Titel:
Kein Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung wegen konkret bevorstehender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung
Normenketten:
AufenthG § 10 Abs. 3 S. 1, S. 3, § 25 Abs. 5, § 60c Abs. 2 Nr. 5 lit. d
GG Art. 6 Abs. 1
EMRK Art. 8
Leitsätze:
1. Sowohl ein Termin zur Vorstellung bei der Botschaft des Herkunftsstaates zur Vorbereitung der Rückführung als auch die von Amts wegen eingeleitete Beschaffung von Einreisepapieren (PEP-Verfahren) gilt als vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahme iSv § 60c Abs. 2 Nr. 5 lit. d AufenthG. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der hinreichende sachliche und zeitliche Zusammenhang der Durchführung eines PEP-Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ergibt sich grundsätzlich schon daraus, dass ein Ausländer bei Einleitung eines PEP-Verfahrens ersichtlich nicht über einen gültigen Reisepass für sein Heimatland verfügte. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausbildungsduldung, Ausschlussgrund (vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen), Ausschlussgrund, vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen, Aufenthaltsbeendigung, Beschäftigungserlaubnis, Passersatzbeschaffung, Nachholung des Visumverfahrens, Vaterschaft, Ermessensentscheidung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 03.08.2022 – RN 9 E 22.1852
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2755
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Beschwerde des vollziehbar ausreisepflichtigen Antragstellers, eines am ... 1999 geborenen, am 5. Dezember 2017 in das Bundesgebiet eingereisten und im Asylverfahren erfolglosen (ablehnender Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Januar 2018; klageabweisendes Urteil vom 6. November 2019, rechtskräftig seit 28. November 2019) sierra-leonischen Staatsangehörigen, der am 29. Juli 2020 eine Vaterschaftserklärung und gemeinsame Sorgerechtserklärung für ein am ... 2020 geborenes Kind abgegeben hatte, hat keinen Erfolg.
2
Die Prüfung der für die Begründetheit der Beschwerde streitenden Gründe ist im Grundsatz auf das in der Beschwerdebegründung Dargelegte beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Danach ergibt sich nicht, dass der Antragsgegner entgegen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten wäre, dem Antragsteller für eine ab 1. September 2022 beabsichtigte Ausbildung zum Pflegefachhelfer eine Ausbildungsduldung bzw. Beschäftigungserlaubnis zu erteilen.
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Das Verwaltungsgericht begründete die Antragsablehnung – nachdem es offengelassen hatte, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurde – damit, dass ein Anordnungsanspruch nicht gegeben sei, da in dem von Gesetzes wegen maßgeblichen Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Erteilung einer Ausbildungsduldung bei der Ausländerbehörde am 27. Mai 2022 der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. d AufenthG vorgelegen habe. Dies ergebe sich zum einen aus dem vor Antragstellung vereinbarten – und am 29. Oktober 2021 durchgeführten – Termin zur Vorstellung bei der Botschaft des Herkunftsstaates zur Vorbereitung der Rückführung und zum anderen gelte die bereits am 24. Februar 2020 von Amts wegen eingeleitete Beschaffung von Heimreisepapieren (PEP-Verfahren) ebenfalls als vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahme im Sinne dieser Bestimmung. Vorliegend sei das PEP-Verfahren veranlasst worden, nachdem der Antragsteller bis zum Einleitungszeitpunkt trotz mehrfacher Aufforderungen kein gültiges Reisedokument vorgelegt gehabt habe. Der Antragsteller gehe fehl, wenn er bei dieser Situation ein Handlungsverbot des Antragsgegners dahingehend vermute, durch eigene, von Amts wegen eingeleitete Maßnahmen zur Beschaffung von Passersatzpapieren konsequent auf die Beseitigung von Vollstreckungshindernissen hinzuwirken. Demgemäß sei für einen „rechtsmissbräuchlich, nur der Verhinderung wegen“ gestellten PEP-Antrag nicht im Ansatz etwas ersichtlich. Diese Vorbereitungsmaßnahmen hätten zur Zeit der Antragstellung auch in einem hinreichend sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung gestanden. Die nach positivem Abschluss des am 29. Oktober 2021 von Amts wegen durchgeführten Identifikationsverfahrens mögliche Ausstellung von Heimreisepapieren lasse die konkrete Durchführung der Aufenthaltsbeendigung zu. Es sei insoweit ausreichend, dass die Abschiebung in absehbarer Zeit grundsätzlich möglich sei; auf einen konkret bestimmbaren Zeitpunkt der Abschiebung komme es nicht entscheidend an. Die Abschiebung sei nicht im Sinne des Gesetzeszwecks unabsehbar, zumal der seit 29. Oktober 2021 verstrichene Zeitraum keine für die Organisation einer Abschiebung ungewöhnlich lange Dauer darstelle. Entsprechendes gelte für die Einleitung des PEP-Verfahrens am 24. Februar 2020, zu dem der Antragsgegner in der