Titel:
Unbegründeter Asylfolgeantrag eines in Bulgarien subsidiär schutzberechtigten Syrers
Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1, § 71
VwVfG § 51
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsätze:
1. Ein Asylfolgeantrag liegt jedenfalls dann vor, wenn in einem Erstverfahren eine Unzulässigkeitsentscheidung infolge eines bestandskräftigen Drittstaatenbescheids nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG getroffen worden ist. Denn der Asylbewerber hatte in diesem Fall bereits die Möglichkeit, seine Asylgründe in einem Mitgliedstaat im Rahmen einer uneingeschränkten sachlichen Erstprüfung vorzutragen und nach einer inhaltlichen Prüfung seines Schutzgesuchs den ihm zustehenden Schutz in Anspruch zu nehmen (VG Göttingen BeckRS 2023, 1414). (Rn. 21) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Ein Asylfolgeantrag stellt kein außerordentliches Rechtsmittel dar, mit dem jederzeit eine vermeintlich unrichtige Sachentscheidung im Erstverfahren korrigiert werden kann (VGH München BeckRS 2021, 30626). Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens setzt nach § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG grundsätzlich voraus, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG vorliegen. (Rn. 23) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Es erweist sich als unerheblich, ob ein Asylbewerber - wie in § 51 Abs. 3 VwVfG gefordert - seinen Folgeantrag innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis des Grundes für die Durchführung eines neuen Asylverfahrens stellt. Nach aktueller Rspr. des EuGH ist die nationale Fristgebundenheit bei Folgeanträgen mit den unionsrechtlichen Vorgaben der RL 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) nicht vereinbar; § 51 Abs. 3 VwVfG bliebt daher infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts unangewendet (EuGH BeckRS 2021, 25395). (Rn. 26) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Eine veränderte Sachlage ist im Hinblick auf ein Asylverfahren nur dann zu bejahen, wenn sich entweder die allgemeinen politischen Verhältnisse, die Lebensbedingungen im Heimatstaat oder die das persönliche Schicksal des Asylbewerbers bestimmenden Umstände so verändert haben, dass eine für ihn günstigere Entscheidung möglich erscheint. Dabei genügt die pauschale Behauptung einer Änderung der Sachlage nicht; vielmehr bedarf es eines schlüssigen Vortrags, aus dem sich eine nachträgliche Änderung im Verhältnis zum Sachverhalt im früheren Asylverfahren tatsächlich ergibt (VG Berlin BeckRS 2021, 17631). (Rn. 28) (red. LS Clemens Kurzidem)
5. Auch unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel ist nicht erkennbar, dass sich die Verhältnisse in Bulgarien für nichtvulnerable, alleinstehende Personen mit Schutzstatus im Vergleich zu einer Unzulässigkeitsentscheidung im Jahr 2017 verschlechtert hätten. Für diesen Personenkreis besteht derzeit in Bulgarien keine beachtlich wahrscheinliche und willensunabhängige Gefahr einer Verelendung iSv Art. 4 GRCh oder Art. 3 EMRK (OVG Münster BeckRS 2022, 38647). (Rn. 30) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Asylverfahren, Herkunftsland: Arabische, Republik Syrien, Zuerkennung internationalen Schutzstatus in Bulgarien, Unzulässigkeitsentscheidung, Abschiebung und Wiedereinreise, Folgeantrag mit dem Ziel der Feststellung von Abschiebungsverboten, Änderung der Sach- und Rechtslage (verneint), syrischer Asylbewerber, internationaler Schutz, Bulgarien, bestandskräftiger Drittstaatenbescheid, Zweitantrag, Asylfolgeantrag, nationale Fristgebundenheit, Änderung der Sach- und Rechtslage, nichtvulnerable Personen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27716
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens beanspruchen kann.
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Mit bestandskräftigem Bescheid vom ... 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylerstantrag des Klägers vom ... 2016 gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig ab, da dem Kläger in Bulgarien subsidiärer Schutz gewährt worden war. Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AuftenthG in Bezug auf Bulgarien nicht vorliegen. Dem Kläger wurde die Abschiebung nach Bulgarien angedroht.
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Am ... 2018 reiste der Kläger, der sich nach seiner Abschiebung eigenen Angaben zufolge ca. 15 Monate in Bulgarien aufgehalten hat, erneut in das Bundesgebiet ein.
