Titel:
Nutzungsuntersagung und Duldungsanordnung - Vermietung von Apartments an bestimmten Personenkreis
Normenketten:
BayBO Art. 76 S. 2
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5 S. 1
Leitsätze:
1. Eine wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Genehmigungspflicht formell rechtswidrige Nutzung darf aus Gründen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Rechtsbegriff ist zunächst autonom in dem Zusammenhang bzw. wenigstens Regelungsbereich auszulegen, in dem er im konkreten Einzelfall verwendet wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich die einheitliche Auslegung von Rechtsbegriffen vorzugswürdig ist, um die Einheit der Rechtsordnung sicherzustellen. Allerdings hilft dies nicht darüber hinweg, dass verschiedene Regelungsmaterien eine unterschiedliche Besetzung desselben Begriffs erfordern können. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagung muss im Regelfall nicht näher begründet werden, weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird (sog. intendiertes Ermessen). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nutzungsuntersagung, Duldungsanordnung, Vermietung über den in der Baugenehmigung bestimmten Personenkreis hinaus, Sofortvollzugsanordnung, Verhältnismäßigkeit, Auslegung von Rechtsbegriffen, Stellplatzschlüssel, intendiertes Ermessen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 30.11.2023 – 1 CS 23.1574
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27715
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerinnen haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,-- festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerinnen begehren im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagung und Duldungsanordnung betreffend die Vermietung von Apartments in einer Wohnanlage an einen bestimmten Personenkreis.
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Die Antragstellerin zu 2. ist die Wohnungseigentümergemeinschaft des mit einer Apartmentanlage bebauten Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung … Die WEG besteht aus insgesamt ca. 313 Wohnungseigentümern. Diese Eigentümer erwarben von der … Services GmbH nach der Fertigstellung des Wohnkomplexes Anteile an der aus 222 sog. Mikroapartments und 26 sog. Business Apartments bestehenden Anlage. Die Antragstellerin zu 1. ist die Betreiberin der Wohnanlage und tritt als Vermieterin der Apartments gegenüber den Mietern der Apartments auf.
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Der … Services GmbH als damaliger Bauherrin wurde mit Bescheid vom 18. November 2016 die Baugenehmigung, geändert durch Bescheid vom 22. Februar 2017 (Tektur), für den Neubau der genannten Wohnanlage erteilt. Diese beinhaltet den Bau eines Wohngebäudes mit 222 Mikroapartments für Schüler, Auszubildende, Studenten und sonstige in einer Berufsausbildung befindliche Personen sowie 26 Business Apartments ohne eine solche Einschränkung des Nutzerkreises. Zur Sicherung des hinsichtlich der Mikroapartments beschränkten Nutzerkreises wurde – wie in dem Bescheid als Bedingung aufgenommen – zugunsten der Antragsgegnerin eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt (Notarurkunde vom 30.3.2017, Gerichtsakte – GA – Bl. 23 ff.). Hintergrund der Beschränkung des Nutzerkreises im Hinblick auf die Mikroapartments war es, dass die damalige Bauherrin in Bezug auf diese Apartments den verminderten Stellplatzschlüssel gemäß der Satzung über die Herstellung und Ablösung von Garagen und Stellplätzen (Garagen- und Stellplatzsatzung – GaStS) der Antragsgegnerin vom 3. August 1995 nutzen wollte.
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Infolge einer Beschwerde im Oktober 2021 stellte die Antragsgegnerin fest, dass eine Vermietung der Mikroapartments auch an Berufseinsteiger in der Probezeit und an Personen in einer berufsbegleitenden Weiter- und/oder Fortbildung erfolgte.
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Mit Bescheid vom 9. November 2022 verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1. als Betreiberin der Wohnanlage, die Neuvermietung der 222 Mikroapartments an Personen außerhalb des durch die Baugenehmigung bzw. Tekturgenehmigung beschränkten Personenkreises ab sofort zu unterlassen (Nr. 1), sowie die Antragstellerin zu 2., diese Anordnung zu dulden. Weiterhin wurde die sofortige Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und 2 angeordnet (Nr. 3) und jeweils ein Zwangsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Nrn. 1 und 2 angedroht (Nr. 4).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Bestimmung in der zugehörigen Baugenehmigung und der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sei in einer Vielzahl von Fällen die Vermietung von Apartments an Personen erfolgt, die nicht dem berechtigten Personenkreis entsprochen hätten. Dem läge eine zu weite Auslegung des Begriffs der sonstigen in einer Berufsausbildung befindlichen Personen zugrunde. Vermietet worden sei beispielsweise an Berufseinsteiger und Personen, die eine firmeninterne Schulung/Weiterbildung absolvierten. Im Verlauf des bauaufsichtlichen Verfahrens habe die Anzahl der nicht berechtigten Mieter bereits deutlich gesenkt werden können (unter 60 Mieter; Stand Oktober 2022). In einer Besprechung am 13. Oktober 2022 mit Vertretern der beteiligten Gesellschaften sei der nach der Baugenehmigung berechtigte Personenkreis erörtert und einvernehmlich näher konkretisiert worden. Wegen