Erwiderung nachvollziehbar auf die seitens der Ausländerbehörde bzw. des Landesamtes für Asyl und Rückführungen nicht beeinflussbare Kooperation der zuständigen Auslandsvertretung hingewiesen habe. Der hinreichende sachliche und zeitliche Zusammenhang der Beantragung eines Passersatzpapiers bzw. der Botschaftsvorführung zur Aufenthaltsbeendigung entfalle nicht wegen der am 17. Mai 2022 erfolgten Vorlage eines gültigen Reisepasses im Original bei der Ausländerbehörde. Diese habe nicht etwa zu einem Abstandnehmen von einer Abschiebung geführt, sondern allein dazu, dass für die Durchführung der Abschiebung nunmehr wegen des vorgelegten Nationalpasses kein Passersatzpapier mehr benötigt werde. Die Vaterschaft für das am 15. September 2020 geborene Kind unterbreche den hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung ebenfalls nicht. Ein der Abschiebbarkeit des Antragstellers entgegenstehender Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Inland ohne vorherige Ausreise sei nach Lage der Akten ebenso wenig ersichtlich wie die Fortschreibung der ihm erteilten Duldung allein aus familienbezogenen Gründen. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bzw. nach § 36 AufenthG stehe die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegen. Die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 AufenthG komme dem Antragsteller nicht zugute, da dessen Voraussetzungen – strikter Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels – nicht gegeben seien. So sei der Antragsteller ohne das erforderliche Visum eingereist und erfülle demzufolge nicht die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Zwar könne hiervon gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden. Da diese Entscheidung aber im Ermessenswege zu treffen sei, liege kein gebundener Anspruch im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG vor. Auch Asylbewerber unterlägen nach Abschluss ihres Asylverfahrens bei Beantragung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck der Visumpflicht. Komme eine Befreiung vom Erfordernis der Einreise mit dem entsprechenden Visum nur im Ermessenswege in Betracht, greife auch in diesen Fällen die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, es sei denn, der Betreffende könne gemäß § 39 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) seinen Aufenthaltstitel vom Inland aus beantragen. § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV veranlasse indes keine für den Antragsteller günstigere Betrachtung. Hiernach sei u.a. erforderlich, dass die Abschiebung wegen eines anderen Hindernisses als (hier) der Geburt des Kindes und der Übernahme der Personensorge ausgesetzt sei. Ein „weiterer“ kindesunabhängiger Duldungsgrund sei indes nicht ersichtlich – entscheidungserheblich sei auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Dies gelte auch für die vorliegend geltend gemachte Ausbildungsduldung. Eine „Doppelberücksichtigung“ der Vaterschaft sowohl bei § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV als auch als Unterbrechungsgrund im Sinne von § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. d AufenthG scheide aus, da der weitere Duldungsgrund „Ausbildungsduldung“ im Ergebnis ebenfalls allein aus kindsbezogenen Gründen entstehen würde. Was die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 36 AufenthG angehe, sei Abs. 1 bereits deshalb offenkundig nicht einschlägig, weil sich die Kindsmutter als anderer personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhalte. Abs. 2 sei ein Ermessenstatbestand und demgemäß nicht zur Durchbrechung der Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG geeignet. Eine Titelerteilung nach § 25 Abs. 5 AufenthG bzw. die Erteilung einer familienbezogenen Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG komme nach Aktenlage in Betracht, allerdings gehe das Gericht nicht vom Vorliegen einer familiären Lebensgemeinschaft dergestalt aus, dass sich diese als besonderes persönliches und vor allem lebens- und alltagspraktisch beistandsgeprägtes Näheverhältnis zwischen Antragsteller und Kind darstelle und ihr damit allein durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG bzw. einer familienbezogenen Duldung Schutz zuteil werden könne. Bei einer Gesamtschau von einer das Kindeswohl signifikant beeinträchtigenden oder gar gefährdenden Endgültigkeit einer Verlusterfahrung mit relevanten Auswirkungen für die bestehende Vater-Kind-Beziehung (gerade) durch freiwillige Ausreise bzw. Abschiebung des Antragstellers könne nicht die Rede sein. Es sei vielmehr am Antragsteller, sich um eine zeitnahe und schnelle Durchführung des Visumsverfahrens zu kümmern sowie koordinierende und zur einvernehmlichen freiwilligen Ausreise führende Abstimmungsgespräche mit der Ausländerbehörde aufzunehmen. Schließlich seien besondere Anhaltspunkte für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zur vorhandenen Duldung nicht ersichtlich.
