Inhalt

VG München, Beschluss v. 13.09.2023 – M 5 E 23.3439
Titel:

Stellenbesetzung einer W 3 Professur

Normenketten:
VwGO § 123
GG Art. 33 Abs. 2
Leitsätze:
1. Im Rahmen der Feststellung der fachwissenschaftlichen Eignung kommt der Hochschule eine verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz hinsichtlich der Qualifikation der Bewerber zu. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein konstitutives Anforderungsprofil enthält einen von der Bestenauslese abgekoppelten und im Entscheidungsgang davor zu prüfenden Maßstab. Wer ein konstitutives Anforderungsprofil nicht erfüllt, scheidet allein deshalb aus dem Bewerbungsverfahren aus. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Stellenbesetzung, W 3 Professur an einer Universität, Anforderungsprofil, Vergleichende Gutachten, Auswahlerwägungen, Beurteilungskompetenz einer Hochschule hinsichtlich der Qualifikation eines Bewerbers, Beurteilungsspielraum, konstitutives Anforderungsprofil
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 08.01.2024 – 3 CE 23.1813
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27712

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 46.930,36 EUR festgesetzt.

Gründe

1
Der Antragsteller wendet sich im Rahmen eines Konkurrentenstreitverfahrens um die W3-Professur für Statistik und quantitative Methoden der Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität …-… (im Folgenden: „Universität“) gegen die Auswahl der Beigeladenen.
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Die Antragsgegnerin veröffentlichte im Sommer 2021 auf ihrer Website die Ausschreibung der Professur unter anderem mit folgenden Vorgaben zum Anforderungsprofil:
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„Die Bewerberinnen und Bewerber verfügen über ausgewiesene Forschungsexpertise im Bereich der angewandten statistischen/quantitativen Verfahren, besonders im Bereich der modernen maschinellen Lernverfahren und moderner Evaluationsmethoden zur kausalen Identifikation von Wirkungszusammenhängen.“
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Am … Dezember 2021 legte der Berufungsausschuss in seiner ersten Sitzung Auswahlkriterien für die Berufung fest. Dabei wurden die Kriterien in die drei Klassen („KO-Kriterien“ (KO), „sehr wichtige Kriterien“ (SW) und „wichtige Kriterien“ (W)) unterteilt, sodass sich Mindestanforderungen und Wunschanforderungen im Hinblick auf die Kriterien des Ausschreibungstextes ergeben.
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Der Berufungsausschuss hat unter anderem folgende KO-Kriterien definiert:
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- „modernen maschinellen Lernverfahren UND“ (KO-Kriterium Nr. 3)
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- „moderner Evaluationsmethoden zur kausalen Identifikation von Wirkungszusammenhängen.“ (KO-Kriterium Nr. 4).
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In der 5. Sitzung des Berufungsausschusses am … Februar 2022 wurde eine Liste verwendet, welche die Kandidaten sowie die einzelnen Bewertungskriterien beinhaltet. Für das Kriterium der „modernen maschinellen Lernverfahren“ ist dort für die Beigeladene vermerkt: „Im Aufbau befindliche Expertise im Bereich des modernen Machine Learnings. Diese basierend auf sehr fundierten Kenntnissen in der statistischen Modellierung, insb. bzgl. parametrischer Verfahren, und der Parameterschätzung, die ebenfalls im Machine Learning bedeutend sind. Aktuell laufende Forschungsprojekte und Impuls-Vorträge zu Machine Learning und dessen Anwendungen.“ Eine Auseinandersetzung bzw. Bewertung der einzelnen Kriterien der Kandidaten erfolgte nicht. Es wurde auf Vorschlag eines Mitglieds der Berufungskommission, da die zahlreichen Kriterien bereits in der 4. Sitzung des Berufungsausschusses diskutiert worden seien, eine Gesamtdiskussion vorgenommen. In der 4. Sitzung des Berufungsausschusses ist unter TOP 7 Festlegung der Short-List Kandidat/innen bei der Beigeladenen vermerkt: „Der BA stellt fest, dass die Kandidatin moderne, neue Themen bearbeite und sehr vielseitig sei, wenngleich ihre Expertise im Bereich Causal Modeling wesentlich stärker ausgeprägt ist als im Bereich Machine Learning.“
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Für die Beigeladene und den Antragsteller wurden externe Gutachten erstellt. In der 6. Sitzung des Berufungsausschusses am ... April 2022 wurden die Ergebnisse der zwei beauftragten vergleichenden Gutachten gesichtet und diskutiert. Insbesondere wurde von einem Mitglied des Berufungsausschusses die attestierte fehlende Kompetenz der Beigeladenen im Bereich kausale Methoden angezweifelt, da die Gutachterin K. ein anderes Verständnis von kausalen Methoden habe, als das bei der ausgeschriebenen Stelle verlangt werde. Während Gutachterin K. die Berufungsreihenfolge „1. Antragsteller, 2. Beigeladene“ vorschlägt, schlägt Gutachter W. die Reihung „1. Beigeladene, 2. Antragsteller“ vor. Der Berufungsausschuss hat mit fünf Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen dafür gestimmt, die Beigeladene auf Platz 1 zu setzen. Der Antragsteller wurde auf Platz 2 gesetzt.
