Inhalt

VGH München, Urteil v. 07.02.2023 – 1 N 19.2204
Titel:

Unwirksamer Änderungsbebauungsplan - vereinfachtes Verfahren unzulässig

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2
BauGB § 13
BauNVO § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Auch die Interessen von Nachbarn an der Beibehaltung des bestehenden Zustands gehören grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial, wenn eine Planänderung dazu führt, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise als bisher genutzt werden. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Bebauungsplan muss vor seiner Bekanntmachung, dh vor dem Bekanntmachungsakt, ausgefertigt werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein vereinfachtes Planänderungsverfahren ist nach § 13 Abs. 1 BauGB nur zulässig, wenn durch die Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Das ist der Fall, wenn die Änderung das der bisherigen Planung zugrundeliegende Leitbild nicht verändert, wenn also der planerische Grundgedanke erhalten bleibt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Festsetzung eines einheitlichen Emissionskontingents für das gesamte Baugebiet ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauNVO nicht gedeckt. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unwirksamkeit eines Änderungsbebauungsplans, Erweiterung bestehender Gewerbegebietsflächen, Vereinfachtes Verfahren, Abwägungsrelevanz privater nachbarlicher Belange, Grundzüge der Planung, Festsetzung von Emissionskontingenten, Fehlende Gliederung des Baugebiets, Ausfertigungsmangel, Typenzwang, Bestimmtheit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2726

Tenor

I. Die 7. Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet K.“ vom 11. September 2018, bekannt gemacht am 16. Mai 2019, ist unwirksam.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Antragsteller wendet sich gegen die im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB durchgeführte 7. Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet K.“, den der Antragsgegner am 11. September 2018 als Satzung beschlossen und am 16. Mai 2019 bekannt gemacht hat.
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Mit der ursprünglichen Fassung des am 3. März 1986 als Satzung beschlossenen Bebauungsplans „Gewerbegebiet K.“ sind innerhalb seines Geltungsbereichs, der rd. 13 ha Fläche umfasst, ein Gewerbegebiet (GE) im nördlichen Planbereich und ein eingeschränktes Gewerbegebiet (GE MB) im südlichen Planbereich mit insgesamt sechs Parzellen sowie eine Eingrünung zur Abgrenzung festgesetzt. Der Bebauungsplan schließt Betriebe und Anlagen, die nach der 4. BImSchV einer Genehmigung bedürfen, aus, ebenso Lagerplätze als selbständige Anlagen für Schrott, Heizmaterial, Abfälle, Baumaterial sowie Autowrackplätze mit Ausnahme von Lagerplätzen als unselbständige Anlagen (bis zu einer Größe von 1/3 der überbaubaren Fläche) zu zugelassenen Betrieben. Nach der Begründung des Bebauungsplans sind zum Schutz der im Süden angrenzenden bzw. geplanten Wohngebiete vor schädlichen Immissionen die Freihaltung eines Schutzstreifens zwischen dem Gewerbegebiet und der Wohnbebauung sowie die Gliederung des Gewerbegebiets nach der Art der Betriebe im Sinn der §§ 1 und „9“ BauNVO [richtig: § 8 BauNVO] vorgesehen. In der Folgezeit wurde der Bebauungsplan mehrfach geändert.
