Titel:
Unwirksamer vorhabenbezogener Bebauungsplan für großflächigen Lebensmittelmarkt
Normenketten:
VwGO § 47
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 12
BauNVO § 11 Abs. 3 S. 1
BayLEP Anl. zu § 1 Nr. 5.3.1, Nr. 5.3.2
Leitsätze:
1. Zu der Verkaufsfläche eines großflächigen Lebensmittelmarktes gehört auch die im Eingangsbereich liegende Fläche für einen Backshop mit Sitzbereich; die Außenverzehrfläche ist mit zu berücksichtigen. Bei den Verzehrflächen, die auch für die Kunden des Marktes zugänglich sind, steht nicht eine gastronomische Nutzung im Vordergrund, sondern die Vermarktung der im Markt und Backshop angebotenen Produkte. (Rn. 27 – 28)
2. Soweit Freiflächen als Verkaufsfläche zu berücksichtigen sind, ist die gesamte Fläche als Verkaufsfläche anzusetzen, eine nur anteilige Berücksichtigung ist nicht möglich. (Rn. 29)
1. Die ruhige Wohnlage, die einem an den bisherigen Außenbereich angrenzenden Grundstück im allgemeinen faktisch zukommt, begründet als solche keine Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren, denn einen Rechtsanspruch oder ein schutzwürdiges Interesse auf Beibehaltung dieser Außenbereichslage gibt es nicht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für den Fall, dass der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht gesondert ausgefertigt und zudem nicht mit dem ausgefertigten Regelungsteil körperlich fest verbunden ist, liegt eine für die Wirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ordnungsgemäße Ausfertigung nur dann vor, wenn zwischen dem ausgefertigten Teil und dem nicht ausgefertigten Vorhaben- und Erschließungsplan eine „gedankliche Schnur“ besteht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das private Interesse eines konkurrierenden Geschäftsbetriebs an der für ihn vorteilhaften Situation ist bei der im Rahmen der Planung eines Sondergebiets gebotenen Abwägung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Der einzelne Gewerbetreibende hat weder einen Anspruch darauf, dass eine vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtert wird, noch ist sein dahingehendes Interesse schutzwürdig, weil er mit neuer Konkurrenz ständig rechnen muss. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorhabenbezogener Bebauungsplan, Ausfertigungsmangel, Großflächiger Einzelhandelsbetrieb, Überschreitung der zulässigen Verkaufsfläche durch einen Backshop mit Cafe/Imbiss, Anteilige Anrechnung von Freiflächen, Städtebaulich integrierter Standort, Abwägung, Wohnlage angrenzend an den Außenbereich, gedankliche Schnur, Ziele der Raumordnung
Fundstellen:
BayVBl 2023, 409
LSK 2023, 2733
NVwZ-RR 2023, 517
BeckRS 2023, 2733
Tenor
I. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan mit integrierter Grünordnung „Sondergebiet Lebensmittelmarkt R. – südöstlich der Mehrzweckhalle“, bekanntgemacht am 30. Oktober 2020, ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit integrierter Grünordnung „Sondergebiet Lebensmittelmarkt R. – südöstlich der Mehrzweckhalle“, den die Antragsgegnerin am 13. Oktober 2020 als Satzung beschlossen und am 30. Oktober 2020 bekannt gemacht hat.
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Das Plangebiet liegt am südlichen Ortsrand der Gemeinde R. und umfasst eine Fläche von ca. 1,19 ha. Die Außenbereichsfläche wird im Osten durch die T. Straße begrenzt, im Westen grenzt ein großzügiger Kinderspielplatz an und im Süden schließen landwirtschaftliche Flächen an. Nördlich des Plangebiets besteht eine Einfamilienhausbebauung, die vom Antragsteller mit einem Nießbrauchsrecht genutzt wird, sowie im Nordwesten eine Turn- und Mehrzweckhalle. Weiter westlich befindet sich der neue Kindergarten der Gemeinde. Im Norden folgen ein Vereinsheim, das Rathaus und die Grundschule der Gemeinde. Östlich der T. Straße befindet sich Wohnbebauung.
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Die Standortentscheidung für das Planvorhaben war das Ergebnis eines Bürgerentscheids zum Thema „Lebensmittelmarkt in R.“, als Alternativfläche stand eine Fläche westlich des Friedhofs zur Diskussion. Ziel und Zweck der Planung ist es nach der Begründung des Bebauungsplans, unter dem Aspekt einer geordneten städtebaulichen Entwicklung sowie unter besonderer Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange im Plangebiet ein funktions- und sachgerechtes Angebot an Einzelhandelsflächen in der Gemeinde bereitzustellen und langfristig zu sichern. Damit werde ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der Versorgung mit Gütern des Grundbedarfs sowie zum Erhalt und zur Schaffung wohnortnaher Arbeitsplätze geleistet.
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Mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan soll ein zweigeschossiger Baukörper mit teilweise begrüntem Flachdach verwirklicht werden. Als Nutzung sind für das Erdgeschoss ein Lebensmitteleinzelhandelsmarkt als Vollsortimenter, der der Nahversorgung dient und für den eine maximale Gesamtverkaufsfläche von 1.200 m² festgesetzt ist, vorgesehen; weiter soll ein Backshop mit Cafe/Imbiss und Freisitzfläche errichtet werden. Im zurückversetzten Dachgeschoss sollen 9 Wohnungen und 2 Büros entstehen. Der Eingangsbereich des Lebensmittelmarkts ist zur T. Straße hin orientiert, die Erschließung des Vorhabens erfolgt über einen neuen Anschluss an die T. Straße, der südöstlich des Baukörpers situiert ist. Im Süden und im Westen des Plangebiets sind Stellplatzflächen vorgesehen, weiter ist eine Tiefgarage für die Bewohner bzw. Gewerbetreibenden geplant. Die Tiefgaragenrampe ist im nordwestlichen Bereich angeordnet. Zur nördlich angrenzenden Wohnbebauung ist ein drei Meter breiter Grünstreifen als Pufferfläche festgesetzt, der mit Strauchgruppen zu bepflanzen ist. Die erforderliche Ausgleichsfläche für das Vorhaben schließt im Süden an und ist Teil des Plangebiets. Ein Vorhaben- und Erschließungsplan ist Bestandteil des Bebauungsplans und besteht aus 7 Einzelplänen. Mit Durchführungsvertrag vom 17. September 2020 hat sich die Beigeladene zur Errichtung des Vorhabens verpflichtet.
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Der Planung liegen eine Baugrunduntersuchung, eine verkehrstechnische Stellungnahme, eine schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung, eine Auswirkungsanalyse, eine Sonnenstudie sowie ein Gutachten zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung zugrunde. Nach dem im Bebauungsplanverfahren eingeholten schalltechnischen Gutachten werden die Immissionsrichtwerte der TA Lärm an sämtlichen maßgebenden Immissionsorten eingehalten. Für das Wohnhaus, das der Antragsteller mit seinem Nießbrauchsrecht nutzt, liege eine maximale Lärmeinwirkung durch den Edeka-Markt mit Cafe von tags 50 dB(A) sowie nachts 35 dB(A) vor, so dass bei Annahme der Werte für ein Misch- bzw. Dorfgebiet die Lärmrichtwerte um 10 dB(A) unterschritten würden. Die Berechnung für 5 oberirdische Anwohnerstellplätze und 19 geplante Stellplätze in der Tiefgarage ergebe einen Beurteilungspegel von maximal 37 dB(A) tags und 35 dB(A) nachts, so dass auch hier eine deutliche Unterschreitung der Lärmrichtwerte bestehe. Für den durch den Edeka-Markt verursachten anlagenbezogenen Verkehr ergebe sich auf der T. Straße eine Erhöhung der Verkehrsgeräuschbelastung um maximal 1,2 dB(A) tags und 1,1 dB(A) nachts. Dabei sei keine Aufteilung des Verkehrs nach Norden und Süden berücksichtigt, sondern davon ausgegangen worden, dass sich der Zusatzverkehr jeweils komplett nach Norden oder Süden verteile. Auch sei die Verkehrszunahme auf die Nacht umgerechnet worden, obwohl in dem Edeka-Markt nachts keine Nutzung stattfinde.
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Der Antragsteller hat im Aufstellungsverfahren Einwendungen erhoben.
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Er stellte am 4. Januar 2021 einen Normenkontrollantrag und beantragte,
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den vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Sondergebiet Lebensmittelmarkt R. – südöstlich der Mehrzweckhalle“ für unwirksam zu erklären.
