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VG München, Urteil v. 05.07.2023 – M 5 K 22.2975
Titel:

Ruhestandsversetzung, Keine dauernde Dienstunfähigkeit, Restleistungsvermögen, Suchpflicht erfüllt

Normenketten:
BeamtStG § 26
BayBG Art. 65
BayBG Art. 66
Schlagworte:
Ruhestandsversetzung, Keine dauernde Dienstunfähigkeit, Restleistungsvermögen, Suchpflicht erfüllt
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 06.11.2023 – 3 ZB 23.1559
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27721

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die 1960 geborene Klägerin steht als Vermessungsamtsrätin (Besoldungsgruppe A 12) in Diensten der Beklagten. Sie war zuletzt im Vergabewesen der Informationstechnologie der Beklagten tätig. Nach Aktenlage ist sie seit … Oktober 2016 durchgehend dienstunfähig erkrankt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurden von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ausgestellt. Die Beamtin ist schwerbehindert mit einem Grad von 50.
2
Nach einem Gesundheitszeugnis des Referats für Gesundheit und Umwelt vom … Juli 2017 könne damit gerechnet werden, dass die Klägerin innerhalb der nächsten zwei Monate ihren Dienst werde wieder antreten können. Aufgrund der Länge der Fehlzeit sollte ein Wiedereingliederungsverfahren mit regelmäßiger Stundensteigerung und an einem neuen Arbeitsplatz erfolgen. Weiter lägen allgemeine Leistungseinschränkungen vor: Die Beamtin sollte nicht für Tätigkeiten mit erschwertem Parteiverkehr eingesetzt werden (unangekündigte, drängende, aggressive Personen), sie sollte keine ständigen Vertretungstätigkeiten übernehmen sowie Tätigkeiten, bei denen sie andere Personen überwachen bzw. die allein verantwortliche Aufsicht ausüben müsse. Außerdem sollte sie nicht am wechselnden Einsatzort oder in Nacht- oder Wechselschichten eingesetzt werden. Diese Leistungseinschränkungen seien behinderungsbedingt und dauerhaft. Auch bei der Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz sei mit Fehlzeiten über der Altersnorm zu rechnen. Soweit ersichtlich erfolgte keine Dienstaufnahme, es wurden durchgängig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt.
3
Nach Aktenlage fand am … September 2018 eine stadtweite Abfrage nach einer Einsatzmöglichkeit für eine Beamtin im technischen Dienst der Besoldungsgruppe A 12 in Vollzeit mit den sich aus dem Gesundheitszeugnis ergebenden Leistungseinschränkungen statt. Diese Abfrage führte zu keinem Ergebnis.
4
Der Klägerin wurden Ende des Jahres 2018 verschiedene offene Stellen bei der Beklagten angeboten, die sie aus verschiedenen Gründen ablehnte. Bei einer Stelle (Verfahrensnummer …*) fand ein „Kennenlerngespräch“ statt. Eine Verwendung auf diesem Posten kam nicht zustande, da dort aus Sicht der Klägerin nur voll belastbare und extrem resiliente Kolleginnen und Kollegen verwendet werden sollten.
5
In einem weiteren Gesundheitszeugnis vom … Mai 2019 ist festgehalten, dass die Klägerin gesundheitlich nicht in der Lage sei, die Tätigkeiten ihres ursprünglich zugewiesenen Dienstpostens vollständig auszuüben. Bei einer Beschäftigung im bisherigen Bereich sei mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustands und (erneut) mit hohen Fehlzeiten zu rechnen. Sie sei nicht in der Lage, die Tätigkeiten eines für eine Umsetzung in Betracht kommenden Dienstpostens entsprechend Tätigkeitsbeschreibung …RIT vollständig auszuüben. Psychische Belastungen entsprechend Nr. 13 der Tätigkeitsbeschreibung (Publikumsverkehr/Kundenkontakt mit schwierigem Klientel, 50% der Wochenarbeitszeit) könnten im Rahmen der vorliegenden Grunderkrankung auf absehbare Zeit nicht übertragen werden. Es bestünden folgende allgemeine Leistungseinschränkungen:
6
- keine Tätigkeiten in Nachtschichten oder Wechselschichten
7
- kein Massenpublikumsverkehr oder konflikthafter Publikumsverkehr
8
- keine häufigen oder dauernden Verwaltungstätigkeiten
9
- keine Tätigkeiten, die häufiges oder ständiges Multitasking (mehrere Dinge gleichzeitig durchführen) beinhalten
10
- keine Tätigkeiten, bei denen Menschen oder laufende Maschinen mit erhöhter Verletzungsgefahr überwacht werden müssen.
