Inhalt

VGH München, Beschluss v. 20.02.2023 – 10 C 23.299
Titel:

Rechtsmissbräuchlicher erneuter Prozesskostenhilfeantrag

Normenketten:
VwGO § 146 Abs. 1, § 166 Abs. 1
ZPO § 114
Leitsatz:
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über einen neuerlichen, auf der Grundlage desselben Lebenssachverhalts gestellten Prozesskostenhilfeantrag fehlt, wenn der Betroffene keine neuen Tatsachen oder neu entstandenen rechtlichen Gesichtspunkte vorbringt und das Recht zur wiederholten Stellung eines Antrages missbraucht, etwa weil er mit einer von vornherein untauglichen Begründung versehen ist, beispielsweise lediglich auf die bisherige Begründung verweist oder wenn neue Tatsachen ersichtlich nur vorgeschützt sind und eine Änderung der bisherigen Beurteilung deshalb als von vornherein ausgeschlossen erscheint (Fortführung BeckRS 2019, 27470). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde, Prozesskostenhilfe, Wiederholter Prozesskostenhilfeantrag, Rechtsmissbrauch, Erfolgsaussichten, Prozesskostenhilfeantrag, Rechtsschutzbedürfnis, wiederholter Prozesskostenhilfeantrag
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 16.01.2023 – M 12 K 19.2460
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2729

