Inhalt

VGH München, Urteil v. 03.02.2023 – 4 N 22.303
Titel:

Erfolgloser Normenkontrollantrag gegen Kindertagesstätten betreffende Abgabensatzungen

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 47
SGB VII § 90 Abs. 1 Nr. 3
BayKAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5, Art. 8
BayKiBiG Art. 19 Nr. 5 lit. a
Leitsätze:
1. Legt ein Normgeber für zwei inhaltlich konkurrierende Regelungen denselben Geltungsbeginn fest, so lässt sich der Normenkonflikt nur auflösen, wenn in Anwendung der lex posterior-Regel auf den Zeitpunkt des jeweiligen Normbeschlusses abgestellt wird. (Rn. 15 – 17)
2. Bei Elternbeiträgen einer kommunalen Kindertageseinrichtung muss nicht danach differenziert werden, ob die in der Einrichtung betreuten Kinder das dort angebotene Mittagessen tatsächlich in Anspruch nehmen. (Rn. 27 – 33)
Schlagworte:
Elternbeiträge für gemeindliche Kindertageseinrichtung, Normenkontrollantrag gegen Kostenbeitragssatzung, maßgeblicher Zeitpunkt für die lex posterior-Regel, Widmungsermessen des Einrichtungsträgers, Pauschalierung der Beiträge, Kindertagesstätte, Kostenbeitrag, Beitragssatzung, Lex-Posterior-Grundsatz, maßgeblicher Zeitpunkt, gebührenrechtliches Differenzierungsgebot, Gleichbehandlung, Pauschalierung, Widmungsermessen
Fundstellen:
BayVBl 2023, 334
LSK 2023, 2764
KommJur 2023, 145
BeckRS 2023, 2764

Tenor

I. Die Normenkontrollanträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten der Verfahren.
III. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten der Verfahren gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Antragsteller, deren zwei Kinder in einer als öffentliche Einrichtung betriebenen Kindertagesstätte der Antragsgegnerin betreut werden, wenden sich gegen dafür erlassene Abgabensatzungen.
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Die Antragsgegnerin schließt mit den Eltern der zu betreuenden Kinder sog. Bildungs- und Betreuungsverträge, als deren Bestandteile gemäß § 3 Abs. 1 auch die jeweilige Hausordnung und die Einrichtungskonzeption gelten. Die Verträge umfassen als Anlage 1 eine Buchungsvereinbarung mit der individuell vereinbarten Buchungszeit und als Anlage 2 eine „Elternbeitragsverpflichtung“. Nach § 15 der für die Einrichtung geltenden Kindertagesstätten-Satzung (KITA-Satzung) werden die Personensorgeberechtigten an den Betriebskosten durch monatliche Gebühren beteiligt; Näheres regle die Gebührensatzung. In § 10 KITA-Satzung war früher vorgesehen, dass die Kinder in der Kindertagesstätte ein Mittagessen einnehmen können; in der seit dem 1. November 2021 geltenden Neufassung heißt, die Verpflegung werde im Rahmen der Leistungen der Kindertagesstätte erbracht.
3
Ebenfalls mit Wirkung vom 1. November 2021 in Kraft gesetzt wurden eine am 12. Juli 2021 beschlossene neue Gebührensatzung (KITA-Gebührensatzung) der Antragsgegnerin sowie eine „für die Benutzung ihrer Kindertagesstätte“ geltende Beitragssatzung (KITA-Beitragssatzung) vom 13. September 2021. Beide Satzungen, die jeweils auf Art. 2 und Art. 8 KAG gestützt sind, sehen „Elternbeiträge“ entsprechend den vereinbarten Buchungszeiten (Minimum 2-3 Stunden, Maximum 9-10 Stunden) vor. Die Satzungen enthalten jeweils eine Schlussbestimmung (§ 7 Abs. 2), wonach mit ihrem Inkrafttreten „alle vorherigen Satzungen“ außer Kraft treten.