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Die Planung verletze ihn als dinglich Berechtigten des an das Plangebiet angrenzenden Wohngrundstücks in abwägungsrelevanten Belangen. Es liege eine planbedingte Zunahme von Verkehrslärm vor, die über die Bagatellgrenze hinausgehe. Die schalltechnische Untersuchung gehe auch zu Unrecht davon aus, dass seinem Grundstück der Schutzanspruch eines Dorfgebiets zuzusprechen sei, in der näheren Umgebung befänden sich nur Nutzungsarten, die in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässig seien. In der Abwägung sei zudem nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass eine erhebliche Verschlechterung der Aussichtslage und eine massive Beeinträchtigung der Wohnqualität durch den massiven Baukörper eintrete. Der Bebauungsplan sei unter Verstoß gegen § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB zustande gekommen; die Bekanntmachung vom 12. August 2020 habe diesen Anforderungen nicht genügt. Es sei nicht erkennbar, welche dem Gemeinwohl und dem öffentlichen Interesse dienenden Zwecke und städtebaulichen Ziele die Antragsgegnerin mit diesem Bebauungsplan tatsächlich verfolge. Es werde keine Rücksicht auf eine drohende Existenzgefährdung der vorhandenen, der Nahversorgung dienenden Geschäfte in R. genommen. Die streitgegenständliche Planung widerspreche den Vorgaben im Ortsentwicklungsplan, der vorsehe, zur Verringerung der Inanspruchnahme von Grund und Boden vorrangig vorhandene Potenziale zu nutzen, um den Flächenverbrauch zu reduzieren und die Außenbereiche zu schonen. Die problematische Verkehrssituation aufgrund des unübersichtlichen Kreuzungsbereichs mit abknickender Vorfahrt im Bereich des Rathauses werde durch das durch den großflächigen Einzelhandelsbetrieb zu erwartende zusätzliche Verkehrsaufkommen zusätzlich verschärft. Auch naturschutzrechtliche Gründe sprächen gegen die geplante Bebauung. Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. habe eine mit Gehölzen locker bepflanzte Biotopverbundschneise mit 10 Meter Breite auf der Westseite des Baugrundstücks ab dem nordwestlichen Eck der Turnhalle gefordert. Zum Vorkommen von Fledermäusen seien keine eigenen Erhebungen und Erkundungen vor Ort erfolgt, allein an seinem Anwesen gebe es zwei bewohnte und genutzte Fledermauskäsen. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Relevanzprüfung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass im Plangebiet oder dessen Umkreis keine prüfungsrelevanten Reptilienarten vorkommen würden, obwohl es in dem Gehölzstreifen an der Westseite ein schützenswertes Vorkommen von Waldeidechsen gegeben habe. Es liege eine Verletzung des bei der Abwägung zu wahrenden Rücksichtnahmegebots vor. Der geplante Baukörper mit einer Länge von über 70 m und einer im Plan angegebenen seitlichen Wandhöhe von 8,50 m bezogen auf NN = 495,55, wobei das Gelände tatsächlich bei NN = 493,75 liege, habe eine erdrückende Wirkung auf sein Wohngebäude. Aufgrund der Länge und Höhe des geplanten Baukörpers werde sein Garten künftig den überwiegenden Teil des Tages im Schatten liegen und es komme auch zu einer starken Verschattung des Wohngebäudes.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Bebauungsplan weise keine Fehler auf, die zu seiner Unwirksamkeit führten. In der genannten Bekanntmachung seien die Arten umweltbezogener Informationen nach Themenblöcken gegliedert und jeweils schlagwortartig charakterisiert worden. Mit dem Bebauungsplan würden legitime städtebauliche Ziele verfolgt. Es sei Ziel der Bauleitplanung, einen Einzelhandelsstandort in städtebaulich integrierter Lage zu entwickeln, um die Nahversorgung in R. zu sichern. Weiter solle die Planung einen Beitrag zur Stärkung der lokalen Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation sowie der Wohn- und Standortqualität der Gemeinde R. leisten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf vorhandene Geschäfte seien in der eingeholten Auswirkungsanalyse untersucht worden. Die Bebauungsplanfläche sei im Gemeindeentwicklungsplan als Baufläche vorgesehen. Es sei u.a. auch Ziel des Gemeindeentwicklungsplans, die bauliche Entwicklung auf die Hauptorte zu lenken und eine maßvolle Ausweisung zusätzlicher Gewerbeflächen für zukunftsorientiertes und nicht störendes Gewerbe sowie Dienstleistungen im Ortsteil R. und N. zu ermöglichen. Die eingeholte verkehrstechnische Stellungnahme sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der unsignalisierte Knotenpunkt S.T. Straße die Verkehrsmehrbelastung durch den Edeka-Markt und die Wohnungen in allen Spitzenstunden leistungsfähig aufnehmen könne. Zu Fledermäusen seien keine Bestandserhebungen durchgeführt worden, weil eine Betroffenheit dieser Artengruppe im Rahmen der Relevanzprüfung bereits habe ausgeschlossen werden können. Die Relevanzprüfung stütze sich auf die Daten der Artenschutzkartierung des Bayerischen Landesamts für Umwelt. Die erwähnten Fledermausnachweise auf dem Grundstück des Antragstellers seien wohl nicht gemeldet worden. Zudem sei das Gebiet im Rahmen einer Habitatstruktur-Kartierung am 18. März 2019 begangen worden. Bei dieser Begehung seien im Plangebiet keine potentiellen Fortpflanzungs- und Ruhestätten von Fledermäusen nachgewiesen worden. Im Rahmen von Bestandserhebungen mit 5 Begehungsterminen hätten auch keine Nachweise für prüfungsrelevante Reptilienarten erbracht werden können, weder für die Zauneidechse noch für die Waldeidechse. Zudem sei die Waldeidechse nicht streng geschützt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 14 BNatschG und damit nicht relevant im Sinn der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung. Die vom Antragsteller genannte erdrückende Wirkung liege nicht vor. Der Abstand vom Edeka-Markt zum Anwesen des Antragstellers betrage ca. 27,5 m, wobei das Gebäude höhenmäßig gestaffelt sei und zum Anwesen des Antragstellers zunächst nur eine Höhe von 5,10 m aufweise. Die erstellte Verschattungsstudie habe ergeben, dass die Vorgaben der DIN 5034 eingehalten würden. Zudem sei der Baukörper mit der Planung um 3 m weiter nach Süden verschoben worden, so dass sich im Vergleich zur Verschattungsstudie noch eine erhebliche Verbesserung in Bezug auf die Besonnungssituation einstellen werde.
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Die Vorhabenträgerin wurde auf ihren Antrag zum Verfahren beigeladen. Auf ihren Schriftsatz vom 21. Februar 2022 wird Bezug genommen.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Normaufstellungsakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der zulässige Antrag hat Erfolg.
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1. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Wer sich als Eigentümer eines außerhalb des Bebauungsplangebiets gelegenen Grundstücks gegen einen Bebauungsplan wendet, muss aufzeigen, dass sein aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) folgendes Recht verletzt sein kann (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2013 – 4 BN 13.13 – ZfBR 2014, 159). Dem Eigentümer ist in Bezug auf die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO grundsätzlich gleichzustellen, wer in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich berechtigt ist, wie etwa der Nießbraucher (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2013 – 4 BN 15.13 – BauR 2014, 90; U.v. 14.5.1992 – 4 C 9.89 – NVwZ 1993, 477). Die Antragsbefugnis ist jedoch dann nicht gegeben, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 28.10.2020 – 4 BN 44.20 – juris Rn. 7; B.v. 12.1.2016 – 4 BN 11.15 – ZfBR 2016, 263). Eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms auch unterhalb der Grenzwerte gehört grundsätzlich zum Abwägungsmaterial und kann damit die Antragsbefugnis des Betroffenen begründen. Anderes gilt, wenn der Lärmzuwachs nur geringfügig ist, d.h. über die Bagatellgrenze nicht hinausgeht, oder sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirkt (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – BauR 2020, 1767). Es bedarf einer wertenden Betrachtung der konkreten Verhältnisse unter Berücksichtigung der jeweiligen Vorbelastung und der Schutzwürdigkeit des jeweiligen Gebiets (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2018 – 4 BN 28.17 – BauR 2018, 1724).
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Es kann dahingestellt bleiben, ob die zunächst vom Antragsteller nur geltende gemachte Beeinträchtigung seines Grundstücks durch den massiven Baukörper für eine Antragsbefugnis genügt hätte. Nach seinem ergänzenden Vortrag ergibt sich eine Antragsbefugnis aus der planbedingten Zunahme des Verkehrslärms. Mit der prognostizierten Erhöhung der Verkehrsbelastung durch das Vorhaben von 3.703 Kfz/24h auf 5.455 Kfz/24h (jeweils für das Prognosejahr 2030) liegt ein nicht nur geringfügiger Lärmzuwachs vor; nach der worst-case Betrachtung des schalltechnischen Gutachtens wird die Bagatellgrenze von 1 dB(A) durch den anlagenbezogenen Verkehr überschritten. Weiter kritisiert der Antragsteller die Einstufung der Umgebungsbebauung als Mischgebiet. Ob eine Fehlgewichtung seiner Belange auch angesichts der Schutzwürdigkeit des Gebiets, in dem das Grundstück des Antragstellers liegt, ausscheidet, ist nicht im Rahmen der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags zu prüfen. Die Anforderungen an die Antragsbefugnis dürfen nicht überspannt werden. Die ruhige Wohnlage, die einem an den bisherigen Außenbereich angrenzenden Grundstück im allgemeinen faktisch zukommt, begründet als solche keine Antragsbefugnis, denn einen Rechtsanspruch oder auch nur ein schutzwürdiges Interesse auf Beibehaltung dieser Außenbereichslage gibt es nicht (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 4 CN 1.98 – NVwZ 2000, 807). Auch eine Grundstückswertminderung stellt keinen eigenständigen Abwägungsposten dar (vgl. BVerwG, B.v. 9.2.1995 – 4 NB 17.94 – NVwZ 1995, 895).