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Der Bericht des Berufungsausschussvorsitzenden zum Berufungsvorschlag der Berufungskommission vom … April 2022 führt aus: „Beide Gutachter/innen bescheinigen den Kandidat/innen Expertise im Bereich der angewandten statistischen Verfahren und quantitativen Methoden. (…) Beide Gutachter/innen stimmen darin überein, dass (der Antragsteller) über mehr Expertise in modernen maschinellen Lernverfahren verfügt. Laut (Gutachter W.) verfüge (die Beigeladene) dagegen über deutlich größere und breiter gefächerte Expertise im Bereich modernen Verfahren zur kausalen Identifikation von Wirkungszusammenhängen (…).“
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Nach Einbeziehung des Fakultätsrats und des Senats hat das Präsidium den Berufungsvorschlag mit o.g. Reihung beschlossen und der Ruf wurde an die Beigeladene erteilt. Auf Nachfrage teilte die Universität dem Antragsteller mit, dass er Platz zwei der Berufungsliste innehabe. Mit Mail vom ... September 2022 nahm die Beigeladene gegenüber der Universität den Ruf der Professur an. Über den dagegen eingelegten Widerspruch des Antragstellers vom … Oktober 2022 ist – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden.
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Gegen diese Auswahlentscheidung hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom … Oktober 2022 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
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Mit Beschluss vom 30. Januar 2023 hat das Verwaltungsgericht München (M 5 E 22.4977) der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Stelle W 3-Professur für Statistik und quantitative Methoden der Wirtschaftswissenschaften an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität … mit der Beigeladenen zu besetzen, solange über die Bewerbung des Antragstellers keine neue Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts getroffen worden ist. Das Gericht hat in den Beschlussgründen ausgeführt, dass sich die Berufungskommission mit der Frage, ob die Beigeladene – entgegen den Einschätzungen der Gutachter – eine ausreichende Expertise im Bereich „modernen maschinellen Lernverfahren“ aufweist, nicht auseinandergesetzt, sondern angenommen hat, dass diese das im Ausschreibungstext aufgestellte sowie in der 2. Sitzung der Berufungskommission als KO-Kriterium definierte Merkmal „ausgewiesene Expertise im Bereich der modernen maschinellen Lernverfahren“, erfüllt, obwohl die beiden externen Gutachten zu gegenteiligem Schluss gekommen sind. Mit Beschluss vom 12. Mai 2023 (3 CE 22.337) wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die hiergegen erhobene Beschwerde zurück.
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Am … April 2023 hat der Berufungsausschuss in einer 7. Sitzung erneut getagt. Es sind die externen Gutachten besprochen worden. Weiter wurde diskutiert, ob die Erstplatzierte entgegen den beiden externen Gutachten ausreichende Expertise im Bereich der modernen maschinellen Lernverfahren aufweist.
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Der Berufungsausschuss hat mit fünf Ja-Stimmen, zwei Nein-Stimmen und vier Enthaltungen dafür gestimmt, die Beigeladene auf Platz 1 zu setzen. Der Antragsteller wurde mit neun Ja-Stimmen, null Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen auf Platz 2 gesetzt. Die finale Reihung wurde mit sieben Ja-Stimmen bei je zwei Enthaltungen und Nein-Stimmen angenommen.
