Inhalt

VG München, Urteil v. 28.03.2023 – M 5 K 20.1667
Titel:

Kausalität zwischen Dienstunfall und Minderung der Erwerbsfähigkeit

Normenketten:
BayBeamtVG Art. 52
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
BVG § 31 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3
Leitsätze:
1. Art. 52 Abs. 1 S. 1 BayBeamtVG fordert eine Ursächlichkeit zwischen Dienstunfall und der Minderung der Erwerbsfähigkeit; dies ergibt sich insbes. aus dem Wort der Norm "infolge", zudem normiert die Vorschrift ausdrücklich, dass eine unfallunabhängige Minderung der Erwerbsfähigkeit außer Betracht bleibt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten ist der anerkannte Dienstunfall (Hautkrebs) nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursächlich für die psychische Erkrankung (Angstzustände mit körperlichen Begleitsymptomen und ausgeprägten Schlafstörungen) des Beamten und kann sich somit nicht kausal auf die Minderung der Erwerbsfähigekeit auswirken. (Rn. 28 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unfallausgleich, Widerruf, Ursächlichkeit zwischen Dienstunfall und Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE), Ursächlichkeit zwischen Dienstunfall und Minderung der Erwerbsfähigkeit (MDE), Gutachten, Hautkrebs, psychische Erkrankung, Gefährundung des öffentlichen Interesses, allgemeine Beweisgrundsätze
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 28.08.2023 – 3 ZB 23.824, 3 ZB 23.825, 3 ZB 23.826
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27017

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
 II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der 1960 geborene Kläger war seit ... August 1987 als technischer Beamter (zuletzt Besoldungsgruppe A 8) bei der Beklagten tätig. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers bestand darin, Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten auf den Dächern der Beklagten durchzuführen. Nach Durchführung eines Zurruhesetzungsverfahrens wurde der Kläger zum ... November 2018 in den Ruhestand versetzt. Mit der vorliegenden Klage gegen den Bescheid vom ... März 2020, welcher den Bescheid vom … Mai 2018 für die Zukunft aufhebt, begehrt der Kläger, dass ihm nach wie vor ein Unfallausgleich nach Art. 52 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) gewährt wird.
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Im September 2015 wurde beim Kläger ein histopathologisch gesichtetes spinocelluläres Karzinom auf dessen rechter Wange diagnostiziert, woraufhin der Kläger zweimal operiert wurde und sich im Anschluss zeitweise – jedoch nicht durchgehend – im Krankenstand befand.
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Mit Bescheid vom … November 2017 wurde diese Erkrankung als Dienstunfall im Sinne des Art. 46 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) durch die Beklagte anerkannt. Am … November 2017 wurde beim Kläger ein Keratoakanthom am rechten Handrücken diagnostiziert. Beim Kläger wurde im Mai 2018 im Rahmen eines amtsärztlichen Gutachtens der Landeshauptstadt München eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. festgestellt. Mit Bescheid vom … Mai 2018 wurde dem Kläger ein Unfallausgleich gem. Art. 52 BayBeamtVG gewährt.
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Auf Grund eines seitens des Klägers gestellten Antrags auf Zurruhesetzung erfolgte im Oktober 2018 durch die medizinische Untersuchungsstelle der Regierung von Oberbayern eine erneute Untersuchung. Es wurde festgestellt, dass beim Kläger ausgeprägte gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sich insgesamt in Angstzuständen mit körperlichen Begleitsymptomen und ausgeprägten Schlafstörungen äußern, bestehen. Der Kläger sei deshalb aus derzeitiger Sicht dauernd dienstunfähig. Am … Oktober 2018 wurde der Kläger in den Ruhestand versetzt.
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Mit Bescheid vom … März 2020, dem Klägerbevollmächtigten am … März 2020 zugegangen, hat die Beklagte den Bescheid vom … Mai 2018 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben.
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Mit Schriftsatz vom 19. April 2020 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
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Der Bescheid der Beklagten vom ... März 2020 wird aufgehoben.
