liegt wegen des in der mündlichen Verhandlung abgelehnten Beweisantrags auch der geltend gemachte Verfahrensfehler nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vor.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 i.V.m. 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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