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Am ... 2018 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag, zu dessen Begründung er bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt am ... 2018 im Wesentlichen Folgendes vortrug: In Bulgarien habe er nur dadurch leben können, dass er sich selbständig gemacht habe. Er habe einen Handel mit Mobiltelefonen betrieben. Die Geräte seien ihm aber aus seinem Geschäft gestohlen worden. Etwa um diese Zeit habe er einen Drohbrief erhalten und sei auch bei einem Anruf bedroht worden. Das habe mit seinen politischen Aktivitäten in der Heimat zu tun gehabt. Er sei ein Gegner der … und der … Um nach Deutschland zu kommen, habe er Schulden machen müssen. Aktuell schulde er seinen Helfern ca. 5.000,- Euro.
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Mit Bescheid vom ... 2019 lehnte das Bundesamt den Folgentrag als unzulässig ab. Die Änderung der negativen Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG wurde gleichfalls abgelehnt.
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Am ... 2019 erhob der Kläger zur Niederschrift beim Verwaltungsgericht München Klage. Er beantragt,
1. Der Bescheid des Bundesamts vom ... 2019 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen (fortzuführen) und festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) vorliegen.
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Zur Begründung wurde auf die gegenüber dem Bundesamt gemachten Angaben verwiesen.
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Die Beklagte legte am ... 2019 die Akte des Verfahrens vor. Sie beantragt,
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Mit Beschluss vom ... 2020 (* … * …*) wurde die Beklagte verpflichtet, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass der Kläger (vorerst) bis zum Abschluss des Klageverfahrens erster Instanz (Urteilserlass oder Beendigung in sonstiger Weise) nicht nach Bulgarien abgeschoben werden darf. Denn die erforderliche Klärung der Verhältnisse im Zielstaat (Bulgarien) konnte im Rahmen des Verfahrens einstweiligen Rechtsschutzes nicht herbeigeführt werden.
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Mit Schreiben vom ... 2022 und vom ... 2023 stimmten die Beteiligten einer Entscheidung im schriftlichen Verhandlung zu.
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Mit Beschluss vom ... 2023 wurde die Rechtssache auf die Einzelrichterin übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten und den Beschluss vom ... 2020 (* … * …*) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die gegen die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 Asylgesetz – AsylG) gerichtete Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 16) und auch im Übrigen zulässig.
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Die Klage hat in der Sache dennoch keinen Erfolg, da sich der angefochtene Bescheid vom ... 2019 im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) als formell wie materiell rechtmäßig erweist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht zunächst vollumfänglich auf die Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG), der das Gericht folgt.
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Lediglich ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
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1. Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 1 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Folgeantrags im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.
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1.1. Von einem solchen Folgeantrag ist dann auszugehen, wenn ein Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Antrags erneut einen Asylantrag stellt.
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Ob das nur dann gegeben ist, wenn eine bestands- oder rechtskräftige Ablehnung aufgrund einer uneingeschränkten sachlichen Erstprüfung erfolgt ist, oder aber auch dann, wenn eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 AsylG getroffen wurde, ist umstritten (so i.E. auch Dickten, in: BeckOK Ausländerrecht, Stand: 1.7.2023, AsylG § 71 Rn. 5 m.w.N.; Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Auflage 2022, § 71 AsylG Rn. 7; Funke-Kaiser, GK-AsylG, Stand: Dezember 2022, § 71 AsylG Rn. 48-51; Camerer in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 16. Auflage, Stand: 15.7.2023, AsylG § 71 Rn. 2; VG Sigmaringen, U.v. 16.2.2021 – A 13 K 3481/18 – juris Rn. 32; a.A.: VG Ansbach, B.v. 28.9.2022 – AN 17 E 22.50308 – juris Rn. 23 ff.), ist aber jedenfalls im Falle eines bestandskräftigen Drittstaatenbescheides nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu bejahen. Denn der Kläger hatte dabei bereits die Möglichkeit, seine Asylgründe in einem Mitgliedstaat im Rahmen einer uneingeschränkten sachlichen Erstprüfung vorzutragen, sein Schutzgesuch wurde in einem Mitgliedstaat inhaltlich geprüft und er konnte den zustehenden Schutz in Anspruch nehmen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht (vgl. Funke-Kaiser, GK-AsylG, Stand: Dezember 2022, § 71 AsylG Rn. 48-51; VG Sigmaringen, U.v. 16.2.2021 – A 13 K 3481/18 – juris Rn. 32; VG Göttingen, U.v. 6.2.2023 – 3 A 81/22 – juris Rn. 25).