4
Die Antragsteller machen mit ihren am 1. Februar 2022 eingegangenen Normenkontrollanträgen die Unwirksamkeit der beiden letztgenannten Satzungen geltend. Für die KITA-Beitragssatzung fehle es bereits an einer Grundlage im Kommunalabgabengesetz. Eine Kindertageseinrichtung biete Grundstückseigentümern oder Erbbauberechtigten nicht einen besonderen Vorteil im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Mit Beiträgen könnten auch nicht die laufenden Kosten einer Einrichtung, sondern nur der Investitionsaufwand abgeschöpft werden; im Elternbeitrag seien aber nach § 5 Abs. 2 Satz 1 KITA-Beitragssatzung sämtliche Kosten (Gebühren und Auslagen) enthalten. Da es keine vorherige Beitragssatzung gegeben habe, sei unklar, ob mit der Schlussbestimmung der Beitragssatzung die Gebührensatzung aufgehoben worden sei; daraus ergebe sich insoweit das Rechtsschutzbedürfnis. Inhaltliche Bedenken bestünden dagegen, dass in dem „Elternbeitrag“ sämtliche Kosten enthalten seien, ohne dass es darauf ankomme, ob die Angebote von den Kindern in Anspruch genommen worden seien. Dies widerspreche dem Benutzungsbegriff nach Art. 8 KAG, der eine konkrete Inanspruchnahme voraussetze; lediglich zur Deckung der Vorhaltekosten könne nach Art. 8 Abs. 2 Satz 3 KAG eine Grundgebühr erhoben werden.
5
Die Antragsteller beantragen,
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die Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Benutzung der Kindertagesstätte vom 13. September 2021 sowie die Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der Kindertagesstätte vom 12. Juli 2021 für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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Die KITA-Gebührensatzung sei durch § 7 Abs. 2 KITA-Beitragssatzung mit Wirkung zum 1. November 2021 aufgehoben worden; ein Interesse an der nachträglichen Feststellung ihrer Unwirksamkeit sei nicht ersichtlich. Die KITA-Beitragssatzung habe ihre Rechtsgrundlage in Art. 8 KAG, da es sich inhaltlich um Gebühren und nicht um Beiträge handle. Die Ersetzung der Gebührensatzung durch die Beitragssatzung sei, wie aus der Beschlussvorlage hervorgehe, nur aus „redaktionellen“ Gründen erfolgt. Die Änderung sei vor dem Hintergrund der Terminologie in § 90 SGB VIII erfolgt, wo ebenso wie in Art. 19 Nr. 5 BayKiBiG von „Kostenbeiträgen“ die Rede sei. Im Übrigen komme hier wegen der Angabe des Art. 8 KAG als Rechtsgrundlage der falsa demonstratio-Grundsatz zur Anwendung. Dass in dem „Elternbeitrag“ sämtliche Kosten unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme enthalten seien, verstoße nicht gegen Art. 8 KAG. Bei Abgabesatzungen habe der Satzungsgeber einen weiten Ermessensspielraum, bei dem der Angemessenheit, Billigkeit, Zweckmäßigkeit und Praktikabilität Rechnung getragen werden könne. Auch in anderen bayerischen Gemeinden erfolge keine Gebührenreduzierung bei Nichteinnahme des Mittagessens. In der Kindertageseinrichtung der Antragsgegnerin sei das gemeinsame Mittagessen Teil der pädagogischen Gesamtkonzeption. Im Sinne von Art. 8 Abs. 4 Halbs. 1 KAG sei bei allen Kindern das Ausmaß der Benutzung im Wesentlichen gleich; es werde von der tatsächlichen Einnahme des Mittagessens nicht in rechtlich relevanter Weise berührt. Das Kind nehme die Einrichtung als solche mit einer konkreten täglichen Betreuungsdauer in Anspruch; welche Einzelleistungen dabei als Nebenleistungen erbracht würden, sei keine Frage des Ausmaßes der Benutzung, sondern nur des darin inbegriffenen Leistungsspektrums. Die Antragsteller seien nicht verpflichtet, ihr Kind in der Kindertagesstätte anzumelden, wenn ihnen das dort zugesagte Leistungsspektrum nicht zusage. In den Gebühren sei unabhängig von der gebuchten Betreuungszeit monatlich ein Betrag von 60 Euro enthalten, der sich aus einer Mittagessenspauschale von 45 Euro und einer Pflegemittel- und Erlebnispauschale von 15 Euro zusammensetze. Selbst wenn die Satzung der Vorgabe des Art. 8 Abs. 4 Halbs. 1 KAG nicht standhalten sollte, entspreche sie jedenfalls dem zweiten Halbsatz der Vorschrift, wonach bei der Gebührenbemessung auch sonstige Merkmale berücksichtigt werden dürften, wenn öffentliche Belange das rechtfertigten. Die Gebührenpauschalierung diene dem öffentlichen Belang der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität, weil durch den damit wegfallenden Dokumentationsaufwand ein entsprechender Personal- und Sachaufwand entfalle. Die frühere monatliche Abrechnung des Mittagessens habe sich über mehrere Stunden hingezogen; dieses aufwändige Prozedere entfalle nunmehr. Die KITA-Beitragssatzung halte sich auch an die Vorgaben des § 90 SGB VIII.