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Die Klage sei begründet, da der Bescheid vom ... März 2020 rechtswidrig sei. Die Voraussetzungen für einen Widerruf würden nicht vorliegen, da keine nachträglich eingetretenen Tatsachen vorliegen würden. Alle Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsgrundlage nach Art. 52 BayBeamtVG würden beim Kläger nach wie vor vorliegen, insbesondere liege nach wie vor eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 v.H. vor. Das von der Beklagten ins Feld geführte dermatologische Gutachten des Klinikums … … … vom … Januar 2020 würde in keinster Weise die psychischen Erkrankungen des Klägers berücksichtigen. Auch habe das Versorgungsamt ausgeführt, dass die Heilungsbewährung sechs Jahre betragen würde. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens seien aber erst viereinhalb Jahre vergangen.
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Demgegenüber hat die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Bescheid vom … März 2020 sei rechtmäßig. Das Gutachten vom … Januar 2020 würde belegen, dass der als Dienstunfall anerkannte Hautkrebs unterhalb der Schwelle der Minderung der Erwerbsfähigkeit liege, welche nach Art. 52 BayBeamtVG vorgesehen sei.
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Mit Beschluss vom 31. August 2022 wurde Dr. A. des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Im Gutachten vom … Januar 2023 kommt der Gutachter zu dem Schluss, dass ein wesentlicher Ursachenzusammenhang der auf psychiatrischem Fachgebiet diagnostizierten Erkrankungen mit den als Dienstunfall anerkannten dermatologischen Erkrankungen nicht besteht und nicht bestand und auf psychiatrischem Fachgebiet eine dienstunfallabhängige Minderung der Erwerbstätigkeit nicht besteht.
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Mit Schreiben vom … Januar 2023, ... Februar 2023 sowie … Februar 2023 hat der Kläger Einwände gegen das Gutachten vom … Januar 2023 geltend gemacht. Er führt insbesondere aus, dass er aufgrund der dermatologischen und psychischen Dienstunfallerkrankungen rechtskräftig in den Ruhestand versetzt worden sei und dies formelle und materielle Bestandskraft habe, sodass das Gutachten vom … Januar 2023 für die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung nicht relevant sei. Weiter trägt der Kläger vor, dass das Gutachten wertlos sei, da auf Grund der langen Dauer von vier Stunden kein objektives bzw. richtiges Ergebnis zustande gekommen sei. Nach der dreistündigen Befragung sei der Kläger erschöpft gewesen und habe sich nicht mehr konzentrieren können, weshalb er die Beantwortung eines Fragebogens mit 300 Fragen innerhalb nur einer Stunde übereilt bearbeitet habe. Der Kläger führt weiter aus, dass er viele Fragen nicht verstanden habe und einfach den Mittelwert genommen habe. Auch habe er gegenüber dem Gutachter erwähnt, dass er die Begutachtung als Zumutung empfinde. Zudem habe der Gutachter für die Erstellung des Gutachtens falsche Tatsachen zugrunde gelegt. Zuletzt sei ein Zusammenhang der psychischen Erkrankung mit der dermatologischen Erkrankung im Gutachten der Regierung von Oberbayern vom … Oktober 2018 festgestellt worden.
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Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 3. Juni 2020, die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Juni 2020 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Verwaltungsakten, sowie die Gerichts- und die beigezogenen Verwaltungsakten in den Verfahren M 5 K 19.3140 und M 5 K 20.1668 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Über die Klage kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, da die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
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Der Bescheid der Beklagten vom 6. März 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger damit nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Die Beklagte hat zu Recht den Bescheid vom … Mai 2018, in welchem dem Kläger ein Unfallausgleich gewährt wurde, gestützt auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), widerrufen.
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Nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG darf ein (ursprünglich) rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise widerrufen werden, wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt zu versagen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
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Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses (vgl. BayVGH, B.v. 1.8.2017 – 22 ZB 16.2192 – juris Rn. 8; B.v. 8.2.2017 – 22 C 16.1107 – GewArch 2018, 35, juris Rn. 8).
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a) Die Gewährung eines Unfallausgleichs nach Art. 52 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) stellt eine gebundene Entscheidung dar. Die nachträglich eingetretene Tatsache muss daher zum Entfall einer Tatbestandsvoraussetzung führen.