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2. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan leidet an einem Ausfertigungsmangel (2.1.). Weiter widerspricht die Planung den Zielen der Raumordnung, indem sie eine Überschreitung der maximalen Verkaufsfläche von 1.200 m² für einen Lebensmitteleinzelhandelsmarkt durch einen Backshop mit Cafe/Imbiss und Freisitzfläche zulässt. Auch die textliche Festsetzung in C 1.4, wonach überdachte Freiflächen zu 50%, nicht überdachte Freiflächen zu 25% auf die Verkaufsfläche angerechnet werden, ist nicht zulässig (2.2.). Die textliche Festsetzung in C 1.6.1 verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot (2.3.). Ein Abwägungsmangel liegt im Hinblick auf die Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005 für die Nacht hinsichtlich einer Dachgeschosswohnung vor (2.4.). Die vorliegenden Mängel führen zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.
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2.1. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist aufgrund eines von Amts wegen zu prüfenden, gegen Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO verstoßenden Ausfertigungsmangels formell unwirksam.
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Mit der Ausfertigung wird die Satzung als Originalurkunde hergestellt und beglaubigt, dass die Satzung, so wie sie vorliegt, vom Gemeinderat beschlossen worden ist (vgl. BverwG, B.v. 4.3.2021 – 4 B 40.20 – juris Rn. 3). Der Vorhaben- und Erschließungsplan ist Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans (§ 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Er muss zum Gegenstand des Beteiligungsverfahrens und des Satzungsbeschlusses gemacht werden (vgl. BVerwG, U.v. 9.2.2017 – 4 C 4.16 – BVerwGE 157, 315). Der Vorhaben- und Erschließungsplan muss als Bestandteil der Satzung auch ausgefertigt und bekannt gemacht werden (vgl. OVG SH, U.v. 22.11.2021 – 1 KN 13/16 – juris Rn. 48; BayVGH, B.v. 20.1.2021 – 15 CS 20.2892 – NVwZ-RR 2021, 522; U.v. 11.5.2018 – 15 N 17.1175 – juris Rn. 31).
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Vorliegend besteht der Vorhaben- und Erschließungsplan aus insgesamt 7 Plänen (Lageplan, Freiflächengestaltung, Ansichten, Grundriss Kellergeschoss, Grundriss Erdgeschoss, Grundriss Obergeschoss/Zwischengeschoss, Schnitte) und war mit diesem Umfang Gegenstand der Beteiligungsverfahren und des Satzungsbeschlusses. Der in-Kraftgesetzten Fassung liegen jedoch nur 2 Pläne, der Lageplan und Freiflächengestaltungsplan, bei. Damit liegt bereits ein Ausfertigungsmangel vor, da nicht der vollständige Vorhaben- und Erschließungsplan ausgefertigt wurde. Auch die bisher der Originalfassung des Bebauungsplans beiliegenden Pläne wurden nicht ordnungsgemäß ausgefertigt.
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Für den Fall, dass der Vorhaben- und Erschließungsplan wie vorliegend nicht gesondert ausgefertigt und zudem nicht mit dem ausgefertigten Regelungsteil körperlich fest verbunden ist, liegt eine für die Wirksamkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ordnungsgemäße Ausfertigung nur dann vor, wenn zwischen dem ausgefertigten Teil und dem nicht ausgefertigten Vorhaben- und Erschließungsplan eine „gedankliche Schnur“ besteht (vgl. BayVGH, B.v. 20.1.2021 – 15 CS 20.2892 – NVwZ-RR 2021, 522). Diese Verbindung fehlt jedoch zwischen dem ordnungsgemäß ausgefertigten Plan- und Textteil und dem Lage- und Freiflächengestaltungsplan des Vorhaben- und Erschließungsplans. Zwar stimmt jeweils das Plandatum überein, es fehlt aber auf der ausgefertigten Planzeichnung mit den textlichen Festsetzungen jegliche Bezugnahme auf den Vorhaben- und Erschließungsplan; es wird in der textlichen Festsetzung C 1.1 lediglich auf den Durchführungsvertrag Bezug genommen, der im Gegensatz zum Vorhaben- und Erschließungsplan allerdings nicht inhaltlicher Bestandteil des Bebauungsplans ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.5.2018 – 15 N 17.1175 – juris Rn. 32). Damit ist die erforderliche eindeutige Zuordnung zur Gesamtsatzung nicht möglich.
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2.2. Die Planung steht mit der zulässigen Überschreitung einer Gesamtverkaufsfläche von 1.200 m² im Widerspruch zu Zielen der Raumordnung.
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Nach § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Dies bedeutet, dass die Ziele der Raumordnung in der Bauleitplanung zwar je nach dem Grad ihrer Aussageschärfe konkretisierungsfähig sind, nicht aber im Wege der Abwägung überwunden werden können. Sie sind in der Bauleitplanung als verbindliche Vorgaben hinzunehmen (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2017 – 4 BN 3.17 – BauR 2018, 634). Ziele der Raumordnung sind verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Raumordnung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG, Art. 2 Nr. 2 BayLplG). Nach Nr. 5.3.1 der Anlage zu § 1 der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) dürfen Flächen für Betriebe im Sinn des § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO sowie für Agglomerationen (Einzelhandelsgroßprojekte) nur in zentralen Orten ausgewiesen werden. Abweichend sind nach Alternative 1 Ausweisungen in allen Gemeinden für Betriebe bis 1.200 m² Verkaufsfläche zulässig, die ganz überwiegend dem Verkauf von Waren des Nahversorgungsbedarfs dienen. Nr. 5.3.1 beinhaltet ein verbindliches Ziel der Landesplanung; die atypischen Sachverhalte, bei deren Vorliegen eine Abweichung zulässig sein soll, sind in der Zielbestimmung hinreichend konkret umschrieben (vgl. BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 15 N 15.1201 – VGH BY 69, 220). Die Antragsgegnerin ist kein zentraler Ort, so dass Einzelhandelsbetriebe des Nahversorgungsbedarfs bis zu einer Verkaufsfläche von 1.200 m² zulässig sind.
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2.2.1. Die Flächen des vorgesehenen Backshops mit Cafe/Imbiss und Freisitzfläche sind entgegen den Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans bzw. der Planung im Vorhaben- und Erschließungsplan bei der zulässigen Verkaufsfläche von 1.200 m² zu berücksichtigen. Freiflächen können, soweit sie bei der Verkaufsfläche anzusetzen sind, nicht nur anteilig berücksichtigt werden.
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Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans sind in dem ausgewiesenen Sondergebiet „großflächiger Einzelhandel/Wohnen/Büro“ folgende Nutzungen zulässig: ein Lebensmitteleinzelhandelsmarkt als Vollsortimenter, der der Nahversorgung dient, mit einer Gesamtverkaufsfläche von höchstens 1.200 m² (C 1.2.1), ein Backshop mit Cafe/Imbiss und Freisitzfläche (C 1.5) sowie im 1. Obergeschoss Büronutzung und Wohnen (C 1.6). Nach diesen Festsetzungen kann der Backshop mit Cafe und Freisitzfläche zusätzlich zu der maximal zulässigen Verkaufsfläche des Lebensmittelhandelsmarkts errichtet werden. Da der Lebensmittelmarkt nach dem Vorhaben- und Erschließungsplan – Grundriss Erdgeschoss – mit dem Backshop mit Cafe und Freisitzfläche eine Verkaufsfläche von 1.200 m ² überschreitet, ist auch keine Auslegung dahingehend möglich, dass die Flächen mit der Planung zusammen bewertet wurden (vgl. insoweit die Abwägungsentscheidung vom 4.8.2020). Dies verstößt jedoch gegen die Flächenbeschränkung für Einzelhandelsbetriebe nach Nr. 5.3.1 der Anlage zu § 1 LEP für nicht zentrale Orte, da es sich bei dem Lebensmitteleinzelhandelsmarkt und dem Backshop mit Cafe/Imbiss und Freisitzfläche um einen Betrieb im Sinn von § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO handelt.
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Ob es sich um einen einzigen oder um mehrere Betriebe im Sinn von § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO handelt, bestimmt sich nach baulichen und betrieblich-funktionellen Gesichtspunkten. Ein Einzelhandelsbetrieb ist nur dann als selbständig anzusehen, wenn er unabhängig von anderen Betrieben genutzt werden kann und deshalb baurechtlich auch als eigenständiges Vorhaben genehmigungsfähig wäre. Hierfür muss die Verkaufsstätte jedenfalls einen eigenen Eingang, eine eigene Anlieferung und eigene Personalräume haben; sie muss unabhängig von anderen Betrieben geöffnet und geschlossen werden können. Ohne Bedeutung hingegen ist, wer rechtlich oder wirtschaftlich Betreiber ist. Die Frage der bauplanungsrechtlichen Selbständigkeit ist auch unabhängig davon zu beurteilen, ob Selbstbedienung, Bedienung durch Personal oder eine Mischform erfolgt und wie die dementsprechenden Bereiche innerhalb der Betriebsfläche voneinander abgegrenzt sind. Die Verkaufsflächen baulich und funktionell eigenständiger Betriebe können grundsätzlich nicht zusammengerechnet werden. Das gilt indes nicht uneingeschränkt. Ist innerhalb eines Gebäudes die Betriebsfläche baulich in mehrere selbständig nutzbare betriebliche Einheiten unterteilt, bilden diese Einheiten gleichwohl einen Einzelhandelsbetrieb im Sinn des § 11 Abs. 3 BauNVO, wenn die Gesamtfläche durch einen Einzelhandelsbetrieb als „Hauptbetrieb“ geprägt wird und auf den baulich abgetrennten Flächen zu dessen Warenangebot als „Nebenleistung“ ein Warenangebot hinzutritt, das in einem inneren Zusammenhang mit der „Hauptleistung“ steht, diese jedoch nur abrundet und von untergeordneter Bedeutung bleibt (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 4 C 8.05 – BauR 2006, 648; U.v. 24.11.2005 – 4 C 14.04 – BVerwGE 124, 376). Als Betriebsbereich, der ein einem Lebensmittelmarkt zuzurechnendes Ergänzungsangebot darstellt und auch bei baulicher Selbstständigkeit für die Gesamtfläche zu berücksichtigen ist, gilt in der Rechtsprechung u.a. der Backshop (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 4 C 14.04 – a.a.O.; VGH BW, U.v. 11.2.2016 – 5 S 1389/14 – BauR 2016, 956; OVG NW, U.v. 29.5.2013 – 10 A 1144/11 – juris Rn. 33). Die Verkaufsfläche ist ein Maß, um die Attraktivität und damit die Wettbewerbsfähigkeit eines Betriebs typisierend zu erfassen. Sie ist diejenige Fläche, auf der Waren präsentiert und gekauft werden können. Dazu zählen auch die Flächen des Windfangs und des Kassenvorraums (einschließlich eines Bereichs zum Einpacken der Ware und Entsorgen des Verpackungsmaterials), ebenso die Bereiche, die vom Kunden zwar aus betrieblichen und hygienischen Gründen nicht betreten werden dürfen, in denen aber die Ware für ihn sichtbar ausliegt und in denen das Personal die Ware zerkleinert, abwiegt und abpackt. Freiflächen sind in der Regel nicht Teil der Verkaufsfläche. Etwas anderes gilt insbesondere, wenn solche Flächen in erheblichem zeitlichen Umfang unmittelbar dem Verkauf dienen, also auf ihnen Waren angeboten oder präsentiert werden (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2016 – 4 C 1.16 – NVwZ 2017, 640).
