Titel:
Auswirkungen des Untersuchungsgrundsatzes auf die Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeverfahrens
Normenketten:
AufenthG § 66 Abs. 1, § 67 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 118 Abs. 2 S. 2, S. 3
VwGO § 86 Abs. 1, § 166 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Die Entscheidungsreife eines Prozesskostenhilfeantrags tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme ein. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gebot der zügigen Behandlung eines Prozesskostenhilfegesuchs ist auch dann verletzt, wenn das Gericht eine äußerst detaillierte Prüfung der Erfolgsaussicht vornimmt, bei der das Gebot der summarischen Prüfung und der Ausklammerung komplizierter Rechtsfragen nicht beachtet wird. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar darf der Untersuchungsgrundsatz in einem Prozesskostenhilfeverfahren zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht dazu führen, dass das Gericht eine äußerst detaillierte Prüfung der Erfolgsaussicht vornimmt, bei der das Gebot der summarischen Prüfung und der Ausklammerung komplizierter Rechtsfragen nicht beachtet wird, allerdings sind einzelne Nachfragen des Gerichts zum Sachverhalt, die zu keiner erheblichen Verzögerung führen, sondern vielmehr erst den Eintritt der Entscheidungsreife herbeiführen, nicht nur zulässig, sondern im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz sogar geboten. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zeitpunkt der Entscheidungs- bzw. Bewilligungsreife bei einem PKH-Antrag, Fehlende Erfolgsaussichten, Abschiebungskosten, Beschwerde, Prozesskostenhilfe, Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags, Kosten der Abschiebung, Kosten für die Abschiebungshaft, Personalkosten, hinreichende Erfolgsaussichten, Beschleunigungsgebot, Untersuchungsgrundsatz, Bewilligungsreife, Entscheidungsreife
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 03.12.2021 – B 6 K 20.1410
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2754
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger, ein am 18. Oktober 1990 geborener marokkanischer Staatsangehöriger, der am 31. Januar 2019 unter ärztlicher und Sicherheitsbegleitung nach Marokko abgeschoben wurde, seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, ihm für die gegen den Bescheid des Beklagten vom 28. Oktober 2020 (soweit dort die Verpflichtung zur Erstattung von Abschiebungskosten von mehr als 14.861,36 EUR ausgesprochen wurde) gerichtete Klage Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Mit diesem Bescheid hat der Beklagte den Kläger aufgefordert, die in Verbindung mit seiner Abschiebung am 31. Januar 2019 entstandenen Kosten, die im Einzelnen aufgeschlüsselt und mit entsprechenden Rechnungen belegt waren, in Höhe von insgesamt 17.065,54 EUR zu zahlen (Ziff. 1) und sich die Einforderung weiterer Kosten vorbehalten (Ziff. 2).
2
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe für die (Teil-) Anfechtungsklage mangels hinreichender Erfolgsaussichten zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife (2. September 2021) abgelehnt. Gemäß § 66 Abs. 1 AufenthG habe der Ausländer die Kosten zu tragen, die durch die Abschiebung entstehen. Die Kosten der Abschiebung würden u.a. die Beförderungskosten für den Ausländer innerhalb des Bundesgebiets und bis zum Zielort außerhalb des Bundesgebiets (§ 67 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), die bei der Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme entstehenden Verwaltungskosten einschließlich der Kosten für die Abschiebungshaft (§ 67 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) sowie sämtliche durch eine erforderliche Begleitung des Ausländers entstehenden Kosten einschließlich der Personalkosten (§ 67 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG) umfassen. Weder seien zwei Tagessätze á 239,59 EUR von den Kosten für die Sicherungshaft in Höhe von 5.270,98 EUR noch 1.725 EUR von den geltend gemachten Arztkosten (Kostenaufstellung Dr. S.) in Höhe von 2.701,60 EUR abzuziehen.