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Die in der Beschwerdebegründung angeführten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdegericht grundsätzlich zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), rechtfertigen nicht eine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
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Zur Begründung seiner Beschwerde führt der Antragsteller aus, dass entgegen der Auffassung des Beschlusses im vorliegenden Verfahren unter Berücksichtigung des hier geltenden verfassungsrechtlichen Gebotes, auf das Wohl des Kindes Rücksicht zu nehmen, im Wege der einstweiligen Anordnung zu entscheiden sei. Dadurch, dass der Antragsteller den Ausbildungsplatz, der auch im öffentlichen Interesse sei, verliere, entgehe ihm das zu seiner Existenz zu sichernde Einkommen. Auch wenn man von der Argumentation des Verwaltungsgerichts ausgehen könnte, dass „Maßnahmen“ zur Vorbereitung der Abschiebungsvorgänge auch dann gälten, wenn sie „ins Blaue hinein“ und gegen die hier vom Antragsteller mitgeteilten eigenen Initiativen eingereicht worden seien, zur Verhinderung der Ausbildungsduldung führen würden, so sei im vorliegenden Verfahren aber, bezogen auf den Zeitpunkt des Eintritts der Ausbildungsmaßnahme davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Ausbildungsduldung vorlägen. § 60c AufenthG sähe vor, „dass im Falle von Abs. 1 S. 1 Nr. 2 zum Zeitpunkt der Antragstellung konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen, bevorstehen.“. Soweit aus den bisherigen Akten ersichtlich, sei im Zeitpunkt der Antragstellung auf Erteilung einer Ausbildungsduldung (Tag des Beginns der Ausbildung) keine Maßnahme ersichtlich, die gemäß § 60c Abs. 2 Nr. 5 der Duldung entgegenstehen würde. Die Identität des Antragstellers sei stets geklärt gewesen. Er habe die richtigen Daten angegeben und habe, sobald dieses im Asylverfahren möglich gewesen sei, seine Geburtsurkunde und anschließend seinen Pass vorgelegt. Auch seine Staatsangehörigkeit habe er nicht verschwiegen, sodass bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt keine Maßnahme vorgelegen habe. Im Übrigen seien diese Maßnahmen, auf die sich das Gericht bezogen habe, von vornherein nicht von Erfolg gekrönt gewesen, denn durch die Beantragung der Erteilung des Passes durch den Antragsteller sei diesen Maßnahmen eigentlich der Boden entzogen worden. Zumindest sei davon auszugehen, dass eine behördlicherseits eingeleitete „Maßnahme“ die parallel zu dem vom Betroffenen selbst gestellten Antrag eingeleitet werde, nicht von Erfolg gekrönt sein könne. Der Zweck dieser Maßnahme sei es nämlich, die Personen, die sich nicht selbst bei der zuständigen Auslandsvertretung melden und zur Identität beitragen würden, dorthin vorzuführen bzw. sie zu verpflichten, die entsprechenden Unterlagen zur Klärung der Staatsangehörigkeit und ihrer Identität vorzulegen. Wenn der Betroffene aber unter Berücksichtigung der Regeln des Herkunftsstaates alles Notwendige getan habe, um die notwendigen Dokumente zu erhalten, sei die „Vorführung“ zur Klärung seiner Identität in keinster Weise gerechtfertigt. Sie diene dann ausschließlich dem Zweck, „Maßnahmen“ zu ergreifen, die dann im Verfahren nach § 60c AufenthG entgegengehalten werden könnten. Entgegen der Auffassung des angefochtenen Beschlusses ergebe sich aus der Vaterschaft des Kindes, da das Wohl des Kindes hier vordergründig zu berücksichtigen sei, ein Abschiebungsverbot. Der Antragsteller habe Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels entweder gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG, da § 10 Abs. 2 (sic!) S. 1 AufenthG im Hinblick auf seine Verfassungswidrigkeit der Erteilung des Titels nicht entgegenstehe, oder auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG oder zumindest einer Duldung. Die Problematik der Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 (sic!) S. 3 HS 1 AufenthG sei in der Rechtsprechung umstritten. Ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof sei anhängig. In den Fällen, in denen Art. 6 und Art. 8 EMRK einer Abschiebung entgegenstünden, sei es mit dem Grundrecht nicht mehr zu vereinbaren, wenn ein Aufenthaltstitel nur wegen der Bestandskraft eines Asylverfahrens ausgeschlossen werde. Dieses spiele im vorliegenden Verfahren aber nur eine untergeordnete Rolle, denn die Duldung zur Durchführung einer Ausbildung hänge hiervon nicht ab. Die Ausführungen hinsichtlich § 25 Abs. 5 AufenthG seien nicht geeignet, das Prinzip der Berücksichtigung des Wohls des Kindes hier auszuhebeln. Der Antragsteller habe dargelegt, was von der Mutter des Kindes auch bestätigt worden sei, dass er und die Mutter des Kindes ein Zusammenziehen anstreben würden. Dass die Mutter nicht beim Antragsteller und dieser nicht bei der Mutter lebe, hänge ausschließlich damit im Zusammenhang, dass zur Zeit die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorlägen. Die Mutter besuche zur Zeit eine Ausbildungseinrichtung in H. und der Antragsteller müsse, um seine Ausbildung zu erreichen, zunächst hier diese beginnen. Er kümmere sich jedoch wie jeder andere Vater um das Kind. Das Kind sei regelmäßig besucht und er habe auch dargelegt und erklärt, dass er unter anderem die Tätigkeit anstrebe, um Unterhalt für das Kind zu bezahlen. Die Annahme, dass die praktische und tatsächliche Übernahme der gemeinsam gelebten alltäglichen Erziehungsverantwortung durch den Antritt der Ausbildung nicht möglich sei, sei in keinster Weise nachvollziehbar. Es obliege in einer zivilisierten Gesellschaft, den Eltern eines Kindes, die auch „Arbeitstätigkeit zur Sicherung des Unterhalts ausgehen“ müssten, den Rahmen zu schaffen, dass diese ihre Kinder unter Berücksichtigung der entsprechenden Grundrechte erziehen könnten. Dieses aber im vorliegenden Verfahren als Grund für die Ablehnung der Erteilung der Duldung einzufügen, sei nicht zulässig. Es sei nämlich in dem dafür vorgesehenen Verfahren zu klären, ob die behördliche Ansicht des Gerichts bezüglich der Kindererziehung, gemessen an den hier anzuwendenden Grundrechten und insbesondere an der Kinderschutzkonvention, aufrechterhalten bleiben könne oder nicht. „Dass ein Kind von Geburt an daran gewöhnt ist, über gewichtige Zeiträume hinweg zu seinem Vater allein über Fernkommunikationsmittel Kontakt zu haben“ sei zunächst aus der Luft gegriffen und im Übrigen nicht nachvollziehbar. Dass ein Kind zumindest in den ersten Monaten nach seiner Geburt über Fernkommunikationsmittel mit dem Vater nicht kommunizieren könne, liege wohl auf der Hand. Es sei aber in der Kinderpsychologie nachgewiesen, dass ein Kind das auch wenn es nicht „ganztägig“ mit einem Elternteil zusammen sei, die Nähe des Elternteils in gewissen Rhythmen benötige. Dieses sei im vorliegenden Verfahren insbesondere ab dem Alter von einem Jahr vor allem deshalb auch zur Entwicklung des Kindes erforderlich, weil sonst erhebliche Schäden verblieben. Dass der Antragsteller genauso wie jede andere Person, die gezwungen sei zunächst eine Fernbeziehung zu führen, das Kind regelmäßig besuche bzw. von diesem besucht werde, sei von keiner Seite bestritten worden. Das Gericht verkenne, dass es hier nicht um die Erteilung eines Aufenthaltstitels gehe, sondern darum, „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ bevorstehen oder nicht. Zur weiteren Begründung werde auf den Beschluss des BVerwG vom 8. Juni 2022, 1 C 24/21 (Anmerkung Berlit – juris –) Bezug genommen. Weiterhin führte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2022 aus, dass die Meinung des Verwaltungsgerichts, wonach § 10 Abs. 3 AufenthG die Erteilung eines Aufenthaltstitels ausschließe, in der Rechtsprechung zumindest umstritten sei. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 11. März 2021 (C-112/20 – juris) betone die bei einer Abschiebung zu berücksichtigenden Rechte des Kindes. Eine Rückkehrentscheidung sei unionswidrig, wenn sie das Wohl des Kindes nicht berücksichtige. Deshalb sei im vorliegenden Verfahren auch davon auszugehen, dass, was in der Rechtsprechung noch zu klären sei, Abs. 3 S. 1 AufenthG entweder verfassungswidrig sei oder europakonform interpretiert werden müsse. Zwar stelle sich diese Frage im vorliegenden Verfahren nicht ausdrücklich, jedoch sei bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der „Antragsgegnerin“ zu beachten, dass ihm aufgrund des hier zu berücksichtigenden unterhaltsberechtigten Kindes ein Aufenthaltstitel zustehe. Darüber hinaus sei eine Maßnahme, die ausschließlich dazu diene, die Voraussetzungen für die Ablehnung einer Beschäftigungsduldung zu schaffen, rechtsmissbräuchlich. Der „Antragsgegnerin“ sei bekannt gewesen, dass der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt habe. Es sei ihr bekannt gewesen, dass er die Geburtsurkunde habe beschaffen können und einen Antrag auf Ausstellung eines nationalen Passes gestellt gehabt habe. Die Maßnahmen, die sie eingeleitet hatte, seien daher obsolet und nicht erforderlich gewesen.
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Die Rügen des Antragstellers greifen nicht durch.
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Es kann dahinstehen, ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Es spricht zum einen viel dafür, dass – wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat – hier mit dem gestellten Eilantrag eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache im Raum steht. Zum anderen hat der Antragsteller trotz Hinweises des Gerichts, dass es an einem Nachweis fehle, dass der Ausbildungsbetrieb sein Ausbildungsplatzangebot gegenüber dem Antragsteller zurückziehen und auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt erneuern werde, wenn er die Ausbildung nicht am 1. September 2022 aufnimmt, einen solchen Nachweis für eine ggfls. weiterhin fortbestehende Eilbedürftigkeit der Angelegenheit bislang nicht vorgelegt.
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Der Antragsteller hat aber jedenfalls – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – wegen nach summarischer Prüfung zum Antragszeitpunkt konkret bevorstehender Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG mit entsprechender Beschäftigungserlaubnis glaubhaft gemacht.
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Nach dem durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 8. Juli 2019 (BGBl. I S. 1021) mit Wirkung zum 1. Januar 2020 in das Aufenthaltsgesetz eingefügten § 60c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG (i.d.F. v. 1.3.2020) ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe i.S.v. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu erteilen, wenn der Ausländer in Deutschland im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG ist und eine qualifizierte Berufsausbildung oder Assistenz- oder Helferausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf aufnimmt und die Ausschlussgründe des § 60c Abs. 2 AufenthG nicht vorliegen.
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Eine Ausbildungsduldung wird gem. § 60c Abs. 2 Nr. 5 Hs. 1 AufenthG nicht erteilt, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen, bevorstehen. Konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung stehen insbesondere bevor, wenn eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit veranlasst wurde (§ 60c Abs. 2 Nr. 5a AufenthG), der Ausländer einen Antrag zur Förderung mit staatlichen Mitteln einer freiwilligen Ausreise gestellt hat (§ 60c Abs. 2 Nr.5b AufenthG), die Buchung von Transportmitteln für die Abschiebung eingeleitet wurde (§ 60c Abs. 2 Nr. 5c AufenthG) oder vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers eingeleitet wurden, es sei denn, es ist von vornherein absehbar, dass diese nicht zum Erfolg führen (§ 60c Abs. 2 Nr.5d AufenthG).