11
Ein Dienstantritt könne derzeit noch nicht abgesehen werden. Eine Nachuntersuchung sei in einem halben Jahr notwendig.
12
Nach Aktenlage fand am … Mai 2019 eine stadtweite Abfrage nach einer Einsatzmöglichkeit für eine Beamtin im technischen Dienst der Besoldungsgruppe A 12 beziehungsweise unterwertig bis A 8 in Vollzeit mit den sich aus dem Gesundheitszeugnis ergebenden Leistungseinschränkungen statt.
13
Nach einem weiteren Gesundheitszeugnis vom … September 2020 ist angegeben, dass die Klägerin gesundheitlich nicht in der Lage sei, die Tätigkeiten ihres ursprünglich zugewiesenen Dienstpostens vollständig auszuüben. Folgende Tätigkeiten könnten derzeit und wahrscheinlich auch dauerhaft nicht ausgeübt werden:
14
- Durchführung von Vergabeverfahren
15
- Erstellen von Leistungsbeschreibungen und Abstimmungen mit den Fachbereichen
16
- Formelle und sachliche Auswertung der Angebote
17
- Vertragsgestaltung
18
- Qualitätssicherung von Vergabeverfahren von Kolleginnen und Kollegen
19
Auch die ihr zuletzt übertragene Tätigkeit (Prüfung und Beauskunftung) könne derzeit nicht ausgeübt werden. Außerdem wurden die allgemeinen Leistungseinschränkungen aus dem Gesundheitszeugnis vom … Mai 2019 wiederholt. Mit Fortführung der fachärztlichen Behandlung könne eine weitere Stabilisierung des Gesundheitszustands und eine Verringerung der Fehlzeiten erreicht werden, jedoch nicht die Beseitigung der Leistungseinschränkungen. Zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit sei eine stufenweise Wiedereingliederung notwendig. Eine Nachuntersuchung sei notwendig, falls wider Erwarten trotz Beachtung der Leistungseinschränkungen erneut häufige Ausfälle wegen Krankheit oder falls Probleme bei der Wiedereingliederung auftreten würden.
20
Nach Aktenlage fand am … Oktober 2020 eine weitere stadtweite Abfrage nach einer Einsatzmöglichkeit für eine Beamtin im technischen Dienst der Besoldungsgruppe
A 12 beziehungsweise unterwertig bis A 9 in Vollzeit mit den sich aus dem Gesundheitszeugnis ergebenden Leistungseinschränkungen statt. Diese Abfrage führte zu keinem Ergebnis.
21
Mit Schreiben vom … November 2021 wurde aufgrund des Gesundheitszeugnisses vom … September (richtig statt Oktober) 2020 und der negativen stadtweiten Abfragen hinsichtlich einer anderen leidensgerechten Einsatzmöglichkeit die Dienstunfähigkeit der Klägerin für ein Amt der Besoldungsgruppe A 12 im abstrakt-funktionellen Sinn festgestellt.
22
Mit Schreiben vom … März 2021 teilte die Beklagte mit, dass zwei stadtweite Abfragen (…9.2018, …10.2020) nach einem leidensgerechten Arbeitsplatz keinen Erfolg gehabt hätten. Damit sei auch eine anderweitige, gegebenenfalls auch unterwertige Verwendung nicht in Betracht gekommen, weswegen die Klägerin nach § 26 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) in den Ruhestand zu versetzen sei.
23
Die Klagepartei verwies am … April 2021 darauf, dass die Einschränkungen „kein konfliktträchtiger Publikumsverkehr oder Massenpublikumsverkehr“ und „keine häufigen Vertretungstätigkeiten“ aus dem Gesundheitszeugnis nicht nachvollziehbar seien. Da die Klägerin zuletzt auf einer Verwaltungsstelle eingesetzt gewesen sei, sei der Ausschluss einer reinen Verwaltungstätigkeit nicht nachvollziehbar.
