Titel:
Erfolglose Nachbarklage gegen Doppelwohnhaus im Außenbereich
Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6
WHG § 37, § 72
BayBO Art. 68 Abs. 3 S. 2
Leitsätze:
1. Eine durch eine mangelhafte Versickerung von Niederschlagswasser nicht gesicherte Erschließung eines Bauvorhabens dient grundsätzlich nur öffentlichen Interessen und hat keine nachbarschützende Funktion. Etwas Anderes kann – unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots – ausnahmsweise dann gelten, wenn durch die unzureichende Erschließung Nachbargrundstücke unmittelbar betroffen sind. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der in § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 BauGB aufgeführte öffentliche Belang der Gefährdung des Hochwasserschutzes kann über das Gebot der Rücksichtnahme bei deutlich erkennbarer Betroffenheit Drittschutz vermitteln. Die Vorschrift greift allerdings nur ein, wenn grobe Verstöße in Frage stehen. Infolge der Umsetzung des Bauvorhabens muss die Hochwassergefahr für ein benachbartes Grundstück unzumutbar verschärft werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein allgemeiner Schutzanspruch des Nachbarn auf die Bewahrung des Außenbereichs und damit ein Abwehranspruch gegen Vorhaben, die im Außenbereich objektiv nicht genehmigungsfähig sind, besteht – abgesehen von dem im Falle der konkreten Betroffenheit Drittschutz vermittelnden Gebot der Rücksichtnahme – nicht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage, Außenbereich, Gebot der Rücksichtnahme, Hochwasserschutz, Grundwasser, Oberflächen-/Grundstücksentwässerung, Niederschlagswasserbeseitigung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27724
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger als Gesamtschuldner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen eine dem Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Doppelwohnhauses mit Stellplätzen.
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Mit Bauantrag vom 25. Oktober 2018 beantragte der Beigeladene zu 1. die Errichtung eines Doppelwohnhauses mit Stellplätzen auf FlNr. …, Gemarkung S. (i.F. Vorhabengrundstück). Die Kläger sind Eigentümer des westlich bzw. nordwestlich an das Vorhabengrundstück angrenzenden Grundstücks FlNr. …, Gemarkung S. Das Vorhabengrundstück liegt am Fuße eines von Norden nach Süden mäßig abfallenden Hanges. Im Süden des Vorhabengrundstücks sowie des klägerischen Grundstücks befindet sich die Ilm.
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Das gemeindliche Einvernehmen wurde durch entsprechende Stellungnahme vom 10. Januar 2019 zum eingereichten Bauantrag erteilt.
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Mit Bescheid vom 20. April 2020 wurde die Baugenehmigung zur Errichtung eines Doppelwohnhauses mit Stellplätzen auf dem Vorhabengrundstück erteilt.
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Hiergegen erhoben die Kläger durch ihren Bevollmächtigtem mit Schriftsatz vom 29. Mai 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 3. Juni 2020, Klage und beantragen,
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Die mit Bescheid vom 20. April 2020, Az. … … … … dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Doppelwohnhauses mit Stellplätzen, den Klägern zugestellt am 5.5.2020, wird aufgehoben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Baugenehmigung bereits deshalb rechtswidrig sei, weil das Vorhabengrundstück außerhalb des Bebauungszusammenhangs des Ortsteils, mithin im Außenbereich liege. Das Vorhaben widerspreche auch den Festsetzungen des Flächennutzungsplans, der landwirtschaftliche Nutzfläche vorsehe. Darüber hinaus gehe die Baugenehmigung mit Blick auf die Vollgeschosse über das hinaus, was im vorangegangen Vorbescheid behandelt worden sei. Im Übrigen werde durch das Bauvorhaben das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Denn die Hochwassergefahr werde hierdurch für das benachbarte Grundstück der