3
Der Kläger begründet seine zulässige Beschwerde damit, dass das Verwaltungsgericht die Anforderungen für die Bejahung hinreichender Erfolgsaussichten überspannt habe. Das Verwaltungsgericht sei bereits von einem unzutreffenden Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags ausgegangen. Diese habe bereits am 27.05.2021 (und nicht erst am 02.09.2021) vorgelegen. Die vom Kläger erhobene Klage sei mit Schriftsatz vom 26.04.2021 nach stattgehabter Akteneinsicht begründet worden. Die Erklärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse habe am 11.05.2021 vorgelegen. Trotz gerichtlicher Aufforderung habe „die Beklagte“ eine Stellungnahme zu dieser Klagebegründung nicht abgegeben, selbst die auf ihren Antrag hin vom Gericht verlängerte Frist zur Stellungnahme habe sie ungenutzt verstreichen lassen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass es sich bei „der Beklagten“ um eine staatliche Behörde handele, bei der zu unterstellen sei, dass deren Prozessführung jederzeit sachgerecht und ohne Nachlässigkeit erfolge, sei diesem Umstand, dass die gewährte Frist weder genutzt noch eine weitergehende Fristverlängerung beantragt worden sei, die Erklärung zu entnehmen, dass eine Stellungnahme nicht mehr beabsichtigt gewesen sei. Dass das Verwaltungsgericht gleichwohl die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zunächst nicht getroffen habe, dürfe nicht zulasten des Klägers gehen. Das Verwaltungsgericht hätte unverzüglich nach Eintritt der Entscheidungsreife (27.05.2021) über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden müssen, bevor es das Verfahren weiter vorantreibe, denn die Gewährung von Prozesskostenhilfe unterliege mit Blick auf ihre Funktion, dem Antragsteller alsbald die erforderliche Klarheit zu verschaffen, ob seine Mittellosigkeit als Hindernis der beabsichtigten Rechtsverfolgung ausgeräumt werde, einem besonderen Beschleunigungsgebot. Über einen Prozesskostenhilfeantrag sei deshalb zu entscheiden, sobald der Antrag vollständig vorliege und der Gegner dazu gehört worden sei. Verzögere das Gericht die Entscheidung, so könne dies nicht zulasten der den Antrag stellenden Partei gehen. Der Mittellose dürfe durch diese Säumigkeit des Gerichts weder benachteiligt noch um die beantragte Prozesskostenhilfe gebracht oder in seiner Rechtsverfolgung behindert werden. Trage ein Gericht, das über einen Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden habe, dem Beschleunigungsgebot – aus welchen Gründen auch immer – nicht hinreichend Rechnung, so könne es keinen sachlichen Grund geben, den Anspruch des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu schmälern oder ihn schlechter zu stellen als im Falle einer rechtzeitigen Entscheidung über sein Gesuch. Für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung sei daher nicht der Erkenntnisstand der verspäteten gerichtlichen Entscheidung, sondern derjenige, der bei Eintritt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags gegeben gewesen sei, zugrunde zu legen (so ausdrücklich der hier zur Beschwerdeentscheidung berufene Senat des BayVGH, Beschluss vom 12.1.2009, Az. 19 C 08.3012, Rz. 6-8 mit weiteren Nachweisen). Das Verwaltungsgericht habe mit seiner Entscheidung, den Prozesskostenhilfeantrag wegen mangelnder Erfolgsaussichten abzulehnen, den Zweck der Prozesskostenhilfe, nämlich dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen, konterkariert. Die Prüfung der Erfolgsaussicht solle nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Dem unbemittelten Beteiligten dürfe jedenfalls bei schwierigen, noch nicht geklärten oder hoch streitigen Rechtsfragen nicht die Möglichkeit genommen werden, seinen Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (BVerfG, Beschluss vom 05.12.2018, Az. 2 BvR 2257/17, Rz.14). Zwar gehe auch das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass hinreichende Erfolgsaussichten zu bejahen seien, wenn der Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund seiner Sachdarstellung für zumindest vertretbar gehalten und in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit der entsprechenden Beweisführung ausgegangen werden könne. Allerdings werde das Verwaltungsgericht dieser Prämisse mit der gleichwohl erfolgten Verneinung hinreichender Erfolgsaussicht im vorliegenden Fall nicht gerecht. Das Gericht habe nach Vorlage