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Die Antragsteller tragen demgegenüber vor, selbst wenn in Art. 8 KAG eine Rechtsgrundlage gesehen werde, ergäben sich Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung. Die zwingende Verpflichtung zur Entrichtung von Gebühren für ein nicht eingenommenes Mittagessen führe zu einer finanziellen Doppelbelastung von Familien, die kaum als pädagogisch förderlich angesehen werden könne. In der Satzung sei weitgehend unbestimmt, welches Ausmaß der Nutzung sich aus welcher Gebühr ergeben solle. Wenn ein Kind einen großen Anteil des angebotenen Leistungsspektrums nicht in Anspruch nehme, stelle dies das Ausmaß der Nutzung im Sinne von Art. 8 Abs. 4 Halbs. 1 KAG dar. Das Argument der freiwilligen Inanspruchnahme der Einrichtung sei im Hinblick auf den Rechtsanspruch aus § 24 SGB VIII unbeachtlich; es handle sich um die einzige Kindertagesstätte im Gebiet der Antragsgegnerin. Der Vortrag, wonach der Dokumentationsaufwand eine pauschale Gebührenerhebung für das Mittagessen rechtfertige, sei schon deshalb nicht überzeugend, weil bei einer monatlichen An- oder Abmeldung kein solcher Aufwand entstünde.
11
Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, bei dem Mittagessen handle es sich um eine untergeordnete Nebenleistung zu der in der Betreuung liegenden Hauptleistung. Vor der Satzungsänderung hätten nur zwischen 22,8% (Juli 2021) und 9,6% (Oktober 2021) der Kinder nicht am Mittagessen teilgenommen. Bei monatlicher An- oder Abmeldung vom Mittagessen sei die Zahl der Mittagessen deutlich schwerer kalkulierbar.
12
Auf Fragen des Gerichts teilte die Antragsgegnerin mit, nur bei den Kindergartenkindern mit Abholzeiten von 12:00 Uhr bis 12:15 Uhr sei die Teilnahme am Mittagessen faktisch ausgeschlossen; dies betreffe derzeit 5 von insgesamt 264 betreuten Kindern. Bei allen anderen Abholzeiten sei das Mittagessen in dem Angebot enthalten. Bei einer für 2021 kalkulierten Zahl von 45.000 ausgegebenen Mittagessen betrügen die anteiligen Fixkosten für das einzelne Essen 2,51 Euro und die Lebensmittelkosten 0,79 Euro; danach umfasse der angesetzte Elternanteil in einem durchschnittlichen Monat 33,17 Euro an Fixkosten und 11,83 Euro an Lebensmittelkosten. Von den Gesamtkosten der Einrichtung seien zuletzt ca. 10,53% durch Elternbeiträge gedeckt gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die auf § 47 VwGO gestützten Normenkontrollanträge haben keinen Erfolg.
15
1. Der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der am 12. Juli 2021 vom Gemeinderat der Antragsgegnerin beschlossenen Gebührensatzung (KITA-Gebührensatzung), die nach ihrem § 7 Abs. 1 am 1. November 2021 in Kraft treten sollte, ist unzulässig, da diese Satzung keinen tauglichen Antragsgegenstand bildet. Sie hat aufgrund der am 13. September 2021 beschlossenen Beitragssatzung (KITA-Beitragssatzung), in der bei im Wesentlichen gleichem Inhalt nur das bisher verwendete Wort „Gebühr“ durch das Wort „Beitrag“ ersetzt wurde, zu keinem Zeitpunkt rechtliche Geltung erlangt. Dies folgt aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssatz, dass eine spätere ranggleiche Norm die frühere verdrängt, wenn derselbe Sachverhalt normiert wird (sog. lex posterior-Regel; vgl. BVerwG, U.v. 10.8.1990 – 4 C 3.90 – BVerwGE 85, 289/292; B.v. 24.10.1990 – 4 NB 29.90 – NVwZ 1991, 1074/1075).