Kläger unzumutbar erhöht. Im Falle einer anzunehmenden Außenbereichslage sei dies mit Blick auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB von Bedeutung. Es sei für eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB schon ausreichend, wenn das Baugrundstück an das Überschwemmungsgebiet angrenze. Auch im unbeplanten Innenbereich könne das Gebot der Rücksichtnahme unter Verweis auf § 1 Abs. 6 Nr. 12 BauGB bei einer vorhabenbedingten Verschärfung der Überschwemmungslage auf einem Nachbargrundstück als Teil des nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu beachtenden Einfügungsgebots verletzt werden, zumal für Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss in aller Regel das den Standort des Gebäudes bestimmende Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche maßgeblich sei. Die Baugenehmigung enthalte keine Aussage darüber, wie sich das Bauvorhaben auf die Hochwassersituation auf dem Grundstück der Kläger auswirke. Es existiere zwar eine Auflage in Ziffer 4.2, wonach das Überschwemmungsgebiet von sämtlichen, den Hochwasserabfluss behindernden, ungünstig beeinflussenden Auffüllungen etc. freizuhalten sei. Eine Aussage zu den Auswirkungen auf das Nachbargrundstück sei darin jedoch nicht zu sehen. Gleiches gelte für die wasserrechtlichen Hinweise in Ziffer 5.2. In Ziffer 5.2.2. werde darauf hingewiesen, dass das Bauvorhaben in einem Bereich liege, in dem bedingt durch die Nähe zum Gewässer bei extremen Witterungsverhältnissen Überflutungen des Grundstücks oder Schäden durch ansteigendes Grundwasser nicht vollständig ausgeschlossen werden könnten. Deswegen solle der Bauherr sein Grundstück entsprechend sichern. Obwohl also offensichtlich eine Gefährdungslage für das Gebiet vorliege, fehle jegliche Prüfung, wie die Auswirkungen auf die Nachbarschaft seien. Tatsächlich liege das Grundstück in der Ilmniederung und werde bei stärkerem Regen regelmäßig überflutet. Das Grundwasser, welches einen Normalstand von 1,5 m habe, steige bis zur Grasnarbe hoch. Hinzu komme, dass im Rahmen des Bauvorhabens laut Planunterlagen eine Aufschüttung des Geländes von 60 cm erfolge. Bauvorhaben und Aufschüttungen würden dazu führen, dass Hochwasser auf das Grundstück des Klägers fließe. Aufgrund der Sättigung des Bodens würde das Wasser auf dem Grundstück der Kläger nicht mehr versickern. Im Übrigen wirke sich auch nachteilig aus, dass das Bauvorhaben den Grundwasserspiegel in dem Bereich steigen lasse. Hoch- bzw. Überflutungswasser könne vom Grundstück der Kläger insbesondere durch die geplante Aufschüttung in dem Bereich hinter der Garage der Kläger nicht mehr abfließen. Allein die Versiegelung aufgrund des Doppelhauses und der Stellplätze hätten eine Verschlechterung der Situation der Kläger zur Folge. Im Übrigen könne das von höher gelegenen Grundstücken wild abfließende Wasser wegen des Bauvorhabens nicht mehr seinem natürlichen Lauf Richtung Ilm folgen. Im Übrigen sei die Baugenehmigung inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Dies insbesondere deshalb, da nicht berücksichtigt worden sei, wie die zu erwartenden Auswirkungen auf die Hochwassersituation Nachbarrechte beeinträchtigen könnten. Im Übrigen sei durch die aufschiebende Bedingung mit Blick auf die gesicherte Erschließung in dem Baugenehmigungsbescheid ein Schwebezustand geschaffen worden, der keinem der Beteiligten diene. Die Kläger hätten Kenntnis, dass der Beigeladene zu 1. mit Blick auf die rechtliche Sicherung der Erschließung einen Rechtsstreit vor den Zivilgerichten geführt habe und gescheitert sei. Die Baugenehmigung werde daher niemals wirksam werden. Auf die Schriftsätze vom 5. Januar 2021 und 13. Januar 2021 wird im Übrigen Bezug genommen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen angeführt, dass es zutreffe, dass das Vorhaben im Außenbereich situiert sei. Die bauplanungsrechtliche Vorschrift des § 35 BauGB vermittle jedoch grundsätzlich keinen Drittschutz. Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben insbesondere mit Blick auf etwaige Hochwassergefahren für das klägerische Grundstück nicht verletzt. Dass im Baugenehmigungsbescheid keine Erläuterungen zur Prüfung des Rücksichtnahmegebots enthalten seien, mache die Baugenehmigung weder unbestimmt noch lasse dies darauf schließen, dass nachbarliche Belange außer Betracht geblieben seien. Das geplante Bauvorhaben liege nach Auskunft der fachkundigen Stelle sowie des Wasserwirtschaftsamtes Ingolstadt außerhalb des festgesetzten Überschwemmungsgebietes, des Hochwasserrisikogebiets sowie auch außerhalb des neu berechneten Überschwemmungsgebietes der Ilm. Die Anforderungen des § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG seien daher nicht zu prüfen gewesen. Nach der Stellungnahme der fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft steige das Gelände zur Straße hin an, weshalb die Gefahr einer Überschwemmungsausbreitung bis zum geplanten Bauvorhaben nahezu ausgeschlossen sei. Die seitens der fachkundigen Stelle vorgeschlagene Auflage mit Blick auf das Überschwemmungsgebiet sei in Ziffer 4.2. des Genehmigungsbescheides mit aufgenommen worden. Die fachkundige Stelle habe zudem bestätigt, dass das Baugrundstück hinsichtlich des Geländes nicht wesentlich verändert werde. Lediglich für die Errichtung des Wohngebäudes werde das Gelände um bis zu 0,75 m aufgefüllt. Zur Entwässerung der Grundstücksflächen werde das Gelände zum Teil abgesenkt, damit anfallendes Niederschlagswasser gezielt den südlichen Hang Richtung Ilm hinabfließe. Eine Ableitung des Niederschlagswassers auf die angrenzenden Grundstücke sei nicht zu erwarten. Zudem beinhalte der Bescheid den Hinweis, dass das unverschmutzte Niederschlagswasser von den Dachflächen nach Möglichkeit breitflächig über den bewachsenen Oberboden zu versickern sei und bei einer Versickerung die Vorgaben der Niederschlagswasserfreistellungsverordnung zu beachten seien. Darüber hinaus sei der Bereich der Niederschlagswasserbeseitigung nicht Teil des Prüfungsumfangs nach Art. 59 Satz 1 BayBO. Betreffend die Niederschlagswasserbeseitigung sowie Überflutungen bei extremen Witterungsverhältnissen seien entsprechende Hinweise in Ziffern 5.2.1 und 5.2.2. des Genehmigungsbescheides aufgenommen worden. Auf den Schriftsatz vom 12. Mai 2021 wird im Übrigen Bezug genommen.
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Die Beigeladenen haben jeweils keinen Antrag gestellt.
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Das Gericht hat am 15. März 2023 Beweis erhoben über die baulichen und örtlichen Verhältnisse des Vorhabengrundstücks sowie dessen Umgebung durch Einnahme eines Augenscheins. Auf das Protokoll vom 15. März 2023 wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Behördenakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 15. März 2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist.
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Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 20. April 2020 verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften und verletzt die Kläger damit nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall, dass Nachbarn, wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt, eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht dem Schutz des Dritten als Nachbarn dienen. Eine baurechtliche Nachbarklage kann allerdings auch dann Erfolg haben, wenn ein Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt.
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1. Die angegriffene Baugenehmigung verletzt keine den Klägern zustehenden Nachbarrechte einschließlich des Rücksichtnahmegebots, soweit diese vortragen mit Blick auf die nicht gesicherte Erschließung (a.), eine ungeregelte Niederschlags- bzw. Oberflächenwasserbeseitigung (b.), etwaige Überschwemmungsgefahren (durch Hoch- und steigendes Grundwasser) (c.) sowie die Lage des Vorhabens im Außenbereich (d.) beeinträchtigt zu sein.