der Klagebegründung die Gegenseite zur Stellungnahme hierzu aufgefordert gehabt. Die dazu von der Gegenseite begehrte Fristverlängerung (Schriftsatz vom 14.05.2021) bis 26.05.2021 sei ungenutzt verstrichen. Dem sei – wie bereits oben ausgeführt – die Erklärung „der Beklagten“ zu entnehmen, dass eine Stellungnahme derzeit nicht beabsichtigt sei. Mit Verfügung vom 10.08.2021 sei das Verwaltungsgericht im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht in die weitergehende Sachverhaltsermittlung eingetreten, indem es der Beklagten unter Fristsetzung zum 25.08.2021 aufgegeben habe, zu konkret benannten Punkten Stellung zu nehmen. Dem sei die Beklagte erst mit Schriftsatz vom 02.09.2021 nachgekommen. Mit Verfügung vom 08.09.2021 habe das Gericht „der Beklagten“ weitere, von ihr noch zu beantwortende Fragen gestellt: „Sehr geehrter Herr O. Dr. S., bei der Bearbeitung des Klageverfahrens auf der Grundlage (auch) Ihres Schreibens vom 02.09.2021 stellt sich noch eine weitere zu klärende Frage im Zusammenhang mit dem Ansatz der Kosten für die Sicherungshaft.“ Auch an dieser Stelle werde deutlich, dass das Verwaltungsgericht den Sachvortrag des Klägers zumindest für vertretbar und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt gewesen sei, ansonsten hätte es dieser erneuten Nachfragen nicht bedurft. Speziell hinsichtlich des Umfangs der erstattungsfähigen Arztkosten habe der Kläger außerdem Einwendungen erhoben, denen die Beklagte lediglich mit pauschalen Behauptungen entgegengetreten sei. Sie habe sich nicht einmal die Mühe gemacht, näher darzulegen, inwieweit man überhaupt versucht habe, einen Arzt aus D. und Umgebung mit der Begleitung des Klägers zu betrauen. Wenn schon das Verwaltungsgericht gleichwohl „der Beklagten“ insoweit folge und dazu lediglich auf seine eigene Erfahrung zurückgreife, ohne diese näher zu spezifizieren, sodass der Kläger überhaupt erst einmal in die Lage versetzt werde, hierzu substantiiert Stellung nehmen zu können, müsse dem Kläger wenigstens durch Bewilligung von Prozesskostenhilfe ermöglicht werden, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hauptsacheverfahren herbeizuführen und die Sache gegebenenfalls in die höhere Instanz zu bringen.
4
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Es ist zutreffend und nachvollziehbar davon ausgegangen, dass sich der (teil-)angefochtene Leistungsbescheid, mit dem gegenüber dem Kläger die Kosten seiner Abschiebung geltend gemacht wurden, voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird.
5
Nach § 166 VwGO i.V.m § 114 Abs. 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
6
Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen die Anforderungen im Hinblick auf die Rechtsschutzgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits dann gegeben ist, wenn bei summarischer Überprüfung ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 166 Rn. 26). Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (st.Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. z.B. B.v. 4.8.2016 – 1 BvR 380/16 – juris Rn. 12; B.v. 28.7.2016 – 1 BvR 1695/15 – juris Rn. 16 f.; B.v. 13.7.2016 – 1 BvR 826/13 – juris Rn. 11 f.; B.v. 20.6.2016 – 2 BvR 748/13 – juris Rn. 12).
7
Maßgeblich für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, B.v. 3.1.2018 – 10 C 17.2195 – juris Rn. 3). Die Entscheidungsreife tritt regelmäßig nach Vorlage der vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen sowie nach einer Anhörung der Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme ein (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO; BVerwG, B.v. 12.9.2007 – 10 C 39.07 u.a. – juris Rn. 1).
8
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers zum grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungs- oder Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt. Nach dem Eintritt der Bewilligungsreife hat sich – auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens – hieran nichts geändert. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und nachvollziehbar begründet, dass der Beklagte insbesondere auch die Haftkosten für den 10. Januar 2019 und 31. Januar 2019 ebenso wie die Kosten für ärztliche Dienstleistungen zu Recht angesetzt hat. Der Vortrag des Klägers im Beschwerdeverfahren stellt die Begründung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage.