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. Januar 2023, mit dem dieses seinen erneuten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Antrag gerichtet auf Fortsetzung des gegen seine mittlerweile aufgehobene Ausweisung gerichteten und seit dem Jahr 2010 eingestellten Klageverfahrens in dem Verfahren M 23 K 09.1219 sowie − darauf aufbauend – gerichtet auf Erlass eines Anerkenntnisurteils dahingehend, dass sich der genannte Rechtsstreit erledigt hat, abgelehnt hat.
2
Der Kläger hat für das genannte Rechtsschutzbegehren mit Schriftsatz vom 29. August 2022 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten beantragt.
3
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. September 2022 hat dieses den Prozesskostenhilfeantrag mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.
4
Die hiergegen erhobene Prozesskostenhilfebeschwerde des Klägers hat der Senat in dem Beschwerdeverfahren 10 C 22.2086 mit Beschluss vom 13. Dezember 2022 zum einen wegen fehlender Vorlage einer aktuellen und vollständigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb gerichtlicher Frist sowie zum anderen nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 114 ff. ZPO mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Hauptsache zurückgewiesen, wobei er insofern auf die zutreffenden Gründe in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts verwiesen hat.
5
Am 20. Dezember 2022 hat der Kläger erneut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten für das genannte Rechtsschutzbegehren beantragt. Zur Begründung führt die Klägerseite aus, dass der Senat den Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender Vorlage einer aktuellen und vollständigen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb gerichtlicher Frist zurückgewiesen habe, so dass es zulässig sei, den Prozesskostenhilfeantrag zu wiederholen. Nach Auskunft des zuständigen Sozialgerichts habe das zuständige Jobcenter inzwischen einen den Kläger betreffenden Bewilligungsbescheid erlassen, der in Kopie nachgereicht werde, sobald er zur Verfügung stehe. Der Senat habe ihre Ausführungen in der Beschwerde vom 6. September 2022 zu den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung übergangen, auf die hiermit verwiesen werde.
6
Am 3. Januar 2023 hat die Klägerseite einen unter anderem den Kläger betreffenden Bewilligungsbescheid des zuständigen Jobcenters vom 28. Dezember 2022 für den Bezug von SGB-II-Leistungen im Zeitraum vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2020 vorgelegt.
7
Mit Beschluss vom 16. Januar 2023 hat das Verwaltungsgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig und zudem als unbegründet abgelehnt, wobei es in Bezug auf Letzteres auf seinen Beschluss vom 5. September 2022 verwiesen hat. Der Beschluss wurde der Klägerseite am 4. Februar 2023 zugestellt.
8
Die Klägerseite hat am 13. Februar 2023 hiergegen Beschwerde eingelegt mit der Begründung, dass ihr Vortrag zu dem SGB-II-Bescheid neu sei und das Verwaltungsgericht daher in seinem Beschluss von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei. Aufgrund des neuen Tatsachenvortrags komme es entscheidungsrelevant auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache an, so dass der Senat die Ausführungen der Klägerseite vom 6. September 2022 berücksichtigen müsse.
9
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichts- und Behördenakten in dem hiesigen Verfahren sowie in dem Beschwerdeverfahren 10 C 22.2086 Bezug genommen.
II.
10
1. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
11
a) Der erneute Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist als rechtsmissbräuchlich einzustufen und daher unzulässig.
12
aa) Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über einen neuerlichen, auf der Grundlage desselben Lebenssachverhalts gestellten Prozesskostenhilfeantrag fehlt, wenn der Betroffene keine neuen Tatsachen oder neu entstandenen rechtlichen Gesichtspunkte vorbringt und das Recht zur wiederholten Stellung eines Antrages missbraucht, etwa weil er mit einer von vornherein untauglichen Begründung versehen ist, beispielsweise lediglich auf die bisherige Begründung verweist oder wenn neue Tatsachen ersichtlich nur vorgeschützt sind und eine Änderung der bisherigen Beurteilung deshalb als von vornherein ausgeschlossen erscheint (vgl. BGH, B.v. 9.5.2019 – V ZR 274/18 – juris Rn. 1 m.w.N.; B.v. 16.12.2008 – VIII ZB 78/06 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 25.10.2019 – 11 C 19.1601 – juris Rn. 10; B.v. 3.12.2009 – 11 C 08.39 – juris Rn. 6).
13
bb) Gemessen daran fehlt es für den wiederholten Prozesskostenhilfeantrag an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Die Klägerseite hat zwar mit dem Erlass des SGB-II-Bescheides eine Tatsache benannt, die erst nach der Durchführung des ersten Prozesskostenhilfeverfahrens entstanden ist. Dies geschah indes in dem vorgenannten Sinne ersichtlich nur vorgeschützt. Die Klägerseite blendet aus, dass der Senat bereits in dem ersten Prozesskostenhilfeverfahren die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen hat, weil der Senat – ebenso wie zuvor das Verwaltungsgericht – die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 ff. ZPO verneint hat (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2022 – 10 C 22.2086 – juris Rn. 17). Auf diesen Umstand hat das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss auch ausdrücklich hingewiesen (vgl. BA S. 11). Dem Kläger geht es in der Hauptsache um die Fortsetzung des gegen seine mittlerweile aufgehobene Ausweisung gerichteten und seit dem Jahr 2010 eingestellten Klageverfahrens in dem Verfahren M 23 K 09.1219 sowie − darauf aufbauend − um den Erlass eines Anerkenntnisurteils dahingehend, dass sich der genannte Rechtsstreit erledigt hat (s.o.). Auf dieses Rechtsschutzbegehren kann ein Bewilligungsbescheid über den Bezug von SGB-II-Leistungen, noch dazu hinsichtlich des Zeitraums vom 1. April 2020 bis zum 30. September 2020, keinen Einfluss haben. Dass aufgrund dessen die bisherige Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache zu ändern sein könnte, erscheint im vorgenannten Sinne als von vornherein ausgeschlossen. Der Verweis der Klägerseite auf ihre Begründung im ersten Prozesskostenhilfeverfahren ist im vorgenannten Sinne als untauglich anzusehen, da sie auf der Grundlage desselben Lebenssachverhalts bereits Gegenstand der Prüfung war.
14
b) Unabhängig davon ist der erneute Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in der Sache − weiterhin − mangels hinreichender Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 ff. ZPO abzulehnen. Der Senat verweist erneut zur Vermeidung von Wiederholungen hierzu nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 5. September 2022 (vgl. BA S. 11 ff.).
15
2. Aus den genannten Gründen scheidet auch eine Beiordnung der Bevollmächtigten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 121 ZPO aus.
16
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG eine Festgebühr anfällt. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
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4. Diese Entscheidung ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.