dieser Gespräche sowie dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Einhaltung der Nutzungsbeschränkung habe auf eine Anhörung verzichtet werden können. Die Nutzungsuntersagung könne auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützt werden. Die Antragstellerin zu 1. habe die Mikroapartments teilweise ohne die wegen der Nutzungsänderung von Wohnungen für Studierende und in Ausbildung befindliche Personen zu Wohnungen ohne Nutzungsbeschränkung erforderliche Baugenehmigung und damit im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften an Personen, die nicht zu dem in der Baugenehmigung genannten Personenkreis gehörten, vermietet. In der genannten Besprechung habe der berechtigte Personenkreis einvernehmlich konkretisiert werden können, u.a. auf Studierende, Doktoranden, Absolventen eines Pflichtpraktikums im Rahmen eines Studiums, Praktikanten, PreMaster, schulische oder betriebliche Ausbildung, FSJ, BFD, FÖJ, Schüler, etc. Nicht zu der Gruppe der berechtigten Person zählten hingegen Personen, die sich in einer berufsbegleitenden Weiterbildung bzw. Fortbildung befänden, Teilnehmer an Personalweiterbildungsprogrammen innerhalb eines Unternehmens sowie Berufseinsteiger in der Probezeit. Die Herstellung rechtmäßiger Zustände durch nachträgliche Genehmigung sei nicht möglich, da die nach der städtischen Garagen- und Stellplatzsatzung erforderlichen Stellplätze nicht nachgewiesen werden könnten. Die Nutzungsuntersagung ergehe nach pflichtgemäßem Ermessen. Insbesondere seien die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Die Antragsgegnerin hätte in gleich gelagerten Fällen ebenfalls Nutzungsuntersagungen erlassen. Eine Belassung der Nutzung scheide aus, weil das Interesse der Allgemeinheit am ordnungsgemäßen Baurechtsvollzug höher zu bewerten sei als die persönlichen Interessen Einzelner. Auch die Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte führe zu keinem anderen Ergebnis, da im Rahmen des Bauantrags durch die gewählte Wohnform ein enormer wirtschaftlicher Vorteil durch den reduzierten Stellplatzschlüssel gezogen wurde und sich aktiv für den berechtigten Personenkreis entschieden worden sei. Art. 76 BayBO sei auch die Grundlage für den Erlass der Duldungsanordnung gegenüber der Eigentümerin; diese sei erforderlich, um einer Be-/Verhinderung der Umsetzung des Bescheids seitens der Eigentümerin vorzubeugen. Auch die Duldungsanordnung werde im pflichtgemäßen Ermessen erlassen. Sie sei notwendig, um die Befolgung der behördlichen Anordnungen sicherzustellen. Der Bescheid sei für sofort vollziehbar zu erklären gewesen. Es bestehe regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse daran, dass bei unzulässig genutzten baulichen Anlagen wegen der Gefahr der Bezugnahmen ehestmöglich die Nutzung eingestellt werde. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.
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Gegen den Bescheid erhoben die Antragstellerinnen mit Schriftsatz ihres damaligen Bevollmächtigen vom 5. Dezember 2022, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (Az. M 9 K 22.6069), über die noch nicht entschieden wurde.
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Mit Schriftsatz ihres nunmehrigen Bevollmächtigten vom 31. März 2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließen die Antragstellerinnen beantragen,
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Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerinnen gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. November 2022 wird angeordnet.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Erfordernisse des Sofortvollzuges seien schon nicht ordnungsgemäß dargelegt, da nur eine formelhafte Begründung erfolge. Insbesondere sei nicht ersichtlich, warum nicht abgewartet werden könne; die derzeitige Vermietungssituation habe keine nachteiligen Auswirkungen auf die Parkplatzsituation und der Parkdruck werde nicht erhöht, da nachweislich die vorhandenen Parkplätze nur hälftig ausgelastet seien. Das Rechtsinstitut des Sofortvollzugs würde entgegen dessen Ausnahmecharakter als „Druckmittel“ eingesetzt. Es überwiege das private Interesse an einer Außervollzugsetzung des Verwaltungsaktes. Dies gelte insbesondere auch für den Fall der Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Denn im Falle des Sofortvollzugs hätte dargelegt werden müssen, dass und aus welchen Gründen die Verwirklichung einer konkreten Gefahrenlage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit noch vor Ergehen einer Entscheidung in der Hauptsache zu erwarten sei. Schließlich habe auch das Hauptsacheverfahren nach summarischer Prüfung Aussicht auf Erfolg. Die Vermietung sei in der Vergangenheit entsprechend der Baugenehmigung und der Grunddienstbarkeit erfolgt. Insbesondere treffe es nicht zu, dass Schulungen und Weiterbildungen keine Berufsausbildung darstellten. Dies ergebe sich beispielsweise aus der Definition der Berufsausbildung in § 1 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG). Dieses Gesetz definiere die Ausbildung nicht restriktiv, sondern lasse erkennen, dass im Hinblick auf die sich stetig wandelnde Arbeitswelt auch Weiterbildung, Fortbildung, interne Fortbildungen und Anpassungsfortbildungen in den Betrieben unter den Begriff der Berufsausbildung fielen. Es werde darauf hingewiesen, dass Unklarheiten im Rahmen einer vertraglichen Formulierung, wie es im Falle einer Grunddienstbarkeit der Fall sei, immer zulasten des Verwenders gingen. Die Auslegung durch die Antragstellerinnen entspräche auch dem Sinn der Vereinbarung, da diese auf eine Zurverfügungstellung für Personen, die sich nur zu Ausbildungszwecken und zeitlich beschränkt dort aufhielten, ziele. Diese erweiterte Auslegung könne schon auf Grundlage der erteilten Baugenehmigung erfolgen. Jedenfalls wäre die erweiterte Auslegung genehmigungsfähig, sodass die materielle Illegalität entfiele. Insbesondere sehe § 2 Abs. 3 der Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin vor, dass die Anzahl der erforderlichen Stellplätze zu erhöhen oder zu vermindern sei, wenn nach der besonderen Situation des Einzelfalles das Ergebnis im offensichtlichen Missverhältnis zum tatsächlichen Bedarf stehe. Dies sei hier der Fall, da die vorgehaltenen Stellplätze nur etwa zur Hälfte tatsächlich genutzt würden. Dies ergebe sich aus einer Erfassung des tatsächlichen Bedarfs über einen längeren Zeitraum. Ein grobes Missverhältnis liege hier daher vor. Auch § 20 der Stellplatzverordnung des Landes Bayern weise in der Anlage einen Bedarf bei Studentenwohnheimen von einem Stellplatz je 5 Betten aus. Dies zugrunde gelegt, ergebe sich hier ein Bedarf von lediglich 64 Stellplätzen. Im Übrigen wird auf die Antragsbegründung Bezug genommen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Anordnung der sofortigen Vollziehung stehe die seit einem Jahr bestehende Kenntnis der Antragsgegnerin hinsichtlich der Vermietungspraxis nicht entgegen, da das Untätigbleiben keinen Vertrauensschutz begründe. Bei einer baurechtlichen Untersagung einer genehmigungspflichtigen, jedoch nicht genehmigten Nutzung dränge sich die Anordnung des Sofortvollzugs im Regelfall auf, da nur so sichergestellt werden könne, dass der rechtstreue Bürger, der sich erforderliche Genehmigungen erteilen lasse, nicht gegenüber einem rechtswidrig Handelnden schlechter gestellt werde. Angesichts der Dauer gerichtlicher Verfahren über mehrere Instanzen hinweg liege es zudem im öffentlichen Interesse, dass ein rechtswidriger Zustand nicht durch die Ausübung der illegalen Nutzung über einen längeren Zeitraum verfestigt werde. Die Anordnung des Sofortvollzugs werde hier auch nicht als „Druckmittel“ gebraucht, da ein solches aufgrund der klaren Formulierung der Baugenehmigung nicht erforderlich gewesen sei. Die Nutzungsuntersagung bestehe auch nur für Neuvermietungen und habe keinerlei Auswirkungen auf bestehende Mietverhältnisse. Das Berufsbildungsgesetz definiere in seinem § 1 Abs. 1 den Begriff der Berufsbildung und differenziere nach seinem Wortlaut ausdrücklich die Berufsbildungsformen der Berufsausbildung (§ 1 Abs. 3 BBiG) und der Fortbildung (§ 1 Abs. 4 BBiG). Vor diesem Hintergrund ergebe sich, dass der hier zugelassene Personenkreis der in Berufsausbildung befindlichen Personen nicht Fortbildungsteilnehmer umfasse. Das Berufsbildungsgesetz stütze dies, da es die Fortbildung nicht als Unterfall der Berufsausbildung sehe, sondern diese gänzlich anderen Rahmenbedingungen unterwerfe (vgl. §§ 53 ff. BBiG). Die Argumentation der Antragstellerinnen sei inkonsequent, wenn sie auf der einen Seite eine weitere Auslegung der Nebenbestimmung anstrebe, um die Mikroapartments auch an Fortbildungsteilnehmer zu vermieten, und gleichzeitig auf den nicht anwendbaren Stellplatzschlüssel für Studentenwohnheime der bayerischen Garagen- und Stellplatzverordnung verweise. Denn ein Studentenwohnheim umfasse gerade nicht die Vermietung an Fortbildungsteilnehmer. Unabhängig davon sei für die Anwendung der Garagen- und Stellplatzverordnung kein Raum, da die Antragsgegnerin in zulässiger Weise von Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO Gebrauch gemacht und einen strengeren Stellplatzschlüssel gewählt habe. Soweit ein offensichtliches Missverhältnis der Stellplätze zu dem tatsächlichen Bedarf geltend gemacht werde, obliege es den Antragstellerinnen, eine Änderungsgenehmigung mit dem Ziel der Anpassung des Stellplatzschlüssels zu beantragen. Ohne einen entsprechenden Bauantrag und eine beabsichtigte Prüfung bleibe es bei einem offenkundigen Verstoß gegen die erteilten Baugenehmigungen und einer daher zumindest formell illegalen Vermietungspraxis. Eine eigenständig durchgeführte Stellplatzbedarfsanalyse vermöge nicht, die bauaufsichtliche Prüfung des Stellplatzbedarfes zu ersetzen. Unabhängig davon werde bereits jetzt darauf hingewiesen, dass die derzeit gültige Garagen- und Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin keine Berücksichtigung örtlicher Verkehrsinfrastrukturen vorsehe. Eine pauschale Behauptung, dass sich die Mieter möglicherweise ein Auto nicht leisten könnten oder auf die Anschaffung wegen guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr verzichteten, sei nicht ausreichend. Anderenfalls wären die einschlägigen rechtlichen Regelungen obsolet, da sich Antragsteller auch kleinerer Bauvorhaben unter Bezugnahme auf ein geringes Einkommen oder unter Berücksichtigung der jeweiligen Verkehrsanbindungen der Stellplatzpflicht entziehen könnten. Entsprechend müsste der Stellplatzbedarf bei jedem Nutzerwechsel geprüft werden, was nicht dem Sinn und Zweck des Stellplatzerfordernisses entspreche. Das Baurecht sei grundstücksbezogen, nicht personenbezogen. Im Übrigen sei der im Vergleich zu normalem Wohnraum geringere Zu- und Abfahrtsverkehr bereits in der städtischen Satzung berücksichtigt, indem der Stellplatzschlüssel von 1,2 pro Wohneinheit unter 40 m² auf 0,5 pro Wohneinheit reduziert sei. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz vom 9. Mai 2023 Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2023 führt der Bevollmächtigte der Antragstellerinnen weiter im Wesentlichen aus, dass der Antragsgegnerin vor Bauantragstellung das Konzept der Antragstellerinnen vorgeführt worden sei. Der Bauantrag sei entsprechend dem Konzept gestellt und genehmigt worden. Bei dem Gespräch während des bauaufsichtlichen Verfahrens habe man sich darauf geeinigt, dass eine Reduzierung auf den eingeschränkten Personenkreis freiwillig erfolge und eine Klärung der Rechtsfrage im gerichtlichen Verfahren erfolgen würde. Ebenfalls sei aus dem Gesprächsprotokoll ersichtlich, dass der Erlass des Untersagungsbescheids, insbesondere des Sofortvollzugs, in keiner Weise notwendig gewesen wäre. Die Antragsgegnerin verkenne den Ausnahmecharakter der sofortigen Vollziehung. Ungeachtet des Bemühens der Antragstellerinnen könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Abfragen bei den Mietern zu Beginn des Mietverhältnisses umgangen würden. Auch sei in manchen Fällen die Auflösung von Mietverhältnissen zivilrechtlich nicht möglich. Die Argumentation der Antragsgegnerin hinsichtlich einer möglichen Vorbildwirkung greife hier nicht, da es keine vergleichbaren Sachverhalte gebe und es sich um eine rein interne Diskussion zwischen den Beteiligten handele. Die angesprochene Differenzierung im Berufsbildungsgesetz treffe zu, allerdings fielen die dort geregelten Begriffe unter den Oberbegriff der Berufsausbildung. Auch Fortbildungsteilnehmer fielen unter § 1 Abs. 4 BBiG. Hinsichtlich der Stellplatzanalyse seien gegen diese seitens der Antragsgegnerin keine stichhaltigen Argumente vorgebracht worden. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Klageverfahren (M 9 K 22.6069) Bezug genommen.
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Der nach Auslegung (A.) zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den bauaufsichtlichen Bescheid vom 9. November 2022 hat keinen Erfolg, da er unbegründet ist. Die Sofortvollzugsanordnung in Nr. 3 des Bescheids ist formell rechtmäßig (B.). Zudem ergibt eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse überwiegt (C.). Schließlich besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides (D.).
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A. Der Antrag ist trotz anders lautender Formulierung und trotz anwaltlicher Vertretung der Antragstellerinnen als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auszulegen. Dies entspricht ersichtlich dem Begehren der Antragstellerinnen, §§ 88, 122 VwGO. Es liegt ein Fall von § 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vor, wonach die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage wegen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (vgl. Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids) entfällt. Hiergegen wenden sich die Antragstellerinnen mit dem Begehren, die aufschiebende Wirkung ihres Hauptsacherechtsbehelfs wiederherzustellen.
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Der so ausgelegte Antrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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B. Die behördliche Sofortvollzugsanordnung ist formell rechtmäßig. Sie entspricht insbesondere dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, welches der Behörde die Ausnahmesituation des Sofortvollzugs vergegenwärtigen soll.
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Erforderlich ist eine Begründung, die auf den Einzelfall bezogene, konkrete Gründe erkennen lässt, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt der Anfechtungsklage auszuschließen. Dabei ist die Anordnung des Sofortvollzugs fallbezogen und nicht lediglich floskelhaft zu begründen, wobei an den Inhalt der schriftlichen Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2010 – 10 CS 99.3290 – juris Rn. 16; Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 54 ff. m.w.N.). Die Begründung soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Sofortvollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen („Warnfunktion“), ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Interesse den Ausschluss der gesetzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung erfordert (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 24.3.1999 – 10 CS 99.27 – BayVBl. 1999, 465; VG Würzburg, B.v. 14.3.2023 – W 6 S 23.219 – juris Rn. 30).
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Diesen Vorgaben wird die streitgegenständliche Begründung des Sofortvollzugs gerecht. Vorliegend führt die Antragsgegnerin in dem streitgegenständlichen Bescheid aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehung stehe im öffentlichen Interesse, eine ehestmögliche Nutzungseinstellung sei bei unzulässig genutzten baulichen Anlagen wegen der Gefahr der Bezugsfallwirkung gegeben. Das Abwarten der Hauptsacheentscheidung sei unzumutbar, da andernfalls ein gesetzeswidrig Handelnder gegenüber einem gesetzestreu Handelnden übervorteilt wäre. Die Antragsgegnerin hat damit hinreichend deutlich gemacht, dass die Sofortvollzugsanordnung auf der Gefahr der Verfestigung eines rechtswidrigen Zustands beruht. Die Begründung lässt daher erkennen, dass sich die Antragsgegnerin mit den im konkreten Fall für den Sofortvollzug sprechenden Gründen auseinandergesetzt hat. Der Warnfunktion wurde Genüge getan.
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C. Weiterhin ergibt eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse überwiegt.
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I. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage bzw. des Widerspruchs in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3a VwGO ganz oder teilweise anordnen sowie im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen, sofern das Interesse des Betroffenen, von der Vollziehung des belastenden Verwaltungsakts bis zur Klärung seiner Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung übersteigt. Das Gericht hat hierbei nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt seiner Entscheidung eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Bei der danach erforderlichen Abwägung der Interessen sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen, soweit sie bei summarischer Prüfung bereits im Zeitpunkt der Entscheidung beurteilt werden können. Summarische Prüfung im Rahmen eines Eilverfahrens bedeutet insbesondere, dass eine umfassende Beweisaufnahme nicht durchgeführt wird, sondern dem Klageverfahren vorbehalten bleiben muss. Ergibt die Überprüfung der Erfolgsaussichten, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer reinen Interessenabwägung.
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II. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen, aber auch ausreichenden und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist von der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids auszugehen. Die Abwägung geht daher vorliegend zulasten der Antragstellerinnen aus, weil ihre Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid bei summarischer Prüfung keinen Erfolg haben wird. Denn sowohl die Nutzungsuntersagung als auch die Duldungsanordnung erweisen sich als voraussichtlich rechtmäßig und verletzen die Antragstellerinnen nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Nutzungsuntersagung ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Danach kann die Nutzung einer Anlage im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 4 BayBO untersagt werden, wenn sie öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Ein Rechtsverstoß in diesem Sinne liegt bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben – wie hier – schon dann vor, wenn dieses ohne Baugenehmigung ausgeführt wird (formelle Illegalität). Da die Nutzungsuntersagung – insofern der Baueinstellung vergleichbar – in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, kommt es insoweit nicht darauf an, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Genehmigungspflicht formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris; B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris).
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2. Vorliegend besteht zwar eine Baugenehmigung für die hier streitgegenständlichen 222 Mikroapartments, allerdings geht die tatsächliche Nutzung nach summarischer Prüfung über die genehmigte Nutzung hinaus, sodass die überschießende Nutzung eine nicht genehmigte, aber genehmigungspflichtige Nutzungsänderung i.S.d. Art. 55 Abs. 1 BayBO darstellt.
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a) Nach der Baugenehmigung vom 18. November 2016 in der durch Tekturgenehmigung vom 22. Februar 2017 geänderten Fassung dürfen die genehmigten 222 Mikroapartments ausschließlich zu Wohnzwecken „für Schüler, Auszubildende, Studenten und sonstige in einer Berufsausbildung befindliche Personen“ genutzt werden. Dies ergibt sich schon aus der ursprünglichen Baugenehmigung, da diese als Bedingung die Bestellung einer entsprechenden beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Antragsgegnerin enthielt. Mit der Tekturgenehmigung wurde die entsprechende Formulierung auch in die Vorhabenbezeichnung im Betreff des Bescheids übernommen.
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Die als „sonstige in einer Berufsausbildung befindliche Personen“ bezeichnete Nutzergruppe umfasst nicht Berufseinsteiger in der Probezeit oder Personen in einer berufsbegleitenden Weiter- und/oder Fortbildung, an welche ebenfalls vorliegend vermietet wird. Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Genehmigungsbescheide.
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aa) Bei der Auslegung der Genehmigungsbescheide kommt es – anders als der Vortrag der Antragstellerseite nahelegt – nicht primär auf die Verwendung der entsprechenden Rechtsbegriffe in anderen rechtlichen Zusammenhängen – etwa dem Berufsbildungsgesetz – an. Vielmehr ist ein Rechtsbegriff zunächst autonom in dem Zusammenhang bzw. wenigstens Regelungsbereich auszulegen, in dem er im konkreten Einzelfall verwendet wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich die einheitliche Auslegung von Rechtsbegriffen vorzugswürdig ist, um die Einheit der Rechtsordnung sicherzustellen. Allerdings hilft dies nicht darüber hinweg, dass verschiedene Regelungsmaterien eine unterschiedliche Besetzung desselben Begriffs erfordern können. Der von den Beteiligten in Bezug genommene § 1 BBiG macht dies im Übrigen schon dadurch deutlich, dass er selbst den Begriff der Berufsbildung (nicht: Berufsausbildung!) (nur) „im Sinne dieses Gesetzes“ definiert.
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bb) Blickt man deshalb zunächst auf die Regelung in den Genehmigungsbescheiden selbst, ist nach deren Wortlaut festzustellen, dass der Begriff der Berufsausbildung schon aus sich selbst heraus und nach dem üblichen Sprachgebrauch impliziert, dass eine Ausbildung dem Erlernen des Berufes dient, also insbesondere meint, dass eine noch nicht in dem Beruf tätige Person diesen erlernt. Demnach sind Personen in Fort- oder Weiterbildung, die bereits – fertig ausgebildet – in dem betreffenden Beruf tätig sind, hiervon ebensowenig umfasst wie – ebenfalls fertig ausgebildete – Berufseinsteiger in der Probezeit. Zum gleichen Ergebnis kommt man bei einer systematischen Betrachtung der Regelung in den Genehmigungsbescheiden. Die Formulierung „sonstige in einer Berufsausbildung befindliche Personen“ offenbart einen systematischen Zusammenhang dieser als vierte Variante möglicher Nutzer geregelten Gruppe mit den drei vorhergehenden, da sonstige gerade auf die Vorgenannten Bezug nimmt und damit die Gesamtregelung – generalisierend – auf ähnliche Personen aufweitet. Der systematische Bezug zu den drei anderen Gruppen (Schüler, Auszubildende, Studenten) zeigt ebenfalls, dass gerade solche Personen als (einzige) Nutzer genannt sind, die sich in einer schulischen, beruflichen oder universitären Qualifikationsphase befinden, also gerade noch nicht einer eigentlichen (Haupt-)Berufstätigkeit nachgehen und innerhalb dieser eine Fort- oder Weiterbildung absolvieren oder sich in der Probezeit befinden. Daran ändert es auch nichts, dass Auszubildende schon als eigene Gruppe genannt sind. Denn die Aufweitung in Richtung sonstiger in Berufsausbildung befindlicher Personen soll – wie soeben dargelegt – gerade als eine (begrenzte) Generalisierung verstanden eine gewisse Abstrahierung leisten, sodass Spielraum für nicht geregelte Fälle besteht, solange diese das verbindende Element – den Qualifikationserwerb – aufweisen. Umfasst wären daher z.B. auch Doktoranden.
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Ebenfalls gestützt wird dieses Ergebnis durch einen Blick auf die Garagen- und Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin, die die rechtliche Grundlage für die Regelung in den Genehmigungsbescheiden bildet und deren Regelungsgehalt somit zugleich auf den Telos der Genehmigungsbescheide einwirkt. Diese sieht in § 2 Abs. 1 vor, dass die Anzahl der erforderlichen Garagen und Stellplätze anhand der in Anhang 1 beigefügten Richtzahlenliste zu ermitteln ist. Dort ist in Nr. 1.2 eine Stellplatzzahl von 1,2 je Wohnung mit bis zu 40 m² Wohnfläche und von 0,5 je Wohnung für Studierende und Auszubildende vorgesehen. Ebenfalls in dieser Regelung findet sich das Erfordernis der dinglichen Sicherung, falls letzterer Stellplatzschlüssel in Anspruch genommen wird. Hintergrund dieser Regelung ist es, dass diese Personen typischerweise seltener ein Auto besitzen, weshalb – insofern unproblematisch vom Einschätzungsspielraum des Normgebers gedeckt – ein geringerer Stellplatzschlüssel festgelegt wird. Die Garagen- und Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin fasst damit den Nutzerkreis sogar noch enger als die Genehmigungsbescheide selbst, da sie nur Studierende und Auszubildende nennt. Spätestens in Zusammenschau mit dieser Regelung wird daher deutlich, dass der Nutzerkreis jedenfalls auf Personen beschränkt ist, die sich nicht im Berufsleben im engeren Sinne befinden, sondern den Qualifikationserwerb anstreben.
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cc) Schließlich kommt man zum gleichen Ergebnis, wenn man – ergänzend – die Verwendung des Begriffs der Berufsausbildung in anderen rechtlichen Kontexten, insbesondere im Kontext des von der Antragstellerseite angeführten Berufsbildungsgesetzes, heranzieht. Zutreffend führt der Antragstellerbevollmächtigte aus, dass § 1 Abs. 1 BBiG weit gefasst ist und neben der Berufsausbildungsvorbereitung und der Berufsausbildung auch die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung umfasst. Allerdings definiert § 1 Abs. 1 BBiG nicht den Begriff der Berufsausbildung (dieser folgt erst in Absatz 3 der Norm), sondern den weiter gefassten (vgl. Hagen in: BeckOK ArbR, 68. Ed. 1.6.2023, BBiG, § 1 Rn. 1) Begriff der Berufsbildung. § 1 Abs. 3 BBiG nennt schließlich das Ziel (nicht die Definition) der Berufsausbildung und rekurriert dabei auf die Vermittlung von Fertigkeiten, Kenntnissen und Fähigkeiten unter Ermöglichung der erforderlichen Berufserfahrung. Auch das Berufsbildungsgesetz versteht unter dem Begriff der Berufsausbildung damit eine Phase des (beruflichen) Qualifikationserwerbs entweder als Erstausbildung nach der Schulzeit oder als weitere Berufsausbildung nach bereits erfolgter, aber anderweitiger Berufsausbildung (vgl. Hagen in: BeckOK ArbR, 68. Ed. 1.6.2023, BBiG, § 1 Rn. 5). Auch hier nicht erfasst ist hingegen die Fort- oder Weiterbildung während der laufenden Berufstätigkeit nach abgeschlossener beruflicher oder anderweitiger Qualifikation oder der Status als Berufseinsteiger in der Probezeit.
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Schließlich sei darauf hingewiesen, dass – anders als der Antragstellerbevollmächtigte meint – die Grundsätze der Vertragsauslegung nur ergänzend auf die Auslegung eines Hoheitsaktes Anwendung finden (insbesondere liegt hier kein öffentlich-rechtlicher Vertrag nach Art. 54 ff. BayVwVfG vor) und schon gar nicht Unklarheiten pauschal immer zulasten einer Seite gehen. Daran ändert es auch nichts, dass die hoheitliche Regelung durch Verwaltungsakt vorliegend dinglich gesichert wurde. Denn Grundlage für die Genehmigungslage ist die Baugenehmigung selbst. Dennoch würde auch eine Auslegung nach Vetragsauslegungsgrundsätzen zum gleichen Ergebnis kommen, da auch hier der Wortlaut, die Systematik und der Hintergrund der vertraglichen Regelung (hier die Garagen- und Stellplatzsatzung) die Grundlage für die Auslegung bilden. Unabhängig davon gehen Unklarheiten nur im Ausnahmefall pauschal zulasten einer Seite, etwa im Falle des § 305c Abs. 2 BGB wegen der dort berücksichtigten strukturellen Besonderheiten von AGB. Ein allgemeiner derartiger Rechtssatz besteht nicht. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass es für eine derartige Auslegungsregel Grund oder Grundlage gäbe. Im Übrigen weist die Regelung in der hier gegenständlichen Baugenehmigung in Form der Tekturgenehmigung schon keine Unsicherheit auf, sondern ist – wie gezeigt – der Auslegung zugänglich.
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b) Über diese genehmigte Nutzung geht die tatsächliche Nutzung der Mikroapartments hinaus, da auch an Berufseinsteiger in der Probezeit oder Personen in einer berufsbegleitenden Weiter- und/oder Fortbildung vermietet wird. Insoweit liegt eine nicht genehmigte, aber genehmigungspflichtige Nutzungsänderung i.S.d. Art. 55 Abs. 1 BayBO vor.
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3. Diese tatsächliche Nutzung ist nach summarischer Prüfung auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Der strengere Maßstab der vollen Prüfung der Genehmigungsfähigkeit bei einer Nutzungsuntersagung gegenüber von Wohnraum, der für die Bewohner den alleinigen Mittelpunkt ihrer privaten Existenz bildet (vgl. BayVGH, U.v. 5.12.2005 – 1 B 03.2608 – juris), ist hier nicht anwendbar, weil die Nutzungsuntersagung nur zukünftige Mietverhältnisse erfasst und damit nicht gegen aktuelle Mieter, die potentiell ihren einzigen Wohnraum verlieren könnten, ergeht.
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Die offensichtliche Genehmigungsfähigkeit ist hier schon deshalb nicht gegeben, da das Vorhaben nicht den nach Art. 60 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 BayBO zu prüfenden Vorgaben der Garagen- und Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin entspricht, da die erforderliche Stellplatzzahl bezüglich der Mikroapartments nur dann nachgewiesen ist, wenn man den verminderten Stellplatzschlüssel zugrunde legt, was hier wegen der Nutzung u.a. durch Personen in Fort- und Weiterbildung oder Berufseinsteiger in der Probezeit nicht möglich ist, vgl. oben.
37
Unbehelflich ist an dieser Stelle das Argument der Antragstellerinnen, die tatsächliche Situation zeige, dass die Stellplätze nicht benötigt würden. Diese stünden zur Hälfte leer. Für die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens kommt es auf die Rechtslage – hier die Garagen- und Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin – an, nicht darauf, ob diese aus Sicht des Bauherrn sinnvoll ist. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob nach anderen Rechtsvorschriften (etwa nach der GaStellV) mehr oder weniger Stellplätze benötigt würden. Gründe für eine Unwirksamkeit der Garagen- und Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin sind nicht vorgetragen oder ersichtlich, sodass diese anzuwenden ist.
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Jedenfalls im Rahmen der bei einer Nutzungsuntersagung zu prüfenden offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit nicht zum Tragen kommt in diesem Zusammenhang auch § 2 Abs. 3 der Garagen- und Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin. Diese Vorschrift erlaubt eine Verminderung der Stellplatzzahl, wenn nach der besonderen Situation des Einzelfalles das Ergebnis im offensichtlichen Missverhältnis zum tatsächlichen Bedarf steht. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch jedenfalls nicht offensichtlich vor. Zwar haben die Antragstellerinnen Erhebungen und Analysen durchgeführt. Allerdings bedarf es insoweit der eingehenden Prüfung der tatsächlichen Gegebenheiten durch die Bauaufsichtsbehörde, die dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten ist, und eines entsprechenden (Tektur-)Antrags. Zudem ist unabhängig davon vorliegend nicht erkennbar, warum im vorliegenden Einzelfall strukturell eine besondere Situation vorliegen soll, die zu einem Missverhältnis führt. Selbst wenn derzeit oder in einem gewissen Zeitraum der Vergangenheit nur die Hälfte der Stellplätze genutzt worden sein sollten, genügt dies nicht, da diese tatsächliche Begebenheit nicht ausreichend an eine mögliche Besonderheit des konkreten Vorhabens rückgebunden ist. Denn die allgemeine Tatsache, dass Gebäude mit kleinen Wohneinheiten weniger Stellplätze benötigen, hat der Satzungsgeber bereits durch die Verminderung des Stellplatzschlüssels bei geringer Wohnfläche je Wohneinheit berücksichtigt (vgl. Nr. 1.2 der Anlage 1 zur Garagen- und Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin). Dafür, dass vorliegend wegen der Eigenart des Vorhabens eine noch weitere Reduzierung wegen eines Missverhältnisses angezeigt ist, ist nichts erkennbar. Das Missverhältnis müsste strukturell bedingt sein und nicht nur über einen gewissen Zeitraum tatsächlich bestehen, da es wegen der Grundstückbezogenheit des Baurechts nicht auf die Besonderheiten der derzeitigen (und hier wegen der Eigenart des Vorhabens ohnehin oft wechselnden) Bewohner ankommt. Von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit kann daher nicht ausgegangen werden.
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4. Schließlich sind auch im Übrigen nach summarischer Prüfung Ermessensfehler hinsichtlich der Nutzungsuntersagung nicht ersichtlich, Art. 40 BayVwVfG, § 114 VwGO. Insbesondere stellt die Antragsgegnerin in dem Bescheid Ermessenserwägungen an mit Blick etwa auf das Interesse der Allgemeinheit am ordnungsgemäßen Baurechtsvollzug. Hinzu kommt, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagung im Regelfall nicht näher begründet werden muss, weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird, sog. intendiertes Ermessen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 5.11.2020 – 1 ZB 20.598 – juris Rn. 5). Für den vorliegenden Einzelfall ist zudem zu beachten, dass sich die Nutzungsuntersagung auch deshalb als verhältnismäßig erweist, weil die Antragsgegnerin nur eine Regelung für zukünftige Mietverhältnisse und nicht für den Bestand gewählt und damit die Interessen der Antragstellerinnen in besonderem Maße geschützt hat.
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5. Auch hinsichtlich der Duldungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie kann sich ebenfalls auf Art. 76 Satz 2 BayBO stützen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.4.2007 – 14 CS 07 – juris) und erweist sich als rechtmäßig, da eine wirksame Nutzungsuntersagung vorliegt (s.o.) und auch die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen – entsprechend denen der Nutzungsuntersagung, zu der die Duldungsanordnung ein Minus darstellt – vorliegen sowie Ermessensfehler nicht ersichtlich sind, vgl. oben. Insbesondere erscheint eine Duldungsanordnung gegenüber der Antragstellerin zu 2. hier schon deshalb als erforderlich, um zu verhindern, dass diese auf zivilrechtlicher Grundlage eine Vermietung nach bisheriger Praxis durch die Antragstellerin zu 1. erzwingt und somit ein Vollstreckungshindernis (rechtliche Unmöglichkeit) hinsichtlich der Nutzungsuntersagung schafft.
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6. Auch hinsichtlich der Androhung eines Zwangsgeldes von 30.000 Euro bzw. 15.000 Euro für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Nutzungsuntersagung bzw. Duldungsanordnung bestehen nach summarischer Prüfung keine rechtlichen Bedenken. Rechtsgrundlage für die Zwangsgeldandrohung ist Art. 36 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 VwZVG. Bedenken hierzu wurden auch nicht geltend gemacht.
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D. Schließlich besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids (zum Erfordernis vgl. etwa Decker in: Busse/Kraus, 149. EL Januar 2023, BayBO Art. 76 Rn. 325). Liegen die Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO nach summarischer Prüfung vor, ist regelmäßig auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gerechtfertigt (vgl. BayVGH, B.v. 2.11.2011 – 2 CS 11.1558 – juris Rn. 3; B.v. 7.7.2005 – 25 CS 05.1192 – juris Rn. 4). Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass die Genehmigungspflicht beachtet, Bezugsfälle verhindert und eine Breitenwirkung ausgeschlossen wird. Letzteres hat die Antragsgegnerin zur Begründung des Sofortvollzugs in dem streitgegenständlichen Bescheid auch ausgeführt. Diese öffentlichen Interessen überwiegen im Allgemeinen das private Interesse, die rechtswidrige Nutzung vorläufig fortsetzen zu dürfen. Im konkreten Fall der Antragstellerinnen sind darüber hinaus keine privaten Interessen erkennbar, die so schutzwürdig sind, dass sie die öffentlichen Interessen überwiegen könnten. Dies folgt auch daraus, dass sich die Nutzungsuntersagung nur auf Neuvermietungen bezieht und Altverträge demnach weitergeführt werden dürfen. An diesem Ergebnis änderte es auch nichts, wenn man davon ausgeht, dass der Antragsgegnerin die genehmigungswidrige Vermietung über einen gewissen Zeitraum bekannt war. Denn für eine relevante Duldung über einen längeren Zeitraum (hierzu etwa BayVGH, B.v. 2.11.2011 – 2 CS 11.1558 – juris Rn. 3) wäre es erforderlich, dass die mögliche Baurechtswidrigkeit der Nutzungsänderung gerade ohne gewichtigen oder gar ohne erkennbaren Grund auf längere Zeit geduldet wird (vgl. BayVGH, a.a.O. Rn. 5). Daran fehlt es hier, da ein bauaufsichtliches Verfahren eingeleitet und durchgeführt wurde, im Rahmen dessen u.a. der Sachverhalt ermittelt und Gespräche mit den Antragstellerinnen geführt wurden. Die Antragsgegnerin wirkte dabei kontinuierlich auf eine Verringerung der Zahl der baurechtswidrig vermieteten Mikroapartments hin.
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Die Sofortvollzugsanordnung hinsichtlich der Duldungsanordnung teilt schließlich das rechtliche Schicksal der Sofortvollzugsanordnung hinsichtlich der Nutzungsuntersagung, da die Duldungsanordnung der Durchsetzung der Nutzungsuntersagung dient; auch insoweit bestehen deshalb vorliegend keine Bedenken bezüglich der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit (vgl. Decker in: Busse/Kraus, 149. EL Januar 2023, BayBO Art. 76 Rn. 435 f.).
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Der Antrag wird daher abgelehnt.
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E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
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F. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG (zwei Streitgegenstände, jeweils Auffangwert) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.