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Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei dem Lebensmitteleinzelhandelsmarkt und dem Backshop mit Cafe/Imbiss und Freisitzfläche um einen einheitlichen Betrieb, es liegen bereits keine bautechnisch selbständigen Einheiten vor. Der Backshop mit Sitzbereich ist nach dem Vorhaben- und Erschließungsplan in das Gebäude des Lebensmittelmarktes integriert, er befindet sich im Zugangsbereich des Marktes und verfügt nur über einen gemeinsamen Ein- und Ausgang mit dem Lebensmittelmarkt; der Thekenbereich des Backshops ist durch die Verkehrsfläche von dem Sitzbereich getrennt. Zwar könnte der Backshop unabhängig von dem Lebensmittelmarkt – z.B. an den Sonn- und Feiertagen – geöffnet werden, da nach den Angaben der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung eine Glastür zum Lebensmittelmarkt vorgesehen ist, was allerdings derzeit nicht beabsichtigt ist. Mit der Öffnung des Lebensmittelmarktes ist aber automatisch auch der Backshop mit Sitzbereich zugänglich bzw. geöffnet. Für die Verkaufsfläche des Marktes sind daher die Flächen des Backshops mitzurechnen. Das gilt nicht nur für die Verkaufsfläche des Backshops, sondern auch für den Sitzbereich mit der Außenverzehrfläche, die die Attraktivität des Marktes steigern (vgl. OVG NW, B.v. 15.4.2020 – 2 A 3319/19 – BauR 2020, 1751). Die Innensitzfläche ist Teil des Marktgebäudes und ermöglicht neben dem Einkauf im Markt und dem Backshop eine kurze Verweildauer für den Verzehr der gekauften Produkte. Sie prägt damit die Wettbewerbsfähigkeit des Marktes mit (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2016 – 4 C 1.16 – NVwZ 2017, 640). Das gilt auch für die Außenverzehrfläche. Diese wird nicht nur kurzfristig genutzt, die Nutzung ist lediglich witterungsbedingt in einigen Monaten eingeschränkt. Mit den Verzehrflächen steht nicht eine gastronomische Nutzung im Vordergrund, sondern die Vermarktung der angebotenen Produkte im Markt und im Backshop. Die Flächen sind geeignet, den Verkaufsvorgang zu fördern und Kunden – z.B. in einer kurzen Arbeitspause – zu gewinnen. Sie stellen auch nur einen untergeordneten Teil der Verkaufsfläche des Marktes dar. Damit ergibt sich nach dem detaillierten Vorhaben- und Erschließungsplan eine Gesamtfläche von mindestens 1234 m² (Verkaufsfläche 1093,97 m², Leergutannahme 5,85 m² – zur Berücksichtigung als Verkaufsfläche vgl. OVB Berl-Bbg, B.v. 7.12.2018 – OVG 10 S 4.18 – juris Rn. 23, VGH BW, U.v. 11.2.2016 – 5 S 1389/14 – BauR 2016, 956 –, Ein- und Ausgang 26,56 m², Backshop Verkauf 18,58 m², Innensitzbereich 48,55 m², Außenverzehr – ohne Angabe im Plan – etwa 41 m²).
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Soweit die Freiflächen in der textlichen Festsetzung C 1.4 nur anteilig berücksichtigt werden, nicht überdachte Flächen wie die Außenverzehrfläche mit 25%, gibt es dafür keine Rechtsgrundlage. Es kann bei den Freiflächen nur danach differenziert werden, ob sie in erheblichem zeitlichen Umfang dem Verkauf dienen. Erfüllen sie diese Funktion, sind sie mit ihrer gesamten Fläche zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2016 – 4 C 1.16 – NVwZ 2017, 640). Soweit in der Abwägungsentscheidung vom 4. August 2020 darauf verwiesen wurde, dass die Gemeinde gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB beim Erlass eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht an den Festsetzungskatalog des § 9 BauGB gebunden sei, ist dies zwar richtig, gibt der Antragsgegnerin aber nicht das Recht, die Kriterien für die Großflächigkeit von Einzelhandelsbetrieben abweichend von der Regelung in Nr. 5.3.1 der Anlage zu § 1 LEP, die auf § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO Bezug nimmt, zu definieren; insoweit gilt der Vorrang des Gesetzes. Nach dem Vorhaben- und Erschließungsplan sind neben dem Außensitzbereich keine weiteren Freiflächen vorgesehen.
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2.2.2. Ein Verstoß gegen das Ziel in Nr. 5.3.2 der Anlage zu § 1 LEP, wonach die Flächenausweisung für Einzelhandelsprojekte an städtebaulich integrierten Standorten zu erfolgen hat (zum Zielcharakter vgl. BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 15 N 15.1201 – VGH BY 69, 220), liegt hingegen nicht vor. Die Antragsgegnerin ist zutreffend von einer städtebaulich integrierten Lage des Vorhabenstandorts ausgegangen.
31
In der landesplanerischen Beurteilung vom 21. Oktober 2019 wird ausgeführt, dass der gewählte Standort aufgrund seiner unmittelbar angrenzenden Lage an den Hauptort der Gemeinde die Kriterien eines fußläufigen Einzugsbereichs und einer ortsüblichen Anbindung an den ÖPNV durch die Nähe zu der Bushaltestelle an der S. Straße erfülle. Der Standort sei als städtebaulich integriert im Sinn von Nr. 5.3.2 LEP zu bewerten und damit grundsätzlich für die Ansiedlung eines Einzelhandelsbetriebs des Nahversorgungsbedarfs geeignet. In der von der Antragsgegnerin eingeholten Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung eines Edeka-Supermarktes wird zur städtebaulich integrierten Lage festgestellt, dass in R. entlang der T., S. und R. Straße verschiedene zentrenbildende Einrichtungen aus den Bereichen öffentliche Einrichtungen (Rathaus), Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistungen und Wohnen beständen. Eine Dichte, die es erlaube, von einem baurechtlich relevanten Versorgungsbereich zu sprechen, zeige sich entlang der S. Straße/R. Straße zwischen dem Rathaus im Süden und der Sparkasse im Norden. Der neu geplante Edeka-Supermarkt liege nahe des Rathauses und erweitere den zentralen Versorgungsbereich in südlicher Richtung. Diese Annahmen sind nicht zu beanstanden.
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Zentrale Versorgungsbereiche sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen – häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote – eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt. Sie können sich nicht nur aus planerischen Festschreibungen, sondern auch aus nachvollziehbar eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2007 – 4 C 7.07 – BVerwGE 129, 307). Ein zentraler Versorgungsbereich setzt keinen übergemeindlichen Einzugsbereich voraus. Auch ein Bereich, der auf die Grund- und Nahversorgung eines bestimmten örtlich begrenzten Einzugsbereichs zugeschnitten ist, kann eine zentrale Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus wahrnehmen. Der Zweck des Versorgungsbereichs besteht in diesem Fall in der Sicherstellung einer wohnortnahen Grundversorgung der im Einzugsbereich lebenden Bevölkerung. Entscheidend ist, dass der Versorgungsbereich nach Lage, Art und Zweckbestimmung eine für die Versorgung der Bevölkerung in einem bestimmten Einzugsbereich zentrale Funktion hat. „Zentral“ ist dabei nicht geographisch im Sinn einer Ortsmitte, sondern funktional zu verstehen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2009 – 4 C 2.08 – BVerwGE 136, 10; OVG NW, B.v. 22.4.2020 – 2 A 270/19 – juris Rn. 19).