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Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass zum von Gesetzes wegen maßgeblichen Zeitpunkt des Antrags auf Erteilung einer Ausbildungsduldung bei der Ausländerbehörde am 27. Mai 2022 der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. d AufenthG vorlag, ist nicht zu beanstanden. Gegenüber dem seit 9. Februar 2018 vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller wurden (vergleichbar) konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung eingeleitet (1.), die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen (2.) und bei diesen Maßnahmen ist auch nicht von vornherein absehbar gewesen, dass sie nicht zum Erfolg führen (3.).
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1. Bereits weit vor seinem am 27. Mai 2022 gestellten Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung hat der Antragsgegner am 24. Februar 2020 ein Passersatzpapierverfahren (PEP) eingeleitet und am 29. Oktober 2021 wurde der Antragsteller zwangsweise zur Anhörung vor einer sierra-leonischen Expertendelegation vorgeführt, die die sierra-leonische Staatsangehörigkeit des Antragstellers bestätigte. Die zuständige Stelle zur Passersatzbeschaffung des Bundes teilte am 9. November 2021 mit, dass die Ausstellung eines PEP auf Antrag zugesagt worden sei, die Einzelheiten des Verfahrens müssten mit der Botschaft noch abgestimmt werden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend und ausführlich unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung bzw. auf die Rechtsprechung des Senats ausgeführt hat, gilt sowohl ein Termin zur Vorstellung bei der Botschaft des Herkunftsstaates zur Vorbereitung der Rückführung als auch die von Amts wegen eingeleitete Beschaffung von Einreisepapieren (PEP-Verfahren) als vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen im Sinne von § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. d AufenthG.
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Soweit der Antragsteller rügt, dass im Zeitpunkt der Antragstellung auf Erteilung einer Ausbildungsduldung keine Maßnahme ersichtlich sei, die gemäß § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG der Duldung entgegenstehen würde, ist dies daher offensichtlich nicht zutreffend. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und zutreffend begründet, weshalb mit den beiden Maßnahmen (Termin zur Vorstellung bei der Botschaft des Herkunftsstaates zur Vorbereitung der Rückführung und von Amts wegen eingeleitete Beschaffung von Heimreisepapieren – PEP-Verfahren) jeweils vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers im Sinne von § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. d AufenthG eingeleitet wurden.
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2. Diese konkreten Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Antragstellers stehen auch in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung.
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Den Gesetzesmaterialen, insbesondere den in den Gesetzesmaterialen zu § 60c AufenthG genannten weiteren Beispielen für konkrete Vorbereitungsmaßnahmen kann keine starre Frist entnommen werden, wann von einem hinreichenden zeitlichen Zusammenhang der Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung nicht mehr ausgegangen werden kann. Das Verwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass es insoweit ausreichend ist, dass die Abschiebung in absehbarer Zeit grundsätzlich möglich ist; auf einen konkret bestimmbaren Zeitpunkt der Abschiebung kommt es – wie schon die Beispiele in § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a – e AufenthG verdeutlichen – nicht entscheidend an (BayVGH, B.v. 28.9.2020 – 10 CE 20.2081 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 21.4.2021 – 19 C 21.278 Rn. 19).
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Der hinreichende sachliche und zeitliche Zusammenhang der Durchführung eines PEP-Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ergibt sich schon daraus, dass der Antragsteller seinerzeit bei Einleitung des PEP-Verfahrens ersichtlich nicht über einen gültigen Reisepass für sein Heimatland verfügte. Liegt aber bereits kein Pass oder Passersatzpapier vor, sodass eine tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung in aller Regel anzunehmen ist, kommen die Maßnahmen gem. § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a und c AufenthG regelmäßig nicht in Betracht. Die Beantragung eines Passersatzpapiers ist in diesem Fall auf die Behebung einer tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung gerichtet und stellt insoweit das erstmalige zielgerichtete und konkrete Tätigwerden der Ausländerbehörde dar (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2021 – 19 C 21.278 – juris Rn. 12). Auch die am 29. Oktober 2021 durchgeführte Vorstellung bei der Botschaft des Herkunftsstaates zur Vorbereitung der Rückführung stand – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – in einem hinreichend sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung.
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Soweit der Antragsteller einwendet, die Identität des Antragstellers sei stets geklärt gewesen, im Übrigen seien diese Maßnahmen, auf die sich das Gericht bezogen habe, von vornherein nicht von Erfolg gekrönt, denn durch die Beantragung der Erteilung des Passes durch den Antragsteller sei diesen Maßnahmen eigentlich der Boden entzogen worden, die „Vorführung“ zur Klärung seiner Identität sei in keinster Weise gerechtfertigt, dies diene ausschließlich dem Zweck, „Maßnahmen“ zu ergreifen, die dann im Verfahren nach § 60 c AufenthG entgegengehalten werden könnten, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden.