16
Die später beschlossene KITA-Beitragssatzung trat allerdings ebenfalls zum 1. November 2021 in Kraft, so dass bei isolierter Betrachtungsweise beide Satzungen ab dem gleichen Zeitpunkt Geltung beanspruchten. Das steht jedoch einer Anwendbarkeit der lex posterior-Regel nicht entgegen. Zwar dürfte es bei der Frage, welche Norm im Sinne dieser Kollisionsregel als die spätere anzusehen ist, grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens ankommen, weil es aus Sicht des Normadressaten erst dann geklärt werden muss, welcher Regelungsinhalt in Zukunft maßgebend sein soll (vgl. Konzelmann, Methode landesrechtlicher Rechtsbereinigung, 1997, S. 213). Hat ein Normgeber aber für zwei inhaltlich konkurrierende Regelungen denselben Geltungsbeginn festgelegt und ist wie hier sogar in beiden Fällen vorgesehen, dass mit dem Inkrafttreten alle vorherigen (einschlägigen) Vorschriften außer Kraft treten (§ 7 Abs. 2 KITA-Gebührensatzung; § 7 Abs. 2 KITA-Beitragssatzung), so lässt sich der darin liegende Normenkonflikt nur auflösen, wenn (ergänzend) auf den Zeitpunkt des jeweiligen Normbeschlusses abgestellt wird. Nur dieses Verständnis entspricht in einer solchen Pattsituation dem aus dem Demokratieprinzip abzuleitenden Gebot, dass es einem späteren Normgeber erlaubt sein muss, die Rechtsetzungsakte eines früheren Normgebers zu revidieren (vgl. BVerfG, B.v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12 – BVerfGE 141, 1 Rn. 53).
17
Der Gemeinderat der Antragsgegnerin hat die KITA-Beitragssatzung am 13. September 2021 und damit später als die KITA-Gebührensatzung vom 12. Juli 2021 beschlossen, so dass letztere nach der lex posterior-Regel am 1. November 2021 (als dem für beide Satzungen vorgesehenen Tag des Inkrafttretens) keine auch nur vorübergehende Geltung erlangen konnte. Der gegen diese Satzung gerichtete Normenkontrollantrag ging somit von Anfang an ins Leere. Mangels wirksamen Inkrafttretens kommt insoweit auch keine nachträgliche Überprüfung im Normenkontrollverfahren in Betracht, wie dies für außer Kraft getretene Vorschriften unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt ist (vgl. dazu Panzer in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 47 VwGO Rn. 16 m.w.N.).
18
2. Der am 1. Februar 2022 eingegangene Antrag auf Unwirksamerklärung der KITA-Beitragssatzung vom 13. September 2021 wurde fristgerecht gestellt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) und ist auch im Übrigen zulässig. Es handelt sich im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V. m. Art. 5 Satz 1 AGVwGO um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, die den Rechtskreis der Antragsteller berührt; diese können auf dieser Grundlage als Personensorgeberechtigte von in der Kindertageseinrichtung betreuten Kindern zur Beitragszahlung herangezogen werden. Der Normenkontrollantrag ist jedoch unbegründet, da die Satzung rechtlich nicht zu beanstanden ist.