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Die angefochtene 7. Änderung des Bebauungsplans betrifft Teilflächen der Grundstücke FlNr. …3 und …13, Gemarkung G., sowie des außerhalb des Plangebiets westlich angrenzenden Grundstücks FlNr. …2, Gemarkung M. Für den Teilbereich des Grundstücks FlNr. …3, das im ursprünglichen Bebauungsplan als Grünland ausgewiesen war, wurde bereits mit der 3. Änderung des Bebauungsplans vom 15. Januar 2013 ein neues Gewerbegrundstück als Erweiterung des bestehenden Gewerbegebiets festgesetzt und mit der textlichen Festsetzung 30.2 Betriebe und Anlagen, deren immissionswirksames flächenhaftes Emissionsverhalten ein flächenbezogenes Lärmemissionskontingent (LEK) von 60 dB(A)/m² tags und/oder 45 dB(A)/m² nachts überschreiten, für unzulässig erklärt. Mit der hier angefochtenen 7. Änderung des Bebauungsplans soll die mit der 3. Änderung des Bebauungsplans festgesetzte Gewerbeparzelle auf dem Grundstück FlNr. …3 nach Westen und Süden erweitert werden und der breite Grünstreifen im Süden zwischen Gewerbe- und Wohngebiet teilweise dem Gewerbegebiet zugeschlagen werden. Nach der textlichen Festsetzung A.1.1 zur Art der baulichen Nutzung sind in dem mit dem Planzeichen GE MB gekennzeichneten Teil des Gewerbegebiets nur nicht störende Betriebe bzw. Anlagen im Sinn des Immissionsschutzgesetzes zulässig. Der von diesen Betrieben bzw. Anlagen ausgehende äquivalente Dauerschallpegel darf nicht dazu beitragen, dass die zulässigen Tages- und Nacht-Richtwerte für die benachbarten Wohngebiete (WA) überschritten werden. Daneben setzt die textliche Festsetzung 30.2 flächenbezogene Lärmemissionskontingente entsprechend der 3. Änderung des Bebauungsplans fest.
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Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke FlNr. …5 und …24, die mit einem Wohnhaus bebaut sind und südlich des Plangebiets – getrennt durch den vorgenannten Grünstreifen – liegen.
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Am 6. November 2019 stellte der Antragsteller beim Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag und beantragt,
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die 7. Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet“ vom 7. Mai 2019 (Datum des Satzungsbeschlusses und der Ausfertigung) des Antragsgegners für unwirksam zu erklären.
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Er sei als unmittelbar benachbarter Grundstückseigentümer antragsbefugt. Der Änderungsbebauungsplan mit seiner tiefgreifenden Änderung betreffe die Grundzüge der Planung, da eine bisher unbebaute (Grün-)Fläche einer gewerblichen Nutzung zugeführt werde, die für die Nachbarn sehr belastend sei, ohne dass Vorgaben oder Auflagen zur Rücksichtnahme auf angrenzende Wohnbebauung erkennbar seien. Die südliche Grenze des neu in das Planungsgebiet aufgenommenen Grundstücks – eine unbebaute Fläche mit Wiese und Bäumen – befinde sich in nur 30 m Entfernung von seinem Gartenzaun. Die Änderungsplanung solle die Niederlassung eines Speditionsbetriebs mit über 40 Lkw und entsprechenden Gebäuden (Hallen) ermöglichen. Die Lkw könnten dabei auf der südlichen Seite der neu aufgenommenen Fläche rangieren und um die Halle herumfahren. Das Planungsgebiet sei für eine Spedition im Hinblick auf die angrenzende (Wohn-)Bebauung ungeeignet. Der Änderungsbebauungsplan habe nicht im vereinfachten Verfahren erlassen werden können, da die Bebauungsplanung vor der angefochtenen Satzung nicht den Willen des Antragsgegners enthalten habe, auf der betroffenen Fläche die Ansiedlung einer Spedition zu ermöglichen. Ein Verzicht auf die Umweltprüfung sei angesichts der möglichen Belastungen nicht angezeigt. Die Interessen der Bewohner des unmittelbar angrenzenden Wohngebiets seien nicht berücksichtigt worden, die Abwägungsentscheidung sei fehlerhaft.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Der Antrag sei bereits unzulässig. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, welcher abwägungserhebliche private Belang im Bebauungsplanverfahren verletzt worden sei. Bei Betrachtung der Lage des Grundstücks des Antragstellers, des bereits bestehenden Gewerbegebiets und der in diesem Verhältnis geringen Erweiterung der Bauflächen liege eine Rechtsverletzung nicht ohne Weiteres auf der Hand. Bislang sei auf dem Grundstück ein Wohnhaus mit Büroräumen errichtet worden. Der Eigentümer des im Bebauungsplan liegenden Grundstücks sei Inhaber eines Transportunternehmens, dessen Hauptsitz allerdings nicht im streitgegenständlichen Gewerbegebiet liege. Ob bzw. welche Teile des Transportunternehmens auf dem Grundstück angesiedelt werden sollen, sei nicht bekannt. Der Angebotsbebauungsplan treffe Immissionsschutzregelungen zur Sicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte in den benachbarten Wohngebieten. Im Übrigen sei der Antrag auch unbegründet. Die von dem Änderungsbauungsplan erfasste Fläche sei im bisherigen Bebauungsplan als Grünfläche ausgewiesen worden. Nach der Begründung des Änderungsbebauungsplans solle das Gewerbegebiet dadurch erweitert werden, dass der Grünstreifen zwischen Gewerbe- und Wohngebiet teilweise dem Gewerbegebiet zugeschlagen werde. Somit seien mit der Änderungsbebauung zwar die Gewerbegebietsflächen erweitert worden, der Geltungsbereich des ursprünglichen Bebauungsplans habe sich jedoch nicht geändert. Ziel der Planung sei es gewesen, ausreichende Baugebietsflächen für Gewerbetreibende in Ortslage sicherzustellen, bei denen emissionsschutzrechtliche Probleme und Konflikte ausreichend ausgeschlossen seien. Die Planung berühre nicht die Grundzüge der Planung, da sich an der Grundkonzeption, ein Gewerbegebiet auszuweisen, nichts geändert habe. Der Bebauungsplan sei auch nicht abwägungsfehlerhaft.