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Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, entfällt der hinreichende sachliche und zeitliche Zusammenhang der Beantragung eines Passersatzpapiers bzw. der Botschaftsvorführung zur Aufenthaltsbeendigung nicht wegen der am 17. Mai 2022 erfolgten Vorlage eines gültigen Reisepasses im Original bei der Ausländerbehörde. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die vom Antragsgegner getroffenen konkreten Vorbereitungsmaßnahmen ausschließlich dem Zweck gedient hätten, „Maßnahmen“ zu ergreifen, die dann im Verfahren nach § 60 c AufenthG entgegengehalten werden könnten. Vielmehr sind die Ausländerbehörden verpflichtet, die Voraussetzungen für eine Abschiebung von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern zeitnah zu schaffen und die Ausreisepflicht nötigenfalls zwangsweise durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund waren daher die von der Ausländerbehörde getroffenen Vorbereitungsmaßnahmen erforderlich und geboten.
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3. Es sind auch weiterhin keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Vorbereitungsmaßnahmen von vornherein absehbar nicht zum Erfolg hätten führen können. Insbesondere kann die Vaterschaft des Antragstellers für das am 15. September 2020 geborene Kind in der hier vorliegenden Konstellation eine Abschiebung des Antragstellers grundsätzlich nicht verhindern.
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Um klarzustellen, dass nicht jede Vorbereitungsmaßnahme die Erteilung einer Ausbildungsduldung verhindert, hat der Gesetzgeber in § 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. d AufenthG aufgenommen, dass von vornherein absehbar nicht zum Erfolg führende vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen der Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht entgegenstehen (§ 60c Abs. 2 Nr. 5 Buchst. d AufenthG).
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Es war vorliegend jedoch nicht von vornherein absehbar, dass die Beantragung von Passersatzpapieren nicht zum Erfolg führen kann:
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Der Beklagte hat das Passersatzpapierverfahren am 24. Februar 2020 eingeleitet, da zu diesem Zeitpunkt die Ausländerbehörde davon ausgehen musste, dass der Antragsteller keinen Reisepass besitzt. Der Antragsteller hatte laut einem Aktenvermerk der Ausländerbehörde vom 29. Mai 2018 angegeben, dass er noch nie einen Reisepass gehabt habe. Weiterhin hatte der Antragsteller am 23. Juli 2019 bei der Ausländerbehörde eine Bescheinigung der Botschaft der Republik Sierra-Leone vom 18. Juli 2019 vorgelegt, wonach er einen Passantrag gestellt habe, was aber bei der Botschaft nicht möglich sei; es werde angeraten, einen biometrischen Reisepass persönlich beim Immigration Department in Freetown zu beantragen. Da die zuständige Stelle zur Passersatzbeschaffung des Bundes am 9. November 2021 der Ausländerbehörde mitgeteilt hatte, dass die Ausstellung eines PEP auf Antrag zugesagt worden sei, die Einzelheiten des Verfahrens müssten mit der Botschaft noch abgestimmt werden, war bezüglich dieser konkreten Vorbereitungsmaßnahme (PEP-Verfahren) nicht von vornherein absehbar, dass diese nicht zum Erfolg führt; vielmehr sind insoweit eingeleitete Passersatzpapierverfahren – wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist – nicht von vornherein erfolglos. Vielmehr münden diese auch in der Ausstellung von Heimreisedokumenten. Daher sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass von vornherein absehbar gewesen ist, dass das hier eingeleitete Passersatzpapierverfahren des Antragstellers nicht zum Erfolg geführt hätte. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die am 17. Mai 2022 erfolgte Vorlage eines gültigen Reisepasses im Original nicht etwa zu einem Abstandnehmen von einer Abschiebung geführt, sondern allein dazu, dass für die Durchführung der Abschiebung nunmehr wegen des vorgelegten Nationalpasses kein Passersatzpapier mehr benötigt wird.
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Soweit der Antragsteller rügt, dass sich entgegen der Auffassung des angefochtenen Beschlusses aus der Vaterschaft des Kindes, da das Wohl des Kindes hier vordergründig zu berücksichtigen sei, ein Abschiebungsverbot ergebe und der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels entweder gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG, da § 10 Abs. 2 S. 1 AufenthG im Hinblick auf seine Verfassungswidrigkeit der Erteilung des Titels nicht entgegenstehe, oder auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG oder zumindest einer Duldung habe, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden.
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Der – insbesondere erst nach Einleitung des PEP-Verfahrens nachträglich eingetretene – Umstand der Vaterschaft des Antragstellers ändert nichts daran, dass es hinsichtlich der genannten konkreten Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Antragstellers nicht von vornherein absehbar war, dass diese nicht zum Erfolg führen können. Wie bereits ausgeführt, sind diese Maßnahmen grundsätzlich geeignet, die Abschiebung eines Ausländers zu ermöglichen. Nachträgliche Veränderungen bei den maßgeblichen Umständen, die die Vollziehbarkeit einer Ausreisepflicht beeinflussen können (zum Beispiel Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, die erst im Laufe des Verfahrens entstehen), sind daher im Zusammenhang dieser Prüfung (ob konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers von vornherein absehbar nicht zum Erfolg führen können) nicht maßgeblich. Es ist jedoch die Aufgabe der zuständigen Ausländerbehörden, zu jedem Zeitpunkt in einem Verfahren, das zu einer Abschiebung führen soll, bei einer Veränderung der maßgeblichen Umstände zu prüfen, ob diese zu einer tatsächlichen oder rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung oder zu einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führen (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG).