33
Der in dem Gutachten angenommene zentrale Versorgungsbereich aus öffentlichen Einrichtungen, Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistern ist in der Abbildung 3 auf Seite 9 dargestellt. Er entspricht mit der Nord-Süd-Ausrichtung auch im Wesentlichen der Einschätzung der Antragsgegnerin im Gemeindeentwicklungsplan (vgl. S. 36). Die Gemeinde besteht aus einer Vielzahl von kleinen Ortsteilen, bei R. handelt es sich um den Hauptort. Das Vorhabengrundstück liegt in unmittelbarer Nähe des Ortszentrums mit Rathaus und Grundschule, es ist vom Rathaus nur ca. 60 m entfernt. Die bestehende Turn- und Mehrzweckhalle und der neue Kindergarten, die als gemeindliche Einrichtungen das Ortszentrum mitbestimmen, grenzen an das Vorhaben an bzw. grenzen es ein. Es besteht eine fußläufige Anbindung des Einzelhandelsprojekts an den Zentrumsbereich, der nach den Planvorstellungen entweder über die T. Straße mit Gehweg oder durch einen im Süden des Plangebiets festgesetzten Fußweg über die Fläche des Kinderspielplatzes erreichbar ist.
34
2.3. Der Bebauungsplan als Rechtsnorm und seine einzelnen Festsetzungen müssen dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Bestimmtheitsgebot entsprechen und deswegen hinreichend klar und unmissverständlich sein (vgl. BVerwG, B.v. 25.11.2021 – 4 BN 13.21 – BauR 2022, 603) Der planenden Gemeinde steht es dabei frei, zu entscheiden, welcher Mittel sie sich bedient, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Sie hat die Wahl zwischen zeichnerischer Festsetzung und textlicher Beschreibung; sie kann auch beide Elemente kombinieren. Entscheidend ist nur, dass – gegebenenfalls nach Auslegung – hinreichend klar ist, welche Regelungen mit welchem Inhalt normative Geltung beanspruchen (vgl. BayVGH, U.v. 18.2.2022 – 1 N 19.160 – juris Rn. 19 m.w.N.).
35
Diesen Anforderungen genügt die textliche Festsetzung in C 1.6.1 nicht. Danach ist im Obergeschoss innerhalb der Teilfläche A, für die ein Planzeichen vorgesehen ist, ausschließlich Büronutzung vorgesehen. Das Planzeichen, das bei der 2. Auslegung der Planunterlagen vom 22. Mai – 22. Juni 2020 noch in der Planzeichnung vorhanden war, fehlte aber bei der 3. Auslegung vom 20. August – 23. September 2020 und ist auch nicht in der ausgefertigten Fassung des Bebauungsplans enthalten. Damit kann der Bereich, der aus Gründen des Lärmschutzes oberhalb der Anlieferung nur Büronutzung vorsieht (vgl. S. 8 der Bebauungsplanbegründung), nicht bestimmt werden.
36
2.4. Weiter besteht ein beachtlicher Abwägungsmangel darin, dass die vereinzelte Überschreitung der Orientierungswerte der DIN 18005 – 1 „Schallschutz im Städtebau“ für ein Mischgebiet an der geplanten Wohnbebauung durch die Verkehrsbelastung der T. Straße bei der Abwägung der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt wurde. Zwar werden gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB beachtliche Mängel des Abwägungsvorgangs unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. Eine entsprechende Rüge ist durch den Antragsteller nicht erfolgt. Es genügt aber, wenn ein Dritter eine ausreichende Rüge erhoben hat. Die Fehlerrüge wirkt dann für jedermann („inter omnes“) und ist von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 16.12.2019 – 4 BN 16.19 – BauR 2020, 827; B.v. 2.1.2001 – 4 BN 13.00 – BauR 2001, 1888). Eine substantiierte Rüge ist in einem Parallelverfahren (Az. 1 N 21.25) erfolgt. Auch mit einem Schriftsatz in einem Normenkontrollverfahren, der der Gemeinde – wie hier – innerhalb der Jahresfrist zugeht, kann eine Rüge erfolgen (vgl. BVerwG, U.v. 14.6.2012 – 4 CN 5.10 – BVerwGE 143, 192).
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Welche Lärmbelastung einem Wohngebiet bzw. Wohngebäuden unterhalb der Grenze zu Gesundheitsgefahren zugemutet werden darf, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Orientierungswerte der DIN 18005-1 „Schallschutz im Städtebau“ sind dabei lediglich als Orientierungshilfe heranzuziehen. Je weiter die Orientierungswerte der DIN 18005 überschritten werden, desto gewichtiger müssen allerdings die für die Planung sprechenden Gründe sein und umso mehr hat die Gemeinde die baulichen und technischen Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr zu Gebote stehen, um diese Auswirkungen zu verhindern (vgl. BVerwG, B.v. 7.6.2012 – 4 BN 6.12 – BauR 2012, 1611; U.v. 22.3.2007 – 4 CN 2.06 – BVerwGE 128, 238).
38
Ausgehend von der prognostizierten Verkehrszunahme für das Jahr 2030 und der Erhöhung des anlagebezogenen Verkehrs durch das Vorhaben hat der schalltechnische Gutachter an der Ostseite der geplanten Wohnbebauung auf dem Marktgebäude Beurteilungspegel von 51 dB(A) bzw. 52 dB(A) ermittelt. Damit werden dort die schalltechnischen Orientierungswerte der DIN 18005 für ein Mischgebiet, das der Gutachter auch mit Berücksichtigung des Vorhabens zu Recht zugrunde gelegt hat (zur Einstufung der Umgebungsbebauung als Mischgebiet vgl. unter 3.3.2.), um bis zu 2 dB(A) überschritten, auf den anderen Seiten werden die Orientierungswerte eingehalten. Die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV für Mischgebiete in Höhe von 64/54 dB(A) tags/nachts werden an allen Hausfassaden eingehalten. Für die Überschreitung des Beurteilungspegels von 50 dB(A) nachts empfiehlt der Gutachter entsprechend der DIN 18005 (vgl. S. 17 des Gutachtens vom 7.6.2019) einen ausreichenden Luftaustausch für Schlaf- und Kinderzimmer durch schallgedämmte Belüftungseinrichtungen sicherzustellen (zu den in der DIN 18005 aufgezeigten Abhilfemöglichkeiten als Teil guter fachlicher Praxis, vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2007 a.a.O.). Er geht allerdings in seinem Gutachten davon aus, dass schutzbedürftige Schlafräume nur an der Nord- und Südfassade, an der keine Pegelüberschreitung vorliegt, entstehen, so dass keine Belüftungseinrichtungen erforderlich seien. Der Vorhaben- und Erschließungsplan – Grundriss Obergeschoss/Zwischengeschoss – sieht für die östliche Wohnung ein Schlafzimmer mit nur einem Fenster zur Ostfassade vor. Eine Abwägungsentscheidung, die sich mit passiven Schallschutzmaßnahmen oder der lärmabgewandten Situierung von Aufenthaltsräumen auseinandersetzt, fehlt aber.
39
3. Die vom Antragsteller geltend gemachten Mängel des vorhabenbezogenen Bebauungsplans liegen indessen nicht vor.
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3.1. Soweit behauptet wird, dass die Bekanntmachung vom 12. August 2020 den Anforderungen des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB nicht entspreche, ist das bereits nicht substantiiert gerügt.
41
Nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB wird auch eine nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BauGB beachtliche Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich, wenn der Mangel nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden ist. Dabei verlangt § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB Substantiierung und Konkretisierung. Der Gemeinde soll durch die Darlegung die Prüfung ermöglicht werden, ob Anlass besteht, in eine Fehlerbehebung einzutreten („Anstoßfunktion“ der Rüge). Das schließt eine nur pauschale Rüge aus (vgl. BVerwG, U.v. 20.1.2021 – 4 CN 7.19 – NVwZ 2021, 732). Indem der Antragsteller den Leitsatz der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2019 (4 CN 7.18 – BVerwGE 165, 387) wiedergibt, wonach § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB die Gemeinde verpflichte, die in den vorhandenen Stellungnahmen und Unterlagen behandelten Umweltthemen nach Themenblöcken zusammenzufassen und diese in der Auslegungsbekanntmachung schlagwortartig zu charakterisieren, wird dem Substantiierungsgebot nicht annähernd genügt.
42
Im Übrigen erfüllt die genannte Bekanntmachung diese Anforderungen. Bei der Bildung der Schlagwörter darf die Gemeinde grundsätzlich sinntragende Begriffe aus dem Titel der jeweiligen Information aufgreifen (BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 CN 7.18 – BVerwGE 165, 387). Die schlagwortartige Bezeichnung von Informationen zu den Schutzgütern Mensch, Tiere/Pflanzen/Biologische Vielfalt/Artenschutz, Grundwasser/Oberflächenwasser, Boden/Fläche, Klima/Luft sowie Landschafts- und Ortsbild, die bei einzelnen Bereichen weiter differenziert wird, genügt diesen Anforderungen.
43
3.2. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist städtebaulich erforderlich im Sinn von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
44
Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinn erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung wird der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke gesetzt, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Die Frage der Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit planerischer Festsetzungen unterliegt der Abwägungskontrolle und darf nicht zum Maßstab der städtebaulichen Rechtfertigung gemacht werden. Die Gemeinde betreibt bereits dann städtebauliche Planung, wenn sie sich im Rahmen ihrer durch Planungsziele konkretisierten eigenen städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen hält und den Festsetzungen in Bezug auf diese Ziele Förderpotential zukommt (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537).
