Inhalt

VG München, Urteil v. 13.07.2023 – M 19 K 22.1992
Titel:

Naturschutzrechtliche Untersagungsanordnung, Dauergrünland in Form einer Grünlandbrache, Naturschutzrechtlich eigenständige, vom Agrarförderungsrecht unabhängige Definition von Dauergrünland, Überschwemmungsgebiet, Feldgehölz, Gesetzlich geschütztes Biotop, Anwendung verschiedener naturschutzrechtlicher Rechtsgrundlagen, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, Austausch der Rechtsgrundlage, Nichtanwendbarkeit des Landwirtschaftsprivilegs, Nachschieben von Ermessenserwägungen

Normenketten:
BNatSchG § 17 Abs. 8
BayNatSchG Art. 3 Abs. 3
BayNatSchG Art. 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Satz 2
BayNatSchG Art. 16
BayNatSchG Art. 6 Abs. 2
Schlagworte:
Naturschutzrechtliche Untersagungsanordnung, Dauergrünland in Form einer Grünlandbrache, Naturschutzrechtlich eigenständige, vom Agrarförderungsrecht unabhängige Definition von Dauergrünland, Überschwemmungsgebiet, Feldgehölz, Gesetzlich geschütztes Biotop, Anwendung verschiedener naturschutzrechtlicher Rechtsgrundlagen, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, Austausch der Rechtsgrundlage, Nichtanwendbarkeit des Landwirtschaftsprivilegs, Nachschieben von Ermessenserwägungen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Entscheidung vom 09.04.2024 – 14 ZB 23.1969
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27706

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen eine naturschutzrechtliche Untersagungsanordnung des Beklagten, mit der Maßnahmen in jeglicher Form zur Beseitigung und Beeinträchtigung des Gehölzbestandes und der Grundfläche auf dem Grundstück FINr. … Gemarkung … untersagt werden.
2
Sie ist Eigentümerin des vorgenannten Grundstücks mit einer Gesamtfläche von 46.388 qm. Auf der südlichen Teilfläche des Grundstücks sind 9.045 qm biotopkartiert unter dem Biotopnamen „Feuchtvegetation am … nördlich von …“ (Nr. 7232-112-002). Die Charakterisierung der übrigen Fläche mit 37.343 qm ist hinsichtlich ihrer Einstufung als Grünland oder als landwirtschaftliche Fläche zwischen den Parteien streitig. Das Grundstück wird gemäß § 2 Nr. 1.2.3. der Verordnung über die Festsetzung des Überschwemmungsgebietes der Donau im Regierungsbezirk O. von Flusskilometer 95,000 – 155,8000 vom 15. März 1979 (Überschwemmungsgebietsverordnung, Bl. 54 ff. BA) als Überschwemmungsgebiet geführt. In dem aus dem BayernAtlas entnommenen Kartenmaterial ist es weitestgehend als Überschwemmungsgebiet der Donau und teilweise auch der Kleinen Paar verzeichnet (vgl. Karten, Bl. 20, 21 BA).
3
Das streitgegenständliche Grundstück wurde am 21. Mai 2021 durch Herrn A., den Ehemann der Klägerin, im Rahmen einer Zwangsversteigerung erworben. Der Zwangsversteigerung lag ein Wertgutachten des Sachverständigen W. vom 9. Dezember 2019 zugrunde, sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 23. Januar 2020. Laut dem Sachverständigengutachten habe vormals eine Grünlandnutzung bestanden, jedoch seien seitdem 10 Jahre vergangen, sodass für eine Grünlandnutzung eine Rekultivierung erforderlich sei. In der ergänzenden Stellungnahme stufte der Sachverständige W. das Grundstück als Grünland in unkultiviertem Zustand ein. Aus dem Kartenmaterial des BayernAtlas sei eine Ackerlandnutzung seit mindestens 10 Jahren nicht mehr, dagegen seit 2004 eine Grünlandnutzung zu erkennen.
4
Nach dem Erwerb des Grundstücks durch Herrn A. wurden im Juni 2021 mehrere Bäume aus dem Feldgehölz entnommen, woraufhin ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen ihn eingeleitet wurde.
5
Am 1. Juli 2021 erwarb die Klägerin das Grundstück von ihrem Ehemann zur Ergänzung ihres in … bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs.
6
Am 30. Juli 2021 fand eine Ortseinsicht mit der Klägerin, Herrn A. und der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) des Beklagten statt. Die Ergebnisse der Ortseinsicht wurden Herrn A. per E-Mail vom 2. August 2021 mitgeteilt. Hiernach handele es sich bei der Fläche um Ödland mit Bewaldungstendenzen; sie sei seit über 15 Jahre nicht mehr landwirtschaftlich genutzt worden und eine Rückführung in landwirtschaftliche Grünlandnutzung sei schwer beziehungsweise auf großen Flächenteilen nicht möglich. Ein Ackerbau sei auf der gesamten Fläche unzulässig. Im Südosten befinde sich ein Feuchtbiotop i.S.d. § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), im Norden Feldgehölz i.S.d. Art. 16 Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG). Der zentrale Mittelbereich sei mit der Neophyte „Kanadische Goldrute“ besiedelt, darunter befände sich ein reges Bodenleben (reichlich Ameisen, Spinnen, Wildbienen usw.). Es dürften derzeit keine Maßnahmen durchgeführt werden.
7
Ein von der Klägerin am 15. November 2021 beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) und am 24. November 2021 bei der UNB gestellter Antrag auf Genehmigung der Umwandlung von Grünland in Ackerland auf einer Teilfläche des Grundstücks FINr. … wurde von ihr mit Schreiben vom 5. Februar 2022 nicht weiter verfolgt. Zuvor teilte der Beklagte Herrn A. mit E-Mail vom 26. Januar 2022 mit, dass die von der Klägerin angegebenen Ersatzflächen für einen Ausgleich des Grünlandumbruchs ungeeignet seien und es sich bei dem Grundstück FlNr. … nahezu komplett um ein Überschwemmungsgebiet handele, bei dem sich gemäß Art. 3 Abs. 3 BayNatSchG, § 78a Abs. 1 Nr. 7 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) eine Umwandlung von Grünland in Ackerland verbiete.
8
Am 2. März 2022 erfuhr der Beklagte, dass auf dem streitgegenständlichen Flurstück Gehölz beseitigt und die Grünfläche bearbeitet wurde. Die vorgenommenen Maßnahmen wurden in einem Aktenvermerk mit Bilddokumentation über die am 3. März 2022 von der UNB des Beklagten durchgeführte Ortsbesichtigung festgehalten. Hiernach wurden großflächig Gehölz entfernt, Wurzelstöcke mit einem Minibagger beseitigt, die Gesamtfläche gemulcht und insgesamt ein Viertel der Fläche umgebrochen (Bl. 31 ff. BA). Der Klägerin wurde mit E-Mail vom 2. März 2022 die Nutzung mit sofortiger Wirkung untersagt.