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Nach Einbeziehung des Fakultätsrats am … Mai 2023 und des Senats am … Juni 2023 hat das Präsidium den Berufungsvorschlag mit oben genannter Reihung am … Juni 2023 beschlossen und der Ruf wurde an die Beigeladene erteilt. Die Antragstellerpartei erhielt mit Schreiben vom … Juni 2023 die Mitteilung, dass er erneut beabsichtigt sei den Ruf an die Beigeladene zu erteilen. Hiergegen hat die Antragstellerpartei mit Schreiben vom … Juni 2023 Widerspruch eingelegt, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden ist.
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Mit Schreiben vom … Juli 2023 hat der Antragsteller beantragt:
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Der Antragsgegnerin wird es bis zur Rechtskraft dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens untersagt, zum Professor für Statistik und quantitative Methoden der Wirtschaftswissenschaften (W3) an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität … einen anderen Bewerber als den Antragsteller zu ernennen.
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Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners sei verfahrensfehlerhaft, zumindest aber nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, da der Beurteilungsspielraum überschritten worden sei, weil die von der Antragsgegnerin für die Auswahlentscheidung vorgegebenen Kriterien nicht beachtet bzw. verkannt worden seien, der Beurteilung ein unrichtiger Tatbestand zugrunde gelegt worden sei und letztlich sachfremden Erwägungen gefolgt worden sei.
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Die Beigeladene erfülle die vom Berufungsausschuss vorgegebenen KO-Kriterien nicht. Sie habe weder Expertise im Bereich der modernen maschinellen Lernverfahren, noch im Bereich der modernen Verfahren zur kausalen Identifikation von Wirkungszusammenhängen. Der Beurteilungsspielraum des Berufungsausschusses sei überschritten. Der Berufungsausschuss habe versucht, in fachlich nicht nachzuvollziehender Weise der Beigeladenen eine entsprechende Expertise zuzusprechen, welche diese nicht besitze.
21
Der Beurteilungsspielraum sei überschritten, da nicht ersichtlich sei, warum bei der Definition des Merkmales Maschinelles Lernen auf andere Fachbereiche (Informatik, OR) abgestellt worden sei. Der Hintergrund der externen Gutachter sowie die zugrunde gelegten Definitionen entsprächen exakt der Ausschreibung und dem Fächer- und Ausschreibungsprofil (Statistik, Wirtschaftswissenschaften). Die zugrunde gelegten Definitionen entsprächen der allgemeinen Vorstellung von Maschinellem Lernen im wissenschaftlichen Bereich. Weiter begründe der Berufungsausschuss nicht, dass die Gutachter „offenkundig“ eine „engere“ Definition von Maschinellem Lernen zugrunde gelegt hätten. Auch sei keine Nachfrage betreffend der zu Grunde gelegten Definition bei den Gutachtern erfolgt. Zudem würde sich der Berufungsausschuss widersprechen, wenn er der Beigeladene eine Expertise im Bereich des Maschinellen Lernens zuspreche, zugleich aber ausführt, dass sich die Expertise im Aufbau befinde.
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Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz 27. Juli 2023 beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, da der Antragsteller nicht in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz/GG) verletzt worden sei. Innerhalb der Garantie der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG stehe der Universität grundsätzlich eine verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation von Bewerberinnen und Bewerbern für eine Hochschullehrerstelle zu, so dass die Auswahlentscheidung gerichtlich nur daraufhin überprüft werden könne, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und ob der Beurteilungsspielraum überschritten worden sei, etwa weil die Entscheidung ersichtlich auf der Verkennung von Tatsachen oder auf sachfremden Erwägungen beruhe, was vorliegend nicht der Fall sei.
25
Die Beigeladene würde sowohl über Expertise im Bereich der modernen maschinellen Lernverfahren sowie im Bereich der modernen Verfahren zur kausalen Identifikation von Wirkungszusammenhängen verfügen. Nach Ansicht des Berufungsausschusses seien die unterschiedlichen Einschätzungen der externen Gutachterin und des externen Gutachters zur Einschätzung des Berufungsausschusses mit einer unterschiedlichen Definition und einem unterschiedlichen Verständnis der Begriffe Maschinelles Lernen und Evaluationsmethoden zur kausalen Identifikation erklärbar. Die externen Gutachten würden eine Entscheidungshilfe für den Berufungsausschuss darstellen und seien vom Berufungsausschuss zu würdigen. Der Berufungsausschuss sei jedoch aufgerufen, eine selbständige Bewertung der Bewerber und Bewerberinnen durchzuführen und habe das Recht, von der Einschätzung der externen Gutachten abzuweichen. Der Berufungsausschuss habe sich ausführlich mit den beiden KO-Kriterien unter Würdigung der externen Gutachten beschäftigt und habe bei der Beigeladenen beide Kriterien als erfüllt angesehen. Dies sei vom Berufungsausschuss auch nachvollziehbar begründet und dokumentiert worden und liege im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Berufungsausschusses.