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a. Soweit die Kläger die nach wie vor nicht gesicherte Erschließung über FlNr. … Gemarkung Steinkirchen bemängeln, kann dies schon ungeachtet der Frage, ob die vorgetragenen Umstände zutreffend sind, der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Aus dem allgemeinen Erfordernis einer ausreichenden, gesicherten Erschließung lässt sich ein Drittschutz nicht ableiten. Denn mit dem Erfordernis einer ausreichenden Erschließung soll insgesamt berücksichtigt werden, dass ein Mindestmaß an Zugänglichkeit der Grundstücke für Kraftfahrzeuge, und zwar nicht nur des Nutzers, sondern auch von öffentlichen Zwecken dienenden Fahrzeugen, wie z.B. die der Polizei, der Feuerwehr, des Rettungswesens und der Ver- und Entsorgung, erfüllt wird (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 147. EL 2022, § 35 Rn. 69). Dieses Erfordernis dient jedoch grundsätzlich nur öffentlichen Interessen; es hat keine nachbarschützende Funktion (z.B. BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris Rn. 14 m.w.N.). Ohne Bedeutung ist es damit für einen erfolgreichen Nachbarrechtsbehelf auch, ob eine dingliche Sicherung mit Blick auf das Erfordernis einer gesicherten Erschließung bereits besteht. Dass sich ein Abwehrrecht der Kläger unmittelbar aus der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) etwa mit Blick auf ein mangels Erschließung entstehendes Notwegerecht (vgl. in diesem Zusammenhang BayVGH, B.v. 27.7.2018 – 1 CS 18.1265 – juris m.w.N.) ergeben könnte, ist weder vortragen noch sonst ersichtlich. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund der in der Baugenehmigung verfügten aufschiebenden Bedingung mit Blick auf die dingliche Sicherung des Geh-/Fahrt- und Leitungsrechts über FlNr. 48/3, Gemarkung Steinkirchen.
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b. Gleiches gilt auch unter dem Gesichtspunkt der Niederschlagswasserbeseitigung bzw. der befürchteten Vernässungsschäden auf dem klägerischen Grundstück. Insoweit haben die Kläger eine etwaige Beeinträchtigung ihres Grundstücks über die bloße Behauptung hinaus schon nicht substantiiert vorgetragen. Die Ausführungen der Kläger in diesem Zusammenhang sind aus sich heraus mit Blick auf die konkreten örtlichen Verhältnisse nicht plausibel, denn das Grundstück der Kläger liegt zum überwiegenden Teil höher als das Baugrundstück und das Gelände fällt von Norden nach Süden ab. Eine Verletzung von öffentlich-rechtlichen Nachbarrechten durch die dem Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung kann jedoch auch im Übrigen unter keinem denkbaren Aspekt angenommen werden. Denn soweit es um angenommene Vernässungsschäden auf dem Grundstück der Kläger aufgrund anfallendem, nicht versick-erungsfähigem Niederschlagswasser auf dem Baugrundstück geht, kann dies zum einen nur in besonders gelagerten Einzelfallkonstellationen im Rahmen des Erfordernisses einer gesicherten Erschließung von Relevanz sein. Eine durch eine mangelhafte Versickerung von Niederschlagswasser nicht gesicherte Erschließung eines Bauvorhabens dient aber grundsätzlich nur öffentlichen Interessen und hat keine nachbarschützende Funktion (BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris), weshalb dieser Umstand insoweit schon von vornherein der Klage nicht zum Erfolg verhelfen kann. Ein Drittschutz hinsichtlich der Niederschlagswasserentwässerung gerichtet auf die (präventive) Verhinderung von möglichen Vernässungsschäden durch einen Angriff auf die Baugenehmigung besteht daher grundsätzlich nicht (BayVGH, B.v. 24.7.2014 – 15 CS 14.949 – juris Rn. 13 ff.). Etwas Anderes kann – unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots – ausnahmsweise dann gelten, wenn durch die unzureichende Erschließung Nachbargrundstücke unmittelbar betroffen sind, etwa wenn das Niederschlagswasser auf das Grundstück des Nachbarn abgeleitet wird und es dadurch zu Überschwemmungen auf dem Nachbargrundstück kommt (BayVGH, B.v. 29.11.2006 – 1 CS 06.2717 – juris). Anhaltspunkte dafür, dass hier solche Umstände gegeben sein könnten, sind ebenfalls nicht ansatzweise gegeben. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sich aus dem Freiflächengestaltungsplan vom 18. Oktober 2019 ergibt, dass das Gelände in Richtung Süden abgesenkt wird und somit das anfallende Niederschlagswasser gezielt den südlichen Hang Richtung Ilm hinabfließen kann. Eine Ableitung von Niederschlagswasser auf das angrenzende Grundstück der Kläger ist mithin nicht zu erwarten. Unabhängig davon drängt sich die Befürchtung der Kläger auch mit Blick auf die Lage des klägerischen Grundstücks und die Hanglage, in welcher sich das Grundstück der Kläger und das Baugrundstück befinden (s.o.), nicht von vornherein auf. Zum anderen gewährt das öffentliche Baurecht ohnehin keinen Schutz gegen den Abfluss von Wasser auf das Nachbargrundstück (vgl. Dirnberger in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Werkstand: 149. EL Januar 2023, Art. 66, Rn. 658). Der Schutz richtet sich vielmehr nach Privatrecht. Mit Blick auf das seitens des Klägerbevollmächtigten vorgetragene, von höher gelegenen Grundstücken wild abfließende Wasser findet § 37 WHG Anwendung, welcher ebenfalls eine Vorschrift des Privatrechts ist. In der Konsequenz äußert sich die angefochtene Baugenehmigung über die bloßen Hinweise unter 5.2. hinaus nicht verbindlich regelnd zur Oberflächenentwässerung und muss dies auch nicht. Sie trifft keine Aussage dazu, dass auch die Abführung von Oberflächenwasser den Vorschriften des öffentlichen Rechts entspricht. Denn die technische Ausgestaltung der Entwässerung des Baugrundstücks ist nicht Gegenstand der Bauvorlagen und der im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO zu prüfenden Umstände. Auch die Anwendung der zum bauplanungsrechlichen Rücksichtnahmegebot entwickelten Grundsätze wird demnach durch den Regelungsumfang der jeweils erteilten Baugenehmigung begrenzt. Insofern geht die Anfechtung der Baugenehmigung aufgrund der Befürchtung der Kläger, durch das Bauvorhaben werde das anfallende Niederschlagswasser ungeregelt in Richtung ihres Grundstücks fließen und eine Beeinträchtigung desselben sowie ihrer Rechte in Form des Rücksichtnahmegebots zur Folge haben, von vornherein ins Leere. Die Nachbarn bleiben in diesem Punkt auf die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche (etwa aus § 1004 Abs. 1 BGB) beschränkt.
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c. Soweit die Kläger vortragen, durch das Vorhaben eine Verschlechterung der Hochund Grundwassersituation befürchten zu müssen und insoweit in ihren Rechten verletzt zu sein, ist diesbezüglich eine Verletzung von Drittrechten, namentlich des Rücksichtnahmegebots, ebenfalls nicht zu erkennen. Bei einem Vorhaben, das – wie hier – nach § 35 BauGB zu beurteilen ist, kann zwar nach der bisherigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 BauGB aufgeführte öffentliche Belang der Gefährdung des Hochwasserschutzes über das Gebot der Rücksichtnahme „bei deutlich erkennbarer Betroffenheit“ auch Drittschutz vermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2010 – 9 CS 10.2197 – juris Rn. 15 m.w.N. und die Nachweise bei B.v. 17.7.2020 – 9 CS 20.1250 – juris Rn. 14). Die Vorschrift greift allerdings nur ein, wenn grobe Verstöße in Frage stehen. Infolge der Umsetzung des Bauvorhabens muss die Hochwassergefahr für ein benachbartes Grundstück unzumutbar verschärft werden, was etwa der Fall ist, wenn es am geplanten Standort den Hochwasserabfluss so stark beeinträchtigt, dass die Belastung einem Nachbargrundstück nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 14.2.2023 – 9 BV 21.851 – juris Rn. 18; B.v. 24.1.2001 – 1 ZS 00.3650 – juris Rn. 10; B.v. 29.11.2010 – 9 CS 10.2197 – juris