9
Soweit der Kläger im Einzelnen rügt, dass das Verwaltungsgericht bereits von einem unzutreffenden Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags ausgegangen sei, da diese bereits am 27.05.2021 (und nicht erst am 02.09.2021) vorgelegen habe und dass das Verwaltungsgericht unverzüglich nach Eintritt der Entscheidungsreife (27.05.2021) über den Prozesskostenhilfeantrag hätte entscheiden müssen, kann dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.
10
Zwar ist bei der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zu beachten, dass das Prozesskostenhilfeverfahren angesichts seiner Natur und Bedeutung für den Betroffenen einer gewissen Eilbedürftigkeit unterliegt (BVerfG, B.v.14.10.2003 – 1 BvR 901/03 – juris Rn. 11; sog. Beschleunigungsgebot). Über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist deshalb so zügig zu entscheiden, dass die bedürftige Partei nach Lage der Sache die mit dem Antrag verfolgten Belange noch wahrnehmen kann (BGH, B.v. 8.11.2000 – XII ZB 132/00 – juris Rn. 7). Die nach § 118 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO zulässigen Erhebungen des Gerichts dürfen nicht zu einer unverhältnismäßigen Verzögerung der Entscheidung über den Antrag auf Prozesskostenhilfe führen. Sie sind deshalb auf das unumgängliche Mindestmaß zu beschränken und dürfen keinesfalls zu einer Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens ausgeweitet werden (MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020, ZPO § 118 Rn. 20). Das Gebot der zügigen Behandlung eines Prozesskostenhilfegesuchs ist auch dann verletzt, wenn das Gericht eine äußerst detaillierte Prüfung der Erfolgsaussicht vornimmt, bei der das Gebot der summarischen Prüfung und der Ausklammerung komplizierter Rechtsfragen nicht beachtet wird (OLG Celle Nds. Rpfl. 2002, 362).
11
Gemessen an diesen Grundsätzen war – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – der Prozesskostenhilfeantrag nicht schon am 27. Mai 2021, sondern (erst) am 2. September 2021 entscheidungsreif, wobei hier insbesondere zu beachten ist – worauf der Beklagte in seiner Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist –, dass in verwaltungsgerichtlichen Verfahren (und damit auch im Prozesskostenhilfeverfahren zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren) nicht wie im Zivilprozess der Beibringungsgrundsatz, sondern der Untersuchungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO Anwendung findet, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht und es an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden ist. Zwar darf der Untersuchungsgrundsatz in einem Prozesskostenhilfeverfahren zu einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht dazu führen, dass das Gericht eine äußerst detaillierte Prüfung der Erfolgsaussicht vornimmt, bei der das Gebot der summarischen Prüfung und der Ausklammerung komplizierter Rechtsfragen nicht beachtet wird, allerdings sind – wie hier gegeben – einzelne Nachfragen des Gerichts zum Sachverhalt, die – wie hier ebenfalls gegeben – zu keiner erheblichen Verzögerung führen, sondern vielmehr erst den Eintritt der Entscheidungsreife herbeiführen, nicht nur zulässig, sondern im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz sogar geboten. Der Kläger verkennt mit seiner Rüge insoweit die Bedeutung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Verwaltungsgerichtsprozess im Gegensatz zum Beibringungsgrundsatz im Zivilprozess.