45
Soweit der Antragsteller vorträgt, dass nicht erkennbar sei, welche dem Gemeinwohl und dem öffentlichen Interesse dienenden Zwecke und städtebauliche Ziele die Antragsgegnerin mit dem Bebauungsplan tatsächlich verfolge, ergibt sich dies deutlich aus dem Kapitel „Anlass, Ziel und Zweck der Planaufstellung“ in der Begründung des Bebauungsplans. Danach soll mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan ein funktions- und sachgerechtes Angebot an Einzelhandelsflächen in der Gemeinde bereitgestellt und langfristig gesichert werden. Neben einem wichtigen Beitrag zur Sicherung der Versorgung mit Gütern des Grundbedarfs würden damit auch wohnortnahe Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden. Damit verfolgt die Antragsgegnerin städtebauliche Ziele gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 4 und 8 c BauGB. Dass die Fläche nach den Angaben des Antragstellers für Gemeinbedarfszwecke vorgesehen war, steht der Planung nicht entgegen. Er bezieht sich hier offensichtlich auf den Gemeindeentwicklungsplan (Stand August 2011), in dem die Fläche als „Dispositionsfläche kommunale Entwicklung“ bzw. „Dispositionsfläche Gemeinbedarf“ dargestellt war (vgl. S. 76 und 86 des Gemeindeentwicklungsplans). Die Gemeinde darf die städtebauliche Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet bestimmen und sich dabei grundsätzlich von „gemeindepolitischen“ Motiven, die sich jederzeit ändern können, leiten lassen (BVerwG, B.v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – BVerwGE 120, 138). Der Darstellung im Gemeindeentwicklungsplan kommt keine bindende Vorentscheidung zu (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – BVerwGE 146, 137).
46
Dem Bebauungsplan fehlt auch nicht die städtebauliche Erforderlichkeit wegen entgegenstehender artenschutzrechtlicher Verbote. Ein Bebauungsplan ist nicht erforderlich im Sinn von § 1 Abs. 3 BauGB, wenn ihm im Zeitpunkt seines Inkrafttretens dauerhafte Hindernisse in Gestalt artenschutzrechtlicher Zugriffs- und Beeinträchtigungsverbote gemäß § 44 BNatSchG entgegenstehen. Zwar kann nicht die Planung selbst, sondern erst ihr Vollzug zu einem Verstoß gegen die artenschutzrechtlichen Verbote führen. Im Planaufstellungsverfahren ist aber schon vorausschauend zu ermitteln und zu beurteilen, ob die vorgesehenen Festsetzungen auf unüberwindbare artenschutzrechtliche Hindernisse stoßen (vgl. BVerwG, U.v. 8.3.2017 – 4 CN 1.16 – BVerwGE 158, 182; B.v. 6.10.2011 – 4 BN 19.11 – BauR 2012, 222; B.v. 25.8.1997 – 4 NB 12.97 – BauR 1997, 978; BayVGH, U.v. 10.12.2020 – 1 N 16.682 u.a. – BayVBl 2021, 813 m.w.N.). Die Prüfung, ob einem Planvorhaben artenschutzrechtliche Zugriffsverbote nach § 44 BNatSchG (im Zusammenhang mit dem in Art. 12 ff. der RL 92/43/EWG vom 21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen – Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie – geregelten Artenschutz oder der Vogelschutzrichtlinie) entgegenstehen, setzt eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnahme der im Plangebiet vorhandenen Tierarten und ihrer Lebensräume voraus. Ein allgemein verbindlicher Standard, aus dem sich ergibt, unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung und Bestandsaufnahme als artenschutzfachliche Beurteilungsgrundlage bei der Bauleitplanung ausreicht, besteht nicht. Welche Anforderungen an Art, Umfang und Tiefe der auf die Arten bezogenen Untersuchungen zu stellen sind, hängt von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall sowie von Art und Ausgestaltung des Vorhabens aus. Ausreichend ist eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung (BayVerfGH, E.v. 3.12.2013 – Vf.8-VII-13 – BayVBl 2014, 237; BayVGH, U.v. 24.8.2015 – 2 N 14.486 – juris Rn. 38).
47
Für die artenschutzrechtlichen Belange wurde mit dem Gutachten zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung eine Relevanzprüfung und hinsichtlich des Vorkommens von Reptilien eine Bestandsaufnahme durchgeführt. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass im Plangebiet keine potentiellen Fledermausquartiere identifiziert wurden und keine prüfungsrelevanten Reptilienarten nachgewiesen wurden. Dies ist nicht zu beanstanden.
48
Zur Erfassung von Fledermausbeständen hat die Antragsgegnerin die beim Bayerischen Landesamt für Umwelt vorhandenen Daten der Artenschutzkartierung und die Habitatstruktur berücksichtigt, für die eine Begehung durchgeführt wurde. Für das Plangebiet gab es keinen Artnachweis in der Artenschutzkartierung, es wurden im Plangebiet auch keine potentiellen Fledermausquartiere identifiziert, da die wenigen Bäume zu jung seien, um entsprechende Höhlungen aufzuweisen und auch für gebäudewohnende Arten keine Quartiermöglichkeiten vorhanden seien. Die Untersuchungstiefe hängt maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab. Lassen bestimmte Vegetationsstrukturen sichere Rückschlüsse auf die faunistische Ausstattung zu, so kann es mit der gezielten Erhebung der insoweit maßgeblichen repräsentativen Daten sein Bewenden haben (vgl. BVerwG, B.v. 13.3.2008 – 9 VR 9.07 – juris Rn. 31; B.v. 18.6.2007 – 9 VR 13.06 – juris Rn. 20). Soweit der Antragsteller auf zwei Fledermauskästen auf seinem Grundstück verweist, die bewohnt seien, hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar ausgeführt, dass das geplante Gebäude außerhalb des Einflugbereichs der Fledermäuse liege und die Ausgleichsmaßnahme im Anschluss an das Vorhaben die Insektendichte und damit auch das Nahrungsangebot für Fledermäuse verbessere.
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Zur Erfassung von Reptilienbeständen wurde während der Fortpflanzungszeit 2020 eine Reptilienkartierung durchgeführt. Es wurden fünf Begehungen im Plangebiet vorgenommen; zudem wurde auch der Saum, der westlich des Plangebiets an den Spielplatz angrenzt, untersucht. Dabei wurden bei keiner Begehung Tiere nachgewiesen. Ein Verstoß gegen die Zugriffsverbote des § 44 BNatschG läge im Übrigen bei dem von dem Antragsteller genannten Vorkommen von Waldeidechsen, das europarechtlich nicht geschützt ist, nicht vor (vgl. § 44 Abs. 5 BNatschG).
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3.3. Auch die geltend gemachten Ermittlungs- oder Abwägungsfehler liegen nicht vor.
51
Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB). Denn die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB setzt deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraus (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2018 – 4 B 71.17 – ZfBR 2018, 601). Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537; B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – ZfBR 2013, 573; B.v. 10.11.1998 – 4 BN 44.98 – NVwZ-RR 1999, 423).
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3.3.1. Soweit vorgetragen wird, dass die Planung den Vorgaben im Ortsentwicklungsplan widerspreche, liegen weder der vorgetragene Widerspruch noch eine Verletzung des Abwägungsgebots vor. Nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB sind die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung bei der Aufstellung des Bauleitplans im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – BVerwGE 146, 137; U.v. 29.1.2009 – 4 C 16.07 – BVerwGE 133, 98). Die Bebauung des Plangebiets widerspricht nach Ansicht des Antragstellers den Vorgaben im Ortsentwicklungsplan, wonach die Eingriffe in Natur und Landschaft gering zu halten und die Außenbereiche zu schonen seien. Mit dieser Argumentation übersieht der Antragsteller jedoch die in der städtebaulichen Planung vorgesehene Entwicklung des Gemeindegebiets. Aufbauend auf den genannten „Grundregeln“ (vgl. auch § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB) hat die Antragsgegnerin Standortvorschläge für eine mögliche weitere Bebauung in den Hauptorten erarbeitet, sog. Dispositionsflächen. Das Plangebiet stellt eine solche Dispositionsfläche dar. Soweit in dem Gemeindeentwicklungsplan als Schwachpunkt der Kreuzungsbereich im Bereich des Rathauses genannt wird, hat die Antragsgegnerin im Aufstellungsverfahren ein Verkehrsgutachten eingeholt, das die Leistungsfähigkeit des unsignalisierten Knotenpunkts S. Straße (St2362) /T. Straße mit der Mehrbelastung durch den Supermarkt sowie den Wohneinheiten geprüft hat. Die Leistungsfähigkeitsberechnungen für die Spitzenstunden im Jahr 2019 und im Prognosejahr 2030 ergaben eine leistungsfähige Abwicklung der Verkehrsbelastung. Selbst bei dem „ungünstigsten“ Ergebnis in der Abendspitze mit der zufriedenstellenden Qualitätsstufe C beträgt die Rückstaulänge in der T. Straße nur etwa 36 m. Zu der Kritik, dass das Verkehrsgutachten auf die bereits vorhandene Einmündung von der Zu- und Abfahrt zum/vom Parkplatz der Mehrzweckhalle in die T. Straße, der u.a. von Schulbussen und Eltern der Schüler genutzt werde, nicht eingehe, hat die Antragsgegnerin in ihrer Abwägung (Protokolle der Gemeinderatssitzungen vom 3.12.2019 und vom 13.10.2020) zu Recht darauf verwiesen, dass im Zuge der Untersuchung Verkehrszählungen durchgeführt worden sind, die den Bestand erfasst haben. Auch die vom Parkplatz der Mehrzweckhalle in die T. Straße einbiegenden Fahrzeuge wurden daher erfasst. Zur Morgenspitze wird als Knotenpunktgesamtqualität die gute Qualitätsstufe B erreicht, die Verkehrsbelastung in der Mittagsspitze wurde aufgrund der geringeren Belastungszahlen in der Verkehrszählung nicht mehr gesondert ausgewertet.