Rn. 15; Kment in Jarass/Kment, Baugesetzbuch, 3. Auflage 2022, § 35 Rn. 62 m.w.N., jew. m.w.N.). Der Begriff des Hochwassers ist in § 72 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) legal definiert. Danach umfasst der Begriff „Hochwasser“ auch austretendes Grundwasser z.B. aufgrund von Starkregenereignissen (Schmitt in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK UmweltR, 67. Ed. 01.01.2023, WHG § 72 Rn. 12). Entscheidend ist dabei, ob das geplante Vorhaben in tatsächlicher Hinsicht zu einer besonderen, nicht mehr hinnehmbaren Belastung auf dem Grundstück der Kläger führt. Gemessen daran ist eine solche unzumutbare Beeinträchtigung durch das streitgegenständliche Bauvorhaben nicht erkennbar. Insofern fehlt es bereits im Allgemeinen und mit Blick auf eine unzumutbare Veränderung der Grundwasserverhältnisse auch im Besonderen an einem substantiierten Vortrag der Kläger. Mit Blick auf die vorgetragene Veränderung der Grundwasserverhältnisse ist der Vortrag, dass der Grundwassernormalstand bereits bei 1,5 m liege, durch das Bauvorhaben und die Aufschüttung dieser weiter steigen werde und das Hochwasser auf das Grundstück der Kläger fließen und dort nicht mehr versickern werde, für die Substantiierung und Annahme der Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht ausreichend. Im Übrigen ist die weitergehende Prüfung der Auswirkungen eines Bauvorhabens auf die Grundwasserverhältnisse schon nicht Gegenstand im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2002 – 2 ZB 02.489 – juris Rn. 4; B.v. 15.4.2003 – 2 ZB 02.3115 – juris Rn. 1).
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Mit Blick auf die vorgetragene Hochwasserproblematik im Übrigen und den Vorwurf, dass diesbezüglich eine ausreichende Prüfung durch das Landratsamt nicht stattgefunden habe, ist nach Durchführung des Augenscheins sowie unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen für das Gericht nicht ersichtlich, dass das hier angegriffene Bauvorhaben die Gefahr von Hochwasser für das Grundstück der Kläger unzumutbar erhöhen würde. Dies allein schon deshalb, weil sowohl die fachkundige Stelle für Wasserwirtschaft als auch der im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 15. März 2023 anwesende Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes Ingolstadt ausgeführt und an Hand von entsprechendem Kartenmaterial bestätigt haben, dass sowohl das Grundstück der Kläger als auch der konkrete Standort für das geplante Bauvorhaben außerhalb des aktuell festgesetzten und des neu berechneten Überschwemmungsgebiets sowie außerhalb des Bereichs „HQ extrem“ liegen. Beide Grundstücke liegen damit in einem Bereich, in den das Hochwasser, wenn überhaupt – aus dem vorgelegten Kartenmaterial ergibt sich noch nicht einmal ein relevantes Ausufern in den maßgeblichen Grundstücksbereich –, lediglich ausufert. Zudem liegt das Grundstück der Kläger mit seinem überwiegenden Teil oberhalb des Baugrundstücks in einer von Norden nach Süden abfallenden Hanglage und außerdem seitlich davon. Vor diesem Hintergrund ist für das Gericht nicht erkennbar, inwiefern eine unzumutbare Erhöhung der Hochwassergefahren durch das streitgegenständliche Vorhaben zu befürchten sein sollte. Konsequenterweise kommt auch die fachkundige Stelle des zuständigen Landratsamtes in ihrer Stellungnahme vom 18. Juni 2019 (Bl. 54 der Behördenakte) zu dem Schluss, dass die Gefahr einer Überschwemmungsausbreitung bis zum geplanten Bauvorhaben nahezu ausgeschlossen ist. Hieran ändert auch die seitens der Kläger kritisierte Aufschüttung auf dem Baugrundstück nichts. Auch insofern ist nicht ersichtlich, inwieweit dies unter Berücksichtigung der mäßigen Hanglage und der Lage des klägerischen Grundstücks seitlich/oberhalb des Baugrundstücks sowie der Lage des Bauvorhabens und des klägerischen Grundstücks außerhalb relevanter Überschwemmungsbereiche mit Blick auf eine etwaige Verletzung der Rechte der Kläger von Bedeutung sein sollte. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Klage auch nicht deshalb Erfolg haben kann, weil, wie der Klägerbevollmächtigte meint, die Baugenehmigung mangels Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Hochwassersituation und Beeinträchtigung der Nachbarrechte nicht hinreichend bestimmt sei, weil eine Prüfung und Berücksichtigung der zu erwartenden Auswirkungen auf die Hochwassersituation mit Blick auf die betroffenen Nachbarrechte nicht erfolgt sei und eine entsprechende Begründung im Bescheid fehle. Denn ausweislich der vorgelegten Akten sind die konkreten örtlichen Verhältnisse und die Lage der Grundstücke nahe des Überschwemmungsgebietes der Ilm durch entsprechende Beteiligung der fachkundigen Stelle und Berücksichtigung von deren fachlicher Einschätzung in die Entscheidung über die Baugenehmigung mit eingeflossen. Unter Nr. 5.2.2. der Genehmigung findet sich im Übrigen der ausdrückliche Hinweis, dass das Bauvorhaben außerhalb des festgesetzten und auch nicht im neu berechneten Überschwemmungsgebiet der Ilm liegt. Dass in der Begründung der Genehmigung hinsichtlich Art. 68 Abs. 3 Satz 2 BayBO keine ausdrücklichen Ausführungen zu dem Themenkomplex der nachbarrechtlichen Betroffenheit enthalten sind, ist – ungeachtet des Umstands, dass Art. 68 Abs. 3 Satz 2 BayBO als bloße Verfahrensvorschrift nicht drittschützend ist (VG Ansbach, B.v. 15.5.2019 – AN 3 S 19.00816 – juris) – für den Erfolg des Nachbarrechtsbehelfs mit Blick auf Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, 45 Abs. 2 BayVwVfG sowie Art. 46 BayVwVfG ohne Bedeutung (vgl. dazu VG München, B.v. 30.9.2021 – M 9 SN 21.4956 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 3.5.2019 – 9 ZB 16.2615 – juris Rn. 6; B.v. 9.8.2019 – 9 CS 19.1109 – juris Rn. 16 m.w.N.). Eine allein relevante materielle Beeinträchtigung von Nachbarrechten scheidet in objektiv-rechtlicher Hinsicht im vorliegenden Fall aus (s.o.).
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d. Eine Nachbarrechtsverletzung ergibt sich auch nicht, soweit die Kläger vortragen, dass das beantragte Vorhaben mit Blick auf die Außenbereichslage unzulässig sei. Denn die Kläger können sich insofern nicht auf das objektive Vorliegen der Voraussetzungen für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit im Außenbereich berufen. Die öffentlichen Belange der Darstellungen im Flächennutzungsplan (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), der Entstehung bzw. Verfestigung einer Splittersiedlung und auch die Anforderungen, die natürliche Eigenart der Landschaft nicht zu beeinträchtigen, sowie die Belange des Naturschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 BauGB) sind Ausfluss der gesetzgeberischen Intention, den Außenbereich bestmöglich zu schonen und von Bebauung grundsätzlich freizuhalten. Sie bestehen damit im öffentlichen Interesse und vermitteln den Klägern keinen Drittschutz. Ein allgemeiner Schutzanspruch des Nachbarn auf die Bewahrung des Außenbereichs und damit ein Abwehranspruch gegen Vorhaben, die im Außenbereich objektiv nicht genehmigungsfähig sind, besteht – abgesehen von dem im Falle der konkreten Betroffenheit Drittschutz vermittelnden Gebot der Rücksichtnahme, abgeleitet insbesondere aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB – nicht (vgl. etwa BayVGH, B.v. 14.5.2012 – 15 ZB 10.1047 – juris Rn. 6; B.v. 1.6.2016 – 15 CS 16.789 – Rn. 24; B.v. 3.1.2018 – 15 ZB 16.2309 – juris Rn. 4).
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Die Klage wird nach alledem mangels Verletzung von im Rahmen der Baugenehmigung zu prüfenden drittschützenden Vorschriften abgewiesen.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt, sich mithin auch in kein Kostenrisiko begeben. Es entspricht somit nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.