9
Mit Bescheid vom 3. März 2022 untersagte der Beklagte der Klägerin auf der FlNr. … die Beseitigung bzw. Beeinträchtigung des Gehölzbestandes sowie die Bearbeitung der Grundfläche in jeglicher Form (Nr. 1). Zudem wurde ihr für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 EUR angedroht (Nr. 2) sowie die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 3). Die Untersagungsanordnung stütze sich auf § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG. Die Maßnahmen der Klägerin seien ein Eingriff i.S.v. § 14 Abs. 1 BNatSchG. Die Landwirtschaftsklausel des Art. 6 Abs. 4 BayNatSchG finde keine Anwendung, da diese gerade nicht die Umwandlung bisher nicht genutzter Flächen in landwirtschaftliche Fläche umfasse; Maßnahmen, die eine landwirtschaftliche Nutzung erst ermöglichten, seien von dem Privileg nicht erfasst. Die Klägerin habe die Maßnahmen ohne die erforderlichen Genehmigungen durchgeführt. Nach Art. 16 Abs. 1 Nr. 1 BayNatSchG sei die Beseitigung des im nordöstlichen Teil befindlichen Feldgehölzes mitsamt der Entfernung der Wurzelstöcke verboten. Nach § 78a Abs. 1 Nr. 1 WHG sei die Umwandlung von Grünland in Ackerland in festgesetzten Überschwemmungsgebieten verboten. Zudem unterliege der Umbruch von Dauergrünland dem Genehmigungsvorbehalt nach Art. 3 Abs. 5 BayNatSchG. Entsprechende Gestattungen seitens des Beklagten lägen nicht vor, sodass allein aufgrund der formellen Rechtswidrigkeit die Anordnung rechtmäßig sei. Die Anordnung sei geeignet, die Klägerin von der weiteren Durchführung abzuhalten. Sie habe sich entgegen der vorangegangenen Kommunikation behördlichen Anordnungen widersetzt, sodass davon auszugehen sei, dass der Eingriff ohne entsprechende Anordnung weiter fortgesetzt werde. Eine noch weitreichendere Beeinträchtigung solle vermieden werden. Der Eingriff sei nicht bereits offensichtlich materiellrechtlich naturschutzkonform, sodass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werde.
10
In einem Aktenvermerk des Beklagten vom 4. April 2022 werden Luftbilder des Zustands der streitgegenständlichen Flurnummer aus dem Jahr 2021 und vom 2. April 2022 (nach der Bewirtschaftung und Gehölzbeseitigung) einander gegenübergestellt (Bl. 71 – 75 BA). Des Weiteren wird der Umfang der beseitigten Gehölze im Luftbild markiert (Bl. 76 BA).
11
Mit Schreiben vom 4. April 2022 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Anordnung der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands an.
12
Am 4. April 2022 erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Klage beim Verwaltungsgericht München gegen den Untersagungsbescheid und beantragte,
den Untersagungsbescheid des Beklagten aufzuheben.
13
Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2022 im Rahmen des Anhörungsverfahrens bezüglich einer beabsichtigten Wiederherstellungsanordnung (Bl. 109 f. BA) und mit Schriftsatz vom 9. Juni 2022 (Bl. 113 BA) trug sie zur Klagebegründung im Wesentlichen vor, dass für die Nutzung als landwirtschaftliche Fläche keine Genehmigung erforderlich sei, da es sich bei der bearbeiteten Fläche nicht um Grünland, sondern um brachliegendes Ackerland handele. Daher habe sie auch den Antrag auf Umwandlung zurückgezogen. Die Untersagungsanordnung sei rechtswidrig, da die Voraussetzungen für eine Untersagung nach § 17 Abs. 8 BNatSchG nicht vorlägen. Es fehle bereits an einem Eingriff gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG, da das Landwirtschaftsprivileg eingreife. Eine Umwandlung von Grünfläche in Ackerfläche sei nicht anzunehmen, vielmehr entspreche die Nutzung der Fläche den Regeln der guten fachlichen Praxis. Die Fläche sei bis 2008 ackerbaulich genutzt worden; der südliche, als Biotop kartierte Bereich sei dagegen als Grünland genutzt worden. Es handele sich demnach nicht um die landwirtschaftliche Nutzung einer bislang nicht genutzten Fläche. Auch liege keine Umwandlung von Grünland in Ackerland vor. Der nördliche Teil des Grundstücks werde laut Verkehrswertgutachten des Sachverständigen W. als Ackerland klassifiziert und trage die dafür typische Bodenwertkennziffer. Unter Berufung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 30.3.2021 – 3 C 7/20) sei maßgebliches Kriterium für die Grünlanddefinition nicht die Art der Vegetation, sondern die tatsächliche Nutzung der Fläche für eine landwirtschaftliche Tätigkeit, die für Grünland typisch sei. Hierfür sei entscheidend, dass die Fläche dem Anbau von Grünfutterpflanzen diene. Von einer solchen könne unter Heranziehung der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen W. nicht ausgegangen werden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Fläche in der Reichsbodenschätzung von 1935 mit Ackerwertzahlen steuerlich veranlagt worden sei. Eine Änderung der Ackernutzung sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Darüber hinaus handele es sich nach Ansicht der Klägerin nicht um genehmigungspflichtige Maßnahmen. Bei den entfernten Aufwachsungen handele es sich nicht um Feldgehölz, sondern um Verbuschungen der Ackerfläche, deren Entfernung eine Maßnahme der landwirtschaftlichen Bodennutzung sei und der guten fachlichen Praxis entspreche, sodass kein Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 Nr. 1 BayNatSchG vorliege. Mangels Grünlandes seien auch keine Genehmigungen nach Art. 3 Abs. 5 BayNatSchG und § 78a Abs. 1 Nr. 7 WHG erforderlich.
14
Am 29. April 2022 fand eine Ortseinsicht durch den Beklagten statt. Es wurde festgestellt, dass seit dem Erlass der Untersagungsverfügung bis auf den Großteil des kartierten Biotops im Süden die gesamte Grundstücksfläche weiter umgebrochen und mit Mais bestellt worden sei. Noch vorhandene Gehölzreste seien beseitigt worden. Lediglich entlang der Nord- und Ostgrenze seien schmale Streifen mit ca. 2 – 3 Metern Breite nicht bearbeitet worden. Insgesamt seien 3,8 ha von Dauerbrache in Ackerland überführt worden.
15
Mit Schreiben vom 12. Mai 2022 (Bl. 104 BA) machte das AELF die Klägerin darauf aufmerksam, dass sie ohne Genehmigung umweltsensibles Dauergrünland umgewandelt habe. Gemäß § 19 Direktzahlungen-Durchführungsverordnung habe sie die 3,63 ha große umgewandelte Fläche wieder in Dauergrünland zurückumzuwandeln. Dies habe bis zum 16. Juni 2022 zu erfolgen, anderenfalls würden die Greeningprämien gekürzt sowie Sanktionen erfolgen.
16
Der Beklagte hielt im Aktenvermerk vom 13. Juni 2022 (Bl. 111 BA) fest, dass der Schäfer M. die FlNr. … seit dem Jahr 2017 im Zuge der Wanderschafhaltung mitbeweide. Zuvor sei dies durch seinen Vorgänger, von dem er die Schafherde übernommen habe, geschehen.
17
Ein Aktenvermerk des Beklagten vom 24. Juni 2022 zeigt Luftbilder der FlNr. … aus dem Fachinformationssystem Naturschutz zurückgehend bis ins Jahr 2004 (Bl. 122 – 130 BA). Hiernach sei erkennbar, dass sich auf der Fläche Grünland befunden habe. Im Jahr 2007 sei eine Teilfläche als abgepflockte Weidefläche auszumachen. Über die Jahre habe sich auf der brachliegenden Fläche Verbuschung eingestellt, im nordöstlichen Teil habe sich ein Feldgehölz entwickelt.
18
Mit Bescheid vom 30. Juni 2022 wurde das angedrohte Zwangsgeld durch den Beklagten fällig gestellt und ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 1.500 EUR für den Fall einer erneuten Zuwiderhandlung angedroht.
19
Mit Schreiben vom 4. Juli 2022 (Bl. 183 BA) nahm das AELF auf die Anfrage des Beklagten vom 3. März 2022 zur Nutzungsart der FlNr. … Stellung. Anhand von Luftbildern stellte es die Nutzungshistorie der FlNr. … aus den Jahren 2018, 2016, 2013, 2010, 2007, 2004 dar und charakterisierte die Fläche für die Jahre 2004, 2007, 2010, 2013 als Grünland, für 2016 als extensives Grünland, für 2018 als Grünland und für 2020 als Brachfläche.
20
Der Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 8. Juli 2022 auf die Klage und beantragte,
die Klage abzuweisen.