24
Am … Februar 2022 fand eine weitere stadtweite Abfrage nach einer Einsatzmöglichkeit für eine Beamtin im technischen Dienst der Besoldungsgruppe A 12 beziehungsweise unterwertig bis A 7 in Vollzeit mit den sich aus dem Gesundheitszeugnis ergebenden Leistungseinschränkungen statt. Die Beamtin sei zuvor bei der IT@M im Vergabewesen tätig gewesen. Die im Gesundheitszeugnis vom … September 2020 aufgeführten Einschränkungen der Tätigkeiten laut Tätigkeitsbeschreibung sowie der allgemeinen Leistungseinschränkungen sind dort aufgeführt. Diese Leistungseinschränkungen seien behinderungsbedingt und dauerhaft festgestellt. Die Beamtin habe einen GdB von 50. Die Mitarbeiterin sei Diplomingenieurin (FH) im Vermessungswesen und sei im Vergabewesen tätig gewesen. Sie könne sich eine Einsatzmöglichkeit in der IT-Administration sowie in der Anwenderbetreuung vorstellen, sei aber für alle Referate und Einsatzbereiche offen. Sie wolle keine Führungstätigkeit mehr übernehmen. Diese Abfrage führte zu keinem Ergebnis.
25
Mit Schreiben der Beklagten vom … März 2022 wurde das Ruhestandsversetzungsverfahren wiederaufgenommen.
26
Mit Bescheid vom … Mai 2022 wurde die Klägerin in den Ruhestand versetzt. Es seien mehrere stadtinterne Abfragen nach einem leidensgerechten Arbeitsplatz erfolgt, die jedoch alle erfolglos geblieben seien. Die Voraussetzungen für die Einleitung des Ruhestandsverfahrens im Sinn von Art. 66 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) seien daher erfüllt, weswegen die Klägerin wegen Dienstunfähigkeit nach § 26 BeamStG in den Ruhestand versetzt werde.
27
Am … Juni 2022 hat die Klagepartei Klage erhoben. Die Einschränkungen „kein konfliktträchtiger Publikumsverkehr oder Massenpublikumsverkehr“ und „keine häufigen Vertretungstätigkeiten“ aus dem Gesundheitszeugnis seien nicht nachvollziehbar. Zudem sei nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin diverse Tätigkeiten nicht mehr ausführen könne. Außerdem sei zu Unrecht bei den stadtweiten Abfragen eine reine Verwaltungstätigkeit ausgeschlossen worden.
28
Die Klagepartei hat beantragt,
29
I. Der Bescheid der Beklagten vom … Mai 2022, zugestellt am … Mai 2022, wird aufgehoben.
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II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
31
III. Es wird festgestellt, dass die vorgerichtliche anwaltliche Vertretung notwendig war und die Kosten für vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren von der Beklagten zu zahlen sind.
32
Die Beklagte hat beantragt,
33
die Klage abzuweisen.
34
Das von der Amtsärztin ausgestellte Gesundheitszeugnis dürfe die medizinischen Ursachen einer Tätigkeitseinschränkung nicht beinhalten. Das unterfalle der ärztlichen Schweigepflicht. Da die allgemeinen Gesundheitseinschränkungen bei der Beamtin dauerhaft vorlägen, sei vor der stadtweiten Abfrage vom … Februar 2022 kein neues Gutachten einzuholen gewesen. Diese stadtweite Umfrage, bei der eine reine Verwaltungstätigkeit nicht ausgeschlossen worden sei, sei erfolglos geblieben. Im Übrigen sei die Klägerin der 3. Qualifikationsebene (QE), Technischer Dienst, zugeordnet. Ein Wechsel vom Technischen Dienst in den Verwaltungsdienst sei unter Beibehaltung des Amtes nicht möglich, da die Eingangsämter des Technischen Dienstes der 3. QE der Besoldungsgruppe A 10 zugeordnet seien, die Eingangsämter des nichttechnischen Dienstes der 3. QE der Besoldungsgruppe A 9. Unabhängig davon könne die Klägerin auch keine verwaltungsrechtliche Ausbildung vorweisen, die für einen Wechsel in den Verwaltungsdienst erforderlich wäre. Das Absolvieren einer Prüfung liege nicht im Rahmen des Zumutbaren bei der Prüfung einer anderweitigen Verwendbarkeit.
35
Das Gericht hat Beweis erhoben zu den Umständen der Dienstfähigkeit der Klägerin, insbesondere ihren Einschränkungen in gesundheitlicher Hinsicht, sowie zur Erläuterung des Gesundheitszeugnisses vom … September 2020 durch Einvernahme von Dr. F. als sachverständige Zeugin.