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Im vorliegenden Fall lagen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr alle Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 52 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG vor. Die dienstunfallabhängige Minderung der Erwerbsfähigkeit (im Folgenden: MdE) betrug zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am … März 2020 nur 10 v.H.
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Gem. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG erhält ein Beamter, der infolge eines Dienstunfalls in der Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate um mindestens 25 v.H. beschränkt ist, neben der Besoldung einen Unfallausgleich in Höhe der Grundrente nach § 31 Abs. 1 bis 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), solange dieser Zustand andauert. Eine unfallunabhängige Minderung der Erwerbsfähigkeit bleibt außer Betracht, Art. 52 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG.
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Die MdE ist nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Dabei handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Erwerbsfähigkeit ist die Kompetenz des Verletzten, sich unter Nutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm abstrakt im gesamten Bereich des Erwerbslebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Auf den bisherigen Beruf oder die bisherige Tätigkeit wird nicht abgestellt. Es kommt nicht auf die individuellen Verhältnisse, also die persönlichen Kenntnisse oder die geistigen, körperlichen, psychischen und sozialen Fähigkeiten an. Die Festsetzung der MdE im Versorgungsrecht folgt den unfallversicherungsrechtlichen Anforderungen. Sie richtet sich auch dort nach den verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens, die sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergeben (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch VII /SGB VII). Voraussetzung ist ein Vergleich der vor und nach dem Dienstunfall bestehenden individuellen Erwerbsfähigkeit (VG München, U.v. 18.2.2016 – M 5 K 15.1799 – juris Rn. 82).
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Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung gelten im Dienstunfallrecht die allgemeinen Beweisgrundsätze. Es ist daher grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Dieser ist nur dann erfüllt, wenn der Nachweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erbracht ist (BayVGH, B.v. 24.3.2004 – 3 ZB 05.431 – juris Rn. 8). Bleibt nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht offen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, trifft die materielle Beweislast den Kläger. Die allgemeinen Beweisgrundsätze gelten auch im Bereich des Unfallausgleichs (BVerwG, U.v. 22.10.1981 – 2 C 17/81 – ZBR 1982, 307, juris Rn. 18, m.w.N.).
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Der Grad der MdE ist aufgrund eines ärztlichen Gutachtens zu ermitteln. Dabei bilden allgemeine Erfahrungssätze, in Tabellen und Empfehlungen enthaltene Richtwerte, also antizipierte Sachverständigengutachten, in der Regel die Basis für die Bewertung der MdE durch den Sachverständigen. Der Sachverständige kann sich an der Versorgungsmedizin-Verordnung (Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes; im Folgenden: VersMedV) ebenso wie an Erfahrungswerten der gesetzlichen Unfallversicherung oder an Nr. 35.2.4 der Verwaltungsvorschrift zu § 35 BeamtenVG orientieren. Die konkrete Bewertung muss jedoch stets auf die Besonderheiten der MdE des betroffenen Beamten abstellen. Entscheidend ist, dass der Sachverständige bei seiner dienstunfallrechtlichen Bewertung als Maßstab die körperliche Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu Grunde legt (BayVGH, B.v. 1.2.2013 – 3 ZB 11.1166, juris Rn. 13; Bauer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Stand: Dezember 2022, § 35, Erl. 7.1).
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In Anwendung dieser Maßstäbe ist das Gericht auf der Grundlage des von Seiten der Beklagten eingeholten Gutachtens des Klinikums … … … vom … Januar 2020 sowie des Gutachtes des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren vom 14. Januar 2023 zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger nur noch eine MdE von 10 v.H. gegeben ist.