21
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die Voraussetzungen für einen Eingriff nach § 17 Abs. 8 BNatSchG gegeben seien, da eine Grünlandfläche vorliege und die Landwirtschaftsklausel nicht greife. Zudem seien nicht bloße Verbuschungen, sondern Feldgehölz entfernt worden. Die Definition für Dauergrünland finde sich in Art. 3 Abs. 4 Satz 2 BayNatSchG. Die von der Klägerin aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2021 entnommene Definition sei hier nicht maßgebend, da sich das Urteil mit dem Grünlandbegriff nach Agrarrecht befasse, hier jedoch allein die naturschutzrechtliche Grünlanddefinition greife. Aus den Luftbildaufnahmen des Fachinformationssystems Naturschutz könne nachvollzogen werden, dass sich Grünland seit dem Jahr 2004 auf der Fläche eingestellt habe. Auch aus dem Gutachten des Sachverständigen W. würde sich nichts anderes ergeben; auch das Gutachten komme zu dem Schluss, dass eine Grünlandnutzung derzeit nicht feststellbar sei, jedoch vormals bestanden habe und sich aufgrund der Nichtnutzung zu einer Brache entwickelt habe. Diese Brache sei jedoch genauso von der Grünlanddefinition erfasst. Die seitens der Klägerin vorgetragene ackerbauliche Nutzung bis 2008 könne vorliegend dahingestellt bleiben, da sich jedenfalls im Anschluss an die Nutzung infolge natürlicher Entwicklung Grünland eingestellt habe und die Fläche auch nach Ansicht der Klägerin seit zumindest 14 Jahren nicht ackerbaulich bewirtschaftet wurde. Eine Fläche werde zum Grünland, wenn sie mindestens fünf Jahre nicht mehr Bestandteil der Fruchtfolge eines landwirtschaftlichen Betriebs sei. Durch die Umwandlung der Brachfläche seitens der Klägerin sei ein Eingriff i.S.v. § 17 Abs. 8 BNatSchG gegeben. Die Nutzung als Dauergrünland und die ackerbauliche Nutzung seien verschiedenen Nutzungsarten, sodass der Umbruch die Nutzung i.S.v. § 14 Abs. 1 BNatSchG verändere. Durch die Maßnahme werde die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts erheblich beeinträchtigt. Dadurch, dass die Fläche über einen Zeitraum vom 18 Jahren extensiv bis gar nicht genutzt worden sei, habe sich der Oberboden ungestört entwickelt können. Bei einer Flächenbegehung im Juli 2021 habe ein reges Bodenleben (Ameisen, Spinnen, Wildbienen) festgestellt werden können. Solche ungestörten Brachflächen seien von herausragender Bedeutung vor allem für störungsempfindliche Artengebilde. Die Fläche sei ein Komplexlebensraum mit einer Vielzahl von Blütenpflanzen und Gehölzen gewesen und diene als Trittsteinbiotop. Durch den Umbruch sei in die Naturgüter Boden, Tier- und Pflanzenwelt eingegriffen worden; durch die Bearbeitung der Fläche und die nun vorliegende monotone Nutzung als Agrarfläche sei die Nahrungsgrundlage für die dort lebenden Tiere verloren gegangen. Zudem liege die Fläche in den Überschwemmungsgebieten der Donau und der kleinen Paar. Die Erhaltung von Grünland in solchen Gebieten stelle gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG eine Verpflichtung dar. Ein Eingriff sei hier nicht erforderlich, vielmehr sei § 17 Abs. 8 BNatSchG im Wege einer Rechtsfolgenverweisung direkt anwendbar. In Bezug auf das Feldgehölz sei ebenso aufgrund des Verweises in Art. 16 Abs. 2 BayNatSchG auf § 17 Abs. 8 BNatSchG kein Eingriff erforderlich. Für die Anordnungsbefugnis reiche bereits aus, dass den Verboten des Art. 16 Abs. 1 BayNatSchG zuwidergehandelt werde. Es handele sich nicht wie klägerseits angeführt um bloße Verbuschungen, sondern um Feldgehölz, wobei die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich seien. Überdies stelle auch die Beseitigung des Feldgehölzes einen Eingriff nach § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. Feldgehölze seien wichtige Trittsteinbiotope, auf denen sich verschiedene Arten halten könnten. Durch die Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft seien solche Flächen als einzige verbleibende Lebensräume für verschiedene Tiere immer wichtiger. Ihre Beseitigung stelle eine erhebliche Beeinträchtigung dar. Die Landwirtschaftsklausel nach Art. 6 Abs. 4 BayNatSchG finde keine Anwendung. Dadurch werde nur die bereits ausgeübte landwirtschaftliche Nutzung von Grundflächen privilegiert, nicht jedoch die Umwandlung anderer Flächen in landwirtschaftliche Nutzflächen. Vorliegend sei das Ackerland durch die Umwandlung der Grünfläche erst geschaffen worden.
22
Im E-Mail-Verkehr vom 28. Juli 2022 widersprach der Beklagte der Auffassung der Klägerseite, dass die zweimalig erfolgte Mahd des Biotops eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Fläche darstelle. Ein Feuchtbiotop würde vielmehr bei regelmäßiger Mahd zum Magerrasenstandort.
23
Die am 5. August 2022 erhobene Klage (M 19 K 22.3843) gegen die mit Bescheid vom 30. Juni 2022 erlassene erneute Zwangsgeldandrohung nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Juli 2023 zurück.
24
Mit Bescheid vom 15. September 2022 verpflichtete der Beklagte die Klägerin, spätestens bis zum Ende der auf die Unanfechtbarkeit des Bescheids folgenden Pflanzperiode das Feldgehölz und das Dauergrünland auf der FlNr. … nach speziell tenorierten Maßgaben wiederherzustellen. Die hiergegen am 6. Oktober 2022 erhobene Anfechtungsklage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13. Juli 2023 abgewiesen (M 19 K 22.4931).
25
Am 31. Mai 2023 fand eine weitere Ortseinsicht durch die UNB des Beklagten statt, die mit Fotos dokumentiert wurde. Hiernach befand sich auf der FlNr. … mittlerweile ein Kartoffelacker.
26
Mit Bescheid vom 2. Juni 2023 stellte der Beklagte das mit Bescheid vom 20. Juni 2022 angedrohte Zwangsgeld i.H.v. 1.500 EUR fällig und drohte bei erneuter Zuwiderhandlung gegen den Untersagungsbescheid vom 3. März 2022 ein weiteres Zwangsgeld i.H.v. 2.500 EUR an. Mit Schreiben vom 27. Juni 2023 zeigte die Klägerin die Zahlung des fällig gestellten Zwangsgelds i.H.v. 1.500,- EUR an.
27
Nach einer am 29. Juni 2023 durchgeführten Ortseinsicht teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag mit, dass das auf der FlNr. … befindliche Feuchtbiotop nicht als Wiese genutzt werden dürfe. Unter Bezugnahme auf vorhergehende Mitteilungen und den Wiederherstellungsbescheid vom 15. September 2022 (dort Hinweis Nr. 4), sei die regelmäßige Mahd der Biotopfläche nicht mit deren Schutzstatus vereinbar und daher zu unterlassen. Unter Nennung der drei unterschiedlichen Biotoptypen wird ausführlich der Schutzstatus der Biotopfläche erläutert. Maßnahmen auf der Fläche seien in jedem Fall mit der UNB abzustimmen.