36
Bezüglich weiterer Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme, wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift vom 5. Juli 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

37
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
38
Der Bescheid der Beklagten vom … Mai 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO). Die Beklagte ist ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin dauernd dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 S. 2 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1 BayBG und in den Ruhestand zu versetzen ist, da eine anderweitige Verwendung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG nicht in Betracht kommt.
39
1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauerhaft unfähig (dienstunfähig) sind.
40
Als dienstunfähig kann nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Hierzu bestimmt Art. 65 Abs. 1 BayBG, dass Beamtinnen und Beamte auch dann als dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG angesehen werden können, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden.
41
Für die Annahme einer Dienstunfähigkeit reicht es jedoch nicht aus, dass der Beamte die Aufgaben des von ihm wahrgenommenen Amtes im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten) nicht mehr erfüllen kann. Denn Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann. Damit setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist (vgl. zu § 42 BBG a.F.: BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 2 C 73/08 – BVerwGE 133, 297, juris Rn. 14).
42
Nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG ist von der Versetzung in den Ruhestand zwingend abzusehen, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist, d.h. dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann (§ 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG). Mit Wirkung zum … Dezember 2018 wurde aus der zuvor geltenden „Soll“-Vorschrift eine zwingende Norm. Danach wird nicht in den Ruhestand versetzt, wer anderweitig verwendbar ist (Art. 1 Nr. 7, Art. 8 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenstatusgesetzes und des Bundesbeamtengesetzes sowie weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 29.11.2018, BGBl. I S. 2232; vgl. Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Februar 2023, § 26 BeamtStG Rn. 4).
43
Gemäß § 26 Abs. 3 BeamtStG kann unter Beibehaltung des übertragenen Amtes dem Beamten ohne seine Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 2 C 46.08 – juris; U.v. 26.3.2009 – 2 C 73/08 – BVerwGE 133, 297, juris; BayVGH, B.v. 11.1.2012 – 3 B 10.346 – juris).
44
Die vorgenannten Vorschriften begründen die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen, dem Beamten gesundheitlich möglichen und zumutbaren Verwendung (einschließlich der Verwendung nach § 26 Abs. 3 BeamtStG) von Amts wegen ernsthaft und gründlich zu suchen. Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel der Vorschrift, dienstunfähige Beamte nach Möglichkeit im aktiven Dienst zu halten. Das wurde durch die Neufassung des § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG unterstrichen. Ohne die so verstandene gesetzliche Suchpflicht könnte der Dienstherr über die Geltung des Grundsatzes „Weiterverwendung vor Versorgung“ nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit entscheiden und autonom festlegen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Kriterien er sich um eine anderweitige Verwendung bemüht. Das wäre mit Wortlaut und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar (BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 2 C 73.08 – BVerwGE 133, 297, juris Rn. 25; U.v. 19.3.2015 – 2 C 37/13 – NVwZ-RR 2015, 625, juris Rn. 15 zu Art. 56 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F.; BayVGH, B.v. 2.10.2014 – 3 ZB 12.1740 – juris Rn. 4). Das übereinstimmende Interesse aller Dienstherren an der vollen Nutzung der knappen personellen Ressourcen des öffentlichen Dienstes und an der Realisierung der von den Beamtinnen und Beamten eingegangenen Verpflichtung zur vollen Dienstleistung bis zum Erreichen der Altersgrenze rechtfertigt diese Regelung. Die zuständigen Dienststellen müssen im Fall der Dienstunfähigkeit vor einer Versetzung in den Ruhestand als ultima ratio zunächst umfassend Möglichkeiten einer anderweitigen Verwendung prüfen (BT-Drs. 780/06, S. 57 f. zu § 27 BeamtStG a.F.). Die Suche nach einem anderen Amt muss dem Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ in effektiver Weise zur Umsetzung verhelfen (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2012 – 2 A 5/10 – juris Rn. 4; U.v. 26.3.2009 – 2 C 73.08 – BVerwGE 133, 297, juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 29.4.2014 – 3 CS 14.273 – juris Rn. 28).
45
Der Dienstherr ist von der Suchpflicht nur dann entbunden, wenn feststeht, dass der Beamte generell nicht mehr oder nur mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zur Dienstleistung imstande ist; deren Zweck kann dann von vornherein nicht mehr erreicht werden (BVerwG, B.v. 6.11.2014 – 2 B 97/13 – NVwZ 2015, 439, juris Rn. 13; U.v. 5.6.2014 – 2 C 22/13 – BVerwGE 150, 1, juris Rn. 34).
46
Die Suche nach einer Verwendungsmöglichkeit muss sich regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn sowie auf Dienstposten erstrecken, die frei sind oder in absehbarer Zeit (sechs Monate) voraussichtlich neu zu besetzen sind. Die Suchanfrage muss eine die noch vorhandene Leistungsfähigkeit des dienstunfähigen Beamten charakterisierende und sachliche Kurzbeschreibung enthalten. Diese Kurzbeschreibung muss unter Wahrung des Personaldatenschutzes den angefragten Behörden die Einschätzung erlauben, ob der Beamte für eine Verwendung in ihrem Verantwortungsbereich in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 37/13 – NVwZ-RR 2015, 625, juris Rn. 17 f.; B.v. 6.3.2012 – 2 A 5/10 – juris Rn. 4). Die Suchpflicht darf sich nicht auf die Nachfrage beschränken, ob eine andere Behörde im Bereich des Dienstherrn bereit ist, den Beamten zu übernehmen. Vielmehr sind konkrete, ggf. auch dialogische Bemühungen erforderlich, den Beamten anderweitig zu verwenden. Zur Suchpflicht gehört des Weiteren eine Nachfrage bei einer anderen Behörde, wenn diese eine Abfrage unbeantwortet lässt (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2012 – 2 A 5/10 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 29.4.2014 – 3 CS 14.273 – juris Rn. 28).
47
Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der ihm obliegenden Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des § 26 Abs. 3 BeamtStG beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat (BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 2 C 37/13 – NVwZ-RR 2015, 625, juris Rn. 20).
48
Für die Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzungsverfügung kommt es materiell-rechtlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an (BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 2 C 22.13 – BVerwGE 150, 1, juris Rn. 10; U.v. 16.10.1997 – 2 C 7/97 – BVerwGE 105, 267, juris; BayVGH, B.v. 12.8.2005 – 3 B 98.1080 – juris; VG München, U.v. 13.2.2019 – M 5 K 17.3644 – juris Rn. 24; vgl. zum Ganzen auch: VG München, U.v. 6.4.2022 – M 5 K 20.1083 – juris Rn. 28 ff.).
49
2. Nach diesen Maßgaben ist die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand durch die Beklagte rechtlich nicht zu beanstanden.
50
a) Die Ruhestandsversetzung ist in formell-rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
51
Die Klägerin wurde vor Erlass des Bescheids vom … Mai 2022 entsprechend Art. 66 Abs. 1 BayBG mit Schreiben vom … Januar 2021 angehört. Es trat zwar eine Unterbrechung des Verfahrens ein, insbesondere um eine weitere stadtweite Abfrage durchzuführen. Mit Schreiben vom … März 2022 und … April 2022 wurde das Ruhestandsversetzungsverfahren fortgeführt. Einer weiteren Anhörung nach Art. 66 Abs. 1 BayBG bedurfte es nach der Unterbrechung nicht. Denn der Zweck der Anhörung wurde mit dem Schreiben vom … Januar 2021 erreicht. Diese Anhörung steht zeitlich und sachlich noch in einem Zusammenhang mit der Fortführung des Verfahrens. Denn mit den Schreiben vom … März 2022 und … April 2022 ergab sich keine veränderte Sachlage, da auch nach der Abfrage vom … Februar 2022 keine leidensgerechte Stelle gefunden wurde. Auch die zeitliche Abfolge zwischen Anhörungsschreiben (…1.2021) und Fortführung des Ruhestandsversetzungsverfahrens (…3.2022/ …4.2022) bedingt keinen solchen Abstand, dass vor Ergehen des streitgegenständlichen Bescheids eine neue Anhörung erforderlich gewesen wäre.
52
Auch die Schwerbehindertenvertretung wurde durch Übersendung eines Abdrucks des Anhörungsschreibens vom … Januar 2021 mit dem Hinweis, dass Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Ruhestandsversetzung der Klägerin bestehe, hinreichend nach § 178 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen/SGB IX beteiligt. Auch hier gilt, dass vor Ergehen des Bescheids vom … Mai 2022 keine erneute Beteiligung erfolgen musste, da sich nach dem Schreiben vom … Januar 2021 keine neue sachliche Grundlage ergab und ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Beteiligung und Ruhestandsversetzung noch vorlag.