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Vorliegend wurde das nationale Asylverfahren i.S.d. § 13 AsylG mit einer für den Kläger negativen Entscheidung (bestandskräftige Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) endgültig abgeschlossen und kann daher nur unter den besonderen Regelungen des § 71 AsylG wiederaufgenommen werden.
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1.2. Ein Folgeantrag ist allerdings kein außerordentliches Rechtsmittel, mit dem jederzeit eine vermeintlich unrichtige Sachentscheidung im Erstverfahren korrigiert werden kann (vgl. NdsOVG, B.v. 10.8.1988 – 21 B 423/88 – NVwZ-RR 1989, 276; BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 19 CE 15.1300 – juris Rn. 21). Ein Wiederaufgreifen des Verfahrens setzt nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG grundsätzlich voraus, dass die Voraussetzungen in § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen.
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a) Nach § 51 Abs. 1 VwVfG muss sich entweder die Sach- oder Rechtslage nachträglich – nach Abschluss des früheren Asylverfahrens – zu Gunsten des Betroffenen geändert haben (Nr. 1) oder neue Beweismittel müssen vorliegen, die eine für den Betroffenen günstigere Entscheidung über sein Asylbegehren herbeigeführt haben würden (Nr. 2), oder es bedarf Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO Nr. 3). Die Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigere Entscheidung ist dabei schlüssig darzulegen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 14). Es genügt nicht, dass der Wiederaufgreifensgrund lediglich behauptet wird, vielmehr muss durch den weiteren Vortrag die begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (bzw. Anerkennung als Asylberechtigter) deutlich wahrscheinlicher geworden sein.
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b) Ferner ist ein Folgeantrag gemäß § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen. Von einem groben Verschulden ist dann auszugehen, wenn dem Betroffenen das Bestehen des Wiederaufnahmegrundes bekannt war oder doch hätte bekannt sein müssen und er es entgegen seinen Mitwirkungspflichten nach § 15 und § 25 AsylG unterlassen hat, diese Umstände in das Verfahren einzuführen.
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c) Unerheblich ist hingegen, ob der Kläger – wie in § 51 Abs. 3 VwVfG gefordert – seinen Folgeantrag innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis des Grundes für die Durchführung eines neuen Asylverfahrens gestellt hat. Nach aktueller Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die nationale Fristgebundenheit bei Folgeanträgen mit den unionsrechtlichen Vorgaben der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes vom 26. Juni 2013 (Asylverfahrensrichtlinie) nicht vereinbar; § 51 Abs. 3 VwVfG bleibt infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts daher unangewendet (EuGH, U.v. 9.9.2021 – XY; C-18/20 – juris; vgl. zum Ganzen: Dickten in BeckOK, Ausländerrecht, Stand: 1.1.2022, § 71 AsylG Rn. 7, 12).
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2. Dies zugrunde gelegt ist festzustellen, dass die Ablehnung des Asylfolgeantrags als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden ist, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG nicht gegeben sind. Ein Wiederaufgreifensgrund im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG liegt nicht vor. Der Kläger kann sich insbesondere nicht auf eine rechtlich relevante Änderung der Sachlage berufen.
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2.1. Eine veränderte Sachlage ist im Hinblick auf Asylverfahren nur zu bejahen, wenn sich entweder die allgemeinen politischen Verhältnisse, die Lebensbedingungen im Heimatstaat oder die das persönliche Schicksal des Asylbewerbers bestimmenden Umstände so verändert haben, dass eine für den Asylbewerber günstigere Entscheidung möglich erscheint (vgl. Dickten in BeckOK, Ausländerrecht, Stand: 1.1.2022, § 71 AsylG Rn. 18). Eine qualitativ neue Bewertung muss angezeigt und möglich sein (VG Berlin, U.v. 22.6.2021 – 12 K 112/21 A – juris Rn. 18; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 71 AsylG Rn. 24). Dabei genügt die pauschale Behauptung einer Änderung der Sachlage nicht, vielmehr bedarf es eines schlüssigen Vortrags, aus dem sich eine nachträgliche Änderung im Verhältnis zum Sachverhalt im früheren Asylverfahrens tatsächlich ergibt. Dies erfordert wiederum eine substantiierte Darlegung entsprechender Tatsachen (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1991 – 9 C 33.90 – juris Rn. 13). Schließlich muss die Änderung der Sachlage für den im früheren Asylverfahren ergangenen Verwaltungsakt entscheidungserhebliche Voraussetzungen betreffen, so dass diese Änderung im Asylfolgeverfahren eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung erfordert oder zumindest ermöglicht (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.2018 – 1 C 26.17 – juris Rn. 18 m.w.N.).