19
a) Die Beitragssatzung beruht auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigung. Für die Inanspruchnahme von Angeboten der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) können nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII „Kostenbeiträge“ festgesetzt werden. Bereits diese bundesrechtliche Vorschrift stellt nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. April 1997 (Az. 5 C 6.96, DVBl 1997, 1438) eine (mögliche) unmittelbare Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Teilnahmebeiträgen für die Inanspruchnahme solcher Einrichtungen dar, so dass es dafür nicht zwingend einer (zusätzlichen) landesrechtlichen Regelung bedarf. Schon der ursprünglich in § 90 Abs. 1 Satz 2 SGB a.F. enthaltene spezielle Landesrechtsvorbehalt bezüglich einer Staffelung der Kostenbeiträge eröffnete allerdings den Ländern die Möglichkeit, auf die nähere Gestaltung der Beiträge Einfluss zu nehmen (BVerwG, a.a.O.). Diese ergänzende Regelungsbefugnis besteht auch nach der heute geltenden Vorschrift des § 90 Abs. 3 SGB VIII; die nähere Ausgestaltung der Elternbeiträge bleibt damit auch aus Sicht des Bundesgesetzgebers weiterhin Sache der Länder (s. BR-Drs. 469/18 S. 29).
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Da das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) neben der als Fördervoraussetzung zwingend verlangten Beitragsstaffelung anhand der Buchungszeiten (Art. 19 Nr. 5 Buchst. a BayKiBiG) keine kostenbezogenen Regelungen enthält, können die Gemeinden, wenn sie als kommunale Träger (Art. 3 Abs. 2 BayKiBiG) Kindertagesstätten in der Form einer öffentlichen Einrichtung (Art. 21 GO) betreiben, dafür auf der Grundlage des Kommunalabgabengesetzes Abgabensatzungen erlassen, die sich unter Beachtung der bundesrechtlichen Vorgaben am gesetzlichen Leitbild von Benutzungsgebühren (Art. 8 KAG) orientieren. Die in § 90 SGB VIII laut der amtlichen Überschrift zulässige „pauschalierte Kostenbeteiligung“ für die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen zielt zwar im Unterschied zu sonstigen einrichtungsbezogenen Gebühren nicht auf eine volle Gegenleistung für die in Anspruch genommene (Jugendhilfe-)Leistung (BVerwG, a.a.O.), so dass weder das Kostendeckungsgebot des Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KAG noch die Ausgleichspflicht nach Art. 8 Abs. 6 KAG gilt; der Kostenbeitrag nach § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII stellt danach eine öffentlich-rechtliche Abgabe eigener Art dar (ebenso HessVGH, B.v. 4.3.2014 – 5 C 2331/12.N – juris Rn. 24; NdsOVG, U.v. 30.5.2018 – 9 KN 125/17 – juris Rn. 56; OVG NW, U.v. 5.9.2018 – 12 A 181/17 – juris Rn. 65; OVG SH, U.v. 16.1.2020 -3 KN 3/17 – juris Rn. 75; OVG LSA, U.v. 21.1.2020 – 4 K 207/18 – juris Rn. 23; OVG Bremen, U.v. 16.6.2021 – 2 D 243/17 – juris Rn. 32). Da es sich aber jedenfalls um ein Entgelt für die – in der freiwilligen Anmeldung liegende – tatsächliche Inanspruchnahme einer kommunalen Einrichtung handelt, kann der gemeindliche Einrichtungsträger, wie im vorliegenden Fall geschehen, zumindest in analoger Anwendung auf die kommunalabgabenrechtliche Satzungsermächtigung in Art. 2 Abs. 1, Art. 8 KAG zurückgreifen, um die notwendigen Details der Kostenbeitragspflicht zu regeln.
21
Selbst wenn man die ergänzende Anwendung der kommunalabgabenrechtlichen Vorschriften auf Kostenbeiträge nach § 90 SGB VIII für unzulässig hielte, hätte dies im Übrigen nicht die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen KITA-Beitragssatzung wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage zur Folge. Die Satzung könnte dann, wie dargelegt, jedenfalls unmittelbar auf die bundesrechtliche Ermächtigungsnorm des § 90 Abs. 1 Nr. 3 SGB gestützt werden. Dass diese Bestimmung im Eingangstext der Beitragssatzung nicht explizit genannt wird, könnte deren Rechtswirksamkeit nicht in Frage stellen, da kommunale Satzungen keinem gesetzlichen Zitiergebot unterliegen (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.1974 – VII C 22.73 – BVerwGE 45, 277/278; OVG Lüneburg, U.v. 14.11.1997 – 13 K 3132/96 – juris Rn. 2).
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b) Auch ihrem Inhalt nach steht die KITA-Beitragssatzung nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht.