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Hierauf führte die Antragstellerpartei mit Schriftsatz vom … August 2023 aus, dass der Beurteilungsspielraum überschritten worden sei, weil die Entscheidung ersichtlich auf der Verkennung von Tatsachen oder auf sachfremden Erwägungen beruhe.
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Mit Beschluss vom 24. Juli 2023 ist die ausgewählte Bewerberin zum Verfahren beigeladen worden. Sie hat keinen Antrag gestellt und sich auch sonst nicht zum Verfahren geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten sowie auf die Gerichtsakte und vorgelegten Behördenakten im Verfahren M 5 E 22.4977 verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unbegründet.
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1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung – vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen – notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Der Antragsteller hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
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2. Der Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung ist gegeben. Das Berufungsverfahren für die ausgeschriebene Professur ist grundsätzlich abgeschlossen. Eine Ernennung der Beigeladenen steht unmittelbar bevor. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers als übergangenem Bewerber lässt sich nur vor der Ernennung der ausgewählten Konkurrentin mittels einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO effektiv sichern, da sich der um eine Stellenauswahl geführte Rechtsstreit mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95, juris; auf die Ruferteilung an den Beigeladenen kommt es nicht an (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.2016 – 2 C 30/15 – NVwZ-RR 2017, 736, juris Rn. 30 ff.). Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358, juris Rn. 27) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren des Antragstellers, die Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Antragsgegner die Ernennung der Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
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3. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
33
Einen Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat der Antragsteller grundsätzlich nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist.
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Der Antragsteller hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, das heißt einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 Verfassung für den Freistaat Bayern (BV) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746, juris Rn. 10; B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194, juris Rn. 10).
35
Die Ermittlung des – gemessen an den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung – am besten geeigneten Bewerbers hat stets in Bezug auf das konkret angestrebte Amt zu erfolgen. Maßgeblich ist insoweit der Aufgabenbereich des Amtes, auf den bezogen die einzelnen Bewerber untereinander zu vergleichen sind und anhand dessen die Auswahlentscheidung vorzunehmen ist (BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 6).
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Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Kandidaten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Der Bewerber hat daher einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Auswahl (BVerwG, U.v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565, juris; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
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Aus der Verletzung dieses Anspruches folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Einstellung oder Beförderung. Vielmehr ist es im Hinblick auf den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2012 – 7 CE 11.1432 – juris).
38
Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746). Aufgrund der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden subjektiven Rechts und der Garantie von Art. 19 Abs. 4 GG sind die Verwaltungsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten gehalten, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes im Eilverfahren besonders Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95).
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Diese für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren entwickelten und gefestigten Grundsätze (z.B. BVerfG, B.v. 24.9.2002 – 2 BvR 857/02 – NVwZ 2003, 200, juris; BVerfG, B.v. 20.9.2007 – 2 BvR 1972/07 – ZBR 2008, 167, juris; BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – BVerwGE 138, 102, juris) gelten für hochschulrechtliche Konkurrentenstreitigkeiten zur Besetzung von Professorenstellen in gleicher Weise (BayVGH, B.v. 5.1.2012 – 7 CE 11.1432 – juris). Erweist sich die Entscheidung, einen Bewerber als Professor zu berufen, als ermessens- oder beurteilungsfehlerhaft, hat ein nicht berücksichtigter Bewerber, dessen Auswahl zumindest möglich erscheint, einen Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung erneut entschieden und die Stelle zunächst nicht besetzt wird. Hinsichtlich der fachwissenschaftlichen Eignung ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Hochschule eine besondere, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 108 i.V.m. Art. 138 BV verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz hinsichtlich der Qualifikation eines Bewerbers für die Hochschullehrerstelle zusteht. Insoweit kommt den an der Erstellung des Berufungsvorschlags beteiligten Hochschulorganen, insbesondere dem Berufungsausschuss, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Auswahlentscheidung kann daher gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und ob der Beurteilungsspielraum überschritten ist, etwa weil die Verwaltung anzuwendende Begriffe verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Tatbestand zugrunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 5.1.2012 – 7 CE 11.1432 – juris Rn. 18; B.v. 11.8.2010 – 7 CE 10.1160 – juris Rn. 20 m.w.N.). Dieser Prüfungsmaßstab ist wie im Hauptsacheverfahren auch bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung anzulegen. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dürfen nicht über das hinausgehen, was für ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren genügt (BVerwG, B.v. 20.1.2004 – 2 VR 3.03 – Buchholz 310 § 123 VwGO Nr. 23, juris).
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Die der Auswahlentscheidung zu Grunde liegenden wesentlichen Auswahlerwägungen sind schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll, oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Schließlich stellt die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind; sie erweist sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, B.v. 25.11.2015 – 2 BvR 1461/15 – juris; B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – juris Rn. 20; OVG NW, B.v. 10.2.2016 – 6 B 33/16 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 5.1.2012 – 7 CE 11.1432 – juris Rn. 24; vgl. zum Dokumentationserfordernis bei der Besetzung von Professorenstellen BayVGH, B.v. 1.2.2017 – 7 CE 16.1989 – juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 27.4.2017 – 6 A 277/16 – NVwZ-RR 2017, 794, juris Rn. 4; B.v. 10.2.2016 – 6 B 33/16 – NVwZ 2016, 868, juris Rn. 7; OVG SH, B.v. 22.8.2018 – 2 MB 16/18 – juris Rn. 9; OVG LSA, B.v. 1.7.2014 – 1 M 58/14 – juris; VG München, B.v. 13.11.2017 – M 5 E 17.4125 – juris Rn. 19 ff.; VG Frankfurt (Oder), U.v. 24.8.2012 – 3 K 241/09 – juris).
41
4. Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung entspricht diesen Grundsätzen.
42
a) Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Auswahlentscheidung an einem verfahrensrechtlichen oder materiell-rechtlichen Mangel leidet.
43
aa) Die Auswahlentscheidung wurde umfassend schriftlich dokumentiert. Auch andere formelle Mängel sind nicht erkennbar.
44
bb) Der Berufungsausschuss hat in seiner 7. Sitzung ausführlich diskutiert und sich mit den beiden externen Gutachten auseinanderzusetzen, ob bei der Beigeladen das im Ausschreibungstext aufgestellte sowie in der 2. Sitzung der Berufungskommission als KO-Kriterium definierte Merkmal „ausgewiesene Expertise im Bereich der modernen maschinellen Lernverfahren“ erfüllt ist.
45
cc) Anforderungsprofile haben unterschiedliche Rechtsqualität, je nachdem, ob die aufgestellten Kriterien konstitutiven oder lediglich beschreibenden Charakter haben. Beschreibende oder deklaratorische Anforderungsprofile geben über den Dienstposten und die auf den Bewerber zukommenden Aufgaben Auskunft. Häufig bedarf es ihrer nicht, weil sich das Profil ohne weiteres aus dem ausgeschriebenen Amt ergibt. Ein konstitutives oder spezielles Anforderungsprofil enthält hingegen einen von der Bestenauslese abgekoppelten und im Entscheidungsgang davor zu prüfenden Maßstab. Wer ein konstitutives Anforderungsprofil nicht erfüllt, scheidet allein deshalb aus dem Bewerbungsverfahren aus, ohne dass es im Übrigen auf seine Qualifizierung ankommt (BayVGH, B.v. 15.9.2016 – 6 ZB 15.2114 – juris Rn. 7). Das Anforderungsprofil entfaltet Bindungswirkung für die Gewichtung der Leistungsmerkmale bei der Bewerberauswahl. Art und Ausmaß der Bindungswirkung eines konkreten Anforderungsprofils hängen von dem Inhalt ab, den ihm der Dienstherr im Einzelfall gibt (BVerwG, B.v. 25.10.2011 – 2 VR 4/11 – NVwZ-RR 2012, 241, juris Rn. 18).
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Die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens bestimmt objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten bemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten. Im Auswahlverfahren ist der Dienstherr an das von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden, da er andernfalls in Widerspruch zu dem selbst gesteckten Ziel bestmöglicher Aufgabenwahrnehmung gerät. Ob der Dienstherr diese Auswahlkriterien beachtet hat, unterliegt in vollem Umfange gerichtlicher Kontrolle (BVerwG, U.v. 16.8.2001 – 2 A 3/00 – BVerwGE 115, 58, juris Rn. 32).
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Als konstitutiv einzustufen sind dabei diejenigen Merkmale des Anforderungsprofils, die zwingend vorgegeben und anhand objektiv überprüfbarer Kriterien, also insbesondere ohne gebotene Rücksichtnahme auf Wertungsspielräume des Dienstherrn, als tatsächlich gegeben letztlich eindeutig und unschwer festzustellen sind. Demgegenüber kennzeichnet das deklaratorische, nicht konstitutive Anforderungsprofil solche Qualifikationsmerkmale, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen oder die schon von ihrer Art her nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten – bejahend oder verneinend – festgestellt werden können. Bei Letzteren geht es um Merkmale, die sich erst auf der Grundlage eines persönlichkeitsbedingten, das betreffende Element des Eignungs- und Befähigungsprofils näher in den Blick nehmenden Werturteils erschließen (OVG SH, B.v. 22.8.2014 – 2 MB 17/14 – juris Rn. 28; VGH BW, B.v. 7.12.2010 – 4 S 2057/10 – NVwZ-RR 2011, 290, juris Rn. 4). Derartige Merkmale, die einen Wertungsspielraum eröffnen und über die der Dienstherr – in der Regel in einer dienstlichen Beurteilung oder vergleichbaren Stellungnahme – zunächst eine nähere Einschätzung treffen muss, können in einem Stellenbesetzungsverfahren erst dann Bedeutung erlangen, wenn der Bewerber das (zulässigerweise aufgestellte) konstitutive Anforderungsprofil erfüllt und deshalb zur näheren Überprüfung bzw. vergleichenden Würdigung seiner im Übrigen vorliegenden Eignung in das weitere Auswahlverfahren einzubeziehen ist (VGH BW, B.v. 7.12.2010 – 4 S 2057/10 – NVwZ-RR 2011, 290, juris Rn. 4).
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Ob, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt ein Anforderungsprofil Bindungswirkung entfaltet, muss im Zweifel durch eine – entsprechend § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung ermittelt werden (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 2 VR 1/13 – BVerwGE 147, 20, juris Rn. 32; BayVGH, B.v. 15.9.2016 – 6 ZB 15.2114 – juris Rn. 27). Dabei erweisen sich diejenigen Anforderungen als konstitutiv, deren Vorliegen anhand objektiv überprüfbarer Fakten eindeutig festgestellt werden kann und die deshalb im Falle ihrer Nichterfüllung einen vernünftigen potentiellen Bewerber davon abhalten, um die Stelle oder Funktion zu konkurrieren (VGH BW, B.v. 7.12.2010 – 4 S 2057/10 – NVwZ-RR 2011, 290, juris Rn. 4).
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Es mag Einiges dagegen sprechen, dass die in der Ausschreibung genannten Anforderung bzgl. der Expertise im modernen maschinellen Lernverfahren („Die Bewerberinnen und Bewerber verfügen über ausgewiesene Forschungsexpertise im Bereich der angewandten statistischen / quantitativen Verfahren, besonders im Bereich der modernen maschinellen Lernverfahren (…).“) vom reinen Textverständnis betrachtet ein konstitutives Anforderungsmerkmal darstellt.
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Zum einen legt der Wortlaut „besonders im Bereich“ den Schluss nahe, dass es sich zunächst um eine Aufgabenbeschreibung handelt und nicht für sich genommen um ein Anforderungsmerkmal.
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Zum anderen lässt sich die Frage, ob die Bewerber Expertise „im Bereich der modernen maschinellen Lernverfahren“ haben, von der Art her schon nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten – bejahend oder verneinend – eindeutig und unschwer feststellen. Die Universität konnte nicht bei allen Bewerbern eindeutig und unschwer feststellen, ob diese Anforderungen erfüllt sind. Vielmehr bedurfte es dazu einer beurteilenden Wertung der Universität. Die Universität hat eine solche wertende Beurteilung zunächst vorläufig selbst vorgenommen sowie zweie externe Gutachten eingeholt.