53
b) Die Ruhestandsversetzung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
54
aa) Die als sachverständige Zeugin vernommene Amtsärztin, die das Gesundheitszeugnis vom … September 2020 erstellt hat, hat die dort aufgeführten allgemeinen wie tätigkeitsbezogenen krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen der Klägerin plausibel und nachvollziehbar geschildert. So besteht bei der Klägerin ein depressives Residualsyndrom, das insbesondere mit einer verminderten Belastbarkeit und einer vorschnellen Ermüdung einhergeht. Daher könne die Beamtin auch keine Führungsfunktion mehr wahrnehmen. Im Rahmen des Restleistungsvermögens sei eine Wiedereingliederung im Rahmen einer ermäßigten Stundenzahl zu bewältigen. Allerdings seien der Klägerin keine Aufgaben zumutbar, die eine gewisse Flexibilität, Koordinationsfähigkeit oder auch Verantwortung abverlangten. Das Treffen von selbstständigen Entscheidungen, von dienstlichen Entscheidungen von gewisser Tragweite, berge das Risiko des Wiederauftretens erheblicher Krankheitszeiten. Die sachverständige Zeugin hat auch plausibel begründet, dass die Leistungseinschränkungen „kein konflikttätiger Publikumsverkehr oder Massenpublikumsverkehr“ und „keine häufigen Vertretungstätigkeiten“ krankheitsbedingt bestünden, da Menschen mit einem depressiven Residualsyndrom in gewohnter Umgebung sich gut zurechtfinden und funktionieren könnten, bei unvorhersehbaren Situationen bestehe die Gefahr eines Rückfalls. Es ist auch nachvollziehbar und überzeugend, dass die Fachärztin angegeben hat, dass die von ihr beschriebenen Leistungseinschränkungen bei der Klägerin dauerhaft vorlägen. Daher war von der Beklagten ohne Anhalt für eine Änderung des Gesundheitszustands der Beamtin vor der Ruhestandsversetzung keine weitere amtsärztliche Untersuchung zu veranlassen.
55
bb) Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt, obwohl bei der Klägerin genug Leistungsfähigkeit vorhanden war, um den Dienst mit bestimmten Einschränkungen antreten zu können. Denn eine anderweitige – auch geringerwertige – Verwendung der Klägerin im Bereich der Beklagten ist nicht möglich. Die Beklagte ist ihrer Suchverpflichtung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG in ausreichendem Maße nachgekommen.
56
Die konkreten Suchbemühungen der Beklagten genügen den oben dargestellten Anforderungen der Rechtsprechung. Die Beklagte hat dargelegt, dass sie ernsthaft und gründlich nach einer anderweitigen Verwendung für die Klägerin gesucht hat. Die Beklagte hat insgesamt vier Abfragen innerhalb der gesamten Stadtverwaltung erfolglos durchgeführt (…9.2018, …5.2019, …10.2020 und …2.2022). Diese Abfragen mit Ergebnis sind ausführlich in den Akten dokumentiert. Insbesondere bei der letzten Abfrage am … Februar 2022 wurde ausdrücklich auch nach Dienstposten mit geringer wertiger Tätigkeit (ab Besoldungsgruppe A 7) gesucht (§ 26 Abs. 3 BeamtStG). Dabei wurden auch – entsprechend der Anregung der Klagepartei – nicht nur technische Aufgabenbereiche abgefragt. Denn dort ist ausdrücklich formuliert, dass sich die Dienstkraft eine Einsatzmöglichkeit in der IT-Administration sowie in der Anwenderbetreuung vorstellen könne, aber für alle Einsatzbereich offen sei. Entsprechend der von der Amtsärztin dargestellten Leistungseinschränkungen ist es nicht zu beanstanden, dass in den Abfragen jeweils angegeben ist, dass die Beamtin keine Führungsaufgaben mehr übernehmen wolle. Denn das ist ihr – wie die sachverständige Zeugin nachvollziehbar angegeben hat – aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar und etwa im Gesundheitszeugnis vom … September 2020 mit der Formulierung „Keine Tätigkeit mit Überwachung von Personen“ angelegt.