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Im Übrigen hat die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt, dass in dem Gemeindeentwicklungsplan auch festgestellt werde, dass eine gewisse Unzufriedenheit in Bezug auf die bevölkerungsnahe Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs bestehe und das Verlangen nach einem weiteren Lebensmittelmarkt spürbar sei (vgl. S. 75). Unter den Zielen und Maßnahmen für den Hauptort werden daher auch der Ausbau der Grundversorgung und die Klärung des Bedarfs und des Standorts durch ein Einzelhandelsgutachten genannt (vgl. S. 83).
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3.3.2. Bei der Beurteilung, inwieweit sich das Vorhaben lärmmäßig auf die Umgebungsbebauung auswirkt, ist die Antragsgegnerin zutreffend von der Schutzwürdigkeit eines Mischgebiets ausgegangen. Ermittlungs- und Bewertungsfehler der schalltechnischen Untersuchung liegen im Hinblick auf die Umgebungsbebauung nicht vor.
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Maßstabsbildend für den Umgriff der näheren Umgebung im Sinn von § 34 Abs. 2 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, B.v. 4.1.2022 – 4 B 35.21 – juris Rn. 6; U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – BVerwGE 148, 290). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2). Die nähere Umgebung ist für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen. Dabei ist für die Ermittlung des Gebietscharakters regelmäßig ein größerer Umgriff als beim Maß der baulichen Nutzung zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246).
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Für die nähere Umgebung ist zunächst auf die westliche Seite der T. Straße bzw. fortführend der S. Straße abzustellen. Hier folgen das Wohnhaus des Antragstellers, die gemeindliche Sport- und Mehrzweckhalle, ein Vereinsheim, das Rathaus, die Grundschule, erst dann wieder Wohnbebauung, ein Kindergarten, das Pfarrheim sowie abschließend zur N. Straße die katholische Pfarrkirche. Bezieht man die östliche Seite der T. Straße mit ein, findet sich zunächst Wohnbebauung bis zur Einmündung der S. Straße, dann eine Gaststätte, wieder Wohnbebauung, eine Apotheke, ein Getränkemarkt sowie ein Dorfladen. Diese Nutzungsmischung entspricht einem Mischgebiet. Ein faktisches allgemeines Wohngebiet liegt entgegen dem Einwand des Antragstellers nicht vor. Ein allgemeines Wohngebiet dient vorwiegend dem Wohnen, bis zu einer Entfernung von etwa 230 m befinden sich aber überwiegend andere Nutzungen. Es handelt sich bei der näheren Umgebung um das Ortszentrum und einen wesentlichen Teil des zentralen Versorgungsbereichs der Gemeinde (vgl. oben).
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In der schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung vom 7. Juni 2019 mit seiner Ergänzung vom 27. Februar 2020 wird nachvollziehbar dargelegt, dass die Immissionswerte der TA Lärm durch die Gewerbe- und Wohnnutzung an sämtlichen maßgebenden Immissionsorten eingehalten werden, sie werden zum Teil erheblich unterschritten. Der Schallleistungspegel der haustechnischen Anlagen wird zur Nachtzeit beschränkt (vgl. Festsetzung C 13.1). Bei der Beurteilung des anlagenbezogenen Verkehrs werden die Voraussetzungen von Punkt 7.4 TA Lärm, die kumulativ gegeben sein müssen, dargestellt und ihre Erfüllung zutreffend verneint. Der Emissionspegel auf der Straße erhöht sich im Planfall 2030 mit Errichtung des Edeka-Markts rechnerisch um maximal 1,2 dB(A) tags und 1,1 dB(A) nachts. Die Antragsgegnerin hat die Zunahme des Verkehrs bei ihrer Abwägungsentscheidung berücksichtigt (vgl. die Protokolle der Gemeinderatssitzung vom 3.12.2019 und 13.10.2020 sowie 6.1 der Begründung des Bebauungsplans), sie aber als zumutbar angesehen. Das ist nicht zu beanstanden.
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3.3.3. Zu der Frage, ob im Fall einer Realisierung des Planvorhabens nachteilige Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit zentraler Versorgungsbereiche und die wohnungsnahe Versorgung in der Gemeinde oder in sonstigen Kommunen zu erwarten seien, hat die Antragsgegnerin die bereits oben genannte Auswirkungsanalyse erstellen lassen. Ein Marktgutachten stellt grundsätzlich ein geeignetes Mittel dar, um den durch die Verwirklichung eines Einzelhandelsvorhabens zu erwartenden Kaufkraftabfluss an anderer Stelle anhand von branchenspezifischen Erfahrungswerten zur üblichen Flächenproduktivität zu prognostizieren und um damit mögliche städtebauliche Auswirkungen eines entsprechenden Vorhabens als Basis für eine fehlerfreie Abwägung zu ermitteln und bewerten zu können (vgl. BVerwG, B.v. 15.12.2021 – 4 B 12.21 – juris Rn. 5; B.v. 3.8.2011 – 4 BN 15.11 – BauR 2012, 204; VGH BW, U.v. 25.4.2022 – 3 S 3115/19 – juris Rn. 114; BayVGH, B.v. 17.12.2018 – 15 N 16.2373 u.a. – juris Rn. 56). Dabei beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle der Untersuchung darauf, ob eine geeignete fachspezifische Methode gewählt wurde, ob die Prognose nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (vgl. VGH BW, U.v. 20.10.2020 – 3 S 559/19 – juris Rn. 74; OVG Rh-Pf, U.v. 10.6.2020 – 8 C 11403/19 – BauR 2020, 1594; BayVGH, B.v. 17.12.2018 a.a.O. juris Rn. 57; OVG NW, U.v. 1.12.2015 – 10 D 92/13.NE – juris Rn. 116).
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Mit dem Einwand, dass die Planung keine Rücksicht auf eine drohende Existenzgefährdung der vorhandenen, der Nahversorgung dienenden Geschäfte in R. (2 Metzgereien, 1 Supermarkt, 1 Lebensmittelgeschäft, 1 Papierwarenladen, 1 Elektro- und Geschirrgeschäft, 1 Kosmetikgeschäft und 1 Textilgeschäft) nehme, wird kein Abwägungsfehler aufgezeigt. Das private Interesse eines konkurrierenden Geschäftsbetriebs an der für ihn vorteilhaften Situation ist bei der im Rahmen der Planung des Sondergebiets gebotenen Abwägung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Denn der einzelne Gewerbetreibende hat weder einen Anspruch darauf, dass eine vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtert wird, noch ist sein dahingehendes Interesse schutzwürdig, weil er mit neuer Konkurrenz ständig rechnen muss (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.1997 – 4 NB 5.97 – NVwZ 1997, 683; B.v. 16.1.1990 – 4 NB 1.90 – NVwZ 1990, 555; NdsOVG, B.v. 11.9.2019 – 1 MN 94.19 – juris Rn. 13; BayVGH, U.v. 20.12.2018 – 2 N 17.754 – juris Rn. 70). Maßgeblich ist, ob eine eventuelle Verdrängungswirkung negative städtebauliche Auswirkungen hat. Hierbei geht das Gutachten von einer zulässigen Verkaufsfläche von 1.200 m² aus. Dass dies nicht zutreffend ist, wurde oben dargestellt. Soweit die Antragsgegnerin diesen Fehler in einem ergänzenden Verfahren heilt, sind die Aussagen des Gutachtens nicht zu beanstanden. Es wird ausgeführt, dass durch den geplanten Edeka-Markt nur marginale Umverteilungseffekte gegenüber den kleinteiligen Lebensmittelanbietern innerhalb des Gemeindegebietes zu erwarten seien, die nicht zu einer Verdrängung führen würden. Allerdings könne bei dem bestehenden Rewe-Supermarkt, dem mit einer Verkaufsfläche von nur ca. 650 m² die Voraussetzungen zur Umsetzung eines modernen Supermarkt-Vertriebskonzeptes fehlten, eine Existenzgefährdung nicht ausgeschlossen werden. Dadurch werde die Versorgungsfunktion des zentralen Versorgungsbereichs aber nicht gefährdet, sondern die Nahversorgung, die derzeit bei den Sortimenten Nahrungs- und Genussmittel sowie Drogeriewaren quantitative und qualitative Defizite aufweise, werde in dem Zentrumsbereich von R. mit dem geplanten Edeka-Markt attraktiv ausgebaut. Diese Einschätzung in dem Gutachten ist für den Senat nachvollziehbar und wird mit dem pauschalen Einwand des Antragstellers nicht in Frage gestellt. Die prognostizierte Marktabschöpfung des Planvorhabens hat das Gutachten unter Berücksichtigung der Standortqualität, der Angebotssituation sowie des im Nahbereich vorhandenen Bevölkerungspotenzials berechnet, unrealistische Annahmen werden dabei nicht zugrunde gelegt.