28
Mit Schreiben vom 4. Juli 2023 im Verfahren M 19 K 22.4931 zeigte der Beklagte die Notwendigkeit an, die Unterlassungsanordnung auch zukünftig aufrecht zu erhalten, da die Klägerin das Grundstück weiter bewirtschafte und sich die Bodenbeschaffenheit durch Fruchtwechsel und Düngereintrag weiter verschlechtere. Bezüglich des Biotops bestehe zu befürchten, dass die Klägerin dessen Schutzstatus weiter missachte. Die Ackerbewirtschaftung erfolge in die Feuchtbiotopfläche hinein, die zudem zweimal von der Klägerin gemäht worden sei. 2.300 qm der 9.045 qm großen Biotopfläche seien von der landwirtschaftlichen Nutzung der Klägerin betroffen (vgl. Bilder in der restlichen Behördenakte, Bl. 297 ff. BA). Hinsichtlich der Definition des Dauergrünlands wird ergänzend auf ein Urteil des Verwaltungsgericht Regensburg verwiesen (VG Regensburg, U.v. 8.12.2022 – RO 4 K 20.821).
29
Hierauf erwiderte die Klägerseite mit Schriftsatz vom 12. Juli 2023, dass die Kartierung hinsichtlich der Biotopfläche ungenau sei. Die Klägerin halte sich bei der ackerbaulichen Nutzung an die alten Bewirtschaftungsgrenzen.
30
Der Beklagte führte in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2023 ergänzend zu den im Bescheid vom 3. März 2022 getroffenen Ermessenserwägungen aus, dass die naturschutzfachlichen und -rechtlichen Belange die persönlichen Belange der Klägerin überwiegen würden. Die finanziellen Nachteile der Klägerin müssten zurückstehen, da ihr bei Erwerb des Grundstücks bewusst gewesen sei, dass es sich um Grünland gehandelt habe und eine Nutzung als Acker ausgeschlossen gewesen sei. Die Nutzbarmachung einer Fläche, die auf ordnungswidrigem Handeln beruhe, könne kein schutzwürdiges Interesse begründen.
31
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie die Behördenakte und die Gerichtsakten der Verfahren M 19 K 22.1992, M 19 K 22.3843 und M 19 K 22.4931 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

32
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig aber nicht begründet.
33
Der Bescheid vom 3. März 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO.
34
I. Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
35
1. Das Landratsamt war für den Erlass der Anordnungen gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 43 Abs. 2 Nr. 3 BayNatSchG und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) sachlich und örtlich zuständig.
36
2. Eine Anhörung zur Untersagung der Beseitigungs- und Veränderungsmaßnahmen ist unterblieben, war aber aufgrund des akuten Handlungsbedarfs entbehrlich.
37
Gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Der Beklagte war, als er am 3. März 2022 auf die laufenden Maßnahmen der Klägerin aufmerksam wurde, zu sofortigem Handeln angehalten. Er äußerte sich dazu im Bescheid im Rahmen der Anordnung des Sofortvollzugs und begründete damit mittelbar auch die unterbliebene Anhörung mit dem Hinweis auf eine Nachahmungsgefahr und eine Gefährdung der Effektivität der Verwaltungstätigkeit. Dem Begründungserfordernis wurde damit Genüge getan (vgl. dazu HK-VerwR/Kyrill-Schwarz, VwVfG, 5. Auflage 2021, § 28 Rn. 38-40).
38
II. Die unter Nr. 1 des Bescheids verfügte Untersagungsanordnung ist auch materiell rechtmäßig. Untersagt werden die Fortführung der Maßnahmen zur Beseitigung bzw. Beeinträchtigung des Gehölzbestandes sowie zur Bearbeitung der Grundfläche in jeglicher Form auf der FlNr. … der Gemarkung …
39
Für diese Anordnung stehen verschiedene Rechtsgrundlagen zur Verfügung (nachfolgend unter 1.), deren Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind (nachfolgend unter 2.). Auch das jeweils erforderliche Ermessen wurde in genügender Weise ausgeübt (nachfolgend unter 3.).
40
1. Aufgrund der verschiedenen Gebietscharaktere, die nebeneinander und teilweise überlappend auf der streitgegenständlichen Flurnummer bestehen, stützt sich die Untersagungsanordnung auf verschiedene Rechtsgrundlagen.
41
1.1. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG sowohl in Bezug auf die Grünlandfläche, als auch bezüglich der von dem Feldgehölz und dem Überschwemmungsgebiet erfassten Flächen.
42
1.1.1. Der Anwendungsbereich des § 17 BNatSchG erfordert eine Genehmigungsbedürftigkeit des Eingriffs (§ 17 Abs. 1 BNatSchG), die hinsichtlich der Grünlandfläche zu bejahen ist. Denn aus dem Genehmigungsvorbehalt des Art. 3 Abs. 5 BayNatSchG, wonach „von dem Verbot des Art. 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG auf Antrag Ausnahmen zuzulassen sind“, dem Betroffenen also ein gebundener Anspruch auf Genehmigung zusteht, ergibt sich eine „erforderliche Zulassung oder Anzeige“ i.S.d. § 17 Abs. 1 BNatSchG. Die Rechtsgrundlage des § 17 Abs. 8 Abs. 1 BNatSchG findet hier unmittelbare Anwendung.
43
1.1.2. § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG ist dagegen als Rechtsfolgenverweisung mittelbar anzuwenden aufgrund von Art. 16 Abs. 2 BayNatSchG bezüglich der von Feldgehölz und aufgrund von Art. 3 Abs. 3 Satz 3 BayNatSchG im Hinblick auf die vom Überschwemmungsgebiet im Grünlandgebiet erfassten Flächen.
44
Eine unmittelbare Anwendbarkeit scheitert bezüglich dieser Flächen an der fehlenden Genehmigungsbedürftigkeit des Eingriffs. Art. 16 Abs. 1 Nr. 1 BayNatSchG normiert ein Fällungsverbot für Feldgehölze. Hieraus ergibt sich aber keine Genehmigungspflicht. Auch Art. 16 Abs. 2 BayNatSchG i.V.m. Art. 23 Abs. 3 BayNatschG begründet weder eine Zulassungs- noch eine Anzeigepflicht. Ebenso normiert § 78a Abs. 1 Nr. 7 WHG ein Verbot der Umwandlung von Grünland in Ackerland im Überschwemmungsgebiet, aber keine Genehmigungspflicht. Eine unmittelbare Anwendbarkeit des § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG über die bundesrechtliche sog. Eingriffsgenehmigung des § 17 Abs. 3 BNatSchG in der ab 1. März 2010 gültigen Fassung (dazu Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Auflage 2021, § 17 Rn. 33) ist in Bayern aufgrund des abweichenden Landesrechts in Gestalt des Art. 6 Abs. 2 BayNatSchG subsidiär.
45
1.2. Bezüglich der im Südosten des Grundstücks liegenden Biotopfläche stellt Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG als landesrechtliche Spezialvorschrift zu § 17 Abs. 8 BNatSchG die richtige Rechtsgrundlage für eine Untersagung dar.
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1.2.1. § 17 Abs. 8 BNatSchG scheidet hier – wie bezüglich des Feldgehölzes und des Überschwemmungsgebietes im Grünlandbereich – mangels Genehmigungspflicht aus. Bei § 30 Abs. 2 BNatSchG handelt es sich um ein gesetzliches Verbot, von dem lediglich im Einzelfall nach Ermessen eine Ausnahme (§ 30 Abs. 3 BNatSchG, Art. 23 Abs. 3 BayNatSchG) zugelassen oder eine Befreiung (§ 67 BNatSchG, Art. 56 BayNatSchG) erteilt werden kann (dazu BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 C 12.308 – juris Rn. 9; VG München, B.v. 10.8.2021 – M 19 S 21.3137 – juris Rn. 45 f.). Den Rückgriff auf die generalklauselartig ausgestaltete Befugnisnorm des § 3 Abs. 2 BNatSchG bedürfte es nur, wenn die Eingriffsqualität der vorgenommenen Maßnahmen zu verneinen wäre.
47
1.2.2. Unschädlich ist, dass der Bescheid die Untersagungsanordnung einheitlich auf § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG stützt und hinsichtlich der Biotopfläche nicht Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG nennt. Das Gericht ist im Hinblick auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der verlangt, dass der Verwaltungsakt (objektiv) rechtswidrig „ist“, verpflichtet zu prüfen, ob (und ggf. in welchem Umfang) der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern der Bescheid durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsnorm nicht in seinem Wesen verändert wird (BayVGH, U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 29; BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19/18 – NVwZ-RR 2020, 113 Rn. 24). Die Angabe einer unrichtigen Rechtsgrundlage führt als solches nicht zum einem Verstoß gegen Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG, weil aus dieser Vorschrift lediglich eine formelle Begründungspflicht, nicht aber eine Pflicht zur objektiv richtigen Begründung folgt; auch steht dabei keine Umdeutung (Art. 47 BayVwVfG) im Raum, solange der Inhalt der Regelung als solcher nicht geändert wird (BayVGH, U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 30 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 28.8.1980 – 4 B 67/80 – juris Rn. 6; B.v. 29.7.2019 – 2 B 19/18 – NVwZ-RR 2020, 113 Rn. 24 m.w.N.). Hinsichtlich des Kriteriums, dass sich durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsgrundlage das Wesen des Bescheids nicht verändern darf, sind bei Ermessensentscheidungen allerdings engere Grenzen als bei gebundenen Verwaltungsakten zu beachten.
48
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen der genannten Rechtsgrundlagen sind erfüllt.
49
2.1. Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG bezüglich der Grünlandfläche liegen vor. Hiernach soll die zuständige Behörde bei Vorliegen eines ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige vorgenommenen Eingriffs in Natur und Landschaft i.S.v. § 14 Abs. 1 BNatSchG die weitere Durchführung des Eingriffs untersagen.
50
Die von der Klägerin vorgenommenen Maßnahmen stellen eine genehmigungsbedürftige Umwandlung von Grünland in Ackerland und damit einen Eingriff i.S.v. § 14 Abs. 1 BNatSchG dar (2.1.1. und 2.1.2.). Die Ausnahme gemäß Art. 6 Abs. 4 BayNatSchG durch die Landwirtschaftsklausel ist vorliegend nicht einschlägig (2.1.3). An der erforderlichen Zulassung oder Anzeige des Eingriffs fehlte es (2.1.4.).
51
2.1.1. Unter Dauergrünland i.S.d. Naturschutzrechts sind nach der gesetzlichen Definition des Art. 3 Abs. 4 Satz 2 BayNatSchG alle auf natürliche Weise entstandenen Grünlandflächen sowie angelegte und dauerhaft als Wiese, Mähweide oder Weide genutzten Grünlandflächen und deren Brachen zu verstehen.
52
(1) Dieser Dauergrünlandbegriff ist rein naturschutzrechtlich und unabhängig von den agrarrechtlichen Begriffsbestimmungen zu interpretieren (BayVGH, U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 62, 66 ff.; VG Regensburg, U.v. 8.12.2022 – RO 4 K 20.821 – juris Rn. 27; VG Bayreuth, U.v. 24.11.2022 – B 9 K 21.165 – juris Rn. 29). Dies geht bereits aus dem Gesetzeswortlaut hervor und wird durch eine historische Auslegung gestützt. Denn dem bayerischen Gesetzgeber ging es, wie schon dem seinerseits als Vorbild herangezogenen nordrhein-westfälischen Gesetzgeber bei der Dauerhaftigkeit um die „auf unabsehbare (künftige) Dauer der Grünlandnutzung ausgerichtete Zweckbestimmung einer Nutzung als Wiese, Mähweide oder Weide“ (BayVGH, U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 63 f.). Der bereits existierende, europarechtliche Dauergrünlandbegriff (Art. 4 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1307/2013) aus dem Bereich des Agrarförderrechts wurde vom bayerischen Gesetzgeber bei Schaffung des (später eingeführten) naturschutzrechtlichen Umwandlungsverbots gerade nicht aufgegriffen. Er hat vielmehr eine eigenständige naturschutzrechtliche Definition von Dauergrünland in Art. 3 Abs. 4 Satz 2 und 3 BayNatSchG vorgenommen (BayVGH, U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 65).
53
(2) Vorliegend geht der Beklagte zutreffend von einer Einstufung als Dauergrünland aus, die zuletzt als Grünlandbrache anzusehen war. Eine solche entsteht, wenn Dauergrünland für kürzere oder längere Zeit nicht mehr genutzt wird und der natürlichen Sukzession unterliegt (Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, Naturschutzrecht in Bayern, 52. AL Stand Januar 2023, Art. 3 Rn. 34).
54
Bevor die Klägerin im Jahr 2021 ihre Maßnahmen ergriffen hatte, bestand auf der 37.343 qm großen Fläche der FlNr. … (in Abgrenzung zu der restlichen, biotopkartierten Teilfläche) eine Grünlandbrache i.S.d. vorgenannten gesetzlichen Definition des Art. 3 Abs. 4 Satz 2 BayNatSchG. Diese Einstufung lässt sich mit einer Vielzahl von Nachweisen belegen.
55
Bereits aus den Luftbildaufnahmen lässt sich erkennen, dass sich seit 2004 eine Grünlandentwicklung auf der Fläche eingestellt hatte. Die entsprechende Bewertung der UNB des Beklagten in ihrem Aktenvermerk vom 24. Juni 2022 (Bl. 130 BA) stellt sich als schlüssig und nachvollziehbar dar. Deutlich geht dies auch aus der Stellungnahme des AELF vom 4. Juli 2022 hervor, in der ebenfalls anhand von sieben verschiedenen Luftbildern, verteilt über den Zeitraum von 2004 bis 2020, die Nutzungshistorie dargestellt wird (Bl. 184 ff. BA). Die entsprechende Bewertung als Grünland bzw. extensives Grünland sowie zuletzt im Jahr 2020 als Brachfläche sowie die entsprechende Schlussfolgerung des AELF in seinem Schreiben an die Klägerin vom 12. Mai 2022, in dem es unmissverständlich von einem nicht genehmigten Dauergrünlandumbruch ausgeht (Bl. 104 BA), sind nicht zu beanstanden. Auch das Gutachten vom Sachverständigen W. qualifiziert das Grundstück als seit 10 Jahren „brachliegendes“ Grünland. Der Sachverständige W. stellt in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Januar 2020 (Bl. 174 BA) dar, dass sich das Grundstück – der ältesten verfügbaren Luftbildaufnahme von 2004 folgend – allem Anschein nach damals schon als Grünland darstellte.
56
(3) Den gegen die Einstufung als Grünlandbrache vorgebrachten Einwänden der Klägerseite kann nicht gefolgt werden.
57
Für die Einstufung der Fläche als Ackerland zitiert die Klägerseite eine Aussage aus dem Sachverständigengutachten vom 9. Dezember 2019 (S. 12, unter Nr. 3.6), wonach knapp 10 Jahre seit der letzten Grünlandnutzung vergangen seien. Diese Aussage ist ungeeignet, eine Qualifikation als Ackerland zu begründen. Der Einwand verkennt darüber hinaus die im zitierten Absatz getroffenen weiteren Aussagen des Gutachters, dass sich die Vegetation auf dem Grundstück in den letzten 10 Jahren stark verändert habe (lockere Grasnarbe, Seggen- und Binsenwachstum, Bestockung mit Buschwerk und Pionierbaumarten). Die zitierte Stelle stellt somit im Gegenteil einen weiteren Nachweis für die Qualifizierung der Fläche als Grünlandbrache dar. Auch auf die Luftbilder sowie die daraus von dem Beklagten und dem AELF gezogene Bewertung als Grünland geht die Klägerseite nicht ein.
58
Für die klägerseits vorgetragene Behauptung, der nördliche Grundstücksteil sei bis ins Jahr 2008 als Acker genutzt worden, fehlt es bereits an Nachweisen. Aus den bis ins Jahr 2004 zurückgehenden Luftbildern lässt sich auch für die Jahre 2004 bis 2008 keine Ackernutzung feststellen. Eine abschließende Sachverhaltsklärung kann diesbezüglich dahinstehen, da auch dem Klägervortrag zufolge jedenfalls seit dem Jahr 2008 keine ackerbauliche Bewirtschaftung der Flurnummer erfolgt ist.
59
Der von Klägerseite daraus gezogene Schluss, es handele sich mithin um brachliegende Ackerfläche, ist unzutreffend. Denn eine vormals ackerbaulich genutzte Fläche verliert diesen Status bereits dann, wenn sie fünf Jahre nicht mehr ackerbaulich genutzt wird. Das Gericht folgt diesbezüglich der auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2019 zurückgehenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 13.6.2019 – 4 C 4/18 – juris Rn. 12; VG Potsdam, U.v. 24.1.2023 – 14 K 519/19 – juris Rn. 38). Streitgegenständlich war in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls eine auf die Rechtsgrundlage des § 17 Abs. 8 BNatSchG gestützte, naturschutzrechtliche Untersagungs- und Wiederherstellungsanordnung.
60
Dem von Klägerseite zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2021 (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.2021 – 3 C 7/20 – juris Rn. 28) lag dagegen ein anderer Streitgegenstand zugrunde. Inmitten dieser Entscheidung stand die Anerkennung von Flächen als förderfähiges, landwirtschaftlich genutztes Dauergrünland für die Zwecke der Erlangung einer höheren Ausgleichszulage. Hierfür wurde als maßgebliches Kriterium für die Definition von Dauergrünland nicht die Art der Vegetation, sondern die tatsächliche Nutzung der Fläche für eine landwirtschaftliche Tätigkeit, die für Dauergrünland typisch ist, herangezogen. Auf die nach Agrarförderrecht zu klärende Frage, ob die Fläche für den Anbau von Grünfutterpflanzen genutzt wurde oder nicht, kommt es im Rahmen der hier streitgegenständlichen Frage, ob mit Blick auf einen etwaigen Eingriff i.S.v. § 14 BNatSchG wegen des Vorliegens von Dauergrünland im naturschutzrechtlichen Sinne eine Nutzungsänderung zu bejahen ist (dazu BVerwG, U.v. 13.6.2019, a.a.O.), gerade nicht an (dazu Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, a.a.O., Art. 3 Rn. 34).
61
Der Begriff des Dauergrünlands ist nicht in einem rein ökonomischen Sinne zu verstehen; ihm werden auch solche Zustände zugeordnet, in denen Natur und Landschaft sich selbst überlassen sind (vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, BNatSchG, 100. EL Januar 2023, § 14 BNatSchG Rn. 8; OVG NRW, B.v. 17.2.1994 – 10 B 350/94 – NVwZ, 1995, 308 (309)), was auf die streitgegenständliche Fläche, abgesehen von der teilweisen sporadischen Beweidung durch Schafe, zutrifft. Da die landwirtschaftliche Nutzung selbst nach dem Vortrag der Klägerseite seit 2008 nicht mehr bestand, dauerte der Zustand des Nichtbewirtschaftens über einen Zeitraum von deutlich mehr als fünf Jahre an, sodass eine Veränderung der Nutzung vorlag.
62
Der weitere Vortrag der Klägerseite im Rahmen der mündlichen Verhandlung, sie sei geradezu dazu verpflichtet gewesen, das Grundstück wieder einer ackerbaulichen Nutzung zuzuführen, entspricht nicht den Gesetzesvorgaben. Zum einen ist schon keinerlei zivilrechtliche Verpflichtung der Klägerin zu erkennen, das als Grünland – zu den entsprechend günstigeren Preisen – gekaufte Grundstück landwirtschaftlich zu nutzen. Zum anderen hat die hier in Rede stehende öffentlich-rechtliche Qualifizierung nichts mit einer etwaigen vertraglichen Nutzungspflicht zu tun. So macht sich zwar ein Pächter unter Umständen schadensersatzpflichtig, wenn er es unterlässt, die Ackerlandeigenschaft des gepachteten Grundstücks zu erhalten und Dauergrünland auf ihm entstehen lässt; an der Qualifizierung der neu entstandenen Fläche als Dauergrünland ändert dies jedoch nichts (vgl. ausführlich VG Bayreuth, U.v. 24.11.2022 – B 9 K 21.165 – juris Rn. 33).
63
Daher gehen auch weitere Einwände hinsichtlich der in der Vergangenheit liegenden vorgenommenen Klassifizierungen wie eine für Ackerland typische Bodenwertkennziffer oder eine Reichsbodenschätzung von 1935 fehl. Entscheidend ist der Ist-Zustand des Grundstücks im Zeitpunkt des ersten vorgenommenen Eingriffs. Die ersten zustandsverändernden Maßnahmen erfolgten im Juni 2021 durch den Ehemann der Klägerin. Zu diesem Zeitpunkt stellte sich die Fläche als Grünlandbrache dar.
64
2.1.2. Die im Juni 2021 mit der Entnahme von Bäumen beginnenden Maßnahmen, die im Februar 2022 folgende Entfernung von Verbuschungen, die bis Anfang März 2023 erfolgte Beseitigung des Gehölzaufwuchses und der Wurzelstöcke mit Minibagger im Norden und Osten der Flurnummer, das Mulchen der gesamten Grünlandfläche und deren Umbruch mit einer Fräse sind unzweifelhaft als Eingriff i.S.d. § 14 Abs. 1 BNatSchG zu sehen. Ein Eingriff liegt hiernach vor bei einer Veränderung der Gestalt und Nutzung der Grundflächen, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen. Selbst die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung würde genügen. Eine solche steht vorliegend jedoch wegen des Ausmaßes der vorgenommenen Maßnahmen nicht in Zweifel.
65
Am 29. April 2022 wurde sodann in dem fertiggestellten Umbruch der Eingriff – trotz zwischenzeitlicher Untersagung – fortgesetzt und die umgebrochene Fläche mit Mais bestellt. Schließlich hat sich mit der im Folgejahr 2023 vorgenommenen Bestellung des Ackers mit Kartoffeln die ackerbauliche Nutzung verfestigt. Die Klägerin hat somit circa 35.700 qm von Dauerbrache (38.000 qm der Gesamtumbruchfläche abzüglich der 2.300 qm im Biotop erfolgten Umbruchfläche) in Ackerland überführt und damit die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts erheblich beeinträchtigt. Die Umwandlung in eine monotone Agrarfläche hat zum Verlust des Lebensraums zahlreicher Tiere geführt. Durch die Bodenbearbeitung wurde die ökologische Wirkung der Fläche als Trittsteinbiotop beseitigt, wodurch eine Entkräftung der Vernetzungsfunktion der Brachfläche eingetreten ist. Ebenso sind alle weiteren, den Ackerbau fördernden Maßnahmen, beispielsweise die Behandlung der Fläche mit Pflanzenschutzmitteln, als Eingriff zu bewerten.
66
2.1.3. Die Frage, ob der vorliegende Eingriff ausnahmsweise gemäß Art. 6 Abs. 4 BayNatSchG nicht als Eingriff anzusehen ist, sofern bei der landwirtschaftlichen Bodennutzung die Ziele des Naturschutzes und der Landwirtschaftspflege berücksichtigt werden, stellt sich vorliegend nicht. Eine 14- bzw. 18-jährige „Nichtnutzung“ kann schon begrifflich nicht als „vorhandene landwirtschaftliche Nutzung“ qualifiziert werden. Vor allem aber handelte es sich – wie bereits ausgeführt – um keine landwirtschaftliche Fläche, sondern um eine Dauergrünlandbrache, auf der von vornherein eine landwirtschaftliche Nutzung verboten ist (Art. 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG).
67
Die sog. Landwirtschaftsklausel privilegiert nur eine bereits ausgeübte landwirtschaftliche Nutzung und nicht die erstmalige Herstellung einer Ackerfläche oder einen Wechsel der Nutzungsart eines Grundstücks. Die Umwandlung bisher nicht genutzter Flächen, durch die die landwirtschaftliche Nutzung erst ermöglicht werden soll, ist nicht von Art. 6 Abs. 4 BayNatSchG erfasst (BayVGH, U.v. 1.8.1988 – 9 N 87.01708 – juris OS 3, NuR 1989, 182-183 (mit Gründen); BVerwG, B.v. 26.2.1992 – 4 B 38/92 – juris Rn. 6; B.v. 14.4.1988 – 4 B 55/88 – juris Rn. 4). Eine einen langen Zeitraum – hier mindestens 14 Jahre – zurückliegende landwirtschaftliche Nutzung ist dem gleichzustellen. Von einer Wiederaufnahme einer nur unterbrochenen landwirtschaftlichen Bodennutzung kann darüber hinaus auch angesichts der umfangreichen Maßnahmen, die für die ackerbauliche Nutzbarmachung erforderlich waren, offensichtlich nicht ausgegangen werden.
68
2.1.4. Eine Genehmigung für den Umbruch des Grünlands in Ackerland bestand nicht. Die Umwandlung von Dauergrünland unterliegt einem Verbot gemäß Art. 3 Abs. 4 Nr. 1 BayNatSchG und darf nur erfolgen, wenn eine Ausnahme gemäß Art. 3 Abs. 5 Satz 1 BayNatSchG erteilt wurde. Der entsprechende Antrag auf Umwandlung der Dauergrünlandbrache in landwirtschaftliche Nutzung wurde seitens der Klägerin zurückgenommen. Die erforderliche Ausnahmegenehmigung lag somit nicht vor.
69
2.2. Die Eingriffsbefugnis des § 17 Abs. 8 Abs. 1 BNatSchG ist darüber hinaus aufgrund der Rechtsfolgenverweisung des Art. 16 Abs. 2 BayNatSchG eröffnet. Die Entfernung des Gehölzbestandes auf der FlNr. … durch die Klägerin erfüllt den Tatbestand des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG. Hiernach ist es verboten, in der freien Natur Hecken, lebende Zäune, Feldgehölze oder -gebüsche einschließlich Ufergehölze oder -gebüsche zu roden, abzuschneiden, zu fällen oder auf sonstige Weise erheblich zu beeinträchtigen.
70
Der Beklagte geht zutreffend davon aus, dass der auf der FlNr. … ehemals vorhandene Gehölzbewuchs diese Kriterien erfüllt hat. Unter Feldgehölz ist ein kleinflächiger Baum- und Strauchbestand in der Feldmark zu verstehen, der meist unregelmäßig begrenzt ist, in der Regel nicht die Größe von 2.000 qm überschreitet und sich durch einen charakteristischen, gegenüber dem Wald relativ hohen Anteil an Strauchwerk auszeichnet (Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, a.a.O., Art. 16 Rn. 7).
71
Vorliegend geht das Gutachten des Sachverständigen W. von einer Entwicklung zu waldähnlichen Strukturen aus (Bl. 175 BA). Zudem wird der Gehölzbestand auch vom AELF als Feldgehölz eingestuft (Bl. 188 BA). Ebenso begründen die vorliegenden Luftbilder und die Fotos, die den Bewuchs auf der fraglichen Parzelle vor der vollständigen Rodung zeigen (Bl. 1a – 1c BA) keine Zweifel an der Einschätzung, dass es sich bei dem beseitigten Aufwuchs um Feldgehölze gehandelt hat. Von vereinzelt auf dem Flurstück befindlichen Verbuschungen kann dagegen mangels belastbarer Nachweise der Klägerseite nicht ausgegangen werden. Ob Feldgehölz vorliegt, beurteilt sich allein nach den tatsächlichen Gegebenheiten, sodass auch der Einwand einer fehlenden Verzeichnung des Feldgehölzes zurückzuweisen ist.
72
Gegenüber dem klägerischen Argument, die Entfernung des vorhandenen Gehölzbestandes sei der guten fachlichen Praxis zuzuordnen, wird auf die Ausführung zur Nichtanwendbarkeit der Landwirtschaftsklausel des Art. 6 Abs. 4 BayNatSchG (s.o.) verwiesen. Es mangelte an der vorhergehenden landwirtschaftlichen Nutzung, sodass sich eine Prüfung der Regeln der guten fachlichen Praxis erübrigte.
73
Eine für die Beseitigung der Gehölzstruktur erforderliche Erlaubnis fehlte. Es wurde weder eine Befreiung nach Art. 56 BayNatSchG i.V.m. § 67 BNatSchG vom Verbot der Feldgehölzbeseitigung beantragt und erteilt, noch eine Erlaubnis zur Entfernung nach Art. 16 Abs. 2 i.V.m. Art. 23 Abs. 3 BayNatSchG.
74
2.3. Des Weiteren durfte die Untersagung durch den Beklagten aufgrund der Rechtsfolgenverweisung des Art. 3 Abs. 3 Satz 3 BayNatSchG im Hinblick auf die vom Überschwemmungsgebiet im Grünlandgebiet erfassten Flächen angeordnet werden. Auf diesen soll gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG Grünland erhalten bleiben, sodass hier – anders als bei Dauergrünland das nicht im Überschwemmungsgebiet liegt – grundsätzlich kein Anspruch auf Genehmigung des Umbruchs gemäß Art. 3 Abs. 5 BayNatSchG besteht und eine Ausnahme nur in atypischen Fällen in Betracht kommt. Die FlNr. … liegt ausweislich der Überschwemmungsgebietsverordnung und des in der Behördenakte befindlichen Kartenmaterials ganz oder jedenfalls teilweise im Überschwemmungsgebiet.
75
Eine Ausnahme wurde vorliegend nicht erteilt. Im Gegenteil hat der Beklagte die Klägerseite ausdrücklich auf das in § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 WHG normierte Verbot der Umwandlung von Grünland in Ackerland in festgesetzten Überschwemmungsgebieten aufmerksam gemacht.
76
2.4. Schließlich sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Untersagungsanordnung auf Grundlage der landesrechtlichen Eingriffsgrundlage des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG bezüglich der im Südosten des Grundstücks liegenden Biotopfläche erfüllt.
77
Der Umbruch des Biotops in landwirtschaftliche Fläche auf einer Teilfläche von 2.300 qm der 9.045 qm großen Biotopfläche „Feuchtvegetation am … nördlich von …“ (Nr. 7232-112-002) der FlNr. … stellt unzweifelhaft einen Eingriff dar. Ebenso sind die weiteren, zweimal jährlich vorgenommenen Mahden auf der Gesamtfläche des Biotops als Eingriff und nicht als zulässige Pflegemaßnahme zu sehen. Pflegemaßnahmen im Biotop, dessen ökologisches Gleichgewicht sensibel auf Eingriffe von außen reagiert, müssen auf ein erforderliches Maß beschränkt werden und bedürfen zudem der Abstimmung mit der UNB. Die Klägerin wurde zuletzt mit Hinweisschreiben vom 29. Juni 2023 (Bl. 319 BA) unter Erläuterung des Schutzstatus der konkreten, drei unterschiedliche Biotoptypen umfassenden Biotopfläche auf das Unterlassen einer „regelmäßigen“ Mahd und das Abstimmungserfordernis hingewiesen (Bl. 319 BA).
78
Die Landwirtschaftsklausel vermag die landwirtschaftliche Bodennutzung nicht von den Anforderungen des gesetzlichen Biotopschutzes freizustellen, da § 30 BNatSchG insoweit eine vorrangige und speziellere Regelung darstellt (BayVGH, B.v. 9.8. 2012 – 14 C 12.308 – juris Rn. 19 m.w.N.). Hinzu kommt auch hier, dass Veränderungen der Form und Gestalt von geschützten Grundflächen, die eine landwirtschaftliche Nutzung erst ermöglichen bzw. sinnvoll gestalten sollen, von der im Gesetz bestimmten Privilegierung der ordnungsgemäßen landwirtschaftlichen Bodennutzung nicht erfasst werden (BayVGH, U.v. 8.11.1999 – 9 B 96.3273 – Rn. 21 unter Hinweis u.a. auf BVerwG, B.v. 14.4.1998 – 4 B 55/88 – juris Rn. 4).
79
3. Das für die Untersagungsanordnung jeweils erforderliche Ermessen wurde ordnungsgemäß ausgeübt.
80
3.1. Hinsichtlich der auf § 17 Abs. 8 BNatSchG gestützten Untersagungsanordnung hat der Beklagte das intendierte Ermessen beanstandungsfrei ausgeübt. Von der in § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG vorgesehenen Unterlassungsanordnung kann nur in atypischen Ausnahmefällen abgesehen werden (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 9.9.2021 – 28 K 6001-19 – juris Rn. 72; OVG NW, U.v. 9.2.2017 – 8 A 2206/15 – juris Rn. 32). Im Bescheid finden sich ein Hinweis auf die „Soll“-Vorschrift des § 17 Abs. 8 BNatSchG sowie Ermessenserwägungen und Aussagen zur Verhältnismäßigkeit. Es wird dargelegt, dass aufgrund der Kommunikation der Klägerin mit dem Beklagten und der dennoch durchgeführten Maßnahmen entgegen behördlichen Hinweisen und in Kenntnis der Erlaubnispflichten und der Gefahr einer noch weitreichenderen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes und des Naturhaushalts von der Verhältnismäßigkeit der Untersagungsanordnung auszugehen war. Die Klageerwiderung vom 8. Juli 2022 ergänzt schließlich, dass die Unterbindung der Fortsetzung des Umbruchs auch dazu diente, die Erstellung eines artenschutzrechtlichen Gutachtens nicht zunichte zu machen.
81
3.2. Auch im Hinblick auf die vom Gericht hinsichtlich des Biotops zugrunde gelegte Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 2 BayNatSchG werden keine Ermessensfehler gesehen.
82
Die landesrechtliche Eingriffsregelung des Art. 6 Abs. 2 BayNatSchG stellt anders als die „Soll-Vorschrift“ des § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG (intendiertes Ermessen) als „Kann-Vorschrift“ höhere Anforderungen an das behördliche Ermessen (dazu BayVGH U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 39). Ob diese erfüllt sind, ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen und in diesem Zusammenhang auch zu erwägen, ob die Verwaltung während des Prozesses möglicherweise Ermessenserwägungen in zulässiger Weise nachgeschoben hat und ob sich gegebenenfalls aufgrund solcher nachgeschobener Ermessenserwägungen eine nach dem ursprünglichen Bescheid unzureichende Ermessensausübung nunmehr als fehlerfrei darstellt (vgl. BayVGH, U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 32).
83
Die Anforderungen an ein Nachschieben von Gründen gelten für die Frage einer Wesensänderung bei Auswechseln der Rechtsgrundlage durch das Gericht bei Ermessensentscheidungen entsprechend (BayVGH, U.v. 23.7.2020 – 14 B 18.1472 – juris Rn. 31 mit Verweis auf NdsOVG, U.v. 1.4.2008 – 4 LC 59.07 – juris Rn. 43; OVG Hamburg, U.v. 11.4.2013 – 4 Bf 141/11 – juris Rn. 92; OVG Saarl, B.v. 7.8.2013 – 3 A 295/13 – juris 10 f. m.w.N.). Gemäß § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Voraussetzung dafür ist, dass die von der Behörde angegebenen Gründe schon bei Erlass des Verwaltungsaktes vorlagen, dieser durch sie nicht in seinem Wesen geändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wurde (siehe zum Ganzen: BayVGH, U.v. 9.7.2020 – 14 B 19.96 – juris Rn. 42 m.w.N.).
84
Insoweit hat der Beklagte sein Ermessen in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2023 ordnungsgemäß ergänzt und damit auch den höheren Ermessensanforderungen des Art. 6 Abs. 2 BayNatSchG Genüge getan. Die Belange der Klägerin werden gegen die naturschutzfachlichen und -rechtlichen Belange abgewogen. Der Beklagte trug vor, dass vor dem Hintergrund, dass vermeidbare Beeinträchtigungen zu unterlassen seien, die finanziellen Nachteile der Klägerin zurückstehen müssten. Ihr sei bei Erwerb des Grundstücks bewusst gewesen, dass es sich um Grünland gehandelt habe und eine Nutzung als Acker ausscheide. Die Nutzbarmachung einer Fläche, die auf ordnungswidrigem Handeln beruhe, könne kein schutzwürdiges Interesse begründen. Diese Einschätzung des Beklagten war ermessensgerecht.
85
Auch wurde eine zutreffende Störerauswahl getroffen. Da die Klägerin gleichermaßen Handlungsstörerin und Zustandsstörerin (Eigentümerin) ist, war sie richtige Adressatin der Untersagungsanordnung. Auch wenn die Maßnahmen von ihrem Ehemann durchgeführt worden sind, ist ihr dieses Vorgehen zuzurechnen. Im Übrigen verwies dieser vor Erlass des Untersagungsbescheids selbst auf die Klägerin als richtige Adressatin, sodass auch hieraus seine Vertretungseigenschaft zutage trat. Die Verantwortung für sein Handeln verbleibt damit bei der Klägerin.
86
4. Die Untersagungsanordnung ist ein Dauerverwaltungsakt, der sich noch nicht erledigt hat. Denn auch eine weitere ackerbauliche Nutzung der schon umgebrochenen Grundstücksflächen, z.B. Düngen oder verfestigende ackerbauliche Maßnahmen, führt zu einer noch stärkeren naturschutzfachlichen Entwertung des Grundstücks. Da die Klägerin selbst auf der noch nicht umgebrochenen Biotopfläche bereits unzulässige Mahden vorgenommen hatte, sind vor allem auch bezüglich dieser Fläche weitergehende beeinträchtigende Maßnahmen zu befürchten.
87
III. Die Zwangsgeldandrohung in Nummer 2 des Bescheids ist nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29, Art. 31 und Art. 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).
88
Die Bestimmtheitsproblematik hinsichtlich der einheitlichen Zwangsgeldandrohung trotz verschiedenartig denkbarer Eingriffsintensitäten (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 15 CS 23.95 – Rn. 30) muss nicht weitergehend bewertet werden, da hier die Klägerin mit dem Anbau von Mais bzw. Kartoffeln auf der vormaligen Grünland- bzw. Biotopfläche nahezu das Maximum an denkbaren, zu untersagenden Maßnahmen vorgenommen hatte. Aus dem Regelungsgehalt des gesamten Bescheidsinhalts, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen, ließ sich für die Klägerin, auf deren Empfängerhorizont abzustellen ist, unzweifelhaft erkennen, dass sich das angedrohte Zwangsgeld jedenfalls auf eine gewerbliche Ackerbewirtschaftung beziehen musste. Eine nähere Konkretisierung erübrigte sich daher.
89
Auch die Höhe des festgesetzten Zwangsgelds von 1.000 EUR ist nicht zu beanstanden. Sie bewegt sich am unteren Rand des zulässigen Rahmens von 15 EUR bis 50.000 EUR und orientiert sich am wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an der weiteren Nutzung des Grundstücks (Art. 31 Abs. 2 VwZVG).
90
IV. Ebenso wenig ist die Kostenerhebung in Nummer 4 des Bescheids zu beanstanden. Sie folgt dem Kostengesetz i.V.m. dem Kostenverzeichnis.
91
V. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).