57
Auch die der Klägerin von der Beklagten konkret vorgeschlagenen Stellen, für die die Beklagte eine Stellenausschreibung vorgenommen hatte, konnten von der Beamtin nicht besetzt werden. Für die Stelle … bedürfte es mehr als nur einer Einarbeitung, vielmehr die Aneignung von speziellen IT-Kenntnissen. Über diese speziellen Kenntnisse verfügte Klägerin nicht, weshalb sie diese Stelle abgelehnt hat. Bei der Stelle … wäre die Klägerin wieder in der Vergabe tätig gewesen. Eine Tätigkeit entsprechend derjenigen an ihrem früheren Arbeitsplatz im Vergabewesen ist aber nach den Gesundheitszeugnissen nicht leidensgerecht.
58
Die Stelle … wäre zwar grundsätzlich geeignet gewesen. Letztlich aus gesundheitlichen Gründen hat die Klägerin auch diese Stelle nicht angetreten. Nach dem in der mündlichen Verhandlung erörterten und übergebenen „Feedbackformular – Dispositionsvorschlag“ vom … Dezember 2018 hat die Klägerin bei dem Kennenlerngespräch am … Dezember 2018 darauf hingewiesen, dass sie aufgrund ihres derzeitigen gesundheitlichen Zustands – sie sei aktuell gesundheitlich noch sehr angeschlagen – nicht sagen könne, ob sie gesundheitlich so stabil sei, dass sie nicht längerfristig ausfallen könnte. Zudem stehe in Kürze ein Umzug des Referats an, wobei die Klägerin angegeben hat, dass ihr der weite Fahrweg zum neuen Standort zu schaffen machen werde. Es ist sachlich begründet, wenn das Referat angegeben hat, es nicht verantworten zu können, die Beamtin auf einer der vakanten Stellen (Nr. …) einzusetzen. Es stehe zu befürchten, dass das erhöhte Stresspotential verbunden mit kritischen und wiederholten Anfragen der Vergabestelle nicht förderlich für den angeschlagenen Gesundheitszustand der Klägerin seien. Die Klägerin selbst hat in ihrer Absage hinsichtlich dieser Stelle angegeben, dass auf dem Posten nur voll belastbare und extrem resiliente Kolleginnen und Kollegen eingesetzt werden sollten. Daher hätten ihre Gesprächspartner den Eindruck erweckt, dass sie diesem Stress nicht genügend gewachsen sei. Aus beiden Äußerungen folgt übereinstimmend, dass es auf beiden Seiten Bedenken gab, dass die Klägerin den Anforderungen dieser Stelle aus gesundheitlicher Sicht wohl nicht gewachsen sein könnte. Das steht in Einklang mit den Leistungseinschränkungen, die in den Gesundheitszeugnissen festgehalten sind und von der sachverständigen Zeugin geschildert wurden. Insbesondere ist auf die Angabe der Amtsärztin hinzuweisen, dass mit dem Auftreten von erneuten Krankheitszeiten zu rechnen sei, wenn herausfordernde oder ungewohnte Situationen auftreten.
59
Da sich dem Gesundheitszeugnis vom … September 2020 keine wesentliche Veränderung der Leistungseinschränkungen der Klägerin in gesundheitlicher Hinsicht entnehmen ließ, war die Beklagte auch nicht gehalten, mögliche offene Stellen, die der Klägerin Ende 2018 angeboten wurden – insbesondere Stelle Nr. … sofern diese überhaupt noch offen gewesen wäre –, der Beamtin vor der Ruhestandsversetzung nochmals anzubieten.
60
Eine Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme für den Erwerb einer neuen Befähigung (§ 26 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG) kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Denn eine solche Maßnahme, die eine gewisse Ausbildungszeit benötigt, ist weder der Beamtin noch der Dienstherrin zuzumuten (Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Februar 2023, § 26 BeamtStG Rn. 35), da die Klägerin im Zeitpunkt der Ruhestandversetzung zum … Mai 2022 nur noch eine Dienstzeit von vier Jahren bis zum Erreichen des regulären Ruhestandseintrittsalters (Art. 143 Abs. 1 Satz 2 BayBG) zu leisten hatte.
61
3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die beantragte Feststellung der Notwendigkeit der vorgerichtlichen anwaltlichen Vertretung und die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der angefallenen Rechtsanwaltsgebühren erübrigt sich daher. Zudem war kein Widerspruchsverfahren anhängig. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung/ZPO.