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Es ist – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – vorliegend jedoch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller eine Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG beanspruchen könnte. Die Vaterschaft des Antragstellers führt hier weder zu einer tatsächlichen (für die hier keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte bestehen) noch einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass dem Antragsteller zwecks Nachholung des Visumverfahrens eine vorübergehende Unterbrechung der familiären Lebensgemeinschaft mit seinem Sohn – soweit eine solche besteht – unzumutbar und seine Abschiebung daher wegen eines aus Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK resultierenden Hindernisses rechtlich unmöglich im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG wäre. Weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK gewähren einen unmittelbaren Anspruch auf einen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach der der Staat Ehe und Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiäre Bindung des den Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, bei ihrer Ermessensausübung pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Es ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalles geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (BVerfG, B.v. 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 – juris Rn. 7 m.w.N.). Für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit der familiären Gemeinschaft und der Zumutbarkeit einer (vorübergehenden) Trennung sowie der Möglichkeit, über Briefe, Telefonate und Besuche auch aus dem Ausland Kontakt zu halten, spielt auch das Alter des Kindes eine wesentliche Rolle (BVerfG, B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – juris Rn. 37 m.w.N.). Gerade bei einem kleinen Kind, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (BVerfG, B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 22), schreitet die Entwicklung sehr schnell voran, so dass hier auch eine verhältnismäßig kurze Trennungszeit im Lichte von Art. 6 Abs. 2 GG schon unzumutbar lang sein kann (BVerfG, B.v. 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99 – juris Rn. 10). Insoweit muss konkret ermittelt werden, wie lange der familiären Gemeinschaft eine Abwesenheit des Ausländers zugemutet werden kann. Hierfür kommt es insbesondere darauf an, wie lange ein Visumverfahren bei korrekter Sachbehandlung und ggf. unter Zuhilfenahme einstweiligen Rechtsschutzes voraussichtlich dauern würde und welche Auswirkungen eine vorübergehende Ausreise des Ausländers für die Familie hätte, insbesondere, ob ein Kind auch durch eine verfahrensbedingte Abwesenheit des Ausländers von nur wenigen Monaten emotional unzumutbar belastet würde (BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 15.12 – juris Rn. 26 zu § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
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Von einer emotional unzumutbaren Belastung des bald zweieinhalb Jahre alten Kindes durch eine verfahrensbedingte längere Abwesenheit des Antragstellers ist vorliegend – wie das Verwaltungsgericht ausführlich dargestellt hat – nicht auszugehen. Zwar ist aus dem Terminvergabesystem des Auswärtigen Amtes für die Deutsche Botschaft in Accra/Ghana (die für die Beantragung eines Visums zur Familienzusammenführung auch für sierra-leonische Staatsangehörige zuständig ist) zu entnehmen, dass derzeit bis Ende März 2023 keine Termine zur Beantragung eines Visums zur Familienzusammenführung gebucht werden können, jedoch heißt es auf der Homepage der Deutschen Botschaft Accra, dass neue Termine in regelmäßigen Abständen freigeschaltet werden. Darüber hinaus ist dem Senat aus einem aktuellen Verfahren bekannt, dass fortlaufend neue Termine – auch kurzfristig – freigeschaltet werden und die Bearbeitungszeit eines Visumsantrags mit 1-2 Wochen beziffert werden kann. Es obliegt daher – worauf bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat – dem Antragsteller, eine familienfreundliche Visumserteilung in Zusammenwirken mit der zuständigen Ausländerbehörde, die dafür gegebenenfalls eine Vorabzustimmung erteilt und eine gegebenenfalls erforderliche Dokumentenüberprüfung vorab in die Wege leitet, zu organisieren. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Antragsgegner dem Antragsteller – soweit dieser zeitnah und kooperativ seine Obliegenheiten erfüllt – eine Ausreise erst nach Terminvergabe verweigern würde. Unter Berücksichtigung dieser Möglichkeiten und der hier vorliegenden Umstände ergibt sich damit keine Unzumutbarkeit der vorübergehenden Trennung von Vater und Kind. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Kindsmutter die sierra-leonische Staatsangehörigkeit besitzt und keine Anhaltspunkte vorgetragen worden sind, die gelegentliche Besuche in Sierra-Leone während der Durchführung des Visumverfahrens ausschlössen. Sollte sich das Visumverfahren wider Erwarten verzögern, kann dem Antragsteller auch ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten.
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Soweit der Antragsteller vorträgt, dass er einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels entweder gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG, da § 10 Abs. 2 S. 1 AufenthG im Hinblick auf seine Verfassungswidrigkeit der Erteilung des Titels nicht entgegenstehe, oder auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG habe, kann auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
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Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bzw. § 36 AufenthG die Titelerteilungssperre des § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG entgegensteht. Nach dieser Vorschrift darf einem Ausländer (wie dem Antragsteller), dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. Im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels findet Satz 1 nach § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG keine Anwendung. Ein „Anspruch“ auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG setzt einen strikten Rechtsanspruch voraus, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Das bedeutet, dass alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen und die Behörde kein Ermessen mehr auszuüben hat. Hierfür genügt weder eine Soll- noch eine Ermessensvorschrift, selbst wenn im Einzelfall ein atypischer Fall vorliegt oder das Ermessen „auf Null“ reduziert ist (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 27 m.w.N.).