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Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2023 wird auf das Protokoll verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Normaufstellungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der zulässige Antrag hat Erfolg.
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1. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Wer sich als außerhalb des Bebauungsplangebiets wohnender Grundstückseigentümer gegen einen Bebauungsplan wendet, muss aufzeigen, dass sein aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) folgendes Recht verletzt sein kann (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2013 – 4 BN 13.13 – ZfBR 2014, 159). Bei einer Bebauungsplanänderung sind in die Abwägung nur schutzwürdige Belange einzustellen, die gerade durch die Planänderung berührt werden (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2013 – 4 BN 39.12 – BayVBl 2013, 545). Die Antragsbefugnis ist jedoch dann nicht gegeben, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Bebauungsplan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 28.10.2020 – 4 BN 44.20 – juris Rn. 7). Das Interesse, von Lärmimmissionen von im Plangebiet zugelassenen Nutzungen einschließlich des durch sie verursachten An- und Abfahrtsverkehrs verschont zu bleiben, stellt grundsätzlich einen für die Abwägung erheblichen privaten Belang dar und kann damit die Antragsbefugnis des Betroffenen begründen. Auch die Interessen von Nachbarn an der Beibehaltung des bestehenden Zustands gehören grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial, wenn eine Planänderung dazu führt, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise als bisher genutzt werden (vgl. VGH BW, U.v. 20.3.2013 – 5 S 1126/11 – juris Rn. 36). Anderes gilt, wenn der Lärmzuwachs nur geringfügig ist, d.h. über die Bagatellgrenze nicht hinausgeht, oder sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirkt (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – BauR 2020, 1767). Es bedarf einer wertenden Betrachtung der konkreten Verhältnisse unter Berücksichtigung der jeweiligen Vorbelastung und der Schutzwürdigkeit des jeweiligen Gebiets (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2018 – 4 BN 28.17 – BauR 2018, 1724).
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Gemessen an diesen Maßstäben ergibt sich die Antragsbefugnis des Antragstellers zwar nicht bereits aus seinem Vortrag, dass der Änderungsbebauungsplan die Grundzüge der Planung betreffe, da in den Vorgängerbebauungsplänen eine Grünfläche festgesetzt worden sei. Damit zeigt er nicht auf, inwiefern in diesem Zusammenhang auch seine abwägungserheblichen privaten Belange berührt oder fehlerhaft behandelt sein könnten. Vielmehr beruft er sich auf öffentliche (städtebauliche) Belange, deren gerechte Abwägung der Antragsteller nicht verlangen kann (vgl. VGH BW, U.v. 20.3.2013 – 5 S 1126/11 – juris Rn. 44). Auf einen Verstoß gegen § 13 BauGB kann sich im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO nur berufen, wer die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt und insbesondere antragsbefugt ist.