23
aa) Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 der Satzung, wonach in dem Elternbeitrag sämtliche Kosten (Gebühren und Beiträge) enthalten sind (Satz 1), unabhängig davon, ob die Angebote von den Kindern in Anspruch genommen worden sind (Satz 2), verstößt nicht gegen allgemeine abgabenrechtliche Grundsätze.
24
(1) Die genannte Formulierung lässt entgegen dem Vortrag der Antragsteller nicht den Schluss zu, dass es sich bei dem geforderten (Eltern-)„Beitrag“ der Sache nach um einen Beitrag im engeren kommunalabgabenrechtlichen Sinne handeln würde, der gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG allein zur Deckung des Investitionsaufwands einer öffentlichen Einrichtung von solchen Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden kann, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung besondere Vorteile bietet. Die in § 5 Abs. 2 KITA-Beitragssatzung enthaltene Aussage, dass der für die Benutzung der Kindertagesstätte erhobene Elternbeitrag alle dem Einrichtungsträger entstehenden Kosten unabhängig von der tatsächlichen Nutzung im Einzelfall abdeckt, ist vielmehr als eine bloße Klarstellung hinsichtlich des der Kostenbeteiligung zugrundeliegenden Maßstabs zu verstehen. Sie soll mit Blick auf die in den nachfolgenden Absätzen vorgesehene Staffelung der Beiträge nach der Länge der Buchungszeiten deutlich machen, dass innerhalb dieser Stufen keine weiteren Differenzierungen der Beitragshöhe anhand der – vom Willen des Kindes bzw. seiner Erziehungsberechtigten abhängigen – tatsächlichen Nutzung der Einrichtung stattfinden. Der Satzungsgeber hat sich also in Erfüllung seiner bundesgesetzlichen Verpflichtung zur Staffelung der Kostenbeiträge zulässigerweise für die tägliche Betreuungszeit des Kindes (§ 90 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII) als alleiniges Kriterium zur Bemessung der Beiträge entschieden.
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(2) Dass nach § 5 Abs. 2 Satz 2 KITA-Beitragssatzung die Höhe der Elternbeiträge nicht davon abhängt, ob die Angebote der Einrichtung von den Kindern in Anspruch genommen werden, verstößt auch nicht gegen das in Art. 8 Abs. 4 KAG enthaltene Gebot, Gebühren grundsätzlich nach dem Ausmaß zu bemessen, in dem die Gebührenschuldner die öffentliche Einrichtung benutzen.
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Es ist bereits fraglich, ob und inwieweit diese auf „echte“ Benutzungsgebühren zugeschnittene Bestimmung für die gebührenähnlichen öffentlich-rechtlichen Abgaben eigener Art im Sinne des § 90 SGB VIII überhaupt gilt. Die landesrechtliche Vorgabe einer Beitragsbemessung anhand des – nicht unbedingt nur zeitlichen – Ausmaßes der Benutzung steht ersichtlich im Widerspruch zu der den Einrichtungsträgern in § 90 Abs. 3 Satz 2 und Satz 4 SGB VIII bundesrechtlich zugestandenen freien Wahl der Staffelungskriterien, die beispielsweise auch einkommens- oder kinderzahlabhängige Abstufungen zulässt.
27
Die Frage, ob Art. 8 Abs. 4 KAG gleichwohl auf die Elternbeiträge zumindest entsprechend anwendbar ist, kann hier aber offenbleiben, da § 5 Abs. 2 Satz 2 KITA-Beitragssatzung jedenfalls nicht gegen diese Norm verstößt. Dem gebührenrechtlichen Differenzierungsgebot des Art. 8 Abs. 4 KAG rechtssystematisch vorgelagert ist die auf der gemeindlichen Organisationshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) beruhende Ermessensentscheidung des Einrichtungsträgers dazu, welchen Leistungsumfang er den Benutzern in welcher Form anbieten will (vgl. OVG RhPf, U.v. 21.9.2009 – 7 A 10431/09 – NVwZ-RR 2010, 160 Rn. 22 f.). Diese den Widmungszweck konkretisierende autonome Festlegung, die die zulässigen Modalitäten der Benutzung und die daran anknüpfende Gebührenerhebung bestimmt, können die Benutzer nicht individuell abändern, indem sie bloß einen Teil der von der Gemeinde als Gesamtpaket angebotenen Leistungen in Anspruch nehmen und lediglich dafür eine (Teil-)Gebühr zahlen. Wenn wie im vorliegenden Fall nach dem Willen des Einrichtungsträgers während der festgelegten Buchungszeiten die Benutzung der Einrichtung nur in ihrer Gesamtheit erfolgen kann, so liegt gerade darin das der Gebührenbemessung nach Art. 8 Abs. 4 KAG zugrunde zu legende „Ausmaß, in dem die Gebührenschuldner die öffentliche Einrichtung… benutzen“.