12
Soweit der Kläger rügt, dass für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung nicht der Erkenntnisstand der verspäteten gerichtlichen Entscheidung, sondern derjenige, der bei Eintritt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags gegeben war, zugrunde zu legen sei (unter Hinweis auf den Beschluss des BayVGH vom 12.01.2009 – 19 C 08.3012 –), ist dies für die vorliegende Entscheidung nicht einschlägig, da – wie bereits ausgeführt – die Entscheidungsreife hier erst am 2. September 2021 vorlag und damit eben keine verspätete gerichtliche Entscheidung gegeben ist. Darüber hinaus ist auch – worauf der Beklagte in seiner Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist – weder vorgetragen noch ersichtlich, ob und wie sich die Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Zeit zwischen der Klagebegründung bzw. Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 11. Mai 2021 bzw. am 17. Mai 2021 (der Tag, an dem die ursprünglich vom Gericht gesetzte Erwiderungsfrist endete) und der Klageerwiderung vom 2. September 2021 geändert haben soll. Vielmehr war – wie bereits ausgeführt – am 11. Mai 2021 bzw. am 17. Mai 2021 im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz selbst eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten nach nicht zu beanstandender Ansicht des Verwaltungsgerichts noch nicht möglich und damit eine Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags noch nicht gegeben. Daher kommt es hier nicht darauf an, ob eventuell nach eingetretener Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags bei erst später erfolgter gerichtlicher Entscheidung Änderungen in der Beurteilung der Erfolgsaussichten eingetreten sind, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht mehr zulasten des Rechtsschutzsuchenden berücksichtigt werden können (BVerfG 4.10.2017 – 2 BvR 496/17, juris Rn. 14 m.w.N.), wobei vorliegend – wie bereits ausgeführt – weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass eine solche Konstellation zulasten des Klägers hier vorgelegen hätte. Der vom Kläger in diesem Zusammenhang zitierten Entscheidung des Senats vom 12. Januar 2009 (Az. 19 C 08.3012) lag der Sachverhalt zugrunde, dass über eine beantragte Prozesskostenhilfe erst nach einer durchgeführten Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung entschieden wurde, was jedoch dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt nicht ansatzweise entspricht. Denn hier wurden lediglich einzelne Auskünfte bei dem Beklagten eingeholt, was sich im Hinblick darauf, dass dem Abschiebungskostenbescheid Rechnungspositionen von verschiedenen Rechnungsausstellern zugrunde lagen, zeitlich etwas aufwendiger gestaltete, weil der Beklagte erst durch Nachfragen bei den Rechnungsausstellern die vom Verwaltungsgericht verlangten Auskünfte erteilen konnte.
13
Soweit der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Dezember 2018 (Az. 2 BvR 2257/17) rügt, dass das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung, den Prozesskostenhilfeantrag wegen mangelnder Erfolgsaussichten abzulehnen, den Zweck der Prozesskostenhilfe, nämlich dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen, konterkariert habe, weil dem unbemittelten Beteiligten jedenfalls bei schwierigen, noch nicht geklärten oder hochstreitigen Rechtsfragen nicht die Möglichkeit genommen werden dürfe, seinen Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen, kann dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Auch dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lag ein Sachverhalt zugrunde, der sich von der vorliegenden Fallgestaltung wesentlich unterscheidet: so wurde in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall zeitgleich über den Hauptsacheantrag und den zugehörigen Prozesskostenhilfeantrag entschieden, wobei nicht klar erkennbar war, ob von der Vorinstanz ausreichend berücksichtigt wurde, dass die Entscheidung über die Prozesskostenhilfebewilligung und diejenige über das Begehren in der Sache unterschiedlichen Maßstäben unterliegt. Dagegen hat das Verwaltungsgericht hier (lediglich) unter Zugrundelegung des zutreffenden Maßstabs (hinreichende Erfolgsaussichten aus einer ex-ante-Perspektive) über den gestellten Prozesskostenhilfeantrag entschieden.
14
Soweit der Kläger rügt, dass er hinsichtlich des Umfangs der erstattungsfähigen Arztkosten außerdem Einwendungen erhoben habe, denen „die Beklagte“ lediglich mit pauschalen Behauptungen entgegengetreten sei und denen das Verwaltungsgericht gleichwohl gefolgt sei und dazu lediglich auf seine eigene Erfahrung zurückgegriffen habe, ohne diese näher zu spezifizieren, kann auch dies der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich beim Prozesskostenhilfeverfahren um ein summarisches Verfahren, das regelmäßig keine äußerst detaillierte Prüfung der Erfolgsaussicht vornimmt, sondern allenfalls – wie hier geschehen – einzelne Nachfragen des Gerichts zum Sachverhalt zulässt bzw. erfordert, um den Eintritt der Entscheidungsreife herbeizuführen. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht bei der summarischen Prüfung eigene Erkenntnisse aus ähnlich gelagerten Verfahren bei der Entscheidungsfindung mit einbezieht und damit im Ergebnis zu einer Verneinung von hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage kommt. Dieses nachvollziehbare Ergebnis stellt der Kläger durch seinen Vortrag im Beschwerdeverfahren nicht in Frage.
15
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO). Einer Streitwertfestsetzung bedurfte es im Hinblick auf § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG nicht.
16
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO).