Titel:
Verlust der Kostenvorschusseinrede infolge Rechtshängigkeit des Grundbuchberichtigungsanspruchs
Normenketten:
BGB § 273, § 369, § 894, § 897
ZPO § 93, § 894
Leitsatz:
Erhebt der Gläubiger eines Grundbuchberichtigungsanspruchs nach § 894 BGB Klage, verliert der Schuldner wegen der Wirkungen des § 894 ZPO die sich aus den §§ 897, 369 analog, 273 BGB ergebende Kostenvorschusseinrede. Um einer Kostenpflicht weiterhin zu entgehen, muss er den unbedingten Klageanspruch sofort anerkennen, § 93 ZPO. (Rn. 5 – 14)
Schlagworte:
Grundbuchberichtigungsanspruch, Kostenvorschusseinrede, Rechtshängigkeit
Vorinstanz:
LG München II, Endurteil vom 19.05.2022 – 1 O 2809/21
Fundstellen:
ZfIR 2023, 290
JurBüro 2023, 255
NJW 2023, 1592
MittBayNot 2024, 460
LSK 2023, 2703
BeckRS 2023, 2703
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München II vom 19. Mai 2022, Az. 1 O 2809/21, abgeändert und die Beklagte zu 2) verurteilt, die Löschung der im Grundbuch von K., Blatt …19 in Abteilung III unter lfd. Nr. 2 zu ihren Gunsten eingetragene Zwangssicherungshypothek über 2.834,00 € zu bewilligen.
II. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 23 Prozent, der Beklagte zu 1) zu 48 Prozent und die Beklagte zu 2) zu 29 Prozent. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte zu 1) 48 Prozent und die Beklagte zu 2) 29 Prozent. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin 41 Prozent. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert des landgerichtlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens wird auf 8.736,06 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
(abgekürzt gemäß § 525 Satz 1, § 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO)
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Die Parteien streiten über die Unzulässigkeit einer Zwangsvollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss und damit zusammenhängende Ansprüche.
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Nach übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen der Parteien und einer von der Klägerin erklärten Teilklagerücknahme hat die Beklagte zu 2) den von der Klägerin zuletzt allein geltend gemachten Anspruch auf Bewilligung der Löschung der im Tenor genannten Zwangssicherungshypothek unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt, so dass gemäß § 525 Satz 1, § 307 Satz 1 ZPO Anerkenntnisurteil zu erlassen war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a, 92, § 269 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 525 Satz 1 ZPO. Erörterungswürdig ist allein Folgendes:
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Eine Anwendung des § 93 ZPO zugunsten der Beklagten zu 2) kommt hinsichtlich des Anerkenntnisses nicht in Betracht, da sie dieses erst in der mündlichen Verhandlung – und damit nicht sofort im Sinne der Norm – unbedingt erklärt hat. Bis dahin hat die Beklagte zu 2) – auch noch nach der aus ihrer Sicht die Schuld aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vollständig erfüllenden Überweisung vom 25. Mai 2022 und dem Hinweisbeschluss des Senats vom 8. Dezember 2022 – darauf beharrt, dass die Klägerin ihr die Kosten für die notarielle Beurkundung der Erklärung vorzuschießen habe und insoweit ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Ein solches stand ihr allerdings nicht (mehr) zu. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
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1. Zwar hat der Gläubiger eines auf § 894 BGB gestützten Grundbuchberichtigungsanspruches gemäß § 897 BGB grundsätzlich die Kosten der zur Berichtigung des Grundbuchs erforderlichen Erklärungen zu tragen, wozu insbesondere die Kosten einer notariellen Beurkundung gehören können. Auch ist es anerkannt, dass insoweit eine – auf eine Gesamtanalogie zu den § 369 Abs. 1, § 403 Satz 2, § 798 Satz 2, § 799 Abs. 2 Satz 2, § 800 Abs. 2 Satz 2 BGB gestützte – Vorschusspflicht des Gläubigers besteht, die den Schuldner im Wege der Einrede zur Verweigerung der Abgabe der Erklärung berechtigt (Staudinger/Picker, BGB [2019], § 897 Rn. 5; MüKoBGB/H. Schäfer, 9. Aufl., § 897 Rn. 2; BeckOGK/Hertel, BGB [Stand: 15.4.2021], § 897 Rn. 6; BeckOK BGB/H.-W. Eckert, 64. Ed., § 897 Rn. 3).
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2. Diese materiell-rechtliche Regelung ist allerdings in Einklang zu bringen mit der vollstreckungsrechtlichen Norm des § 894 ZPO.
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a) Gemäß § 894 Satz 1 ZPO gilt die Erklärung des zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilten Schuldners als abgegeben, sobald das Urteil die Rechtskraft erlangt hat. Das rechtskräftige Urteil „ersetzt“ dabei die Erklärung in der für sie erforderlichen Form (Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl., § 894 Rn. 6; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 19. Aufl., § 894 Rn. 11; MüKoZPO/Gruber, 6. Aufl., § 894 Rn. 15).
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Würde man – der eben dargestellten materiell-rechtlichen Rechtslage folgend – die in der Urteilsformel ausgesprochene Verpflichtung zur Abgabe der Bewilligungserklärung unter den Zug-um-Zug-Vorbehalt der Tragung der Kosten für ihre Form stellen, hätte dies gemäß § 894 Satz 2 ZPO zur Konsequenz, dass die Fiktionswirkung erst einträte, sobald nach den Vorschriften der §§ 726, 730 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils erteilt ist. Der Gläubiger wäre also gezwungen, dem Schuldner die Kosten für die Form der Erklärung (bspw. die Kosten für eine notarielle Beurkundung) in Annahmeverzug begründender Weise anzubieten und dies im Klauselerteilungsverfahren nach § 726 ZPO entsprechend nachzuweisen. Würde die Klausel erteilt, gölte die Willenserklärung als abgegeben und die Zwangsvollstreckung wäre abgeschlossen (Zöller/Seibel, ZPO, 34. Aufl., § 894 Rn. 6; MüKoZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl., § 732 Rn. 9).
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Aufgrund dieser vollstreckungsrechtlichen Regelungen entstehen für den Schuldner im Ergebnis keine Kosten für die Form der Abgabe der Erklärung. Denn das rechtskräftige – und im Falle einer Zug-um-Zug-Verurteilung mit einer Vollstreckungsklausel versehene – Urteil ersetzt die Erklärung in der notwendigen Form.
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b) Vor diesem Hintergrund erscheint es daher gerechtfertigt, die Verpflichtung zur Abgabe einer Bewilligungserklärung trotz einer – im vorprozessualen Stadium gemäß § 897, § 369 analog BGB materiell-rechtlich begründet – erhobenen Vorschusseinrede in der Urteilsformel unbedingt auszusprechen (so im Ergebnis wohl auch: Staudinger/Picker, BGB [2019], § 897 Rn. 4; BeckOGK/Hertel, BGB [Stand: 15.4.2021], § 897 Rn. 5).
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Hierfür spricht, dass es kaum einzusehen ist, dass der Schuldner die ihm im Rahmen der Zwangsvollstreckung vom Gläubiger aufgrund der Zug-um-Zug-Verurteilung angebotenen Kosten für die notarielle Beurkundung der Erklärung entgegennehmen und behalten darf, obwohl er solche aufgrund der Fiktionswirkung des rechtskräftigen (und mit einer Vollstreckungsklausel versehenen) Urteils im Ergebnis nicht tragen muss. Eine Zug-um-Zug-Verpflichtung des Klägers stünde also von vornherein unter dem Damoklesschwert der alsbaldigen Rückforderung der Zug-um-Zug-Leistung (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Es erscheint widersinnig, im Erkenntnisverfahren eine Zug-um-Zug-Einschränkung auszusprechen, um diese dann im Vollstreckungsverfahren unter Anwendung des § 242 BGB ihrer Geltung zu berauben. Löste man dieses Problem nicht bereits im Vollstreckungsverfahren, wäre ein tatsächlich geleisteter Kostenvorschuss – bei Weigerung des Schuldners – vom Gläubiger in einem weiteren Prozess (gemäß § 812 BGB) zurückzufordern.
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c) Diese Erwägungen sprechen dafür, die vollstreckungsrechtlichen Vorgaben des § 894 ZPO bereits im Erkenntnisverfahren zu berücksichtigen und dem Erklärungsschuldner die vorprozessual begründete Vorschusseinrede im Rechtsstreit zu nehmen.
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Rechtsdogmatisch lässt sich dieses Ergebnis durch Auslegung des § 897 BGB erreichen. Denn die grundsätzliche Kostentragungspflicht desjenigen, welcher die Berichtigung verlangt, steht unter dem Vorbehalt, dass sich aus einem zwischen ihm und dem Verpflichteten bestehenden Rechtsverhältnis nichts anderes ergibt. Versteht man das durch die Rechtshängigkeit der Klage zwischen dem Kläger und dem Beklagten begründete Prozessrechtsverhältnis (siehe hierzu: Zöller/G. Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., Einleitung Rn. 36) als ein solches Rechtsverhältnis, ergibt sich aus der Regelung des § 894 ZPO, dass – von den Gerichtskosten abgesehen – keine (weiteren) Kosten für die Form der Erklärung anfallen (werden). Die Kostentragungspflicht richtet sich bei bestehendem Prozessrechtsverhältnis folglich – von dem Grundsatz des § 897 BGB abweichend – nach den §§ 91 ff. ZPO, die im Ergebnis auch die Kosten der notwendigen Form der Willenserklärung enthalten.
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Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der zur Abgabe der Erklärung Verpflichtete vor Begründung des Prozessrechtsverhältnisses materiell-rechtlich zu Recht die Vorschusseinrede erheben durfte, wird man bei einem im Rechtsstreit erklärten Anerkenntnis anzunehmen haben, dass der dann Beklagte keinen Anlass zur Klage gegeben hat. Das Anerkenntnis muss allerdings – und dies hat die Beklagte zu 2) vorliegend nicht getan – sofort und unbedingt erklärt werden; es darf nicht weiter von der Leistung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht werden.