28
Diese Feststellung gilt insbesondere auch für das mit dem Betrieb der Kindertageseinrichtung verbundene Angebot, dort ein gemeinsames Mittagessen einzunehmen. Der Einrichtungsträger ist zwar rechtlich nicht gehindert, solche täglichen Mahlzeiten als ein zusätzliches, individuell zu buchendes und gesondert abzurechnendes Angebot vorzusehen (vgl. VG Cottbus, U.v. 23.8.2021 – 8 K 754/16 – juris Rn. 30 m.w.N.), wie es in der Vergangenheit auch bei der Antragsgegnerin der Fall war. Im Rahmen seines widmungsbezogenen Gestaltungsspielraums steht es dem kommunalen Träger aber ebenso frei, die Versorgung der Kinder mit Essen und Getränken während der Betreuungszeiten als einen zum Gesamtangebot gehörenden unselbständigen Teil zu behandeln, dessen Kosten in die nach Buchungszeiten gestaffelten Elternbeiträge in pauschalisierter Form eingehen (vgl. BayVGH, U.v. 1.4.2004 – 12 B 00.1259 – juris Rn. 28). Von dieser letztgenannten Option hat die Antragsgegnerin mit der zum 1. November 2021 in Kraft getretenen Neufassung ihrer Benutzungssatzung Gebrauch gemacht, wonach nunmehr die (gesamte) Verpflegung im Rahmen der Leistungen der Kindertagesstätte erbracht wird (§ 10 KITA-Satzung).
29
bb) Es liegt auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) darin, dass die angegriffene KITA-Beitragssatzung keine Sonderregelung – etwa in Form einer Beitragsermäßigung – für diejenigen Kinder enthält, die das Angebot eines Mittagessens tatsächlich nicht in Anspruch nehmen wollen oder können. Der Antragsgegnerin entsteht zwar in diesen Fällen nachweislich ein etwas geringerer finanzieller Aufwand für ihre Betreuungsleistung als bei den Kindern, die in der Einrichtung ihre Mittagsmahlzeit einnehmen. Die insoweit bestehenden Unterschiede sind aber nicht so gewichtig, dass die pauschalierende Gleichbehandlung auf der Ebene der Beitragserhebung verfassungsrechtlich unzulässig wäre.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts verletzt eine Ungleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte bzw. eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte speziell im Abgabenrecht den Gleichheitssatz nur dann, wenn sie nicht auf sachgerechten Erwägungen beruht (vgl. BVerfG, B.v. 26.3.1980 – 1 BvR 121, 122/76 – BVerfGE 54, 11/25 f.; BVerwG, B.v. 13.4.1994 – 8 NB 4/93 – BayVBl 1994, 504; U.v. 1.12.2005 – 10 C 4.06 – NVwZ 2006, 272 Rn. 51 m.w.N.). Solche Erwägungen liegen aber der Entscheidung des Satzungsgebers, die Kosten der mittäglichen Verpflegung nicht gesondert abzurechnen, erkennbar zugrunde.