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Der Antragsteller hat im Hinblick auf seine Aussagen, dass der Antragsteller einen „Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels“ habe, „da § 10 Abs. 2 (sic!) S. 1 AufenthG im Hinblick auf seine Verfassungswidrigkeit der Erteilung des Titels nicht entgegensteht“ und „die Problematik der Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 (sic!) S. 3 HS 1 AufenthG ist in der Rechtsprechung umstritten. Ein Verfahren vor dem europäischen Gerichtshof ist anhängig“, entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht näher dargelegt, worauf er diese Aussagen stützt. Der Senat kann auf Grundlage dieser Aussagen keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die hier angewendete Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 HS 1 AufenthG nicht mit höherrangigem Recht vereinbar sein könnte. Darüber hinaus gesteht der Antragsteller selbst zu, dass dieses im vorliegenden Verfahren aber nur eine untergeordnete Rolle spiele, „denn die Duldung zur Durchführung einer Ausbildung hängt hiervon nicht ab“.
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Zu Recht führt das Verwaltungsgericht weiter aus, dass nach den o.g. Maßgaben dem Antragsteller ein strikter Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG bzw. § 36 AufenthG nicht zusteht. Denn es mangelt ersichtlich an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, da der Antragsteller ohne das erforderliche Visum eingereist ist; seiner Verpflichtung, das Sichtvermerksverfahren einzuhalten, ist er nicht nachgekommen. Zwar könnte gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG von dieser allgemeinen Erteilungsvoraussetzung abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Ermessensvorschrift; ein Anspruch aufgrund einer Ermessensvorschrift ist auch dann nicht ausreichend, wenn das Ermessen im Einzelfall „auf Null“ reduziert ist (BayVGH, B.v. 16.3.2020 – 10 CE 20.326 – juris Rn. 17 m.w.N.). Damit steht diese Ermessensentscheidung wiederum der Annahme eines strikten Rechtsanspruchs entgegen.
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Weiterhin kann – wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – der Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis auch nicht nach § 39 Satz 1 Nr. 5 AufenthV ohne vorherige Ausreise erlangen. Da sich die Beschwerdebegründung dazu nicht verhält, wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen.
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Soweit der Antragsteller rügt, dass die Ausführungen des Verwaltungsgerichts hinsichtlich § 25 Abs. 5 AufenthG nicht geeignet seien, das Prinzip der Berücksichtigung des Wohles des Kindes hier auszuhebeln, kann dies der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
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Zunächst ist schon fraglich, ob § 25 Abs. 5 AufenthG als Auffangvorschrift für ein sich aus Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK ergebendes Ausreisehindernis herangezogen werden kann, wenn die Erteilungsvoraussetzungen der für die genannten Aufenthaltszwecke bestehenden Normen nicht erfüllt sind (vgl. BayVGH, B.v. 30.10.2018 – 10 ZB 18.1780 – juris Rn. 7 m.w.N.). Jedenfalls steht die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift genauso wie ein Abweichen von der ersichtlich nicht vorliegenden Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde (vgl. BayVGH, U.v. 11.3.2014 – 10 B 11.978 – juris Rn. 52). Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung auf Null ergeben sich aber auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht:
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Zwar steht § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht entgegen. Denn nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG darf einem unanfechtbar abgelehnten Asylbewerber – wie dem Antragsteller – ein Aufenthaltstitel nach Maßgabe von Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes und damit auch nach Maßgabe des in diesem Abschnitt enthaltenen § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt werden. Allerdings ist – wie bereits ausgeführt und auch vom Verwaltungsgericht zutreffend dargestellt – die Ausreise des Klägers aus rechtlichen Gründen nicht unmöglich, mithin liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG hier nicht vor.
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Soweit der Antragsteller „zur weiteren Begründung“ auf den Beschluss des BVerwG vom 8. Juni 2022 – 1 C 24.21 – Bezug nimmt, genügt dies bereits nicht dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Es ist weder dargelegt noch erkennbar, inwieweit der dort verhandelte Sachverhalt (Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in einem Bundesamtsbescheid, der ein Kind betraf, bei dessen Vater ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt worden war) mit dem hier vorliegenden Sachverhalt vergleichbar ist. Darüber hinaus bestünde auch keine Rechtspflicht (und allein wegen der Tatsache einer Vorlage kein Grund), das Verfahren z.B. nach § 94 VwGO (analog) auszusetzen (vgl. Anm. Berlit zu BVerwG, B.v. 8.6.2022 – 1 C 24.21 – jurisPR-BVerwG 15/2022 Anm. 1).
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Auch der Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 11. März .2021 – C-112/20 – kann der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, da ebenfalls der dort verhandelte Sachverhalt (gebührende Berücksichtigung des Wohls des Kindes vor Erlass einer mit einem Einreiseverbot verbundenen Rückkehrentscheidung betreffend den Vater des Kindes) mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar ist. Nichtsdestotrotz wurde auch in dem hier vorliegenden Sachverhalt – wie bereits ausgeführt und auch vom Verwaltungsgericht zutreffend und ausführlich dargelegt – das Wohl des Kindes gebührend berücksichtigt.
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Da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung – wie dargelegt – nicht vorliegen, besteht – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – kein (gebundener) Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis gem. § 4a Abs. 4 i.V.m. § 60c Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Anhaltspunkte, die für eine ermessensfehlerhafte Ablehnung der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis gem. § 4a Abs. 4 AufenthG sprächen, hat weder der Antragsteller vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).