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Die Antragsbefugnis ergibt sich vorliegend jedoch aus der möglichen Zunahme der Lärmbelastung in Gestalt von Rangierverkehr mit schweren Lkw und Ladevorgängen in kurzer Entfernung zum Wohngebäude des Antragstellers. Sein Grundstück ist nach der vorgesehenen südlichen Erweiterung und teilweisen Einbeziehung des Grünstreifens zwischen Gewerbe- und Wohngebiet in die (neuen) Gewerbegebietsflächen nur noch durch einen schmalen Grünstreifen von dem Gewerbegebiet getrennt. Mit der Erweiterung des Gewerbegebiets insbesondere nach Süden bedarf es im Hinblick auf die angrenzende Wohnbebauung einer sorgfältigen Abwägung des künftigen Immissionsgeschehens. Denn es gehört zu den grundlegenden Aufgaben der Bauleitplanung, durch die Festsetzung von Baugebieten Nutzungskonflikte innerhalb des jeweiligen Gebietes zu vermeiden und die verschiedenen Baugebiete einander so zuzuordnen, das Konflikte zwischen den Gebieten und ihrer Umgebung vermieden werden (vgl. BVerwG, U.v. 18. August 2005 – BVerwG 4 C 13.04 – BVerwGE 124, 132 für den Flächennutzungsplan). Da die Normaufstellungsakten zum eigentlichen Anlass der Planänderung – anders als die früheren Änderungen – keine Hinweise enthalten und auch die Bevollmächtigte des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung einen konkreten Anlass für die Planung nicht benennen konnte, dürfen die Anforderungen an die Darlegung nicht überspannt werden. Denn nach der Änderungsplanung sind auch Logistik- und Transportunternehmen zugelassen, die trotz der zwischenzeitlich erfolgten Errichtung eines Wohnhauses mit Büroräumen im nordwestlichen Planbereich noch angesiedelt werden können. Ob eine Fehlgewichtung der privaten Belange des Antragstellers angesichts der Vorprägung des Grundstücks durch das benachbarte Gewerbegebiet ausscheidet bzw. ob die Immissionsschutzregelungen zur Sicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte in den benachbarten Wohngebieten wirksam sind, ist nicht im Rahmen der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags zu prüfen.
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2. Die 7. Änderung des Bebauungsplans ist unwirksam, weil der ursprüngliche Bebauungsplan „Gewerbegebiet K.“ vom 3. März 1986 an einem Ausfertigungsmangel leidet (2.1). Die Änderung des Bebauungsplans konnte auch nicht gemäß § 13 BauGB im vereinfachten Verfahren erfolgen (2.2). Der textlichen Festsetzung 30.2 zu den immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln fehlt es an einer Regelungsermächtigung (2.3). Ob darüber hinaus der Festsetzung A.1.1 zur Einhaltung der zulässigen Tages- und Nacht-Richtwerte für die benachbarten Wohngebiete ein zusätzlicher Regelungsgehalt zukommt, kann dahinstehen. Jedenfalls verstößt die Festsetzung gegen den Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit, weil keine konkreten Immissionsrichtwerte benannt werden (2.4). Auch der textlichen Festsetzung 30.10 zur technischen Ausführung der Dachhaut von Gebäuden innerhalb der Baubeschränkungszone fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (2.5). Die Fehler 2.1 und 2.2 und die fehlende Konfliktbewältigung der Lärmproblematik führen zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.
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2.1 Bei einem Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO handelt es sich um ein objektives Rechtsbeanstandungsverfahren, das über das zugleich enthaltene Element des subjektiven Rechtsschutzes hinausgeht (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2020 – 4 CN 9.19 – NVwZ 2021, 331). Die 7. Änderung des Bebauungsplans ist daher auch auf Mängel zu überprüfen, die keinen Bezug zu einer subjektiv-rechtlichen Betroffenheit des Antragstellers aufweisen. Bei dem Änderungsbebauungsplan handelt es sich nicht um einen selbständigen Bebauungsplan. Dessen Wirksamkeit wird daher von einer etwaigen Unwirksamkeit des ursprünglichen Bebauungsplans berührt (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.1992 – 4 NB 22.92 – juris Rn. 18).
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Zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 11. September 2018 lag ein wirksamer Bebauungsplan nicht vor. Der ursprüngliche Bebauungsplan „Gewerbegebiet K.“ vom 3. März 1986 ist aufgrund eines von Amts wegen zu prüfenden, gegen Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO verstoßenden Ausfertigungsmangels unwirksam. Bebauungspläne sind Satzungen (§ 10 Abs. 1 BauGB) und als solche nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO auszufertigen. Dies gebietet das in Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 BV verfassungsrechtlich verankerte Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2014 – 4 B 31.14 – ZfBR 2014, 782; U.v. 1.7.2010 – 4 C 4.08 – BVerwGE 137, 247; B.v. 9.5.1996 – 4 B 60.96 – NVwZ-RR 1996, 630), das die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen verlangt. Durch die Ausfertigung wird die Satzung als Originalurkunde hergestellt und beglaubigt, dass der Inhalt des als Satzung beschlossenen Bebauungsplans mit dem Willen des Gemeinderats übereinstimmt (vgl. BayVGH, U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 34; U.v. 28.10.2014 – 15 N 12.1633 – NVwZ-RR 2015, 321 – sog. „Identitätsfunktion“, „Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion“, vgl. auch BVerwG, B.v. 21.6.2018 – 4 BN 34.17 – ZfBR 2018, 796; U.v. 1.7.2010 a.a.O.). Ein Bebauungsplan muss vor seiner Bekanntmachung, d.h. vor dem Bekanntmachungsakt, ausgefertigt werden (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.1999 – 4 B 129.98 – BayVBl 1999, 410; B.v. 9.5.1996 – 4 B 60.96 – BauR 1996, 670).
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Der ursprüngliche Bebauungsplan „Gewerbegebiet K.“ des Antragsgegners entspricht diesen Anforderungen nicht. Der Bebauungsplan wurde mit Bescheid des Landratsamts am 11. März 1986 genehmigt, die Genehmigung wurde am 8. August 1986 ortsüblich bekannt gemacht. Die Ausfertigung des Bebauungsplans mittels Unterschrift des 1. Bürgermeisters und damit die Dokumentation der Identität der „ausgefertigten“ Originalurkunde erfolgte jedoch erst am 15. September 1986 und damit nach der Bekanntmachung (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.1999 a.a.O.).
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Es kann dahinstehen, ob auch die 1. Änderung dieses Bebauungsplans unwirksam ist, weil es sich bei diesem Änderungsbebauungsplan – wofür nach Auffassung des Senats Einiges spricht – nicht um einen selbständigen Bebauungsplan handelt und dessen Wirksamkeit daher von einer etwaigen Unwirksamkeit des ursprünglichen Bebauungsplans – wie hier – berührt wird oder ob es sich um eine Neuaufstellung des Bebauungsplans handelt, mit der ein neuer Plan entsteht und der den ursprünglichen Bebauungsplan ersetzt. Denn jedenfalls liegt bei der 1. Änderung des Bebauungsplans ebenfalls ein Ausfertigungsmangel vor, da er erst nach seiner ortsüblichen Bekanntmachung am 27. Juli 1989 am 28. Juli 1989 vom 1. Bürgermeister ausgefertigt wurde.
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2.2 Der Bebauungsplan durfte nicht im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB geändert werden.
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Ein vereinfachtes Planänderungsverfahren ist nach § 13 Abs. 1 BauGB nur zulässig, wenn durch die Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Das ist der Fall, wenn die Änderung das der bisherigen Planung zugrundeliegende Leitbild nicht verändert, wenn also der planerische Grundgedanke erhalten bleibt (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2000 – 4 B 18.00 – NVwZ-RR 2000, 759). Die Abweichung vom bisherigen Planinhalt muss – soll sie mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein – durch das planerische Wollen gedeckt sein; es muss – mit anderen Worten – angenommen werden können, die Abweichung liege noch im Bereich dessen, was der Planer gewollt hat oder gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grundes für die Abweichung gekannt hätte (vgl. BVerwG, U.v. 4.8.2009 – 4 CN 4.08 – BVerwGE 134, 264; U.v. 29.1.2009 – 4 C 16.07 – BVerwGE 133, 98; BayVGH, U.v. 16.2.2021 – 15 N 19.923 – juris Rn. 23).
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Gemessen an diesen Maßstäben sind durch die 7. Änderung des Bebauungsplans die Grundzüge der Planung berührt. Wesentliches Ziel der Planung ist nach der Begründung der ursprünglichen Planung die Sicherstellung ausreichender Baugebietsflächen für Gewerbetreibende, bei denen immissionsschutzrechtliche Probleme und Konflikte ausreichend ausgeschieden sind. Zum Schutz der südlich angrenzenden Wohnbebauung vor schädlichen Immissionen ist die Freihaltung eines Schutzstreifens zwischen dem Gewerbegebiet und dem allgemeinen Wohngebiet sowie die Gliederung des Gewerbegebiets nach der Art der Betriebe im Sinn von § 1 und § 8 BauNVO vorgesehen. Die Ausweisung eines (neuen) Bauraums für Gewerbebetriebe mittels teilweiser Zuordnung der südlichen Grünfläche ändert zwar nicht die bisherige Festsetzung der Art der Nutzung als Gewerbegebiet, jedoch wird damit der Anteil der Grünflächen zu Lasten der Gewerbeflächen verringert. Gleichzeitig rückt das Gewerbegebiet unter überwiegender Aufgabe des Schutzstreifens näher an die südlich angrenzende Wohnbebauung heran. Mit der Erweiterung des Gewerbegebiets nach Süden bedarf es daher im Hinblick auf die angrenzende Wohnbebauung einer sorgfältigen Abwägung des künftigen Immissionsgeschehens. Demgegenüber kommt es auf die zuvor im südöstlichen Planbereich bereits erfolgten Erweiterungen der Gewerbeflächen nach Süden durch die 5. und 6. Änderung des Bebauungsplans nicht entscheidend an. Maßstab für die Beurteilung, ob Grundzüge der Planung betroffen sind, ist stets der ursprüngliche Bebauungsplan und dessen Plangebiet.
24
Ob mit der Einbeziehung eines Teilbereichs des Grundstücks FlNr. …2 im westlichen Planungsgebiet eine nur geringfügige Arrondierung und/bzw. Vergrößerung des räumlichen Umgriffs des Planungsgebiets erfolgt ist, da die Grünfläche der Gewerbefläche zugeschlagen wurde, kann daher ebenso dahinstehen wie der Umstand, dass der Antragsgegner in der Gesamtschau keine Änderung der planerischen Gesamtkonzeption einer Gewerbegebietsausweisung beabsichtigt und die Änderungsplanung auch keine sonstigen neuen Gewerbeflächen im Plangebiet ermöglicht.
25
Da die Voraussetzungen des § 13 BauGB nicht vorliegen, wurde zu Unrecht von einer Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB abgesehen und dem Änderungsbebauungsplan kein Umweltbericht nach § 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB beigefügt. Dies stellt beachtliche Verfahrensfehler gemäß § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB dar (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.2020 – 4 CN 5.18 – BVerwGE 169, 29; U.v. 4.11.2015 – 4 CN 9.14 – BVerwGE 153, 174). Der Antragsteller hat die fehlerhafte Wahl des vereinfachten Verfahrens innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB gerügt.
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2.3 Der textlichen Festsetzung 30.2 zum flächenbezogenen Lärmemissionskontingent fehlt es an einer Regelungsermächtigung im BauGB oder in der BauNVO.
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Für bauplanungsrechtliche Festsetzungen besteht ein Typenzwang. Durch den Bebauungsplan bestimmt der Plangeber Inhalt und Schranken des Eigentums der im Planbereich gelegenen Grundstücke. Hierfür bedarf er gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage.
28
Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO können für die in den §§ 4 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebiete im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften gliedern (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 – 4 CN 7.16 – BVerwGE 161, 53). Ein Summenpegel für mehrere Betriebe oder Anlagen ist unzulässig, weil mit ihm keine Nutzungsart, insbesondere nicht das Emissionsverhalten als „Eigenschaft“ von Anlagen und Betrieben im Sinn des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt, sondern nur ein Immissionsgeschehen gekennzeichnet wird, das von unterschiedlichen Betrieben und Anlagen gemeinsam bestimmt wird und deshalb für das Emissionsverhalten einer bestimmten Anlage für sich genommen letztlich unbeachtlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 7.98 – BVerwGE 110, 193). Dem Tatbestandsmerkmal des Gliederns wird nur Rechnung getragen, wenn das Baugebiet in einzelne Teilgebiete mit verschieden hohen Emissionskontingenten zerlegt wird (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.2015 – 4 BN 26.14 – BauR 2015, 943). Die Festsetzung eines einheitlichen Emissionskontingents für das gesamte Baugebiet ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nicht gedeckt. Die Voraussetzung für eine baugebietsübergreifende Gliederung gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO, dass neben dem emissionskontingentierten Gewerbegebiet noch (mindestens) ein Gewerbegebiet als Ergänzungsgebiet vorhanden ist, in welchem keine Emissionsbeschränkungen gelten (BVerwG, B.v. 9.3.2015 a.a.O.; B.v. 18.12.1990 – 4 N 6.88 – BayVBl 1991, 310) gilt entsprechend für die interne Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO. Macht eine Gemeinde nur von dieser Norm Gebrauch und verzichtet auf eine baugebietsübergreifende Gliederung, muss gewährleistet bleiben, dass vom Typ her nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe aller Art im Gewerbegebiet ihren Standort finden können. Das bedeutet, dass es in einem nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO intern gegliederten Baugebiet ein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung oder, was auf dasselbe hinausläuft, ein Teilgebiet geben muss, das mit Emissionskontingenten belegt ist, die jeden nach § 8 BauNVO zulässigen Betrieb ermöglichen. Geschuldet ist dies dem Umstand, dass auch bei Anwendung des § 1 Abs. 4 BauNVO die allgemeine Zweckbestimmung der Baugebiete zu wahren ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 a.a.O.).
29
Gemessen an diesen Maßstäben knüpft das festgesetzte Mittel des Lärmschutzes zwar am Emissionsverhalten des einzelnen Betriebs innerhalb des Plangebiets an (vgl. BVerwG, B.v. 27.1.1998 – 4 NB 3.97 – BayVBl 1998, 503). Der Änderungsbebauungsplan erfüllt jedoch nicht die Anforderungen an die interne Gliederung eines Gewerbegebiets. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO ermöglicht zwar eine räumliche Zuteilung von Emissionsrechten, nicht aber deren das gesamte Baugebiet erfassende Beschränkung. Die Antragsgegnerin hat das Baugebiet des Änderungsbebauungsplans nicht in einzelne Teilbereiche mit verschieden hohen Emissionskontingenten zerlegt, auch ist das Gewerbegebiet insgesamt nicht in verschiedene Bereiche gegliedert bzw. fehlt es an einem entsprechenden Gliederungswillen für das Gesamtgebiet. Über die fehlende interne Gliederung des Baugebiets kann § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO, wonach die Festsetzungen nach Satz 1 auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden können, nicht hinweghelfen. Eine solche Möglichkeit hat der Antragsgegner bereits nicht in Betracht gezogen, jedenfalls fehlt es an einem darauf gerichteten planerischen Willen (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 a.a.O.).
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§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB scheidet ebenfalls als Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Emissionskontingentierung aus. Emissionskontingente sind keine baulichen oder technischen Vorkehrungen im Sinn dieser Vorschrift (vgl. BVerwG, B.v. 7.12.2017 – 4 CN 7.16 – BVerwGE 161, 53).
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Es kann daher dahinstehen, dass in der Festsetzung auch die Berechnungsgrundlagen nicht angeführt sind.
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2.4 Ob darüber hinaus der Festsetzung A.1.1 zur Einhaltung der zulässigen Tages- und Nacht-Richtwerte für die benachbarten Wohngebiete ein zusätzlicher Regelungsgehalt zukommt, kann dahinstehen. Denn jedenfalls verstößt die Festsetzung gegen den Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit, weil keine konkreten Immissionsrichtwerte benannt werden. Auch in diesem Fall unterliegt die Festsetzung dann der – deklaratorischen – Unwirksamkeitserklärung. Da die Antragsgegnerin sie als Festsetzung bezeichnet, erweckt sie den Eindruck, eine solche zu sein. Handelt es sich in Wahrheit aber um einen Hinweis, ist dieser Anschein regelmäßig durch einen Unwirksamkeitsausspruch zu beseitigen.
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Die Festsetzungen eines Bebauungsplans als Rechtsnorm im materiellen Sinn müssen den aus dem Rechtsstaatsgebot (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuleitenden Geboten der Bestimmtheit und Normenklarheit entsprechen. Speziell für Bebauungspläne folgt die Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit sowohl für zeichnerische als auch für textliche Festsetzungen daraus, dass die Festsetzungen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des grundrechtlich geschützten Eigentums unmittelbar berühren und ausgestalten. Die von den Festsetzungen des Bebauungsplans Betroffenen müssen deshalb wissen, welche Nutzungen auf den Grundstücken zulässig sind. Der planenden Gemeinde steht es dabei frei zu entscheiden, welcher Mittel sie sich bedient, um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen. Sie hat die Wahl zwischen zeichnerischer Festsetzung und textlicher Beschreibung; sie kann auch beide Elemente kombinieren. Entscheidend ist nur, dass hinreichend klar ist, welche Regelungen mit welchem Inhalt normative Geltung beanspruchen. Das im Einzelfall zu fordernde Maß an Konkretisierung hängt wesentlich von der Art der jeweiligen Festsetzung, den Planungszielen und den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den örtlichen Verhältnissen, ab (vgl. BayVGH, U.v. 15.11.2022 – 1 N 19.1117 – juris Rn. 27; U.v. 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 26).
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Gemessen an diesen Maßstäben fehlt es der Festsetzung A.1.1 bereits an der erforderlichen Bestimmtheit, da sie keine Immissionsrichtwerte enthält. Die fehlende Darstellung der Immissionsrichtwerte kann auch nicht durch Auslegung dahingehend beseitigt werden, dass zur Bestimmung auf die nach Nr. 6.1 TA Lärm maßgeblichen Werte für allgemeine Wohngebiete von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts abgestellt wird. Da auf das Grundstück des Antragstellers nicht nur der Gewerbelärm des vorliegenden Plangebiets einwirkt, kommt ein reduzierter Richtwert bzw. die Anwendung der Regelung in Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm in Betracht.
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2.5 Schließlich fehlt es auch der textlichen Festsetzung 30.10, wonach die Dachhaut von Gebäuden innerhalb der Baubeschränkungszone in harter Bedachung nach DIN 4102, Teil 7, ausgeführt werden muss, an einer gesetzlichen Grundlage. Die planerischen Festsetzungsmöglichkeiten im Bebauungsplan sind in § 9 BauGB, Art. 81 BayBO sowie in den Vorschriften der in Ergänzung zu § 9 BauGB und auf Basis von § 9a BauGB erlassenen Baunutzungsverordnung (BauNVO) jeweils abschließend geregelt. Ein darüberhinausgehendes Festsetzungsfindungsrecht steht dem Plangeber – abgesehen vom hier nicht einschlägigen Fall des § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB – nicht zu (vgl. BVerwG, B.v. 23.12.1997 – 4 BN 23.97 – NVwZ-RR 1998, 538; BayVGH, U.v. 15.6.2021 – 15 N 20.398 – juris Rn. 21).
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Gemessen an diesen Maßstäben ist eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung 30.10 nicht ersichtlich. Auch § 9 Abs. 5 Nr. 1 BauGB sieht nur eine Kennzeichnung der Flächen, bei deren Bebauung besondere Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind, vor. Sie bietet jedoch keine Grundlage für die hier getroffene weitergehende Festsetzung (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2021 – 1 NE 21.1820 – juris Rn. 28 zur Festsetzung einer Baumwurfzone).
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Unabhängig davon, dass auch in diesem Fall einiges dafür spricht, dass es sich weniger um eine normative Festsetzung, sondern vielmehr um einen (lediglich) informatorischen Hinweis auf das Baugenehmigungsverfahren handelt, unterliegt die Festsetzung der – deklaratorischen – Unwirksamkeitserklärung.
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Dieser Fehler führt aber nicht zur Gesamtunwirksamkeit des Änderungsbebauungsplans (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2008 – 4 B 5.08 – juris Rn. 8). Der Konflikt zwischen der planungsrechtlichen Zulassung von Bebauung innerhalb einer Baubeschränkungszone und der Gefährdung durch Baumstürze kann mittels einer Gefahreneinschätzung der Bauaufsichtsbehörde und dem Stromversorger zuverlässig geklärt werden (BVerwG, B.v. 26.6.2007 – 4 BN 24.07 – juris Rn. 3).
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Die Antragsgegnerin trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).