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Der von der Klagepartei angeführte Einwand, dass das dermatologische Gutachten des Klinikums … … … vom … Januar 2020 in keinster Weise die auch bestehenden psychischen Erkrankungen des Klägers berücksichtigen würde, greift nicht. Art. 52 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG fordert eine Ursächlichkeit zwischen Dienstunfall und der MdE. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut der Norm. Der Gebrauch des Wortes „infolge“ macht deutlich, dass zwischen dem Dienstunfall und der MdE eine Kausalität gegeben sein muss. Zudem normiert Art. 52 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG ausdrücklich, dass eine unfallunabhängige Minderung der Erwerbsfähigkeit außer Betracht bleibt. Mit Bescheid vom ... November 2017 wurde lediglich die Hautkrebserkrankung als Dienstunfall im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG durch das Deutsche Museum anerkannt. Die psychische Erkrankung stellt keinen Dienstunfall dar und kann sich somit nicht kausal auf die MdE auswirken. Auch eine Ursächlichkeit dahingehend, dass die Hautkrebserkrankung die psychischen Erkrankung kausal verursacht habe und deshalb auch die psychische Erkrankung als Dienstunfall gelte, liegt nicht vor.
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Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten, insbesondere auf Grund des Gutachtens vom … Januar 2023 des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der anerkannte Dienstunfall (Hautkrebs) nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursächlich für die psychische Erkrankung (Angstzustände mit körperlichen Begleitsymptomen und ausgeprägten Schlafstörungen) des Klägers war. Es fehlt bereits am spezifischen ursächlichen Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers als mögliche Dienstunfallfolgen und der Dienstunfähigkeit. Ein solcher Zusammenhang – wie von der Klagepartei behauptet – lässt sich weder aus dem Bescheid, in welchem die Berufserkrankung festgestellt wurde, noch aus einem der drei vorgelegten Gutachten entnehmen. Das Gutachten vom … Januar 2023 des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren verneint einen Kausalzusammenhang ausdrücklich.
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Mit Bescheid vom ... November 2017 wurde lediglich die Erkrankung an multiplem aktinischen Keratosen der Haut am rechten und linken Handrücken sowie einem Plattenepithelkarzinom an der rechten Wange – ausgelöst durch natürliche UV-Strahlung – als Berufserkrankung anerkannt.
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Zwar spricht das Gutachten der Landeshauptstadt München vom ... Mai 2018 auch von einer prolongierten Anpassungsstörung. Es stellt aber gerade keinen Ursachenzusammenhang zwischen der Hautkrebserkrankung und der Anpassungsstörung her, sondern stellt nur fest, dass eine prolongierte Anpassungsstörung vorliegt. Auch das Gutachten der Regierung von Oberbayern vom … Oktober 2018 stellt keinen Bezug zwischen der Hautkrebserkrankung und der psychischen Erkrankung her.
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Das fachärztliche dermatologische Gutachten des Klinikums … … … vom … Januar 2020 stellt fest, dass die Kausalität zwischen anerkannter Hautkrebserkrankung und psychischer Erkrankung an Hand der Aktenlage und des derzeit vorliegenden Hautbefundes nicht letztgültig beurteilt werden könne – es sieht also auch keinen Kausalzusammenhang.
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Auch der Einwand der Klagepartei, dass das Versorgungsamt im Schreiben vom … April 2018 ausgeführt habe, dass die Heilungsbewährung sechs Jahre betragen würde, zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens aber erst 4,5 Jahre vergangen seien, begründen keine Zweifel an der festgestellten MdE von 10 v.H.
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Auch sieht das Gutachten vom … Januar 2023 des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, welches auf Grund des Beweisbeschlusses des Gerichts vom 31. August 2022 eingeholt wurde, einen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen der somatoformen Schmerzstörung und dem als Dienstunfall anerkannten Plattenepithelkarzinom aus dem Jahr 2015 als nicht gegeben. Weiter wird in dem Gutachten festgestellt, dass die leichtgradig depressive Symptomatik und die Erschöpfungssymptome aus gutachterlicher Sicht nicht durch die als Dienstunfall anerkannten Erkrankungen und deren Folgen verursacht wurden. Zusammenfassend stellt das Gutachten fest, dass ein wesentlicher Ursachenzusammenhang der auf psychiatrischem Fachgebiet diagnostizierten Erkrankungen mit den als Dienstunfall anerkannten dermatologischen Erkrankungen nicht besteht und nicht bestand und eine dienstunfallabhängige Minderung der Erwerbsfähigkeit auf psychiatrischem Fachgebiet nicht gegeben ist. Das Gutachten des Bezirkskrankenhauses ist schlüssig und in sich stimmig. Die gezogenen Schlussfolgerungen überzeugen.