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3.2.3. Auch mit dem Vortrag, dass durch die geplante Bebauung mit einem großflächigen Supermarkt das Ortsbild negativ beeinträchtigt werde und damit die klare Abgrenzung zum südlich gelegenen Ortsteil M. aufgegeben werde, werden Abwägungsfehler nicht aufgezeigt. So werden Auswirkungen auf das Ortsbild durch die Festsetzung von Eingrünungs- und Durchgrünungsmaßnahmen vermindert, das Flachdach des Marktes ist teilweise begrünt (vgl. den Freiflächengestaltungsplan des Vorhaben- und Erschießungsplans); die erforderlichen Ausgleichsflächen werden im Plangebiet angeordnet. Auch ist weiterhin eine klare Abgrenzung zu dem Ortsteil M. möglich (vgl. die Darstellung der Lage des Plangebiets innerhalb der Gemeinde in der Begründung des Bebauungsplans und im Umweltbericht).
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3.2.4. Soweit der Antragsteller eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geltend macht, gibt es das Rücksichtnahmegebot nur nach Maßgabe der einfachen Gesetze, nicht aber als ein das gesamte Bauplanungsrecht umfassendes allgemeines Gebot. Die Verpflichtung der planenden Gemeinde, unzumutbare Beeinträchtigungen benachbarter Grundstücke zu vermeiden, ergibt sich nach Maßgabe des in § 1 Abs. 7 BauGB normierten Abwägungsgebots. Für ein davon gesondertes „bauplanungsrechtliches Rücksichtnahmegebot“ – im Sinne einer eigenständigen rechtlichen Kategorie – ist kein Raum (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Allerdings verpflichtet das Abwägungsgebot die Gemeinde so zu planen, dass die durch ihren Bebauungsplan zugelassene Bebauung keine unzumutbar abriegelnde, einmauernde oder erdrückende Wirkung auf eine benachbarte Wohnbebauung hat (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2021 – 4 A 14.19 – BVerwGE 173, 132 zur Abwägung bei der Planfeststellung; B.v. 21.10.1994 – 4 B 209.94 – juris Rn. 3 f.; BayVGH, U.v. 25.2.2022 – 15 N 21.2219 – Rn. 17). Dies ist etwa im Fall eines elfgeschossigen Gebäudeteils in naher Entfernung zu einem zweieinhalb geschossigen Wohnhaus auf dem Nachbargrundstück (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – BauR 1981, 354) sowie im Fall einer grenznahen 11,5 hohen und 13,31 langen, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – BauR 1986, 542) angenommen worden. Ob eine drohende Verschattung des Nachbargrundstücks einen abwägungserheblichen Belang darstellt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BVerwG, B.v. 28.10.2020 – 4 BN 44.20 – juris Rn. 13). Abwägungsfehler sind hier nicht ersichtlich.
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Die Antragsgegnerin hat bei der Abwägung berücksichtigt, dass Abstandsflächen von 1 H deutlich eingehalten seien, die Höhenentwicklung des Gebäudes gestuft sei, dieses lediglich mit einer Wandhöhe von etwa 5 m bzw. 8, 75 m (mit dem zurückversetzten Dachgeschoss) über der Geländeoberfläche in Erscheinung trete und ein Flachdach aufweise. Sie hat im Vergleich zur ursprünglichen Planung das Vorhaben von der nördlichen Grundstücksgrenze nochmals abgerückt und hier eine ca. 3 Meter breite private Grünfläche, die mit Strauchgruppen zu bepflanzen ist, vorgesehen. Die zulässige Wandhöhe wurde um 0,5 m reduziert, indem die umlaufende Attika als Dachabschluss durch eine herkömmliche Traufe ersetzt wurde. Damit hat sie die privaten Interessen des Antragstellers ausreichend berücksichtigt. Auch die Tatsache, dass das Gelände auf dem Vorhabengrundstück leicht wellig ist bzw. von Osten nach Westen abfällt und gegenüber der festgesetzten Höhenkote für die Oberkante des fertigen Erdgeschossfußbodens eine Differenz von bis zu ca. 2 m möglich ist, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Die Abstandsflächen bemessen sich nach dem natürlichen Gelände und sichtbar für den Antragsteller ist nur die über der Geländeoberfläche liegende Baumasse. Weiter wird in der Abwägungsentscheidung vom 4. August 2020 angeführt, dass auch das angrenzende Grundstück des Antragstellers nicht dem natürlichen Geländeverlauf folge, sondern von der südlichen Grundstücksgrenze ausgehend nach Norden hin ansteigend terrassiert angelegt sei. Von einer erdrückenden Wirkung kann auch angesichts der erheblichen Länge des Gebäudes bei einem Abstand von mindestens 26 m zu dem Wohnhaus des Antragstellers keine Rede sein. Soweit der Antragsteller bemängelt, dass bei der Beurteilung der Auswirkungen des geplanten Bauvorhabens auch die Gesamtsituation zu berücksichtigen sei, die dadurch geprägt sei, dass westlich des Grundstücks bereits die gemeindliche Mehrzweckhalle vorhanden sei, führt eine verdichtete Bebauung in der Umgebung des Grundstücks des Antragstellers nicht dazu, dass ein Anspruch auf Freihaltung der Fläche in südlicher Richtung besteht, sondern die städtebauliche Situation mit größeren Baukörpern in unmittelbarer Nähe prägt vielmehr auch das Grundstück des Antragstellers mit der Folge, dass dort ein weiterer größerer Baukörper entstehen kann. Im Übrigen hält auch die gemeindliche Mehrzweckhalle einen Abstand von mindestens 35 m zu dem Wohnhaus des Antragstellers ein, so dass zusammen mit dem Vorhaben keine einmauernde Wirkung entsteht.
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Zu der Frage einer möglichen Verschattung des Nachbargrundstücks hat die Antragsgegnerin eine Sonnenstudie in Auftrag gegeben. Gemäß DIN 5403-1, die eine Orientierungsgrundlage für die Zumutbarkeit einer Verschattung darstellt (vgl. BayVGH, U.v. 25.2.2022 – 15 N 21.2219 – juris Rn. 20; U.v. 18.7.2014 – 1 N 13.2501 – BayVBl 2015, 166), muss die Besonnung von Wohn- und Aufenthaltsräumen einer Wohnung zur Tag- und Nachtgleiche im März bzw. im September eine Mindestdauer von 4 Stunden pro Tag und am 17. Januar eine Mindestdauer von 1 Stunde pro Tag haben. Die Sonnenstudie, die noch davon ausgeht, dass der Edeka-Markt im Norden 3 m näher zur Grundstücksgrenze liegt, zeigt, dass die Besonnungsdauer des Grundstücks des Antragstellers mit dem Vorhaben weit über den Anforderungen der DIN 5034 liegt. Am 22. September 2020 (die Tage der Tag- und Nachtgleiche differieren jahresbezogen geringfügig) wird selbst das Grundstück nur ganz unwesentlich verschattet, am 17. Januar wird das Wohnhaus des Antragstellers zwischen 10 Uhr und 15 Uhr nicht beeinträchtigt (vgl. hierzu auch die Abwägung in der Gemeinderatssitzung vom 13.10.2020). Soweit eine Beeinträchtigung vorliegt, stellt dies eine typische Folge einer Nachbarbebauung dar und muss vom Nachbarn grundsätzlich hingenommen werden.
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Der Senat hat bei der Zulässigkeitsprüfung bereits darauf hingewiesen, dass das Interesse an der Erhaltung einer Ortsrandlage in der Regel keinen abwägungsbeachtlichen Belang darstellt. Dies gilt auch für das geltende gemachte Interesse, den freien Blick auf die Landschaft und die Berge nicht verbaut zu bekommen. Der Umstand allein, dass ein bisher unbebautes Grundstück künftig bebaut werden darf, macht das Interesse des Nachbarn an der Erhaltung des bisherigen Zustands noch nicht zu einem abwägungsbeachtlichen Belang (vgl. BVerwG, B.v. 28.10.2020 – 4 BN 44.20 – juris Rn. 16; B.v. 22.8.200 – 4 BN 38.00 – NVwZ 2000, 1413). Eine besondere Prägung des Grundstücks des Antragstellers im Hinblick auf eine freie Sicht nach Süden (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 29.7.1992 – 20 N 91.2692 u.a. – BayVBl 1993, 721) ist hier nicht gegeben; so ist das Grundstück bereits im Ortsentwicklungsplan als mögliche Bebauungsfläche vorgesehen.
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3.2.5. Weiter liegt keine fehlerhafte Abwägung von Umweltschutzbelangen vor.
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Soweit vorgetragen wird, dass in der Stellungnahme des Bund Naturschutzes der Erhalt einer mit autochthonen Gehölzen locker bepflanzten Biotopverbundschneise mit 10 Meter Breite auf der Westseite des Baugrundstücks ab dem nordwestlichen Teil der Turnhalle gefordert worden sei (vgl. Stellungnahme vom 31.10.2019 im Verfahren nach § 3 Abs. 1 BauGB), wurde dieser Vorschlag dahingehend berücksichtigt, dass ein zusätzlicher bepflanzter Streifen an der Westseite vorgesehen wurde, als erhaltenswert wurden zwei größeren Bergahornbäume festgesetzt. In den weiteren Verfahrensschritten wurden keine Bedenken dagegen vorgetragen. Die geltend gemachte Rodung des Gehölzstreifens nach Satzungsbeschluss verstößt daher nicht gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans. In der Begründung des Bebauungsplans wird hierzu ausgeführt, dass die bestehende Eingrünung aufgrund der Baustelle entfallen müsse und durch einen 3-5 m breiten Streifen mit Gehölzen wiederhergestellt werde.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).