Inhalt

VGH München, Beschluss v. 10.02.2023 – 3 CS 23.30
Titel:

Eintragung einer Zwangshypothek ins Grundbuch

Normenketten:
ZPO § 867 Abs. 1, § 868
GBO § 13
VwGO § 80 Abs. 5
VwZVG Art. 22, Art. 26
Leitsatz:
Durch die Eintragung der Zwangshypothek in das Grundbuch (§ 867 Abs. 1 ZPO, § 13 GBO) hat sich die Antragsgegnerin den Zugriff auf die Grundstücke als verwertbares Vermögen dinglich gesichert. Sie ist damit der Gefahr, ihre geltend gemachte Schadensersatzforderung aufgrund der Veräußerung der Grundstücke durch den Antragsteller nicht mehr realisieren zu können, wirksam entgegengetreten. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Offene Erfolgsaussichten, Interessenabwägung, Eintragung einer Zwangshypothek, Schadenersatz (286.827,15 EUR), Schadensersatzforderung, Eintragung, Zwangshypothek, Grundstück, Verkauf, verwertbares Vermögen, Vollstreckungsmaßnahmen, vorläufiger Rechtsschutz, Klage, aufschiebende Wirkung, Wiederherstellung, Erfolgsaussichten
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 21.12.2022 – RO 1 S 22.2589
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2750

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 71.706,79 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt ohne Erfolg.
2
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat in seinem angegriffenen Beschluss vom 21. Dezember 2022 zu Recht die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 30. August 2022 gegen den Leistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2022 über die Verpflichtung zur Bezahlung von Schadensersatz in Höhe von 286.827,15 Euro gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO wiederhergestellt.
3
Es hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die in der Hauptsache zu prüfende Rechtmäßigkeit des Leistungsbescheides nach der im Rahmen des vorliegenden Eilrechtsschutzverfahrens gebotenen summarischen Prüfung ohne eingehende Beweisaufnahme im Ergebnis als offen angesehen und festgestellt, dass das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen einer umfassenden gerichtlichen Interessenabwägung das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt. Den Antragsteller treffe der Vollzug, insbesondere unter Berücksichtigung der bereits eingeleiteten Vollstreckung durch die Antragsgegnerin (Eintragung einer Zwangshypothek am 22.11.2022 zugunsten der Antragsgegnerin betreffend die Flurstücke I. FlSt. 89/10 (Blatt 1109) über 229.606,64 Euro und FlSt. 91/4 (Blatt 1315) über 75.000 Euro, Eigentümer [Antragsteller, Adresse]), weitaus härter als das Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Antragsgegnerin träfe. Das finanzielle und haushaltsrechtliche Interesse der Antragsgegnerin an einer (schnelleren) Beitreibung der Schadensforderungen trete gegenüber dem Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht weiteren – irreversiblen – Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich der in seinem Eigentum stehenden Grundstücke ausgesetzt zu sein, zurück.
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Die von der Antragsgegnerin innerhalb der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und den Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO abzulehnen.
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1. Die Antragsgegnerin trägt im Wesentlichen vor, sie habe zwischenzeitlich von einer konkreten Kaufinteressentin und weiteren Belastungen der betreffenden Grundstücke erfahren. Zunächst solle nur das Grundstück mit dem bebauten Wohnhaus zu einem Kaufpreis von 360.000 Euro veräußert werden, für das eine vorrangige Grundschuld der Hausbank des Antragstellers eingetragen sei. Daneben bestehe für das Nebengrundstück, welches aufgrund der vorhandenen Gartenanlagen und Bebauung untrennbar mit dem Wohngrundstück verbunden sei und erst nach der Scheidung verkauft werden solle, eine Grundschuld der getrenntlebenden Ehefrau des Antragstellers für Forderungen ihrerseits in Höhe von 80.000 Euro und Forderungen ihres Vaters in Höhe von 120.000 Euro. Gegenüber der Kaufinteressentin habe der Antragsteller seine Absicht geäußert, nach den Verkäufen die Privatinsolvenz zu beantragen. Dadurch bestehe die Gefahr, dass bis auf die Antragsgegnerin alle weiteren Gläubiger durch den Verkaufspreiserlös befriedigt werden könnten. Die Antragsgegnerin forciere lediglich die vorläufige Sicherung bis zur Entscheidung in der Hauptsache. Eine Vollstreckung im Zuge der Zwangsversteigerung strebe sie bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht an. Die vom Verwaltungsgericht (BA S. 30) vorgetragenen irreversiblen Schäden durch eine Zwangsversteigerung träten im Falle eines eigenen Verkaufes des Antragstellers nicht ein.
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2. Mit diesen vorgetragenen Beschwerdegründen vermag die Antragsgegnerin nicht darzulegen, dass zum aktuellen Zeitpunkt trotz der zu ihren Gunsten eingetragenen Zwangssicherungshypotheken eine Vereitelung der Befriedigung ihrer etwaig bestehenden Schadenersatzforderungen gegenüber dem Antragsteller drohen würde. Dabei wird nicht verkannt, dass mit Blick auf die Forderungshöhe von 286.827,15 Euro die fiskalischen Interessen der Antragsgegnerin hinreichend gewichtig sind.
7
Durch die Eintragung der Zwangshypothek in das Grundbuch (§ 867 Abs. 1 ZPO, § 13 GBO) hat sich die Antragsgegnerin den Zugriff auf die Grundstücke als verwertbares Vermögen dinglich gesichert. Sie ist damit der Gefahr, ihre geltend gemachte Schadensersatzforderung aufgrund der Veräußerung der Grundstücke durch den Antragsteller nicht mehr realisieren zu können, wirksam entgegengetreten. Bei einem freihändigen Verkauf des Grundstücks durch den Antragsteller wird der Käufer regelmäßig eine völlige Lastenfreistellung verlangen. Aufgrund der eingetragenen Zwangshypothek ist hierfür aber die Löschungsbewilligung des Hypothekengläubigers (Antragsgegnerin) erforderlich (§ 875 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 19 GBO). Eine solche wird die Antragsgegnerin indes von der Zahlung der geschuldeten Forderung abhängig machen. Damit ist die Antragsgegnerin in der Lage, den freihändigen lastenfreien Verkauf des Grundstücks zu verhindern. Entsprechend teilte der Notar am 23. Dezember 2022 dem Ersten Bürgermeister mit (Aktenvermerk v. 5.1.2023), dass geplant sei, vor dem Notartermin alle eingetragenen Gläubiger zu kontaktieren und abzufragen, ob eine „Zustimmung zum Verkauf“ erfolgen werde. Im Rahmen dessen hat die Antragsgegnerin die Möglichkeit, ihre „Zustimmung“ zu verweigern.
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Wird die Löschungsbewilligung durch die Antragsgegnerin nicht erteilt, hat der Erwerber – ggf. unter Anrechnung auf den Kaufpreis – die Zwangshypothek als dinglicher Rechtsnachfolger zu übernehmen. Auch in diesem Fall ist die Antragsgegnerin hinreichend abgesichert. Dabei wird nicht verkannt, dass nach einer Veräußerung wegen § 17 ZVG ein gesonderter dinglicher Duldungstitel gemäß § 1147 BGB gegen den neuen Eigentümer für eine Zwangsversteigerung und/oder Zwangsverwaltung erforderlich sein wird (BGH, B.v. 23.6.2021 – VII ZB 37/20 – juris Rn. 20).
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Die Beschwerdebegründung enthält weder Anhaltspunkte zur Höhe einer vermeintlich vorrangigen Grundschuld der Hausbank hinsichtlich des bebauten Grundstücks noch zur Höhe der dieser zugrundeliegenden offenen Darlehensforderung. Dadurch legt sie nicht zureichend dar (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), dass der Antragsgegnerin – insbesondere vor dem Hintergrund eines zu erwartenden Verkaufserlöses in Höhe von 360.000 Euro – unter dem Gesichtspunkt der Vollstreckungsgefährdung ein dauerhafter Ausfall bis zur vollen Höhe des gegebenenfalls zustehenden Betrages drohen kann. Mit ihrer Anregung, der Senat möge die Akten zum notariellen Kauf des Grundstücks des Antragstellers vom beauftragten Notariat beiziehen, verkennt die Antragsgegnerin die ihr zukommende Darlegungspflicht aus § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO. Im Übrigen würde auch eine erfolgreiche Beschwerde nicht zu einer verbesserten Rangstelle der Antragsgegnerin gegenüber vorrangigen Gläubigern führen. Sollte sich eine vorrangige Grundschuld in eine Eigentümergrundschuld wandeln, könnte die Antragsgegnerin deren Löschung verlangen (§ 1179a Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1192 Abs. 1 BGB).
10
Im Zeitpunkt der Entscheidung ist daher davon auszugehen, dass mit Blick auf die Vermögenslage des Antragstellers eine Befriedigung der öffentlichen Hand erreicht werden kann. Demgegenüber kann die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen (bei Versteigerung) nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zwar ginge damit kein endgültiger Vermögensverlust einher; dem Antragsteller würde jedoch unumkehrbar der Zugriff auf sein Grundeigentum entzogen. Damit ist ihm die endgültige Verwertung der Grundstücke vor Abschluss des gerichtlichen Hauptsacheverfahrens nicht zuzumuten (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2009 – 22 CS 07.1502 – juris Rn. 23).
11
Aus dem Vortrag, der Antragsteller habe der Kaufinteressentin mitgeteilt, dass er nach den Verkäufen (seiner beiden Grundstücke) plane, in die „Privatinsolvenz“ zu gehen, ergibt sich nichts anderes, weil dies die dingliche Sicherung der Schadensersatzforderung durch die eingetragene Zwangshypothek unberührt lässt. Darüber hinaus steht die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens weder unmittelbar bevor (geplanter Verkauf den Nebengrundstücks „erst nach der Scheidung“, vgl. Aktenvermerk v. 5.1.2023) noch im freien Ermessen des Antragstellers (zu den strengen rechtlichen Voraussetzungen vgl. § 305 InsO).
12
Das Interesse der Antragsgegnerin überwiegt auch nicht deshalb das Interesse des Antragstellers, weil die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Leistungsbescheid gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zu einer Umwandlung der Zwangshypothek in eine Eigentümergrundschuld nach Art. 26 Abs. 7 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) i.V.m. § 868 ZPO geführt hätte. Denn eine entsprechende Anwendung des § 868 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 26 Abs. 7 VwZVG kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil die gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO (anders als § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO) wegen ihres rechtsgestaltenden Inhalts, der einer Vollstreckung nicht bedarf, schon keine „vollstreckbare Entscheidung“ darstellt (NdsOVG, U.v. 22.1.1974 – II A 124/73 – DÖV 1974, 822; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: August 2022; § 168 Rn. 8; Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 80 Rn. 205; Heckmann in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 168 Rn. 31; Külpmann in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 1013). Selbst wenn durch den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die vorläufige Einstellung der (Verwaltungs) Vollstreckung gemäß Art. 22 Nr. 1 VwZVG angeordnet worden sein sollte (Käß in Giehl/Adolph/Käß, Kommentar zum BayVwVfG und VwZVG, Stand: November 2022, Art. 22 VwZVG Rn. 6), fehlt es für den Erwerb der Zwangshypothek durch den Eigentümer an der gerichtlich angeordneten Aufhebung der erfolgten Vollstreckungsmaßregeln im Sinne des § 868 Abs. 2 ZPO. Die Einstellung wirkt nur für die Zukunft. Bereits durchgeführte Vollstreckungsmaßnahmen bleiben an sich unberührt (Harrer/Kugele/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, VwZVG, Stand März 2022, Art. 22 Rn. 4; Käß a.a.O. Art. 22 Rn. 2, 16). Die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO wurde durch das Verwaltungsgericht nicht angeordnet.
13
3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).
14
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).