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b) Die von dem Kläger gegen die Verwertung des Gutachtens vom … Januar 2023 vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
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Der Kläger führt zwar richtigerweise aus, dass die Versetzung in den Ruhestand formell und materiell Bestandskraft habe und dass das Gutachten vom … Januar 2023 für die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung nicht relevant sei. Streitgegenständlich ist jedoch nicht die Versetzung in den Ruhestand, sondern der Widerruf des Unfallruhegehalts für die Zukunft.
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Auch der Einwand, dass das Gutachten wertlos sei, da auf Grund der langen Dauer der Untersuchung von vier Stunden kein objektives bzw. richtiges Ergebnis zustande gekommen sei, da der Kläger erschöpft gewesen sei, die Fragen nicht verstanden habe und einfach den Mittelwert genommen habe bzw. in Eile eine Antwort gegeben habe, greifen nicht durch. Der Gutachter führt auf Seite 28 seines Gutachtens aus, dass es bei der Persönlichkeitsdiagnostik mittels MMPI erhebliche Hinweise auf bewusste oder unbewusste Antworttendenzen gebe und deshalb die gutachterliche Untersuchung zunächst in ihrer Aussagekraft eingeschränkt sei (Seite 29 des Gutachtens). Aus einer Zusammenschau aller Befunde, der Verhaltensbeobachtung in der Gutachtenssituation, der Hinzuziehung fremdanamnestischer Angaben des Hausarztes und der weiteren vorliegenden Informationen aus den übersandten Akten sei ein sehr verlässliches und valides Bild möglich. Trotz der Antworttendenzen sei deshalb eine gutachterliche Beurteilung zuverlässig möglich (Seite 29 des Gutachtens). Die ungenaue und übereilte Beantwortung der Fragen hatte somit keinen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis der Begutachtung.
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Weiter ist ein Zusammenhang der psychischen Erkrankung mit der dermatologischen Erkrankung im Gutachten der Regierung von Oberbayern vom … Oktober 2018 – wie vom Kläger behauptet – gerade nicht festgestellt worden. Dieses Gutachten stellt gerade keinen Bezug zwischen der Hautkrebserkrankung und der psychischen Erkrankung her. Das Gutachten vom … Januar 2023 steht hierzu nicht in Widerspruch.
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c) Ohne den Widerruf der Gewährung des Unfallausgleichs gem. Art. 52 BayBeamtVG vom 24. Mai 2018 wäre zudem das öffentliche Interesse i.S.d. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG gefährdet.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügt es nicht, dass der Widerruf im öffentlichen Interesse liegt. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Widerruf zur Abwehr einer Gefährdung des öffentlichen Interesses, also zur Beseitigung oder Verhinderung eines sonst drohenden Schadens für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.1993 – 1 B 112.93 – juris Rn. 6).
42
Das öffentliche Interesse umfasst Staat und Gesellschaft und schützt wichtige Gemeinschaftsgüter; dazu gehören – wegen des Grundsatzes der sparsamen Verwaltung öffentlicher Mittel – auch fiskalische Interessen (BVerwG, U.v. 11.2.1982 – 2 C 9.81 -DVBl 1982, 795, juris Rn. 20).
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Die Ermessensausübung im streitgegenständlichen Bescheid weist keine Rechtsfehler auf, § 114 Abs. 1 VwGO i.V.m. Art. 40 BayVwVfG. Auch erscheint der Widerruf nicht unverhältnismäßig. Bereits im Bescheid selbst wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er, nur solange der Zustand der MdE von mindesten 25 v.H. besteht, einen Anspruch auf Unfallausgleich hat. Vertrauensschutz dahingehend, dass der Bescheid vom 24. Mai 2018 nicht wiederrufen werde, lag beim Kläger nicht vor.
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Auch die Jahresfrist des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG ist gewahrt.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.