31
Die Antragsgegnerin hat nachvollziehbar dargelegt, dass die gemeinsame Einnahme des in der Einrichtung zubereiteten Mittagessens einen wichtigen Bestandteil ihrer pädagogischen Gesamtkonzeption bildet. Bereits diese vom gemeindlichen Widmungsermessen umfasste Zielsetzung rechtfertigt es, im Rahmen der Beitragsgestaltung einen indirekten Anreiz für die Inanspruchnahme dieses Angebots zu setzen, indem der Verzicht auf die Inanspruchnahme der Verpflegungsleistung nicht durch einen Beitragsabschlag honoriert wird. Darüber hinaus sprechen auch Gründe der Verwaltungspraktikabilität gegen eine Differenzierung der Beitragshöhe nach dem Ausmaß der tatsächlichen Nutzung des Essensangebots. Zwar weisen die Antragsteller zu Recht darauf hin, dass der Verwaltungsaufwand z.B. bei einer nur monatsweise zulässigen An- bzw. Abmeldung vom Mittagessen deutlich geringer wäre als bei der früher praktizierten taggenauen Einzelabrechnung. Auch dann entstünden aber für die jeweils notwendige Anpassung der Beitragsbescheide noch zusätzliche Personal- und Sachkosten. Zudem wäre dem Einrichtungsträger eine längerfristige Planung der Mittagessenszubereitung und eine Kalkulation der damit verbundenen Kosten erschwert, wenn sich durch eine schwankende Zahl von An- und Abmeldungen die Bestellmengen der benötigten Lebensmittel und die Beitragseinnahmen fortlaufend ändern könnten.
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Ein Gleichheitsverstoß kann auch nicht in dem – die Kinder der Antragsteller nicht betreffenden – Sonderfall angenommen werden, dass wegen einer schon vor Beginn der Mittagessensausgabe endenden Buchungszeit faktisch keine Möglichkeit zur Inanspruchnahme dieses Angebots besteht. Diese Ausnahmekonstellation kann nach den Nutzungsbedingungen, die sich aus der zum Vertragsinhalt gehörenden „Konzeption“ des Kinderbildungszentrums der Antragsgegnerin ergeben, nur bei Kindergartenkindern auftreten, für die eine Abholzeit von 12.00 Uhr bis 12.15 Uhr vereinbart wurde; dies ist derzeit lediglich bei 5 von insgesamt 264 betreuten Kindern der Fall. Dass auch in diesen speziellen Fällen keine Reduzierung des Elternbeitrags um die dem Einrichtungsträger ersparten Kosten des Mittagessens erfolgt, lässt sich unter den gegebenen Umständen ebenfalls aus den vorgenannten Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen.
33
Bei der insoweit anzustellenden Zumutbarkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass laut Auskunft der Antragsgegnerin die kalkulierten Kosten für die Bereitstellung eines Mittagessens in der Kindertageseinrichtung zu einem weit überwiegenden Teil Fixkosten sind (2,51 Euro), die daher in jedem Fall auf sämtliche Benutzer umzulegen sind (vgl. OVG BerlBbg, U.v. 22.5.2019 – OVG 6 A 6.17 – juris Rn. 34). Bei einem individuellen Verzicht auf die Mittagsmahlzeit ergibt sich danach für den Einrichtungsträger nur eine effektive Kostenersparnis für die Anschaffung von Lebensmitteln in Höhe von 0,79 Euro pro Ausgabetag bzw. 11,83 Euro im Monatsdurchschnitt. Dieser geringe Betrag, der selbst in der kürzest möglichen Buchungszeitkategorie weniger als 7% des Elternbeitrags ausmacht, muss den Beitragspflichtigen schon deshalb nicht gutgeschrieben werden, weil der durch Elternbeiträge erzielte Deckungsgrad nach den zuletzt vorliegenden Zahlen (2020) lediglich 10,53% beträgt und die Gesamtkosten der Einrichtung im Übrigen jeweils etwa zur Hälfte vom Freistaat Bayern und von der Antragsgegnerin getragen werden. Das festgelegte Entgelt vermag demnach die tatsächlichen Kosten der Einrichtungsbenutzung nicht einmal annähernd zu decken. Unter diesen Umständen steht das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Abgabengerechtigkeit auch einer weitgehenden Pauschalierung der Beiträge nicht entgegen (vgl. BVerfG, B.v. 10.3.1998 – 1 BvR 178/97 – BVerfGE 97, 332/346; BVerwG, U.v. 15.9.1998 – 8 C 25/97 – NVwZ 1999, 993/996).
34
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Das Normenkontrollverfahren ist nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO gerichtskostenfrei (vgl. BVerwG, U.v. 28.3.2019 -- 5 CN 1.18 – juris Rn. 22 m.w.N.).
35
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
36
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.