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Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob es sich anhand des Ausschreibungstextes um deskriptives oder konstitutives Anforderungsmerkmal handelt, da der Berufungsausschuss in seiner 1. Sitzung am 16. Dezember 2021 das Merkmal der ausgewiesenen Expertise im Bereich der „modernen maschinellen Lernverfahren“ als KO-Kriterium festgelegt hat und dieses Merkmal als Mindestanforderung definiert hat, die ein Bewerber aufweisen soll.
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Durch die Verknüpfung der KO-Kriteren Nr. 3 „modernen maschinellen Lernverfahren UND“ und Nr. 4 „moderner Evaluationsmethoden zur kausalen Identifikation von Wirkungszusammenhängen“ mit einem in Großbuchstaben geschrieben „UND“ geht hervor, dass der Berufungsausschuss gerade darauf Wert gelegt hat, dass diese beiden Bereiche neben bzw. als Unterkategorien einer „ausgewiesenen Expertise im Bereich der angewandten statistischen / quantitativen Verfahren (KOKriterium Nr. 2)“ als Mindestkriterien vorliegen müssen.
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Das Merkmal der Expertise im Bereich der „modernen maschinellen Lernverfahren“ wird durch die vorgegebene Handhabung durch den Berufungsausschuss zu einem Merkmal, welches zwingend vorliegend muss, um im Berufungsverfahren berücksichtigt werden zu können.
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dd) Im Rahmen der Feststellung der fachwissenschaftlichen Eignung kommt der Hochschule eine besondere, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 108 i.V.m. Art. 138 BV verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz hinsichtlich der Qualifikation zu, sodass sie die fachwissenschaftliche Eignung bzw. das Vorliegen bestimmter Expertise auch anders als die beiden Gutachten beurteilen kann.
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Der Einwand der Antragstellerpartei, der Berufungsausschuss habe versucht, in fachlich nicht nachzuvollziehender Weise der Beigeladenen eine entsprechende Expertise zuzusprechen, welche diese nicht besitze und die Definition des Maschinellen Lernens entgegen der Gutachter und dem Ausschreibungstext anders und somit fehlerhaft aufgestellt, da diese am Bereich Informatik vorgenommen worden sei und nicht betreffend dem Bereich Statistik und Wirtschaftswissenschaften, führt zu keiner Verletzung des Beurteilungsspielraums der Hochschule.
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Der Beurteilungsspielraum ist überschritten, wenn etwa die Universität anzuwendende Begriffe verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Tatbestand zugrunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat.
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Hierzu führt der Berufungsausschuss in seiner 7. Sitzung, wie sich aus dem Protokoll vom … April 2023 ergibt, aus, dass das Kriterium „Ausgewiesene Expertise im Maschinellen Lernen“ als KO-Kriterium (ebenso wie bei kausalen Identifikationsmethoden) sicherstellen sollte, dass der spätere Stelleninhaber gegebenenfalls in einem der Bereiche (Maschinelles Lernen oder kausale Identifikation) einen Forschungsschwerpunkt hat, jedoch in beiden Bereichen zumindest Erfahrung nachweisen und Lehrveranstaltungen anbieten kann. Dabei sei vom Berufungsausschuss keine spezifische Definition von Maschinellen Lernen festgelegt worden. Aufgrund der Multi-Disziplinarität und fächerübergreifenden Abdeckung der Stelle sei die Intention der Stellenausschreibung darin zu sehen, eine Offenheit hinsichtlich der Breite der Definition zu haben. Der Berufungsausschuss führt weiter aus, dass keine spezifischen Bereiche/Verfahren/Methoden/Modelle des Maschinellen Lernens in der Ausschreibung angegeben, in irgendeiner Weise kommuniziert oder als Bedingung für eine Berufung deklariert oder implizit angenommen worden seien.
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Aus dem Protokoll ergibt sich auch, dass der Berufungsausschuss bei der Beigeladenen unstrittig eine nachgewiesene Expertise im Bereich moderner Evaluationsmethoden zur kausalen Identifikation von Wirkungszusammenhängen sowie im Bereich des Maschinellen Lernens sehe. Die hierzu konträren Einschätzungen in den beiden Gutachten sind in der Sitzung intensiv gewürdigt und ausführlich diskutiert worden. Hierzu führt der Berufungsausschuss insbesondre aus, dass die anderen Ansichten der Gutachter daher entstanden seien, da der Begriff Maschinelles Lernen, und welche Modelle und Methoden hierin gesehen werden, je nach Fachgruppe unterschiedlich definiert werden kann und die Definition auch unterschiedlich breit ausfällt. Den Gutachtern wurden keine zu verwendenden Definitionen vorgegeben, und offenkundig haben die externen Gutachter vor dem Hintergrund bestimmter Fachbereiche (Informatik, OR) eine engere Definition von Maschinellen Lernen ihrer Analyse zugrunde gelegt.
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Weiter führt der Berufungsausschuss – für das Gericht nachvollziehbar – aus, dass er überzeugt sei, dass die Beigeladene ebenfalls über Expertise im Bereich des Maschinellen Lernens verfüge, die sich bzgl. neuer und anderer Methoden weiter im Aufbau befinde. Hierzu sieht das Gericht keinen Widerspruch, wie von der Antragstellerpartei angeführt, da man auch Expertise noch ausbauen kann und der Berufungsausschuss auch von einem Aufbau der Expertise auf neue und andere Methoden bezieht.
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Wie bereits oben ausgeführt, ist die Frage, ob die Bewerber Expertise „im Bereich der modernen maschinellen Lernverfahren“ vorweisen, von der Art her schon nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten – bejahend oder verneinend – eindeutig und unschwer festzustellen, sondern Bedarf einer beurteilenden Wertung der Universität.
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Weiter ist die von der Universität als konstitutives Anforderungsmerkmal „ausgewiesene Forschungsexpertise im Bereich der angewandten statistischen / quantitativen Verfahren, besonders im Bereich der modernen maschinellen Lernverfahren (…).“ entsprechend einer Auslegung, die sich nach § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientiert, für eine Wertung offen. Der Wortlaut „besonders im Bereich“ lässt – wie oben bereits dargestellt – eine Wertung zu. Bei der genauen Definition des Begriffs Maschinelles Lernen sowie der Wertung ob die Beigeladene dies erfüllt auch unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks dieses KO-Merkmales liegt kein unrichtiger Tatbestand zugrunde. Die Universität hat keine Publikationen, sonstige Veröffentlichungen, Lehraufträge oder Vorträge der Beigeladenen gewertet, welche nicht von dieser stammen oder abgehalten wurden. Der Einwand der Antragstellerpartei, dass teilweise Leistungen der Beigeladenen gewertet worden sei, welchen kaum oder keinen Bezug zum Maschinellen Lernen haben, greift nicht durch. Diese Einschätzung obliegt vielmehr der Hochschule auf Grund der besonderen, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 108 i.V.m. Art. 138 BV verfassungsrechtlich geschützten Beurteilungskompetenz. Auch wurden keine allgemein gültigen Wertmaßstäbe verletzt oder sachfremde Erwägungen angestellt. Es obliegt der Hochschule auf Grund der besonderen, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, Art. 108 i.V.m. Art. 138 BV verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz, unter Berücksichtigung der vergleichenden Gutachten, welche für die Hochschule zudem kein Bindungswirkung entfalten, eine eigene Wertung anzustellen, welche Bewerber die fachlichen Anforderungen an die Stelle erfüllen. Die Hochschule hat diese Wertung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen, sodass es auch der Einholung eines weiteren Gutachtens nicht erforderlich ist.
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5. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten unter Billigkeitsgesichtspunkten selbst, da sie weder einen Antrag gestellt noch sonst das Verfahren gefördert hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
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6. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 Gerichtskostengesetz (GKG) – die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen (die Jahresbezüge des Antragstellers im angestrebten Amt W 3, Stufe 2, zzgl. Jahressonderzahlung würden sich auf 93.860,72 EUR belaufen; hiervon die Hälfte; vergleiche: VG München, B.v. 30.1.2023 – M 5 E 22.4977 – juris Rn. 60). Denn es handelt sich vorliegend nicht um die Verleihung eines anderen Amtes, sondern um die (Neu) Begründung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses (BayVGH, B.v. 20.5.2021 – 7 CE 20.2869 – NVwZ-RR 2021, 802, juris Rn. 32).