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2.2. Daran gemessen ist hier keine relevante Änderung der Sachlage festzustellen.
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Auch unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnismittel ist für das erkennende Gericht nicht erkennbar, dass sich die Verhältnisse in Bulgarien für nichtvulnerable, gesunde, alleinstehende Personen mit Schutzstatus im Vergleich zum Zeitpunkt der ersten Unzulässigkeitsentscheidung im Jahr 2017 verschlechtert hätten. Nach der inzwischen weitgehend einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. u.a. VGH BW B.v. 13.10.2022 – A 4 S 2182/22 – juris m.w.N.; OVG NW, B.v. 16.12.2022 – 11 A 1397/21.A – juris m.w.N.; OVG LSA, B.v. 12.9.2022 – 3 L 198/21 – juris m.w.N.; SächsOVG, U.v. 7.9.2022 – 5 A 153.17.A – juris m.w.N.; OVG NW, B.v. 22.8.2023 – 11 A 3374/20.A – juris Rn. 58 ff.; vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 10.7.2023 – B 7 K 22.30819; VG Saarland, U.v. 24.3.2023 – 3 K 766/22 – juris m.w.N.) besteht für solche Personen derzeit in Bulgarien keine beachtlich wahrscheinliche und willensunabhängige Gefahr einer Verelendung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta oder Art. 3 EMRK. Dabei gilt das für den Kläger, gelernter Maler mit 13 Jahren Berufserfahrung, ohne weiteres. Dass dessen Ziel immer Deutschland gewesen sei, ist dabei unerheblich.
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Ebenso wenig ist von einer relevanten Sachlageänderung aufgrund der vom Kläger geltend gemachten Drohungen in Bulgarien auszugehen. Der klägerische Vortrag weist wenig Substanz auf, jedenfalls muss er sich aber auf Unterstützung durch die bulgarischen Polizei- und Sicherheitsbehörden verweisen, die er seinerzeit weder gesucht noch in Anspruch genommen hat. Schließlich ist anzumerken, dass es nur schwer nachvollziehbar ist, wieso der Kläger – der sich eigenen Angaben zufolge in Bulgarien bedroht und unsicher u.a. wegen Personen türkischer Volkszugehörigkeit gefühlt habe – nicht Schutz etwa in Österreich (oder in einem anderen sicheren Drittland) gesucht hat, sondern unbedingt wieder in die Bundesrepublik wollte. Das dürfte aber eine Option gewesen sein, wenn es dem Kläger nur darum ging, die Drohungen in Bulgarien zu entweichen (zumal in der Bundesrepublik mehrere Millionen ethnische Türken leben). Insofern ist für das Gericht keine Änderung der Sachlage erkennbar, die eine für den Kläger günstigere Entscheidung erfordert oder zumindest ermöglicht.
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2.3. Der Kläger hat auch kein „neues Beweismittel“ im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorgelegt, das geeignet wäre, eine für ihn günstigere Entscheidung herbeizuführen (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.1982 – 8 C 75/80 – juris). Im Übrigen bestehen auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Wiederaufgreifensgrundes nach § 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 580 ZPO.
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2.4. Der Kläger kann schließlich das Wiederaufgreifen seines Verfahrens auch nicht nach §§ 48, 49 VwVfG (i.V.m. § 51 Abs. 5 VwVfG) beanspruchen, da § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG lediglich auf § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG verweist; § 51 Abs. 5 VwVfG ist ausdrücklich ausgenommen.
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3. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots hinsichtlich Bulgariens auch nicht zu Tage. Die unter Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom ... 2019 getroffene Feststellung des Fehlens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist aus den oben genannten Gründen ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Der rechtliche Maßstab für eine Verletzung des hier allein in Betracht kommenden Art. 3 EMRK ist im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG identisch mit dem vorstehend dargelegten Maßstab der beachtlich wahrscheinlichen und willensunabhängigen Gefahr einer Verelendung (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris; BVerwG, U.v. 21.04.2022 – 1 C 10/21 – juris; SächsOVG, U.v. 15.6.2020 – 5 A 382.18 – juris). Wie bereits ausgeführt, droht dem Antragsteller jedoch bei einer Rückkehr nach Bulgarien keine gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta verstoßende Behandlung.
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Im Übrigen leidet der Antragsteller ersichtlich nicht unter lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich alsbald nach der Abschiebung verschlechtern würden (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
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4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).